Urteil des VG Berlin vom 20.01.2009

VG Berlin: allgemeine geschäftsbedingungen, urheberrecht und verwandte schutzrechte, faires verfahren, behörde, rechtsgutachten, anleger, nutzungsrecht, gerichtsverfahren, entschädigung, gutachter

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Gericht:
VG Berlin 2. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 K 89.09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 3 Nr 1g) IFG, § 3 Nr 3b IFG, § 3
Nr 4 IFG, § 15 EAEG, § 43 BRAO
Anspruch auf Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 29.
April 2009 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Einsicht in
das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Ha. vom 19. Dezember 2005 zur Frage eines
Anspruchs der Kunden der P. aus § 781 BGB, §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 ESAEG und
die gutachterliche Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Be. vom 15. Juni 2005
zur Berechnung von Zahlungsansprüchen von Kunden der P. im Rahmen des P.
zu gewähren, mit Ausnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter aber
einschließlich der die P. betreffenden Tatsachen, sowie Ablichtungen für die Klägerin
hiervon zu fertigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Zugang zu zwei Rechtsgutachten, die von der Beklagten zu
Ansprüchen von Anlegern der P. (im Folgenden: Ph.) eingeholt wurden.
Die Ph. ist ein Wertpapierhandelsunternehmen und als Institut der Beklagten
zugeordnet. Sie bot ihren Kunden die Beteiligung an dem Produkt „P.)“ an. Bei dieser
Anlage beteiligten sich die Investoren gemeinsam an Termingeschäften, die die Ph. aber
nicht in dem Umfang durchführte, den sie in den Kontoauszügen gegenüber den
Anlegern darstellte. Vielmehr täuschte sie Geschäftsaktivitäten nur vor und verwendete
neu eingehende Kundengelder für Auszahlungen. Nach dem Tod des
geschäftsführenden Gesellschafters der Ph. informierte die neue Geschäftsführung die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die am 15. März 2005 den
Entschädigungsfall feststellte.
Die Anleger der Ph. konnten innerhalb der einjährigen Anmeldefrist ihre
Entschädigungsansprüche anmelden. Zu der Höhe der Ansprüche holte die Beklagte
zunächst die gutachterliche Stellungnahme des von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalts
Dr. Be. vom 15. Juni 2005 zur Berechnung von Zahlungsansprüchen von Kunden der P.
im Rahmen des „P.“ ein. Der Gutachter stellte das Geschäftsmodell der Ph., deren
Antragsformulare und Vertragsbedingungen (Broschüre M. und Allgemeine
Geschäftsbedingungen) sowie die Informationen für die Anleger über
Kontoentwicklungen / Salden (Einzahlungsbestätigungen, Gutschriften, Kontoauszüge /
Abrechnungen, Saldenbestätigung vom 15. Oktober 2004, Kontoentwicklung) dar und
äußerte sich auf dieser Grundlage zu den vertraglichen Vereinbarungen über die
Bestimmung des Auszahlungsguthabens und zu der Frage, ob ein abstraktes
Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis vorliegt. In vergleichbarer Weise ging Prof.
Dr. Ha. in dem für die Beklagte erstellten Rechtsgutachten vom 19. Dezember 2005 zur
Frage eines Anspruchs der Kunden der P. aus § 781 BGB, §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1
ESAEG vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegten
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ESAEG vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegten
Inhaltsverzeichnisse der Gutachten Bezug genommen.
Die Klägerin meldete im Mai 2005 bei der Beklagten Entschädigungsansprüche an. Mit
Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11. Dezember 2008 beantragte sie
Einsicht in die Rechtsgutachten, soweit sie „neben den Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen der P. keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter“
enthalten, und bat um Mitteilung, wann sie die Akteneinsicht und Fertigung von
Abschriften durch ihren Verfahrensbevollmächtigten vornehmen könne. Die Beklagte
lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20. Januar 2009 mit der Begründung ab, das
Offenlegen der Gutachten könne nachteilige Auswirkungen auf laufende
Gerichtsverfahren haben, die Vertraulichkeit von Beratungen der Behörden
beeinträchtigen und die Verschwiegenheitspflicht aus anderen Gesetzen verletzen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die BaFin mit Widerspruchsbescheid vom 29. April
2009 zurück. Die Widerspruchsbehörde vertrat die Auffassung, der Anspruch auf
Informationszugang sei ausgeschlossen, weil beide Gutachten detaillierte vertrauliche
Informationen über die P. enthielten, die in ihrer Gesamtheit gegen ein unbefugtes
Offenbaren geschützt seien. Insoweit seien die Maßstäbe des Gesetzes über das
Kreditwesen übertragbar, auf dessen Grundlage die BaFin der Beklagten beispielsweise
ein Sondergutachten aus dem Jahre 2003 über die Ph. übermittelt habe. Mit der
Insolvenz sei der Geheimnisschutz für die Ph. nicht entfallen. Ferner stützte sich die
Widerspruchsbehörde auch auf die weiteren von der Beklagten genannten
Ausschlussgründe, wobei sie ausführte, dass die Gutachten erläuterungsbedürftig seien
und ihre isolierte Herausgabe daher zu Spekulationen und Fehlinterpretationen mit
Auswirkungen auf anhängige Gerichtsverfahren und die laufenden Entscheidungen der
Beklagten über Entschädigungen führen könnten.
Die Klägerin hat am 29. Mai 2009 Klage auf Informationszugang erhoben. In dem
Rechtsstreit zwischen den Beteiligten über die Entschädigung war die Klägerin in Höhe
des zuletzt verfolgten Zahlungsanspruchs erfolgreich (Urteil des Landgerichts Berlin vom
24. September 2010 - 20 O 597/09 -).
Die Klägerin meint, Ausschlussgründe lägen nicht vor: Die Sorge, einen Prozess zu
verlieren, sei kein Informationsverweigerungsgrund. Es sei auch nicht erkennbar, dass
die Herausgabe von Ablichtungen der Gutachten Beratungen von Behörden
beeinträchtigen könne. Der Entscheidungsfindungsprozess der Beklagten sei längst
abgeschlossen, da sie bereits Teilentschädigungen gewähre und nunmehr regelmäßig in
den Klageverfahren unterliege. Gründe des Geheimnisschutzes könnten dem Anspruch
nicht entgegenstehen, weil Geheimnisse der Ph. nicht schutzwürdig seien. Dies folge
daraus, dass deren eigentlicher Geschäftszweck als Finanzdienstleistungsunternehmen
darin bestanden habe, kontinuierlich gegen geltendes Recht, insbesondere gegen
schwerwiegende Straftatbestände zu verstoßen und auf diese Weise flächendeckend ihre
Kunden zu betrügen und zu schädigen. Auch der Insolvenzverwalter der Ph. bejahe kein
Geheimhaltungsinteresse und habe unter dem 29. Juni 2005 und 5. Oktober 2005
ausführlich über deren Geschäftsbetrieb berichtet. Im Übrigen ergebe sich aus der dem
Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) zu Grunde liegenden
Richtlinie, dass die Information der Anleger ein wesentlicher Bestandteil des
Anlegerschutzes sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 29.
April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Einsicht in die folgenden
Unterlagen zu gewähren mit Ausnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Dritter (ausgenommen die P.):
- das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Ha. vom 19. Dezember 2005 zur Frage eines
Anspruchs der Kunden der P. aus § 781 BGB, §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 ESAEG,
- die gutachterliche Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Be. vom 15. Juni 2005
zur Berechnung von Zahlungsansprüchen von Kunden der P. im Rahmen des P.
sowie darüber hinaus die Beklagte zu verpflichten, Ablichtungen der Gutachten
zu fertigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie trägt unter Bezugnahme auf die vorgelegten Inhaltsverzeichnisse vor:
Bei den Gutachten handele es sich um Sachgesamtheiten, die von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen der Ph. in einer Weise durchdrungen seien, dass bei einer
Unkenntlichmachung der schützenswerten Belange ein Informationszugang auf diesem
Weg nicht mehr erfolgen könne. Grundlage der Gutachten seien „Unternehmensdaten
der Ph., Antragsunterlagen einzelner Anleger, Allgemeine Geschäftsbedingungen der
Ph., Kontoauszüge individueller Kunden, Berichte des Wirtschaftsprüfers der Ph. sowie
Berichte und andere Unterlagen des Insolvenzverwalters“. Die Gutachten enthielten
vertrauliche Informationen über den Geschäftsbetrieb der Ph., die bislang auch von dem
Insolvenzverwalter nicht zugänglich gemacht worden seien. Bei dem Gutachten von
Rechtsanwalt Dr. Be. stehe einem Informationszugang auch die anwaltliche
Verschwiegenheitspflicht entgegen, die uneingeschränkt alles erfasse, was dem
Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sei. Durch den
Informationszugang würden auch die Durchführung der laufenden Gerichtsverfahren und
innerbehördliche Beratungen beeinträchtigt. Die Gutachter verneinten nach eingehender
Prüfung der relevanten Unterlagen und Unternehmensdaten der Ph. die
Entschädigungsfähigkeit der in Abrechnungen und „Kontoauszügen“ ausgewiesenen
Scheingewinne und bildeten damit die wesentliche Grundlage für die Entscheidungen
[ihre Entscheidungen] über Entschädigungsanträge von Anlegern der Ph.. Die
Entschädigungen würden von den Anlegern im Regelfall akzeptiert und jedenfalls seien
Klagen von Anlegern auf eine höhere Entschädigung überwiegend erfolglos geblieben. In
einem für sie erfolgreichen Musterverfahren sei die Revision beim BGH anhängig; mit
einer Entscheidung werde in der zweiten Jahreshälfte 2011 gerechnet. Solange diese
Entscheidung noch nicht vorliege, könne weiterhin der behördliche
Entscheidungsprozess durch den Informationszugang beeinträchtigt werden, da sie
regelmäßig ihre Entscheidungspraxis anhand von Gerichtsentscheidung unter
Zuhilfenahme der Gutachten überprüfe. Der Anspruch auf Informationszugang müsse
die Wertungen des jeweiligen Prozessrechts und den Anspruch auf ein faires Verfahren
berücksichtigen und könne nur für solche Informationen gelten, die auf der Grundlage
des geltenden Beweisrechts in einen Zivilprozess eingeführt werden könnten. Sie könne
daher nicht gezwungen werden, die in den Gutachten erwogenen rechtlichen Argumente
offenzulegen, um dadurch den Prozessgegner in seiner Prozessführung zu begünstigen.
Zudem bestehe die Gefahr, dass bei einem Informationszugang einzelne Argumente
aus den Gutachten herausgegriffen würden, um in einer öffentlichen Diskussion über die
Richtigkeit der vorliegenden Entscheidungen unangemessenen Druck auf die Gerichte
und die beteiligten Richter auszuüben. Die Gutachten könnten auch nicht offengelegt
werden, weil sie der unmittelbaren Vorbereitung von Entscheidungen dienten. Soweit
Gutachten regelmäßig nicht als vorbereitende Maßnahmen anzusehen seien, liege hier
eine Ausnahme vor, denn die Rechtsgutachten könnten nach ihrem Zweck, eine
Entscheidung vorzubereiten, nicht vom weiterhin erforderlichen
Entscheidungsfindungsprozess losgelöst werden. Ferner stehe dem Anspruch entgegen,
dass es sich bei den Gutachten um urheberrechtlich geschützte Werke handele, deren
Verfasser die Nutzungsrechte nicht an die Beklagte übertragen hätten. Insoweit zeige
auch die Regelung des Informationsfreiheitsgesetzes zum Schutz des geistigen
Eigentums, dass in der Übergabe der Werke keine konkludente Übertragung von
Nutzungsrechten liegen könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die Ablehnung der begehrten
Informationsgewährung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; sie hat
Anspruch auf Einsicht in die im Tenor näher bezeichneten Unterlagen (§ 113 Abs. 5 Satz
1 VwGO).
1. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 des
Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG). Danach hat jeder nach Maßgabe dieses
Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu
amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses
Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen; amtliche
Information im Sinne dieses Gesetzes ist jede amtlichen Zwecken dienende
Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung (§ 2 Nr. 1 Satz 1 IFG).
Bei der Beklagten handelt es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG.
Der Behördenbegriff des Informationsfreiheitsgesetzes entspricht nach dem Willen des
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Der Behördenbegriff des Informationsfreiheitsgesetzes entspricht nach dem Willen des
Gesetzgebers demjenigen des § 1 Abs. 4 VwVfG (vgl. BT-Drs. 15/ 4493, S. 7; Urteile der
Kammer vom 7. Juni 2007 - VG 2 A 130.06 - und des OVG Berlin-Brandenburg vom 6.
November 2008 - OVG 12 B 50.07 -, beide: Juris). Danach ist als Behörde jede Stelle
anzusehen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Dem
Verwaltungsverfahrensgesetz liegt ein materieller Verwaltungsbegriff zugrunde, der
durch die klassische Negativklausel, Verwaltung sei die Tätigkeit außerhalb von
Rechtsetzung und Rechtsprechung, umschrieben wird (vgl. Schmitz in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 1 Rn. 165).
In diesem Sinne handelt die Beklagte bei der Entschädigung von Anlegern als Behörde.
Sie ist ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes, das bei der Kreditanstalt für
Wiederaufbau eingerichtet ist und im Rechtsverkehr handeln, klagen oder verklagt
werden kann (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 Einlagensicherungs- und
Anlegerentschädigungsgesetz - EAEG -). Bei der ihr durch § 6 Abs. 3 EAEG
zugewiesenen Aufgabe, im Entschädigungsfall die Gläubiger eines ihnen zugeordneten
Instituts zu entschädigen, nimmt sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (vgl. dazu BT-
Drs. 13/10188, S. 17, und VG Berlin, Beschluss vom 1. Juli 2009 - VG 1 K 74.09 -; OVG
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2009 - OVG 1 L 65.09 -, BVerfG,
Beschluss vom 10. März 2010 - 1 BvR 2582/09 - ) eine Verwaltungsaufgabe wahr. Die
von der Beklagten zur Erfüllung ihrer Entschädigungsaufgabe eingeholten und zu den
Vorgängen genommen Gutachten dienen daher auch amtlichen Zwecken im Sinne des
§ 2 Nr. 1 Satz 1 IFG.
2. Dem Anspruch der Klägerin stehen keine Ausschlussgründe entgegen. Die Beklagte
hat sich insoweit auf § 3 Nr. 1 Buchst. g), Nr. 3 Buchst. b) und Nr. 4 IFG i.V.m. § 15 EAEG
u.a. und § 43 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie auf § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG und §
6 Satz 1 IFG berufen. Maßstab für die Prüfung von Ausschlussgründen ist zunächst, ob
deren Vorliegen plausibel dargelegt ist; dabei müssen die Angaben nicht so detailliert
sein, dass Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber
so einleuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen
geprüft werden kann (vgl. Urteil der Kammer vom 10. September 2008 – VG 2 A 167.06
– m.w.N.). Dabei muss die Behörde für jede einzelne Information darlegen, aus welchen
Gründen sie vom Informationszugang ausgeschlossen werden soll. Es ist grundsätzlich
nicht möglich, bestimmte Arten von Dokumenten als "Sachgesamtheiten" allein auf
Grund ihrer typischen Eigenschaften und üblichen Fassung ohne Feststellung ihres
konkreten Inhalts insgesamt vom Informationszugang auszunehmen (vgl. zur
Verschwiegenheitspflicht nach 9 Abs. 1 Satz 1 KWG: Hess. VGH, Beschluss vom 30. April
2010 - 6 A 1341/09 - Juris). Die Beklagte konnte in diesem Sinne nicht substantiiert und
nachvollziehbar darlegen, dass die Voraussetzungen der vorgenannten Vorschriften
erfüllt sind.
a. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn
das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf die
Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein
faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher
oder disziplinarischer Ermittlungen. Das Gerichtsverfahren als Teil der Rechtspflege soll
vor Beeinträchtigungen durch das Bekanntwerden verfahrensrelevanter Informationen
geschützt werden. Es soll sichergestellt werden, dass die Gerichte das laufende
Gerichtsverfahren unter Einhaltung der jeweils einschlägigen Prozessordnung und unter
Wahrung der verfassungsmäßigen Verfahrensrechte der Parteien führen können. Die
Beteiligten, d. h. auch die öffentliche Hand, sollen ihre prozessualen Rechte
gleichberechtigt wahrnehmen können. Hierzu zählt auch die Fähigkeit, über den
Streitgegenstand frei disponieren zu können. Ebenso wird die Befugnis der Beteiligten
geschützt, im Rahmen der jeweiligen Verfahrensordnungen darüber verfügen zu können,
ob und in welchem Umfang sie Dritten Informationen über Gegenstand und Inhalte des
von ihnen geführten Gerichtsverfahrens zugänglich machen (vgl. Urteil der Kammer vom
11. Juni 2008 - VG 2 A 69.07 -,).
Dies bedeutet indes nicht, dass die öffentliche Hand Informationen zurückhalten kann,
die der Bürger benötigt, um etwa in einem Amtshaftungsprozess die Rechtswidrigkeit
staatlichen Handelns nachzuweisen (vgl. Urteil der Kammer vom 26. Juni 2009 - VG 2 A
62.08 -, m.w.N.). Daher sind entgegen der Ansicht der Beklagten die Vorschriften der
Zivilprozessordnung über die Darlegungs- und Beweislast nicht auf den Anspruch auf
Informationszugang zu übertragen. Denn § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG dient nicht dem Schutz
der öffentlichen Hand vor Klagen der Bürger (vgl. Berger/Roth/Scheel, IFG, § 3 Rn. 72),
sondern schützt die Rechtspflege vor nachteiligen Beeinträchtigungen, die jedenfalls
nicht eintreten können, wenn zusätzliche Informationen dazu führen, dass ein
Zivilgericht ein materiell richtiges Urteil fällen kann (vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 89, m.w.N.).
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Zivilgericht ein materiell richtiges Urteil fällen kann (vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 89, m.w.N.).
Den aus der Aktenkenntnis möglicherweise resultierenden Vorteil, besser vortragen zu
können, weil der Bürger die der Behörde vorliegenden Umstände kennt, hat die Beklagte
aufgrund ihrer besonderen Bindung an Gesetz und Recht hinzunehmen (vgl. zu § 9 Abs.
1 Satz 2 IFG Berlin: Urteil der Kammer vom 7. Oktober 2010 - VG 2 A 71.10 -). Daher
kommt es nicht darauf an, ob in den Gutachten Rechtsansichten vertreten werden, die
der Klägerin noch nicht bekannt sind, und die sie daher ohne den streitbefangenen
Informationszugang nicht in ein zivilgerichtliches Verfahren einbringen könnte. Selbst
wenn dies der Fall sein sollte, kann es sich jedenfalls nicht nachteilig auf die durch § 3 Nr.
1 Buchst. g IFG geschützte Rechtspflege auswirken, wenn die Entscheidungsfindung des
Zivilgerichts durch zusätzliche Argumente auf eine breitere Basis gestellt werden
könnte.
b. Nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn
die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Zweck der Vorschrift ist es, einen
unbefangenen und freien Meinungsaustausch innerhalb der Behörde zu gewährleisten. §
3 Nr. 3 Buchst. b IFG schützt nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen
Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin
den eigentlichen Vorgang des Überlegens; die Tatsachengrundlagen und die Grundlagen
der Willensbildung sind ebenso wie das Ergebnis der Willensbildung nicht von § 3 Nr. 3
Buchst. b IFG geschützt (vgl. Urteil der Kammer vom 22. Oktober 2008 – VG 2 A 114.08
– m.w.N.). Daher scheidet dieser Ausschlussgrund schon deshalb aus, weil es sich bei
den schriftlichen Gutachten nur um eine Beratungsgrundlage handeln kann, die von der
Behörde zur Entscheidungsfindung durch die dazu berufenen Beschäftigten eingeholt
wurde. Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess innerhalb der Behörde können
die Gutachten schon deshalb nicht zulassen, weil sie von behördenexternen
Sachverständigen verfasst wurden, die nicht unmittelbar zur Entscheidung berufen sind.
Unabhängig davon dürfte es sich auf die Beratungen bei der Beklagten nicht behindernd
oder hemmend auswirken können, wenn außenstehende Dritte vom Inhalt der
Gutachten Kenntnis erlangen. Ob das Bekanntwerden der fraglichen Informationen
solche Auswirkungen haben kann, muss notwendigerweise prognostiziert werden, wobei
an die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung umso geringere Anforderungen zu stellen
sind, je größer und folgenschwerer die möglicherweise eintretende Beeinträchtigung ist.
Dies wiederum bemisst sich insbesondere nach dem Gewicht des öffentlichen Interesses
an einem ungestörten Verlauf des in Frage stehenden behördlichen
Willensbildungsprozesses (vgl. auch dazu Urteil der Kammer vom 22. Oktober 2008 – VG
2 A 114.08 – m.w.N.). Auf dieser Grundlage spricht schon der Zeitablauf dagegen, dass
Beratungen der Beklagten noch negativ beeinflusst werden könnten. Die Beklagte hat
bereits die grundlegende Entscheidung getroffen, dass sie den betroffenen Anlegern
Teilentschädigungen gewähren wird, und sie hat sich festgelegt, welche Faktoren sie bei
der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt. Diese Entscheidung setzt die
Beklagte nunmehr durch Mitteilungen über die Höhe der Teilentschädigungen um und
sie verteidigt sich in Klageverfahren gegen Antragsteller, die eine höhere Entschädigung
begehren.
c. Nach § 3 Nr. 4 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die
Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten
Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen
Amtsgeheimnis unterliegt.
§ 3 Nr. 4 IFG regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Informationsfreiheitsgesetz
und Vorschriften, die eine Geheimhaltungspflicht anordnen, sei es in Form von
Berufsgeheimnissen, besonderen Amtsgeheimnissen oder der Einstufung einer
Information als Verschlusssache. Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten
werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim
(vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 -, Juris). Die Beklagte hat
auch insoweit nicht plausibel gemacht, dass die Rechtsgutachten Informationen
enthalten, die als Amtsgeheimnisse durch § 15 Satz 1 EAEG und § 9 Abs. 1 des
Kreditwesengesetzes (KWG) / § 8 des Wertpapierhandelsgesetzes (WphG) bzw. als
anwaltliches Berufsgeheimnis durch § 43a BRAO geschützt sind.
Nach § 15 Satz 1 EAEG dürfen Personen, die bei der Entschädigungseinrichtung
beschäftigt oder für sie tätig sind, fremde Geheimnisse, insbesondere Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten. In vergleichbarer
Weise bestimmen § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG und gleichlautend § 8 Abs. 1 Satz 1 WphG, dass
die bei der Bundesanstalt beschäftigten Personen die ihnen bei ihrer Tätigkeit
bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder
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bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder
eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt
offenbaren oder verwerten dürfen. Ein solches unbefugtes Offenbaren oder Verwerten
liegt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 KWG insbesondere dann nicht vor, wenn Tatsachen
an eine Entschädigungseinrichtung weitergegeben werden, soweit diese die
Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. In diesem Fall gilt gemäß § 9 Abs. 1
Satz 5 KWG die Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG für die bei der
genannten Stelle beschäftigten Personen entsprechend.
Maßgeblich ist nach diesen Vorschriften übereinstimmend, dass es sich bei den
geschützten Geheimnissen Dritter um Tatsachen, insbesondere um Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse handeln muss. Als solche Geheimnisse werden allgemein alle auf
ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht
offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren
Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (BVerwG, Urteil vom
28. Mai 2009 – BVerwG 7 C 18.08 -). Danach bestehen hier auf der Grundlage des
Vorbringens der Beklagten unter Berücksichtigung der Inhaltsverzeichnisse der beiden
Gutachten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gutachter Erkenntnisse über die Ph.
verwertet haben, die nicht bereits von der Ph. selbst öffentlich gemacht wurden oder die
jedenfalls seit der Insolvenz der Ph. offenkundig sind. Das (betrügerische)
Geschäftsmodell der Ph. ist Gegenstand einer Vielzahl von Darstellungen, die sich im
Internet abrufen lassen (vgl. z.B. http://de.wikipedia.org/…), und der Insolvenzverwalter
der Ph. hat sich in seinen - auch der Klägerin bekannten - Berichten vom 29. Juni 2005
und 5. Oktober 2005 gegenüber dem Insolvenzgericht ausführlich dazu geäußert, in
welchen Geschäftsbereichen die Ph. tätig war, welche Vereinbarungen sie mit den
Anlegern getroffen hat und welche Wertpapiergeschäfte tatsächlich durchgeführt oder
nur vorgetäuscht wurden.
Die Kammer kann den Inhaltsverzeichnissen der Gutachten entnehmen, dass die
Gutachter nur solche Unterlagen der Ph. verwendet haben, die von der Ph. selbst der
Öffentlichkeit oder jedenfalls ihren Anlegern zugänglich gemacht wurden. Einer
Beweiserhebung über den genauen Inhalt der Gutachten bedarf es auch unter
Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht, da die
Beklagte nicht darlegen konnte, welche weiteren Informationen in den Gutachten
dargestellt werden, die nicht bereits offenkundig sind. Die von den Gutachtern
verwendeten Erkenntnisquellen werden in dem Gutachten des Rechtsanwalts Dr. Be.
unter „II. Tatsächliches“ und in dem Gutachten des Prof. Dr. Ha. unter A. I.
„Sachverhalt“ im Wesentlichen übereinstimmend dargestellt. Danach lagen den beiden
Gutachtern als Unterlagen zur Bestimmung des Gegenstandes der Verträge der Ph. mit
ihren Anlegern die Broschüre „M. und die Allgemeine Geschäftsbedingungen der Ph. vor.
Ferner haben sie sich für ihre rechtlichen Erwägungen auf Informationen für die Anleger
über Kontoentwicklungen / Salden bezogen und dabei die Einzahlungsbestätigungen,
Gutschriften, Kontoauszüge / Abrechnungen und die Saldenbestätigung genannt.
Insoweit ergibt sich aus den von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten Anlagen
ohne weiteres, dass ihr die Struktur und der übliche Inhalt dieser Unterlagen auch aus
ihren eigenen Anlagekonten bei der Ph. bekannt sind.
Zusätzlich ergibt sich aus der Fragestellung der Gutachten, dass es in erster Linie um
die rechtliche Einordnung von Willenserklärungen der Ph. geht, die diese gegenüber ihren
Anlegern abgeben hat. Das Gutachten des Rechtsanwalts Dr. Be. enthält unter der
Überschrift „Rechtliches“ die Untergliederungen „1. Vertragliche Vereinbarungen über
die Bestimmungen des Auszahlungsguthabens“ und „2. Abstraktes Schuldversprechen
oder Schuldanerkenntnis?“, wobei jeweils auf die vorgenannten Unterlagen Bezug
genommen wird. Im Gutachten von Prof. Dr. Ha. wird unter „I. Zur Frage eines
Anspruchs aus § 781 BGB“ ebenfalls auf „die von Ph. übersandten Dokumente“ Bezug
genommen, und unter „II. Zur Frage eines Anspruchs aus §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 ESAEG in
Bezug auf fingierte Gewinne“ wird die allgemein bekannte Erkenntnis verwendet, dass
die Kontounterlagen für die Anleger Gewinne ausweisen, die von Ph. tatsächlich nicht
erzielt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass das von der BAFin im Widerspruchsbescheid
angesprochene Sondergutachten aus dem Jahre 2003 über die Ph. Grundlage für die
streitbefangenen Gutachten war, ergeben sich aus den Inhaltsverzeichnissen nicht. Auch
in der mündlichen Verhandlung ließen die Vertreter der Beklagten die Frage
unbeantwortet, welche Erkenntnismittel die Gutachter darüber hinaus verwendet haben
könnten.
Im Übrigen wäre jedenfalls ein berechtigtes Interesse des Rechtsträgers am Schutz
interner Informationen zu verneinen. Ein solches Interesse besteht nach der
Rechtsprechung der Kammer, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist,
exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich
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exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich
zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu
beeinflussen (vgl. Urteil vom 26. Juni 2009 - VG 2 A 62.08 -, Juris, m.w.N.). Infolge der
Insolvenz kann diese Situation hier nicht mehr vorliegen. Selbst wenn die Eröffnung des
Konkursverfahrens den Geheimnisschutz nicht generell entfallen lässt (vgl. VG Frankfurt
am Main zu § 9 KWG: Urteil vom 28. Januar 2009 -7 K 4037/07.F - Juris), kann jedenfalls
bei Ph. ein Geheimhaltungsinteresse bezogen auf eine Geschäftstätigkeit, die
durchgehend auf Straftaten basiert, nicht schutzwürdig sein (so VG Frankfurt am Main,
Urteil vom 12. März 2008 -7 E 5426/06 - Juris).
Für die in § 43a Abs. 2 BRAO geregelte Verschwiegenheitspflicht von Rechtsanwalt Dr.
Be. gilt im Ergebnis nichts anderes. Der Rechtsanwalt ist gemäß § 43a Abs. 2 Satz 1
BRAO zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich nach § 43a Abs. 2
Satz 2 BRAO auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies
gilt jedoch gemäß § 43a Abs. 2 Satz 3 BRAO nicht für Tatsachen, die offenkundig sind
oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Informationen, die
Rechtsanwalt Dr. Be. von der Beklagten erhalten hat, sind nur dann
geheimhaltungspflichtig, wenn diese Informationen durch die Beklagte geheim gehalten
werden müssen. Dies ist – wie ausgeführt – hier nicht der Fall.
d. Der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG ist nicht gegeben. Nach dieser
Vorschrift soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu
Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung,
soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der
Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Insoweit
regelt § 4 Abs. 1 Satz 2 IFG, dass Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder
Stellungnahmen Dritter regelmäßig nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung
nach Satz 1 dienen. Bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass Gutachten
nur unter besonderen Umständen geschützt sein können, wobei nach der
Gesetzesbegründung eine Ausnahme in Verfahren der Forschungs- und Kulturförderung
bis zum Abschluss des Verfahrens geboten sein kann (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14).
Solche aus dem Gegenstand des Verfahrens abgeleiteten Gründe zeigt die Beklagte
indes nicht auf. Sie argumentiert vielmehr mit dem Zweck der Gutachten, eine
behördliche Entscheidung vorzubereiten, die jedoch Beweisergebnissen und Gutachten
typischerweise innewohnt, denn sonst wäre es überflüssig, sie einzuholen. Im Übrigen
konnte die Beklagte nicht plausibel machen, welche Entscheidungen noch vorbereitet
werden.
e. Der Anspruch auf Informationszugang besteht nach § 6 Satz 1 IFG nicht, soweit der
Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Der Begriff des „geistigen Eigentums“
erfasst den gewerblichen Rechtsschutz (Markenrecht, Patentrecht, Gebrauchs- und
Geschmacksmusterrecht) und das Urheberrecht (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14). Das
Urheberrecht schützt nach §§ 1 und 2 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte
Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz – UrhG) jedes Werk der Literatur, Wissenschaft und
Kunst. Zu den geschützten Werken gehören insbesondere Sprachwerke, wie
Schriftwerke, Reden und Computerprogramme (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Die Gutachten
können daher grundsätzlich urheberrechtlichen Schutz genießen. Bei der Beurteilung
eines wissenschaftlichen Werkes ist allerdings zu beachten, dass die wissenschaftliche
Lehre, ihr Sprachgebrauch und die Ergebnisse, zu denen sie gelangt, urheberrechtlich
frei und jedermann zugänglich sind (vgl. Urteile der Kammer vom 22. Oktober 2008 – VG
2 A 60.08 – und – VG 2 A 29.08 – m.w.N. aus der Rechtsprechung zum Urheberrecht;
vgl. zu rechtswissenschaftlichen Gutachten auch KG, Urteil vom 30. Mai 2005 - 26 U
14/04 -, Juris).
Es kann hier dahinstehen, ob es sich bei den beiden streitbefangenen Gutachten um
urheberrechtlich geschützte Werke handelt. Denn jedenfalls ist ausgeschlossen, dass
Rechte ihrer Verfasser verletzt werden, wenn die Klägerin Kenntnis von dem Inhalt der
Gutachten erlangt. Durch den Anspruch auf Informationszugang, insbesondere das
Recht auf Fertigung von Kopien, werden vor allem das Vervielfältigungsrecht nach § 16
UrhG und das Verbreitungsrecht nach § 17 UrhG berührt (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14).
Auch das Erstveröffentlichungsrecht gemäß § 12 UrhG kann betroffen sein (vgl. dazu
Schoch, IFG, § 6 Rn. 32). Der Schutz dieser Rechte steht dem Informationszugang
jedoch nicht entgegen, wenn die Verfasser der Gutachten der Behörde entsprechende
Nutzungsrechte eingeräumt haben. Die Beklagte hat ihrem eigenen Vorbringen zufolge
keine Vereinbarung mit den Gutachtern über Nutzungsrechte getroffen. Daher
beantwortet sich gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 und 1 UrhG die Frage, ob ein Nutzungsrecht
eingeräumt wird, ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht
handelt, wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht reichen und welchen Einschränkungen
das Nutzungsrecht unterliegt, nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten
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das Nutzungsrecht unterliegt, nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten
Vertragszweck. Nach dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden
Übertragungszweckgedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem
Umfang Nutzungsrechte ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert; dies bedeutet,
dass im Allgemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die
für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 29. April
2010 - I ZR 68/08 - Juris).
Die hier streitbefangenen Gutachten wurden nach dem Vorbringen der Beklagten gegen
Entgelt angefertigt, um der Beklagten die grundlegenden rechtlichen Erkenntnisse zu
verschaffen, die sie zur Entscheidung über Ansprüche der Anleger in dem
Entschädigungsfall Ph. benötigt. Sie dienen der Beklagten ferner vereinbarungsgemäß
zur Fertigung der Begründungen ihrer Entscheidungen gegenüber den Antragstellern.
Die Beklagte hat auch in dem vorliegenden Verfahren wiederholt die besondere
Bedeutung der Rechtsgutachten als Grundlage für ihre Entscheidungen und deren
Begründung betont. Dieser umfassende Zweck der entgeltlich gefertigten Gutachten
lässt sich ersichtlich nur erreichen, wenn die Beklagte unbeschränkt durch verbleibende
Rechte der Verfasser jederzeit auf die Gutachten zugreifen und deren Inhalte als eigene
Erklärungen gegenüber Dritten verwenden kann. Ein solches Nutzungsrecht erfasst dann
aber grundsätzlich auch das Recht der Behörde zur Informationsgewährung nach dem
Informationsfreiheitsgesetz (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 23. Juni 2010 - 7 K 1424/09.F -,
Seite 28 des Urteilsabdrucks; Berger/Roth/Scheel, IFG, § 6 Rn. 11). Denn dabei handelt
es sich um einen – wenn auch untergeordneten – Teil der Aufgabenstellung der Behörde,
für deren Zwecke die Gutachten gefertigt wurden. Soweit die Beklagte meint, allein aus
der Übergabe eines Gutachtens folge keine Übertragung von Nutzungsrechten (so auch
Schoch, IFG, § 6 Rn. 36; Rossi, IFG, § 6 Rn. 55), mag dies zutreffen, wenn keine
vertraglichen Beziehungen zwischen der Behörde und dem Verfasser des Gutachtens
bestehen, beispielsweise wenn das Gutachten für einen Bürger verfasst wurde, der das
Gutachten mit seinen Antragsunterlagen der Behörde vorlegt. Hier jedoch handelt es
sich um Gutachten, die auf vertraglicher Grundlage und gegen Entgelt für eine Behörde
für deren Zwecke und deren Aufgabenerfüllung erstellt wurden und bei denen sich daher
aus dem Vertragszweck auch die Übertragung von Nutzungsrechten ergibt.
f. Aus den bereits dargelegten Gründen steht dem Anspruch der Klägerin auch der
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch § 6 Satz 2 IFG nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidungen über die
vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO, § 708
Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.
Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des § 6 Satz 1 IFG
(Übertragung von Nutzungsrechten bei Rechtsgutachten, die im Auftrag einer Behörde
gegen Entgelt erstellt worden sind) grundsätzliche Bedeutung hat.
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