Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: anerkennung, europäische konvention, schwedisch, zugang, qualifikation, hochschulstudium, gleichwertigkeit, berechtigung, schulausbildung, behörde

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Gericht:
VG Berlin 3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 347.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 61 SchulG BE, Art 1 Nr 1
EuRZeugnKonv, Art 1 Nr 4a
EuRZeugnKonv, Art 4 GII070712
Die Anerkennung eines schulischen Abschlusses; Zulassung
zum Hochschulstudium; Schweden
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag des 36jährigen Klägers, ihm für das vorliegende Klageverfahren
Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war abzulehnen, weil die Klage, mit der er die
Verpflichtung des Beklagten erstrebt, die ihm in Schweden von der VHS (Verket för
högskoleservice – National Admissions Office to Higher Education) ausgestellte
Äquivalenzbewertung seiner ausländischen (deutschen) gymnasialen Schulbildung vom
20. April 2009 für die Zulassung zum Hochschulstudium als eine dem Abitur
gleichwertige Hochschulzugangsberechtigung anzuerkennen, keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 Abs. 1 ZPO).
Zwar ist bei dem zur Beurteilung der Erfolgsaussicht anzulegenden Maßstab zu
beachten, dass diese Prüfung nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung selbst in das
summarische Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorzuverlegen.
Insbesondere wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhalts ernstlich in Betracht
kommt und sich nicht mit großer Wahrscheinlichkeit prognostizieren lässt, dass diese
Aufklärung zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, kommt die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe in Betracht (vgl. BVerfG Beschl. v. 8. Dezember 2009 – 1 BvR
2733/06; Beschl. v. 14. April 2003 – 1 BvR 1998/02, beide zitiert nach juris.). Diese
Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Der Bescheid vom 22. Juli 2009 ist nach
summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dem Kläger, der die deutsche und die schwedische Staatsangehörigkeit inne hat, wurde
unter dem 21. Mai 1996 von dem R. Gymnasium Osnabrück nach 12 Schuljahren der
schulische Teil der Fachhochschulreife mit der Durchschnittsnote 3,4 bescheinigt. Den
berufsbezogenen Teil der Fachhochschulreife erwarb der Kläger nicht. Nachdem er in
Schweden im Rahmen der Erwachsenenbildung im Jahr 2007 den Kurs „Schwedisch als
Fremdsprache B“ (Kursumfang 100 Stunden) absolviert hatte (vgl. „
“ vom 5. Mai 2007), dem der erfolgreiche Besuch des Kurses
„Schwedisch als Fremdsprache A“ sowie des Kurses „Schwedisch für Einwanderer“
voraus gegangen war, bescheinigte ihm die VHS, die in Schweden
Gymnasialausbildungen für die Zulassungsvoraussetzungen bewertet und für
schwedische und ausländische Studienbewerber zentral die Vergabe von Studienplätzen
regelt, mit Schreiben vom 20. April 2009 („
) unter Berücksichtigung dieses
Sprachkurses sowie seiner durch das Schulzeugnis nachgewiesenen Kenntnisse in
Englisch, dass seine Schulausbildung ihm die „grundlegende Berechtigung außer im
Schwedischen“ gebe. Seine gymnasiale Schulausbildung gebe ihm die „besondere
Berechtigung“ in den Fächern Deutsch Stufe 7, Gemeinschaftskunde Kurs A, Physik Kurs
A, Sport Kurs A, Geschichte Kurs A, Mathematik Kurs E und Chemie Kurs B. Mit weiterem
Schreiben vom 20. April 2009 bestätigte die VHS dem Kläger die (bedingte) Erfüllung der
grundlegenden Voraussetzungen für die Aufnahme eines Studiums in Schweden („
“).
Rechtsgrundlage für die begehrte Gleichwertigkeitsentscheidung ist § 61 Abs. 1
Schulgesetz. Danach bedarf ein schulischer Abschluss, eine andere schulische Leistung
oder eine Studienbefähigung, der oder die außerhalb Berlins erworben wurde, der
Anerkennung durch die Schulaufsichtsbehörde, soweit die Anerkennung im Land Berlin
nicht durch Verwaltungsvereinbarung oder Staatsverträge geregelt ist. Die Anerkennung
ist dann zu erteilen, wenn die Abschlüsse, schulischen Leistungen oder
Studienbefähigungen den Anforderungen an die durch Gesetz oder aufgrund dieses
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Studienbefähigungen den Anforderungen an die durch Gesetz oder aufgrund dieses
Gesetzes vorgesehene Abschlüsse oder Studienberechtigungen entsprechen
(Gleichwertigkeit). Die Anerkennung kann von zusätzlichen Leistungsnachweisen
abhängig gemacht werden.
Unstreitig vermittelt dem Kläger weder der in Deutschland erworbene schulische Teil der
Fachhochschulreife noch der absolvierte Sprachkurs in Schwedisch eine
Studienberechtigung für Fachhochschulen bzw. eine (fachgebundene)
Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland.
Der Beklagte hat die Gleichwertigkeitsfeststellung unter Bezugnahme auf entsprechende
Bewertungsvorschläge der Zentralstelle für ausländische Bildungsabschlüsse (ZaB) des
Sekretariats der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland abgelehnt, denen zufolge es in Schweden keinen Abschluss
der „Allgemeinen Hochschulreife“, sondern ein zweistufiges Anforderungssystem gebe:
Die „grundlegenden Zulassungsanforderungen“ stellten sehr maßvolle inhaltliche
Anforderungen dar, die nur den Zugang zu einer Reihe von Einzelkursen (keinen
Studiengängen) und zu einer äußerst geringen/beschränkten Zahl von
Vollstudiengängen vermittelten. Die nächst höhere Anforderungsstufe seien die
„fachspezifischen Zulassungsanforderungen“, die in Abhängigkeit von dem gewählten
Studiengang zu erfüllen seien. Erst wenn die Summe aller Anforderungen
fachspezifischer Art (einschließlich der grundlegenden Anforderungen) erfüllt sei, könne
eine Hochschulzugangberechtigung für alle Fächer geprüft werden. Die VHS habe für
den von dem Kläger in Deutschland absolvierten schulischen Teil der Fachhochschulreife
unter Hinzuziehung des Sprachkurses in Schwedisch lediglich eine Äquivalenzbewertung
mit dem Ergebnis vorgenommen, dass er die „grundlegenden
Zulassungsanforderungen“ sowie einzelne studienfachspezifische Anforderungen erfülle,
so dass ihm der Zugang zu den entsprechenden schwedischen Bildungseinrichtungen
eröffnet sei. Zutreffend hat der Beklagte im Ergebnis die Gleichwertigkeitsfeststellung
mit der Begründung verneint, es fehle an der Vorlage eines im Sinne der
Bewertungsvorschläge der ZaB bewertbaren originären schwedischen Abschluss- bzw.
Reifezeugnisses; bei den vorgelegten Bescheinigungen der schwedischen VHS handele
es sich um die Äquivalenzbewertung einer schwedischen Behörde, deren Äquivalenz
nicht ihrerseits erneut bewertet werden könne.
Die Orientierung an diesen Bewertungsvorschlägen entspricht der ständigen, von der
Kammer grundsätzlich gebilligten Praxis des Beklagten (vgl. zur Maßgeblichkeit der
Bewertungsvorschläge auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Oktober 2000 –
VGH 9 S 2236.00 –, NVwZ-RR 2001, 104). Nach der hier nur möglichen summarischen
Prüfung erscheinen die – dem Klagebegehren entgegenstehenden –
Bewertungsvorschläge der ZaB nachvollziehbar und widerspruchsfrei, zumal die ZaB auf
Veranlassung des Beklagten unter dem 11. Mai 2009 auch eine individuelle Prüfung in
Bezug auf die vom Kläger vorgelegten, seine Schulausbildung betreffenden Unterlagen
vorgenommen hat.
Soweit sich der Kläger auf die in bundesdeutsches Recht transformierte europäische
Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse vom 11. Dezember 1953
(EuRZeugnKonv; BGBl. II 1955, 600) beruft, die für Deutschland am 3. März 1955 und für
Schweden am 27. Mai 1960 in Kraft getreten ist, ergibt sich hieraus nichts anderes. Nach
Artikel I Nr. 1 der Konvention ist ein Zeugnis grundsätzlich schon dann als einer in
Deutschland erworbenen Hochschulzugangsberechtigung gleichwertig anzuerkennen,
wenn es im Ausstellungsland die Studienberechtigung vermittelt. Es ist deshalb nicht zu
prüfen, ob der im Ausland erworbene Bildungsabschluss auch materiell dem deutschen,
einen Hochschulzugang vermittelnden Bildungsabschluss gleichwertig ist (vgl. VG
Stuttgart, Urteil vom 9. Oktober 2003 – 4 K 4733/01 –, NVwZ-RR 2004, 582 ff.). Nach Art.
4 a) EuRZeugnKonv sind mit dem Ausdruck „Zeugnis“ im Sinne der Konvention alle
Zeugnisse, Bescheinigungen oder sonstigen Urkunden – ohne Rücksicht auf die Form
der Erteilung oder Registrierung –, gemeint, die dem Inhaber bzw. dem Beteiligten das
Recht verleihen, seine Zulassung zu einer Universität zu beantragen. Bei der
ausgestellten Bescheinigung der VHS vom 20. April 2009 handelt es sich jedoch nicht
um ein Zeugnis im vorgenannten Verständnis. Denn ersichtlich sind hier nur im
Heimatland erworbene Bildungsabschlüsse und Qualifikationen gemeint, die einem
Studienbewerber in seinem Heimatland die Berechtigung erteilen, die Zulassung zu
einer Universität oder Hochschule anzustreben (vgl. hierzu auch die Erklärung über die
Anwendung der Europäischen Konvention Nr. 15, 1953 über die Gleichwertigkeit der
Reifezeugnisse unter II. 1 b); www.eu-
info.de/static/common/files/save/1253/0.414.1.de.pdf nicht jedoch
Anerkennungsbescheinigungen auf der Grundlage dieser Konvention selbst – wie die von
der VHS ausgestellte Äquivalenzbewertung vom 20. April 2009. Das weitere Schreiben
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der VHS ausgestellte Äquivalenzbewertung vom 20. April 2009. Das weitere Schreiben
vom selben Tag ( ) fasst diese Bewertung nur noch
zusammen, trifft jedoch keine eigene Entscheidung, so dass auch dies kein Zeugnis im
Sinne der Konvention darstellt. Der Kläger wird insoweit nicht anders behandelt als ein
(nur) schwedischer Staatsangehöriger mit demselben (deutschen) Bildungsabschluss.
Auch aus Art. 4 des Übereinkommens über die Anerkennung von Qualifikationen im
Hochschulbereich in der Europäischen Region (sog. Lissabon-Konvention) vom 11. April
1997, das in Deutschland erst im Jahr 2007 in Kraft getreten ist (Gesetz zu dem
Übereinkommen vom 11. April 1997 über die Anerkennung von Qualifikationen im
Hochschulbereich in der europäischen Region vom 16. Mai 2007, BGBl. 2007 II, S. 712)
kann der Kläger einen Anerkennungsanspruch nicht herleiten. Nach Art. IV.1 erkennt
jede Vertragspartei für den Zweck des Zugangs zu den zu ihrem Hochschulsystem
gehörenden Programmen die von den anderen Vertragsparteien ausgestellten
Qualifikationen an, welche die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zur
Hochschulbildung in diesen Staaten erfüllen, sofern nicht ein wesentlicher Unterschied
zwischen den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen in der Vertragspartei, in der die
Qualifikation erworben wurde, und denen in der Vertragspartei, in der die Anerkennung
der Qualifikation angestrebt wird, nachgewiesen werden kann. Dabei definiert das
Übereinkommen in seinem Art. I.B. als „Qualifikation, die den Zugang zur
Hochschulbildung ermöglicht“ jedes von einer zuständigen Behörde ausgestellte
Zeugnis, das den erfolgreichen Bildungsabschluss eines Bildungsprogramms bescheinigt
und den Inhaber der Qualifikation berechtigt, hinsichtlich der Zulassung zur
Hochschulbildung in Betracht gezogen zu werden. An ersterem, nämlich einem Zeugnis
in diesem Sinne fehlt es dem Kläger wie bereits ausgeführt jedoch. Zwischen den
allgemeinen Hochschulzugangsvoraussetzungen in Schweden und in Deutschland ist
nach oben Gesagtem wegen der schwedischen Unterscheidung zwischen allgemeinen,
fachunabhängigen Zugangsvoraussetzungen und fachspezifischen
Zugangserfordernissen zudem ein wesentlicher Unterschied feststellbar, da eine
Zugangsberechtigung für alle Studiengänge fehlt, im Unterscheid zur allgemeinen
Hochschulzugangsberechtigung, die in Deutschland verliehen wird.
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