Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: studienordnung, kultur, verfügung, hochschule, globalisierung, zahl, medien, amtsblatt, universität, ausbildung

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Gericht:
VG Berlin 3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 A 475.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 VwGO,
mit dem die vorläufige Zulassung zum Studium der Sozial- und Kulturanthropologie
(Bachelor) im 1. Fachsemester an der Freien Universität Berlin (Antragsgegnerin) vom
Wintersemester 2008/2009 an erstrebt wird, hat keinen Erfolg. Die im vorliegenden
einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein gebotene und mögliche summarische Prüfung
ergibt zwar, dass in den oben genannten Studiengängen über die in der
Zulassungsordnung der Antragsgegnerin für das Wintersemester 2008/2009 (ABl. der
Antragsgegnerin Nr. 29/2008 vom 10. Juli 2008) festgesetzte Zulassungszahl von 40
hinaus weitere Studienplätze vorhanden sind (I.). Da die Antragsgegnerin aber im Wege
der Überbuchung bereits 50 Studienplätze vergeben hat, steht für den Antragsteller kein
Studienplatz zur Verfügung (II).
I. Die der Festsetzung der Zulassungszahlen zugrunde liegende Kapazitätsberechnung
beruht auf der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und
die Festsetzung von Zulassungszahlen - KapVO - vom 10. Mai 1994 (GVBl. S. 186),
zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2004 (GVBl. S. 119). Die aufgrund
dieser Vorschriften von der Antragsgegnerin zum Berechnungsstichtag 1. April 2008
vorgenommene Ermittlung der Aufnahmekapazität hält einer Überprüfung zwar nicht in
vollem Umfang stand, dies wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus.
1. Zur Ermittlung des unbereinigten Lehrangebots nach §§ 8 und 9 KapVO ist von den
der Lehreinheit zugewiesenen Planstellen des Lehrpersonals auszugehen. Die
Antragsgegnerin hat ihrer Kapazitätsberechnung für die hier maßgebliche Lehreinheit
Ethnologie am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften folgende Ausstattung mit
wissenschaftlichem Lehrpersonal (Bestand an verfügbaren Stellen, § 8 KapVO) zugrunde
gelegt:
- 3 Stellen für Professoren (C 3/ C 4)
- 2 Stellen für Juniorprofessoren (W 1)
- 2 Stellen für befristet vollzeitbeschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter (BAT II a)
- 2 Stellen für befristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter mit 1/2-Stellen (BAT II
a)
Die Regellehrverpflichtung des hauptamtlichen Lehrpersonals beträgt nach der
Lehrverpflichtungsverordnung i.d.F. vom 22. Oktober 2008 (GVBl. S 294) – LVVO - für
Professoren 9 Lehrveranstaltungsstunden (LVS), für Juniorprofessoren für die Dauer der
ersten Phase des Dienstverhältnisses 4 LVS, für vollzeitbeschäftigte wissenschaftliche
Mitarbeiter mit befristeten Verträgen (Qualifikationsstellen) 4 LVS und für Beschäftigte
mit halber Stelle 2 LVS.
a) Im Vergleich zur letzten der Kammer vorliegenden Kapazitätsberechnung für das
Wintersemester 2004/2005 ist die BAT II a-Stelle 151218 weggefallen; dies ist
kapazitätsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Streichung trägt den aus dem
Kapazitätserschöpfungsgebot (Art. 12 Abs. 1 GG) resultierenden Anforderungen an
einen rationalen und grundrechtskonformen Planungs- und Abwägungsprozess
hinreichend Rechnung. Mit der im Nachtragshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2008
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hinreichend Rechnung. Mit der im Nachtragshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2008
vorgenommenen Streichung der im Haushaltsplankapitel 08 - Sonderkapitel
(Personalmanagementliste) - aufgeführten nicht besetzten bzw. frei gewordenen o.g.
Stelle hat das gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 BerlHG zuständige Kuratorium der
Antragsgegnerin durch Beschluss 148/2008 vom 4. April 2008 (der der Kammer mit den
Kapazitätsunterlagen für den Studiengang Politikwissenschaft vorgelegt wurde)
ausweislich der Begründung des Beschlusses die Strukturplanung der Antragsgegnerin
mit Zeithorizont 2009 umgesetzt. Damit wurde auf die vom Akademischen Senat der
Antragsgegnerin sowie vom Kuratorium mit Zeithorizont 2009 beschlossene Struktur-
und Entwicklungsplanung Bezug genommen, die unter anderem deshalb notwendig
geworden war, weil die Antragsgegnerin durch den (mit dem Land Berlin bestehenden)
Hochschulvertrag 2006 - 2009 Zuschusskürzungen erfahren hat, durch die sie sich zu
einem erheblichen Stellenabbau gezwungen sieht. Dass diese Stellenstreichungen auf
einem Abwägungsprozess beruhen, in den – bezogen auf jedes an der Antragsgegnerin
vertretene Fach – sowohl die durch das Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG bestimmten
Belange künftiger Studienbewerber als auch die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten
Belange der Antragsgegnerin einbezogen wurden, hat die Kammer bereits in ihren
Beschlüssen vom 15. Mai 2006 (VG 3 A 115.06 u.a. - zu Wirtschaftswissenschaften) und
vom 20. November 2006 (VG 3 A 494.06 u.a. - zu Psychologie) dargelegt.
b) Nach dem Ausscheiden der Stelleninhaberin steht der Lehreinheit auch die ihr
befristet für eine Besetzungsperiode zugeteilte Frauenförderstelle 65224 (C 2) nicht
mehr zur Verfügung. Bedenken hiergegen bestehen nicht.
c) Kapazitätsneutral und damit nicht zu beanstanden ist der Tausch der W 1-Stelle
150640, die der Lehreinheit Politikwissenschaft zur Verfügung gestellt wurde, mit der W
1-Stelle 151138, die die Lehreinheit Ethnologie als Ausgleich erhalten hat.
d) Der im Internetauftritt des Instituts für Ethnologie als sonstiger Mitarbeiter und
Koordinator des Bachelor-Studiengangs Sozial- und Kulturanthropologie benannte Herr
S. hat nach den glaubhaften Angaben der Antragsgegnerin keine Lehrverpflichtung. Er
war zwar ursprünglich zu ½ Inhaber der im Stellenplan aufgeführten wissenschaftlichen
Mitarbeiterstelle 151199, ist nunmehr (seit dem 1. Oktober 2008) aber auf einer anderen
Stelle als sonstiger Mitarbeiter beschäftigt.
e) Ob die Antragsgegnerin die halbe BAT II a-Stelle ohne Stellennummer, die der
Lehreinheit seit dem 1. Oktober 2008 zur Verfügung steht und mit Frau R. besetzt ist
(vgl. Schriftsatz vom 15. Januar 2009), gemäß § 5 Abs. 2 oder Abs. 3 KapVO hätte
berücksichtigen müssen, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen.
9 Stellen
47LVS
2. Lehrverpflichtungsverminderungen sind nicht geltend gemacht worden.
3. Lehraufträge wirken sich im Ergebnis nicht kapazitätserhöhend aus. Gemäß § 10 Satz
1 KapVO werden als Lehrauftragsstunden die Lehrveranstaltungsstunden in die
Berechnung einbezogen, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs.
1 KapVO in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern
(Sommersemester 2007 und Wintersemester 2007/08) im Durchschnitt je Semester zur
Verfügung gestanden haben (also auch tatsächlich durchgeführt wurden) und nicht auf
einer Regellehrverpflichtung beruhen. Nach den von der Antragsgegnerin eingereichten
Aufstellungen wurden im Sommersemester 2007 im Umfang von 12 LVS und im
Wintersemester 2007/08 im Umfang von 8 LVS Lehraufträge erteilt und durchgeführt.
Keinen Bedenken begegnet es, dass die Antragsgegnerin die von den Mitarbeitern des
Ethnologischen Museums angebotenen Lehrveranstaltungen im Umfang von 4 SWS
(Sommersemester 2007) bzw. 2 SWS (Wintersemester 2007/2008) dabei nicht
berücksichtigt hat. Denn gemäß § 10 Satz 3 KapVO werden Lehrveranstaltungsstunden
nicht einbezogen, soweit Personal außeruniversitärer Forschungseinrichtungen freiwillig
und unentgeltlich Lehrleistungen übernimmt. Zu Recht nicht berücksichtigt hat die
Antragsgegnerin auch die in den beiden Bezugssemestern angebotenen
Lehrveranstaltungen im Umfang von insgesamt 21 LVS, die ausschließlich den
auslaufenden Magisterstudiengang betrafen und weder zu den Pflichtveranstaltungen
des Bachelorstudienganges noch des Masterstudienganges gehören (vgl. die
Stellungnahmen der Koordinatorin des Masterstudienganges am Institut für Ethnologie
in Anlage 2 des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2009 und dem
Schriftsatz vom 28. Januar 2009). Dem liegt Folgendes zugrunde: Neben dem
Lehrangebot aufgrund der Stellenausstattung sind gemäß § 10 KapVO nur diejenigen
Lehrveranstaltungsstunden als zusätzliches Lehrdeputat in die Kapazitätsberechnung
einzustellen, die (durchschnittlich in den Bezugssemestern) für den Betreuungsaufwand
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einzustellen, die (durchschnittlich in den Bezugssemestern) für den Betreuungsaufwand
nach § 13 Abs. 1 KapVO zur Verfügung standen. Da auch das so ermittelte (zusätzliche)
Lehrdeputat Maßstab für die Aufnahmekapazität von Studienanfängern des jetzigen
Bachelorstudienganges sein soll, darf es nur aus solchen Lehrveranstaltungen
hergeleitet werden, die sich als Pflicht- oder Wahlpflichtveranstaltungen auch in dem für
sie maßgeblichen Curricular(norm)wert wiederfinden. Anderenfalls würde die (künftige)
Aufnahmekapazität an der Ausstattung mit Lehrauftragsstunden gemessen werden, die
in diesem Umfang nur dem auslaufenden (in der Regel umfangreicheren) Studiengang
geschuldet war.
Die Verrechnung der im Sommersemester 2007 und Wintersemester 2007/08
angefallenen Lehrauftragsstunden mit dem Lehrangebot, das in diesen Semestern
wegen Stellenvakanzen entfallen war (§ 10 Satz 2 KapVO), ist gleichfalls nicht zu
beanstanden. Diese Vakanzen belaufen sich auf jeweils 15 LVS in den
Bezugssemestern. Da das auf unbesetzte Stellen entfallende Lehrdeputat in diesen
Semestern das Volumen an vergebenen Lehrauftragsstunden deutlich überstieg,
bestehen keine Bedenken, entsprechend der Rechtsprechung der Kammer (ebenso OVG
Berlin, Beschlüsse vom 2. März 2000 - 5 NC 1.00 - Wintersemester 1999/2000 - und vom
22. September 2000 - 5 NC 19.00 - Humanmedizin FU Sommersemester 2000) ohne
nähere Prüfung davon auszugehen, dass der erforderliche sachliche Zusammenhang
zwischen Vakanzen und der Vergabe von Lehraufträgen bestand.
4. Titellehre fand nach den Angaben der Antragsgegnerin in den beiden
Bezugssemestern nicht statt.
47 LVS
5. Dieses Lehrangebot vermindert sich gemäß § 11 KapVO ( Dienstleistungsexport )
wegen der Belastung der Lehreinheit Ethnologie mit Ausbildungsverpflichtungen für die
ihr nicht zugeordneten Studiengänge:
Der Dienstleistungsbedarf wird nach der Formel 2 in der Anlage 1 der KapVO 1994 E= ∑
q CA q X Aq /2 berechnet, wobei Aq für die Anzahl der jährlichen Studienanfänger des
der Lehreinheit nicht zugeordneten Studiengangs (§ 11 Abs. 2 KapVO) steht. Die
Lehreinheit Ethnologie bietet Studentinnen und Studenten anderer Kombinations-
Bachelorstudiengänge zur Ergänzung ihres Kernfachstudiums sogenannte Modulpakete
im Umfang von 60 bzw. 30 Leistungspunkten.
a) 60 LP Modulangebot
Nach § 14 der „Studienordnung für den Bachelorstudiengang Sozial- und
Kulturanthropologie sowie das 60- und 30-Leistungspunkte-Modulangebot in Sozial- und
Kulturanthropologie an der Freien Universität Berlin“ (Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr.
84/2005 vom 19. Dezember 2005) in der Fassung der Ersten Ordnung zur Änderung der
Studienordnung (Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 73/2007 vom 22. November 2007)
sind im Rahmen des 60-LP-Modulangebots sechs Module zu absolvieren. Die beiden
Module der Grundlagenphase (vgl. § 14 Abs. 1 StO) sowie das Modul „Sozialstruktur und
Wirtschaft“ werden von der Lehreinheit Ethnologie angeboten. „Ethnographien“ bietet
sie zusammen mit den Lehreinheiten Lateinamerikastudien und Musikwissenschaft an;
die Lehreinheiten sind nach den Angaben der Antragsgegnerin jeweils zu einem Drittel
an der Ausbildung in diesem Modul beteiligt. Das Modul „Kultur, Medien und
Globalisierung“ wird zur Hälfte von der Lehreinheit Ethnologie angeboten, die andere
Hälfte sowie das Modul „Kosmologie und lokales Wissen“ vom Lateinamerikainstitut. Der
von der Antragsgegnerin anhand eines Beispielstudienplans errechnete Curricularanteil
(0,5001) war hinsichtlich der zugrunde gelegten Gruppengrößen teilweise zu korrigieren.
Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin bei den
Anrechnungsfaktoren und angesetzten Betreuungsrelationen offenbar den Vorgaben der
Entschließung des 204. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz vom 14. Juni 2005
(„Empfehlung zur Sicherung der Qualität von Studium und Lehre in Bachelor- und
Masterstudiengängen“), III. Abschnitt (Berechnung des Lehraufwands), S. 5 ff., folgt.
Denn damit wird den besonderen Anforderungen der im Zuge der Einführung einer
gestuften Studienstruktur zunehmend eingerichteten Bachelorstudiengänge Rechnung
getragen. Diese Anforderungen, die zu einer Reduzierung der Abbrecherquoten und zu
kürzeren Studienzeiten führen sollen, zielen auf eine Intensivierung der Ausbildung, die
nach den Vorstellungen der HRK (a.a.O.) wiederum nur durch Lehrveranstaltungen mit
kleineren Gruppengrößen und einer Ausweitung des Anteils dieser Lehrveranstaltungen
am Curriculum zu erreichen ist. Allerdings vermochte die Kammer der Antragsgegnerin
nicht dahin zu folgen, dass sie für Seminare in den Modulen „Ethnographien“ und
„Kultur, Medien und Globalisierung“ eine Gruppengröße von (nur) 15 zugrunde legt. Für
Seminare empfiehlt die Hochschulrektorenkonferenz eine Teilnehmerzahl in einer
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Seminare empfiehlt die Hochschulrektorenkonferenz eine Teilnehmerzahl in einer
Spanne von 15 bis 30. Nach Auffassung der Kammer ist dabei – entsprechend der
üblichen Praxis der Antragsgegnerin – zwischen Seminaren mit eher einführendem
Charakter (z.B. Einführungs-, Überblicks-, Proseminare) mit einer anzusetzenden
Gruppengröße von 30 und Veranstaltungen mit stark vertiefendem Charakter (Haupt-
bzw. Vertiefungsseminare) mit 15 Teilnehmern zu differenzieren. Denn schon nach
Anlage 2 der nicht mehr in Kraft befindlichen KapVO II unterschieden sich Haupt- und
Proseminare dadurch, dass für erstere 15 und für letztere 60 Teilnehmer anzusetzen
waren. Ursprünglich bildeten die Module „Ethnographien“ und „Kultur, Medien und
Globalisierung“ die sogenannte Vertiefungsphase (vgl. § 14 Abs. 3 StO a.F.); als
Veranstaltungsformen waren Hauptseminare vorgesehen (vgl. die Modulbeschreibungen
in Anlage 1 der StO a.F.). Diese Veranstaltungsform wie auch die Vertiefungsphase als
solche hat die Antragsgegnerin jedoch mit der Ersten Ordnung zur Änderung der
Studienordnung (a.a.O.) abgeschafft; die beiden Module zählen nach § 14 Abs. 2 StO
n.F. nunmehr neben den Modulen „Sozialstruktur und Wirtschaft“ und „Kosmologie und
lokales Wissen“ zur sogenannten Aufbauphase. Ein nachvollziehbarer Grund dafür, in
den Modulen „Ethnographien“ und „Kultur, Medien und Globalisierung“ abweichend von
den anderen Modulen der Aufbauphase, bei denen von 30 Seminarteilnehmern
ausgegangen wird, Gruppengrößen von nur 15 zugrunde zu legen, ist somit nicht (mehr)
ersichtlich. Es errechnet sich ein insoweit korrigierter Curricularanteil von 0,3889.
Multipliziert mit der durch 2 geteilten Studienanfängerzahl (hier entsprechend dem
Ansatz der Antragsgegnerin die Zahl der im Wintersemester 2007/2008 im 60-LP-
Modulpaket immatrikulierten Studienanfänger) ergibt sich ein Dienstleistungsabzug von
6,4168 LVS
b) 30-LP-Modulpaket
Nach § 17 der Studienordnung n.F. sind im Rahmen des 30-LP-Modulangebots die
beiden Module der Grundlagenphase und ein Modul der Aufbauphase zu absolvieren. Für
die Grundlagenmodule errechnet sich - insoweit dem Ansatz der Antragsgegnerin
folgend - ein Curricularanteil von 0,1889. Bei den Modulen der Aufbauphase, von denen
die Antragsgegnerin nur eines in Ansatz gebracht hat, weil nur eines von vieren zu
wählen ist, war die Gruppengröße zu korrigieren (vgl. oben), so dass sich ein
Curricularanteil von 0,0444 ergibt. Bei 37 Studienanfängern im Wintersemester
2007/2008 errechnet sich ein Dienstleistungsabzug von (0,1889 + 0,0444 = 0,2333 x
[Aq/2 = 18,5]) = 4,3161 (Ansatz der Antragsgegnerin: 5,14).
Das bereinigte Lehrangebot beträgt danach (47 LVS – 6,4168 LVS – 4,3161 LVS =)
36,2671 LVS.
6. Dem so errechneten Lehrangebot ist die Lehrnachfrage des einzelnen Studierenden
in der Lehreinheit Ethnologie gegenüber zu stellen. Die Lehrnachfrage wird ausgedrückt
durch den Curricularnormwert (CNW), der den in Deputatstunden gemessenen Aufwand
aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung eines
Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist, bestimmt (§ 13 Abs. 1 Satz
1 KapVO). Für das 90 LP umfassende Kernfach des Bachelorstudienganges Sozial- und
Kulturanthropologie, für den in der Anlage 2 zur KapVO (noch) kein CNW festgesetzt
worden ist, hat die Antragsgegnerin anhand eines Beispielstudienplans einen
lehreinheitsspezifischen Curricularwert von 0,7223 ermittelt. Dies ist grundsätzlich nicht
zu beanstanden, da die Antragsgegnerin hierbei anhand eines Beispielstudienplans
sämtliche Lehrveranstaltungen einbezogen hat, die den gemäß § 8 dieser
Studienordnung und in detaillierten Modulbeschreibungen (Anlage 1 der
Studienordnung) erläuterten Pflichtmodulen zugeordnet sind, und da sie bei den für die
einzelnen Lehrveranstaltungsarten verwendeten Anrechnungsfaktoren und angesetzten
Betreuungsrelationen offenbar weitgehend den Vorgaben der
Hochschulrektorenkonferenz (a.a.O.) gefolgt ist. Neben den Gruppengrößen der
Seminare in den Modulen „Ethnographien“ und „Kultur, Medien und Globalisierung“ (vgl.
oben) ist aber zu beanstanden, dass bei dem sprachpraktischen Modul „Sprachen“, das
aus zwei Sprachkursen besteht (vgl. § 9 Abs. 3 StO und die Modulbeschreibung in Anlage
1 zur StO), ein Anrechnungsfaktor von 1 statt – wie von der HRK empfohlen – 0,5
zugrunde gelegt wurde. Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb bei dem sogenannten
„Vertiefungskurs“ im Modul „Fachsprachliche Kompetenz“ eine Gruppengröße von nur
15 und ein Anrechnungsfaktor von 1 angesetzt wurde. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 der
Studienordnung n.F. dienen Vertiefungskurse der Erarbeitung sprachlicher Grundlagen
des Bachelorstudiengangs und fördern auf der Grundlage von vertiefenden Gesprächen
und Textlektüre das Verständnis fachrelevanter Begriffe und Themen. Nach dieser
Beschreibung handelt es sich der Sache nach um einen praktischen Kurs im Sinne der
Empfehlungen der Hochschulrektorenkonferenz, für den diese eine Gruppengröße von
20 (-25) und einen Anrechnungsfaktor von 0,5 vorsieht. Es errechnet sich so ein
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20 (-25) und einen Anrechnungsfaktor von 0,5 vorsieht. Es errechnet sich so ein
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Entscheidungserheblichkeit konnte dahinstehen, ob der Curricularwert noch um weitere
0,004 nach unten zu korrigieren ist, weil 8 Prozent der Studienanfänger im
sprachpraktischen Modul Sprachkurse gewählt hat, die weder von der Lehreinheit noch
vom Lateinamerikainstitut angeboten werden, so dass die Lehreinheit Ethnologie nur 46
% (statt 50%) dieses Moduls erbringt.
7. Da der Lehreinheit Ethnologie neben dem Bachelorstudiengang auch der
gleichnamige Masterstudiengang zugeordnet ist, muss zunächst ein gewichteter
Curricularanteil beider Studiengänge gebildet werden.
Den auf diesen Masterstudiengang entfallenden Curriculareigenanteil hat die
Antragsgeg-nerin mangels eines entsprechenden Normwertes ebenfalls mittels eines
Beispielstudien-plans anhand der Masterstudienordnung vom 16. April 2008 (FU-
Mitteilungen Nr. 30/2008 vom 10. Juli 2008) offenbar gleichfalls den Vorgaben der
Hochschulrektorenkonferenz folgend ermittelt. Gegen die dabei zugrunde gelegten
Gruppengrößen und Anrechnungsfaktoren bestehen keine Bedenken. Insbesondere
ergibt sich der unterschiedliche Ansatz der Gruppengrößen für Seminare in den
Kernmodulen und den Profilstudienbereichen hier aus § 6 Nr. 1 und 2 der
Studienordnung; danach handelt es sich bei Seminaren des Profilstudienbereichs um
eine andere Lehrform als bei Seminaren des Kernstudienbereichs. Im Ergebnis ist der
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Bei der Ermittlung des gewichteten Curricularanteils für die in der Lehreinheit
zusammengefassten Studiengänge sind die von der Hochschule festgesetzten
Anteilquoten zu berücksichtigen, mittels derer sie die Verteilung der vorhandenen
Aufnahmekapazität auf die einzelnen Studiengänge vornimmt. Diese „Widmung“ der
Ausbildungskapazität für bestimmte Studiengänge ist grundsätzlich - solange sie nicht
willkürlich und „kapazitätsvernichtend“ erfolgt (Bahro/Berlin, a.a.O., § 12 KapVO Rdn. 3) -
vom Gericht zu beachten. Materielle Kriterien hält die KapVO insoweit nicht bereit. Nach
ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. Beschlüsse vom 19. Februar 2004 - VG 3 A
1564.03 u.a. - Politikwissenschaft FU - und 13. Dezember 2005 - VG 3 A 414.05 u.a. -
Wirtschaftskommunikation FHTW - ) ist es sachgerecht, für die Bemessung der jeweiligen
Anteilquote auf die Zahl der Studienanfänger bzw. die insoweit festgesetzte
Zulassungszahl eines der Lehreinheit zugeordneten Studiengangs im Verhältnis zu der
entsprechenden Zahl der anderen derselben Lehreinheit zugeordneten Studiengänge
abzustellen. Gerade wenn die Hochschule für diese Studiengänge Zulassungszahlen
festsetzt, darf die darin zu Ausdruck gebrachte Verteilung der Ausbildungskapazität der
Lehreinheit nicht in Widerspruch zu der sich aus der Anteilquotenbildung ergebenden
Verteilung stehen, insbesondere dann nicht, wenn eine hohe Anteilquote für einen
Studiengang mit vergleichsweise niedriger Zulassungszahl nicht durch einen
entsprechend höheren Curricularanteil dieses Studiengangs zu rechtfertigen wäre.
Ein Missverhältnis zwischen Zulassungszahl und Anteilquote liegt hier zwar nicht vor, da
die Antragsgegnerin die Zulassungszahl für den Bachelorstudiengang auf 40 und für den
Masterstudiengang auf 30 (ABl. der Antragsgegnerin Nr. 29/2008 vom 10. Juli 2008) und
die Anteilquoten auf 0,58 und 0,42 festgesetzt hat. Allerdings hat sich die Prognose der
Antragsgegnerin hinsichtlich der Nachfrage nach dem Masterstudiengang als unrichtig
erwiesen, da sich nur 14 Studierende im Masterstudiengang immatrikuliert haben und
somit 16 Studienplätze unbesetzt geblieben sind. Von einer willkürlichen und
„kapazitätsvernichtenden“ Festsetzung ist gleichwohl nicht auszugehen, da der
Masterstudiengang erst zum laufenden Wintersemester eingeführt wurde und die
fehlende Auslastung des Masterstudienganges vor diesem Hintergrund nicht absehbar
war. Das Einschreibeverhalten im Masterstudiengang wird die Antragsgegnerin jedoch in
Zukunft bei der Festsetzung der Anteilquoten und der Zulassungszahlen zu
berücksichtigen haben.
Es errechnet sich nach der Formel 4 der Anl. 1 zur KapVO folgender gewichteter
Curricularanteil:
Studiengang
CNW bzw.
Curricularanteil
Anteilquote
Sozial- und Kultur-
anthropologie/
Bachelor
0,6002
0,58
0,3481
Sozial- und Kultur-
anthropologie/ Master
1,5889
0,42
0,6673
31
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33
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36
1,0154
7. Bei Verdopplung des bereinigten Lehrangebots, Division durch den gewichteten
Curriculareigenanteil (Formel 5 der Anlage 1 zur KapVO 1994) und anschließender
Multiplikation mit der für den Bachelorstudiengang festgelegten Anteilquote ergibt sich
für diesen Studiengang eine Basiszahl von (36,2671LVS X 2 : 1,0154 X 0,58 =) 41,4318.
8. Diese Basiszahl ist um eine Schwundquote zu erhöhen (§ 14 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 16
KapVO). Der von der Antragsgegnerin geschätzte Schwund von 0,9 erscheint bei
summarischer Prüfung nicht beanstandenswert, zumal er höher und damit
kapazitätsfreundlicher ist als der nach dem Hamburger Modell ermittelten und von der
Antragsgegnerin nachgereichten Schwundfaktor von 0,9119. Dass aufgrund der
nachgereichten konkreten Schwundberechnung gemäß § 5 Abs. 3 KapVO eine
Neuberechnung bzw. -festsetzung zu erfolgen habe, hat die Antragsgegnerin nicht
geltend gemacht, so dass weiterhin der geschätzte Schwundfaktor zugrunde zu legen
ist. Die Basiszahl dividiert durch diesen Schwundfaktor ergibt eine Zahl von 45,4346,
45 Studienplätze
II. Angesichts der tatsächlich von der Antragsgegnerin im Wege der Überbuchung
eingeschriebenen Zahl von 50 Studenten (vgl. die jeweils als „Zulassungsstatistik“
bezeichneten Einschreibestatistiken der Antragsgegnerin vom 8. Oktober 2008 und 3.
Dezember 2008) ist kein freier Studienplatz mehr verfügbar.
Diese Überbuchung muss sich die Antragstellerin/der Antragsteller auch entgegenhalten
lassen. Zwar ist die Antragsgegnerin grundsätzlich an die von ihr beschlossenen
Zulassungszahlen gebunden; nach § 7 Abs. 4 der Berliner
Hochschulzulassungsverordnung vom 19. Februar 2001 (GVBl. S. 54) ist ihr aber im
Interesse einer vollständigen und zügigen Ausschöpfung der festgesetzten Kapazität
unter Berücksichtigung des Einschreibeverhaltens der Studienbewerber eine
Überbuchung der Zulassungszahlen erlaubt. Die Besetzung von Studienplätzen jenseits
der festgesetzten Kapazität verletzt keine Rechte der die Zulassung eines
„außerkapazitären“ Studienplatzes begehrenden Bewerber, wenn die Hochschule diese
Plätze im Haupt- oder Nachrückverfahren nach den vergaberechtlichen Kriterien vergibt.
Die kapazitäts- und vergaberechtlichen Vorschriften gehen von dem Grundgedanken
aus, dass bei pflichtgemäßer Kapazitätsermittlung alle vorhandenen Studienplätze in
das Vergabeverfahren einbezogen werden, um in verfassungskonformer Weise zu
gewährleisten, dass zum Einen kein Studienplatz unbesetzt bleibt und zum Anderen
durch die Zugrundelegung einheitlicher und sachgerechter Auswahlkriterien eine im
Sinne des Gleichheitssatzes möglichst gerechte Auswahl unter den prinzipiell
gleichberechtigten Bewerbern vorgenommen wird. Ausschließlich dann, wenn infolge
unzureichender Kapazitätsermittlung vorhandene Studienplätze nicht in das
Vergabeverfahren einbezogen worden sind und bei Einhaltung der normativ
vorgegebenen Verteilungsmaßstäbe ungenutzt blieben und unwiederbringlich verloren
gingen, tritt die vorrangige Berücksichtigung berechtigter Studienbewerber zurück und
ist, um ein mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbares Ergebnis zu vermeiden, einem gegen die
Hochschule klagenden Bewerber ein freier Studienplatz unabhängig von seiner
Rangziffer zu erteilen (OVG Berlin, Beschluss vom 26. Juli 2001 – OVG 5 NC 13.01 – und
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Oktober 2005 – OVG 5 NC 107.05 m.w.N.).
Soweit durch dieses Vorgehen auch später vom Gericht aufgedeckte, über die von der
Hochschule zuvor festgesetzte Aufnahmekapazität hinausgehende Plätze vergeben
worden sind, begegnet dies grundsätzlich solange keinen rechtlichen Bedenken, wie
nicht Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dies in einem den bisherigen
Erfahrungen widersprechenden Umfang etwa rechtsmissbräuchlich mit der Absicht
erfolgt sein könnte, die Erfolgsaussichten von klagenden Studienbewerbern zu
verringern. Derlei Hinweise sind jedoch nicht erkennbar.
III. Das Rechtsschutzbegehren nach Zuweisung eines das erstrebte Kernfach Sozial- und
Kulturanthropologie ergänzenden Moduls ist nach dem mit der Eingangsbestätigung des
Gerichts ergangenen Hinweis, dass der auf Vergabe eines Studienplatzes außerhalb der
festgesetzten Aufnahmekapazität gerichtete Rechtsstreit grundsätzlich nur für das
Kernfach geführt werden kann, nicht weiterverfolgt worden. Es wäre auch erfolglos
geblieben; denn nach 5 Abs. 1 Satz 2 der Satzung für Studienangelegenheiten der
Freien Universität Berlin (Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 41/2005 vom 15. Juli 2005,
S. 2) kommt die Registrierung für ein ergänzendes Modul erst im Falle der Zulassung
zum Kernfach in Betracht. Auf diese besteht aber, wie oben ausgeführt, kein Anspruch.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf
§§ 39 ff., 52 f. GKG.
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