Urteil des VG Berlin vom 17.12.2004

VG Berlin: inbetriebnahme, verzicht, unternehmen, anwendungsbereich, zahl, unterliegen, vorverfahren, akzessorietät, gefährdung, belastung

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Gericht:
VG Berlin 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 A 275.06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 BImSchG, § 8 ZuG 2007, §
12 ZuG 2007 , § 7 Abs 11 ZuG
2007, § 5 ZuG 2007
Analoge Anwendung des § 8 ZuG 2007
Tenor
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides der Deutschen
Emissionshandelsstelle vom 17. Dezember 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 8. Mai 2006 verpflichtet, den Antrag
der Klägerin auf Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode 2005
bis 2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten
für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung der Zuteilung von Emissionsberechtigungen
nach Maßgabe der §§ 5 und 4 Abs. 4 des Zuteilungsgesetzes (ZuG) 2007.
Sie betreibt in (…) eine Anlage zur Herstellung (…). Auf Antrag vom 20. September 2004
bewilligte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 17. Dezember 2004 für die
Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 unter Anerkennung eines Härtefalls gemäß § 7 Abs. 11
ZuG 2007 insgesamt (…) Emissionsberechtigungen, also (…)Berechtigungen pro Jahr.
Die energiebedingten Emissionen unterwarf sie dabei einer Kürzung sowohl nach § 5
ZuG 2007 als auch nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007.
Mit am 17. Januar 2005 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben erhob die Klägerin
hinsichtlich der anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007 Widerspruch gegen den
Zuteilungsbescheid. In ihrer am 31. Januar 2005 bei der Beklagten eingegangenen
Begründung des Widerspruchs wendete sie sich auch gegen die Anwendung des
Erfüllungsfaktors (§ 5 ZuG 2007).
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2006 als
unbegründet zurück. Auch die der Klägerin zuerkannte Härtefallzuteilung nach § 7 Abs.
11 i.V.m. § 8 ZuG 2007 unterliege sowohl dem Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG 2007 als
auch der anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007.
Mit ihrer am 8. Juni 2006 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr
Begehren weiter.
Sie meint, bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 11 i.V.m. § 8 ZuG 2007 lasse keinen Raum
für die Anwendung des § 5 ZuG 2007. Dem stehe § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 nicht
entgegen, der einen von § 7 Abs. 11 ZuG 2007 abweichenden Zweck verfolge. Auch
spreche der Verzicht des Gesetzgebers auf eine mit § 7 Abs. 10 Satz 2 ZuG 2007
vergleichbare Regelung in Absatz 11 der Norm der Auffassung der Beklagten. Ferner
verfolge § 7 Abs. 11 ZuG 2007 den Zweck, die Verhältnismäßigkeit der Neuordnung des
bisher gewährleisteten Eigentumsinhalts für die Zukunft sicherzustellen. Eine Kürzung
auch der Härtefallzuteilungen nach § 5 und § 4 Abs. 4 ZuG 2007 führe zu
unverhältnismäßigen Ergebnissen. Die Auffassung der Beklagten lasse sich auch mit der
Genese des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 nicht vereinbaren. Finde der Erfüllungsfaktor nach § 5
ZuG 2007 vorliegend keine Anwendung, scheide auch eine anteilige Kürzung nach § 4
Abs. 4 ZuG 2007 nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck dieser
Regelung aus.
Jedenfalls aber sei vorliegend die Anwendung des § 5 ZuG 2007 und in Folge dessen
auch diejenige des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 wegen § 8 Abs. 5 ZuG 2007 ausgeschlossen,
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auch diejenige des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 wegen § 8 Abs. 5 ZuG 2007 ausgeschlossen,
weil die Anlage erst (…)in Betrieb gegangen sei. Daran ändere nichts, dass sie
immissionsschutzrechtlich durch eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG
legitimiert worden sei. Schließlich habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die
Klägerin bereits in ihrem Zuteilungsantrag darauf hingewiesen habe, dass mit der
Inbetriebnahme der streitgegenständlichen Anlage im Jahre (…)und der hierdurch
erreichten Reduzierung des Brennstoffbedarfs eine spezifische Verringerung der
Kohlendioxidimmissionen von mehr als 15 Prozent erreicht worden sei, die im Rahmen
einer Zuteilung auf historischer Basis zu einer Nichtanwendung des Erfüllungsfaktors
gemäß § 12 Abs. 1 ZuG 2007 führen würde.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Dezember 2004,
soweit es die Anwendung des Erfüllungsfaktors gemäß § 5 ZuG 2007 und der anteiligen
Kürzung gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007 betrifft, verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom
20. September 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
bescheiden.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, § 7 Abs. 11 ZuG 2007 sehe lediglich eine entsprechende Anwendung des § 8
ZuG vor, stehe daher einer Anwendung des Erfüllungsfaktors nicht entgegen. Zweck der
Härtefallregelung sei es, die durch besondere Umstände benachteiligte Anlage so zu
stellen, wie sie ohne diese besonderen Umstände stünde. Darüber gehe der Verzicht auf
den Erfüllungsfaktor und die anteilige Kürzung hinaus. Die Vergünstigung des § 8 Abs. 1
Satz 2 ZuG 2007 werde nur gewährt, wenn die Anlage 2003 oder 2004 in Betrieb
genommen worden sei.
Davon abgesehen könne die Klage auch dann keinen Erfolg haben, wenn die Regelung
des § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 von der Verweisung des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 erfasst
sei. Nach erstgenannter Regelung finde der Erfüllungsfaktor lediglich für zwölf auf das
Jahr der Inbetriebnahme folgende Kalenderjahre keine Anwendung. Die Inbetriebnahme
der Anlage der Klägerin liege jedoch mehr als zwölf Jahre vor Beginn der
Zuteilungsperiode zurück. Durch den im Jahre (…) in Betrieb genommenen (…) seien
lediglich zwei vorhandene Altanlagen aus den Jahren (…) ersetzt worden. Bei der von der
Klägerin angeführten Genehmigung vom 21. Dezember 1994 handele es sich
ausweislich der telefonisch eingeholten Auskunft der Immissionsschutzbehörde um eine
Änderungsgenehmigung gemäß § 16 BImSchG.
Die Anwendung des Erfüllungsfaktors auch bei einer Zuteilung auf Basis der
angemeldeten Emissionen sei auch zweckmäßig. Der Erfüllungsfaktor verfolge primär
das Ziel, die Einhaltung des Gesamtbudgets sicherzustellen. Die im Rahmen der
Zuteilungsregeln bestimmte Nichtanwendung des Erfüllungsfaktors sei ein
Mechanismus, mit dessen Hilfe der Gesetzgeber in den jeweils bestimmten Fällen für die
jeweils geregelten Zeiträume eine bedarfsgerechte Vollausstattung habe erreichen
wollen. Daher entspreche es der Regelungskonzeption, auch bei Zuteilung aufgrund
angemeldeter Emissionen nach Ablauf der ersten zwölf Betriebsjahre den
Erfüllungsfaktor anzuwenden. Bei der Regelung des § 7 Abs. 10 Satz 2 ZuG 2007
handele es sich lediglich um eine deklaratorische Klarstellung. In § 7 Abs. 11 ZuG 2007
habe es daher keiner besonderen Anordnung der Anwendung des Erfüllungsfaktors
bedurft. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der klargestellt habe, dass auch
im Bereich der Härtefallregelungen ein Betrag zum Klimaschutz zu leisten sei.
Auch ergebe sich aus Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG
2007 ihre Anwendbarkeit auf Härtefallzuteilungen nach § 7 Abs. 11 i.V.m. § 8 ZuG 2007.
Auch hinsichtlich der Anwendung der anteiligen Kürzungen würden die den Härtefall
begründenden Umstände durch die Zuteilung auf Basis der erwarteten Emissionen in
der Zuteilungsperiode vollständig kompensiert. Die Nichtanwendung der anteiligen
Kürzung auf Härtefälle hätte ferner zur Folge gehabt, dass die übrigen der anteiligen
Kürzung unterfallenden Zuteilungen stärker hätten gekürzt werden müssen, was zu
einer zweckwidrigen Besserstellung der Härtefälle geführt hätte. Verfassungsrechtliche
Bedenken an der Regelung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 und dessen Anwendung durch die
Beklagte bestünden nicht.
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(…)
Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen und
waren, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird hierauf sowie auf den Inhalt der Streitakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
gegen die anteilige Kürzung der Zuteilung nach § 5 ZuG 2007 wendet. Die Beklagte hat
den insoweit verspätet erhobenen Widerspruch im Widerspruchsbescheid vom 8. Mai
2006 in der Sache beschieden und damit auch die Frage der Kürzung nach § 5 ZuG 2007
einer gerichtlichen Überprüfung (wieder) zugänglich gemacht.
II.
des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in
ihren Rechten, soweit die Beklagte die der Klägerin für energiebedingte Emissionen
zuzuteilenden Berechtigungen nach Maßgabe der §§ 5, 4 Abs. 4 ZuG 2007 gekürzt hat.
Die Klägerin hat aus § 9 Abs. 1 TEHG i.V.m. § 7 Abs. 11 und § 8 Abs. 1 ZuG 2007 ein
Anspruch auf ungekürzte Zuteilung der Berechtigungen, weshalb die Beklagte sie
hinsichtlich ihres Zuteilungsantrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu bescheiden hat, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass eine Zuteilung aufgrund historischer
Emissionen eine unzumutbare Härte für die Klägerin als maßgebliches Unternehmen
bedeutet hätte (§ 7 Abs. 11 ZuG 2007). Streitig ist zwischen ihnen allein die Frage nach
der Zulässigkeit der Kürzung gemäß §§ 5 und 4 Abs. 4 ZuG 2007.
In den Fällen des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 wird auf Antrag des Betreibers die Zuteilung
unter entsprechender Anwendung des § 8 festgelegt. Die Beklagte meint, dies ändere
nichts daran, dass es sich bei der dem § 7 Abs. 11 ZuG 2007 unterfallenden Anlage um
eine Bestandsanlage handele, auf die, da das Gesetz eine Ausnahme hierfür nicht
vorsehe, der Erfüllungsfaktor (§ 5 ZuG 2007) anzuwenden sei. Da das Gesetz in § 7 Abs.
11 ZuG 2007 nur eine „entsprechende Anwendung des § 8“ vorschreibe, lasse der
Wortlaut eine solche Auslegung zu (hierzu zu 1).
Jedenfalls aber folge aus einer entsprechenden Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG
2007, dass ein Erfüllungsfaktor nur für die ersten zwölf Jahre seit der Inbetriebnahme der
Anlage keine Anwendung fände, weshalb die Klägerin auch deshalb davon nicht habe
verschont bleiben können (hierzu zu 2). Da es sich bei der streitigen Anlage um eine
Bestandsanlage im Sinne des § 7 ZuG 2007 handele, auf die der Erfüllungsfaktor
anzuwenden sei, unterliege sie auch der anteiligen Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007
(hierzu zu 3.). Dem vermag sich die Kammer nicht anzuschließen.
1.
bis 2007 fest, nicht jedoch, auf welche Zuteilungen dieser Erfüllungsfaktor Anwendung
findet. Dies geschieht jeweils in den konkreten Zuteilungsregelungen, namentlich in § 7
Abs. 1 Satz 1 ZuG 2007, dort aber nur für die Fälle der Absätze 1 bis 6. Dem
entsprechen auch die jeweiligen Formeln im Anhang 1 zum ZuG 2007. Insbesondere die
Formel 2 für die Zuteilungen nach Maßgabe des § 8 ZuG sieht einen Erfüllungsfaktor
nicht vor, und zwar ohne zwischen dem Jahr der Inbetriebnahme zu unterscheiden. Auch
sieht § 8 Abs. 2 ZuG 2007 nicht vor, dass der Zuteilungsantrag Angaben über das Jahr
der Inbetriebnahme der Anlage zu enthalten habe. Das Gesetz macht insoweit keinen
Unterschied zwischen einer unmittelbaren Anwendung des § 8 ZuG 2007 und einer
entsprechenden Anwendung dieser Regelung nach Maßgabe des § 7 Abs. 11 ZuG 2007.
Ist daher für die Zuteilung nach § 7 Abs. 10 ZuG 2007 dessen Satz 2 nicht lediglich
deklaratorisch, wie die Beklagte meint, sondern konstitutiv (so auch OVG Berlin-
Brandenburg, Urteile vom 30. November 2006 – etwa OVG 12 B 20.06, S. 16 u. 19),
erlaubt das Fehlen einer entsprechenden Regelung bei § 7 Abs. 11 ZuG 2007 den
Schluss, dass im Anwendungsbereich dieser Härtefallregelung bei einer
„entsprechenden“ Anwendung des § 8 ZuG 2007 ungeachtet der erstmaligen
Inbetriebnahme der Anlage eine Kürzung nach §§ 5, 4 Abs. 4 ZuG 2007 zu unterbleiben
hat; andernfalls hätte der Gesetzgeber auch dort eine entsprechende Regelung
aufgenommen (so auch Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG, § 7 Rn. 57; Krings, in:
Feldhaus, BundesimmissionsschutzR, Band 8, Stand 11/2006, § 7 ZuG 2007 Rn. 29;
Begemann/Lustermann, NVwZ 2006, 135, 138; anders jedoch Marr, in:
Landmann/Rohmer, UmweltR, Band II 5.2, § 7 ZuG 2007 Rn. 28).
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2.
„entsprechenden“ Anwendung des § 8 ZuG 2007 durch § 7 Abs. 11 des Gesetzes keine
vollständige, quasi schematische Befolgung erstgenannter Regelung gebietet, sondern
Raum für eine dem Zweck der Anordnung entsprechende Anwendung eröffnet. Daraus
ist jedoch nicht der Schluss zu ziehen, dass in Fällen des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 auch
Anlagen, die noch nicht seit zwölf Jahren im Betrieb sind, den Kürzungen nach §§ 5 und 4
Abs. 4 ZuG 2007 unterliegen, wie die Beklagte meint (siehe zu 1.), sondern derjenige,
dass dies auch bei älteren Bestandsanlagen nicht der Fall ist. Das ergibt sich aus
Folgendem:
In unmittelbarer Anwendung bestimmt § 8 Abs. 1 Satz 1 ZuG 2007, dass für Anlagen,
deren Inbetriebnahme im Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2004
erfolgte, Berechtigungen in einer Anzahl zugeteilt werden, die den in der
Zuteilungsperiode voraussichtlich zu erwartenden Emissionen entspricht. Wenn § 8 Abs.
1 Satz 2 ZuG 2008 sodann vorsieht, dass ein Erfüllungsfaktor für zwölf auf das Jahr der
Inbetriebnahme folgende Kalenderjahre keine Anwendung findet, so sind davon
zwangsläufig in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 alle Anlagen erfasst. Der Sache
nach bestimmt § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 m. a. W., dass ein Erfüllungsfaktor in der
Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 und darüber hinaus für insgesamt zwölf auf das Jahr
der Inbetriebnahme der Anlage folgende Kalenderjahre keine Anwendung findet.
Die Genese der Regelung stützt diese Feststellung. Der Gesetzentwurf zu § 8 Abs. 1
Satz 2 ZuG 2007 lautete noch schlicht:
„Ein Erfüllungsfaktor nach § 5 findet keine Anwendung“ (BT-Drs. 15/2966, S. 5).
In der amtlichen Begründung hierzu heißt es: Für eine Zuteilung nach § 8 werde nach
Satz 2 kein Erfüllungsfaktor in Ansatz gebracht; die Bundesregierung beabsichtige, sich
bei Gesetzentwürfen für nachfolgende Zuteilungsperioden an dem für frühzeitige
Emissionsminderungen vorgesehenen Zeitraum von 12 Jahren zu orientieren (a.a.O. S.
20).
Die verabschiedete Fassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 geht zurück auf die
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(15. Ausschuss; BT-Drs. 15/3224, S. 6). Dem Bericht des Ausschusses (BT-Drs. 15/3237)
lässt sich eine konkrete Begründung für diesen Änderungsvorschlag nicht entnehmen. In
der allgemeinen Begründung heißt es lediglich:
„Der Änderungsantrag enthält eine Reihe redaktioneller und rechtsförmlicher
Präzisierungen zur Klarstellung des Gewollten …“ (a.a.O. S. 12).
Anhaltspunkte dafür, dass die für den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1
ZuG 2007 erfolgte Erweiterung der Begünstigung über die erste Zuteilungsperiode
hinaus bei der entsprechenden Anwendung dieser Norm im Rahmen des § 7 Abs. 11
ZuG 2007 zu einer Einschränkung führen sollte, liegen nicht vor.
Den Gesetzesmaterialien lässt sich dafür nichts entnehmen. Der Verweis der Beklagten
auf das Wort „ebenfalls“ in der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 28. Mai
2004 (BR-Drs. 424/04 (neu)) trägt nicht, denn damit wird lediglich zum Ausdruck
gebracht, dass sowohl in den Fällen des Abs. 10 als auch in denjenigen des Abs. 11 des
§ 7 ZuG 2007 eine Zuteilung nach § 8 erfolgt. Andererseits lässt sich auch aus dem
Hinweis in dieser Entschließung, die „Deckelung findet in diesen Fällen keine
Anwendung“ entgegen der Klägerin nicht folgern, der Gesetzgeber habe damit zu
erkennen gegeben, dass im Rahmen des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 auch eine Kürzung nach
§§ 5 und 4 Abs. 4 ZuG 2007 zu unterbleiben habe. Die dort angesprochene „Deckelung“
ist unzweifelhaft diejenige des § 7 Abs. 10 Satz 5 ZuG 2007. Ebenso bezieht sich der
allgemeine Passus im Bericht des 15. Ausschusses, man habe „im Bereich der
Härtefallregelungen“ nicht aus den Augen verloren, dass „jeder einen Beitrag zum
Klimaschutz leisten müsse“ (BT-Drs. 15/3237, S. 4), allein auf die Neufassung des § 7
Abs. 10 ZuG 2007, erlaubt jedoch keinen Rückschluss für die Frage, ob im Rahmen des §
7 Abs. 11 ZuG 2007 die Regelungen der §§ 5, 4 Abs. 4 ZuG 2007 anzuwenden sind oder
nicht. Allerdings spricht auch diese Feststellung des 15. Ausschusses gegen die zuvor
erörterte Annahme der Beklagten, die Regelung des § 7 Abs. 10 Satz 2 ZuG 2007 sei
lediglich deklaratorisch.
Sinn und Zweck des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 streiten ebenfalls für die Auffassung der
Klägerin. Wie bereits ausgeführt, will § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007sicherstellen, dass die
Anlagen, die erst in den Jahren 2003 oder 2004 in Betrieb genommen worden sind, in
Anlehnung an die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auch für die nächsten zwölf
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Anlehnung an die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auch für die nächsten zwölf
Jahre begünstigt werden. Die Härtefallregelung des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 verfolgt
demgegenüber den Zweck, eine für das jeweils maßgebliche Unternehmen
unzumutbare Belastung durch die Neugestaltung des Inhalts des Eigentums zu
vermeiden. Träfe die Auffassung der Beklagten zu, sähe das Gesetz keine Möglichkeit
vor, bei Altanlagen, jedenfalls bei solchen, die bereits seit zwölf Jahren in Betrieb sind,
von einer Anwendung der §§ 5, 4 Abs. 4 ZuG 2007 abzusehen, obwohl sich die danach
vorzunehmende Kürzung der Zuteilung auf immerhin ca. 7,4 Prozent der
Berechtigungen beläuft.
3.
Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG 2007, sind sie auch nicht gemäß § 4 Abs. 4 ZuG 2007
anteilig zu kürzen.
Der Vortrag der Beklagten zu dieser Frage, insbesondere ihr Abstellen auf die sog.
„Anlagenakzessorietät der anteiligen Kürzung“, lässt nicht klar erkennen, ob sie die
Zuteilungen nach § 7 Abs. 11 ZuG 2007 auch dann der anteiligen Kürzung unterwerfen
würde, wenn sie – entgegen ihrer Auffassung – nicht dem Erfüllungsfaktor des § 5 ZuG
2007 unterlägen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat sich in den
genannten Urteilen vom 30. November 2006 für die Zuteilungen nach § 7 Abs. 12 i.V.m.
§ 11 ZuG 2007 (Zuteilungen an sog. Optionsanlagen) gegen die von der Beklagten auch
dort geltend gemachte „Anlagenakzessorietät“ ausgesprochen und allenfalls eine
Akzessorietät zwischen Erfüllungsfaktor und anteiliger Kürzung angenommen (vgl. etwa
OVG 12 B 20.06 S. 17 f.). Ungeachtet dessen, dass die Beklagte diese Urteile mit der
Revision angegriffen hat und darüber noch nicht entschieden worden ist, lassen sich die
Argumente, die sie – mit Billigung der Kammer in den erstinstanzlichen Verfahren – für
die anteilige Kürzung der Zuteilungen an Optionsanlagen ins Feld geführt hat, auf die
Härtefallzuteilungen nach § 7 Abs. 11 i.V.m. § 8 ZuG 2007 nicht übertragen:
Die Zuteilungen an Anlagen, auf die § 8 Abs. 1 ZuG 2007 unmittelbare Anwendung
findet, unterwirft auch die Beklagte weder dem Erfüllungsfaktor noch der anteiligen
Kürzung. Gleiches hat nach Auffassung der Kammer auch bei der entsprechenden
Anwendung des § 8 ZuG 2007 in den Härtefällen des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 zu gelten.
Der Wortlaut des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 lässt ein solches Verständnis zu (vgl. hierzu OVG
Berlin-Brandenburg, a. a. O. S. 14 f.). Sinn und Zweck gebieten es, nicht nur von der
Anwendung des Erfüllungsfaktors, sondern auch von der anteiligen Kürzung abzusehen.
Wie bereits ausgeführt, dient die Regelung des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 dazu, die mit der
Einführung der Emissionshandelspflicht verbundenen Belastungen abzumildern, falls sie
andernfalls zur einer Gefährdung der Existenz des Betriebes führen würden. Während
nach § 7 Abs. 10 ZuG 2007 lediglich die Belastungen abgewendet werden sollen, die aus
einer Unterausstattung infolge einer Bemessung der Zuteilung anhand der Emissionen
in der Basisperiode herrührten (vgl. § 7 Abs. 10 Satz 2 ZuG 2007), verzichtet § 7 Abs. 11
ZuG 2007 auf eine solche Verknüpfung. Dann ist es jedoch konsequent, diesen Verzicht
nicht nur auf den Erfüllungsfaktor nach § 5 ZuG 2007 zu beziehen, sondern auch auf die
anteilige Kürzung nach § 4 Abs. 4 ZuG 2007, weil beide Regelungen letztlich das gleiche
Ziel verfolgen, nämlich die Anpassung des Makroplans an den Mikroplan.
Die zur Begründung der Anwendung des § 4 Abs. 4 ZuG 2007 auf Optionsanlagen i. S. d.
§ 7 Abs. 12 i.V.m. § 11 ZuG 2007 von der Beklagten (u. a.) geltend gemachte
Befürchtung, ein häufiges Gebrauchmachen von der Option führe andernfalls zu einer
unverhältnismäßigen Erhöhung der anteiligen Kürzung für die ihr unterliegenden
Anlagen, ist in den Fällen des § 7 Abs. 11 ZuG 2007 von vornherein unbegründet. Denn
die Zuteilung nach § 7 Abs. 11 ZuG 2007 ist, anders als diejenige nach Absatz 12 der
Norm, an sehr enge Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft ist, was in der Zahl von nur
sechs Anerkennungen für die Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 durch die Beklagte
seinen Niederschlag gefunden hat. Die Freistellung dieser Zuteilungen nicht nur vom
Erfüllungsfaktor, sondern auch von der anteiligen Kürzung, führt vor diesem Hintergrund
zu keiner auch nur ansatzweise signifikanten Erhöhung der anteiligen Kürzung für die ihr
unterliegenden Anlagen.
4.
des Erfüllungsfaktors und der anteiligen Kürzung hätte verschont bleiben müssen, weil
sie die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 ZuG 2007 erfüllt. Die Beklagte müsste nach
ihrem Rechtsverständnis diese Regelung auch auf Zuteilungen nach § 7 Abs. 11 ZuG
2007 anwenden. Dem Vortrag der Klägerin, sie habe durch die Installation (…)eine
Reduzierung der Kohlendioxidemissionen im Umfang von 15,82 Prozent in der
Basisperiode 2000 bis 2002 gegenüber der Referenzperiode 1994 bis 1996 erreicht, ist
die Beklagte nicht entgegengetreten.
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III.
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war angesichts der
Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage für notwendig zu erklären. Die Entscheidung
über die Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO und § 709 ZPO.
Die Berufung war nicht gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil keiner der Gründe
des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO vorliegt. Insbesondere hat die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung. Die maßgeblichen Rechtsfragen stellen sich im Hinblick auf
das Ende der Zuteilungsperiode nur noch in einer äußerst geringen Zahl von
Parallelverfahren, nach Angabe der Beklagten nur noch in einem einzigen.
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