Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: halter, vermietung, anschrift, vermieter, aufwand, vollstreckung, meldung, eintrag, verantwortlichkeit, umkehrschluss

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Gericht:
VG Berlin 4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 A 341.07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 ABMG, § 2 ABMG
Mautpflichtigkeit des Mieters bzw. die Haltereigenschaft des
Vermieters eines Fahrzeugs
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin, die selbst Transporte durchführt und auch LKW vermietet, wendet sich
gegen sieben Bescheide, durch die jeweils Autobahnmaut gegen sie festgesetzt wurde.
Betroffen waren die LKW mit dem amtlichen Kennzeichen H ... bzw. H ..., deren
zulässiges Gesamtgewicht über 12 Tonnen liegt. Der Erwerb der Fahrzeuge durch die
Klägerin erfolgte mittels Bankkredit, wobei sich die Bank bis zur - im Zeitpunkt der
Mauterhebungen noch nicht erfolgten - vollständigen Kaufpreiszahlung das Eigentum an
den Fahrzeugen zur Sicherheit übertragen ließ. Seit dem 9. Dezember 2005 waren beide
LKW an die Firma S. (im Folgenden: S.) für unbestimmte Zeit vermietet; auf die
Mietverträge wird Bezug genommen. An Kontrollbrücken wurde festgestellt, dass die
Fahrzeuge im Zeitraum zwischen dem 28. Mai und dem 29. Juli 2006 insgesamt sieben
Mal Bundesautobahnen befuhren, ohne dass Maut entrichtet worden war. Die hierzu im
Verwaltungsverfahren angehörte Klägerin, die beim Kraftfahrtbundesamt als Halterin der
Fahrzeuge registriert ist, verwies jeweils auf die bestehende Vermietung. Die daraufhin
seitens der Beklagten angehörte S. räumte in dem den Feststellungsfall vom 28. Mai
2006 betreffenden Verfahren den Verstoß ein und machte Angaben zur zurückgelegten
Fahrstrecke, äußerte sich jedoch in den Folgeverfahren nicht. In den die
Feststellungsfälle vom 23. und 29. Juli 2006 betreffenden Verfahren kamen die an die
„R.“ adressierten Anhörungsschreiben am 14. September 2006 als unzustellbar an die
Beklagte zurück. Auf den Umschlägen dieser Schreiben befand sich ein Postaufkleber
mit der Anschrift „D. 1..., 1... B.“. Die Beklagte versuchte darauf - vergeblich -
telefonisch und über Internetrecherche die Anschrift der S. zu verifizieren. Die Klägerin
teilte der Beklagten telefonisch mit, sie habe auch nur dieselbe Adresse und
Telefonnummer von S. wie die Beklagte; die Verträge mit S. seien gekündigt. Im
Handelsregister ist als Anschrift der SET nur die „R. 2...“ in Berlin vermerkt.
Mit Bescheid vom 27. September, zwei Bescheiden vom 10. Oktober, zwei Bescheiden
vom 18. Oktober, Bescheid vom 31. Oktober und 6. November 2006 setzte die Beklagte
jeweils 60,00 Euro Maut gegen die Klägerin fest. Auf deren Widersprüche setzte das
Bundesamt für Güterverkehr in dem Feststellungsfall vom 28. Mai 2006 die Maut auf
14,85 Euro herab; im Übrigen blieben die Widersprüche erfolglos. Die
Widerspruchsbescheide datieren vom 23., 25., 26. und 31. Juli 2007.
Mit der am 23. August 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Sie macht im Wesentlichen geltend, sie sei deswegen nicht Mautschuldnerin, weil sie
weder Eigentümerin noch Halterin der beiden LKW gewesen sei. Werde ein Kraftfahrzeug
auf längere Zeit (drei Monate) zur ausschließlichen Nutzung des Entleihers verliehen, so
werde dieser allein Halter, auch wenn der Verleiher die fixen Kosten weiter trage. So sei
es in ihrem Fall gewesen. Auch habe sie nicht über den Gebrauch der Fahrzeuge
bestimmt bzw. diese im Straßenverkehr geführt. Soweit die Beklagte darauf abstelle,
dass sie - die Klägerin - aus der Vermietung wirtschaftliche Vorteile gezogen habe,
stimme das nicht; denn die S. schulde ihr über 33.000,00 Euro.
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Die Klägerin beantragt,
die Bescheide der Beklagten
vom 27.09.2006, Aktenzeichen 99/099800000060272242, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.07.2007,
vom 10.10.2006, Aktenzeichen 99/099800000060293274, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.07.2007,
vom 10.10.2006, Aktenzeichen 99/099800000060293506, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.07.2007,
vom 18.10.2006, Aktenzeichen 99/099800000060308955, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.07.2007,
vom 18.10.2006, Aktenzeichen 99/099800000060310541, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.07.2007,
vom 31.10.2006, Aktenzeichen 99/099800000060332006, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.07.2007,
vom 06.11.2006, Aktenzeichen 99/099800000060332102, in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31.07.2007,
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend: Die Klage sei bezüglich der Bescheide vom 10. Oktober 2006 wegen
Versäumung der Widerspruchsfrist schon unzulässig. Zwar liege auch insoweit eine
Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde vor. Diese habe jedoch ausweislich der
Widerspruchsbescheide die Fristversäumung gar nicht erkannt, ihr Ermessen, ob sie sich
darauf berufen wolle, mithin gar nicht ausgeübt. In einem solchen Fall werde die
Fristversäumung durch eine Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde nicht geheilt.
Jedenfalls sei aber die Klage insgesamt unbegründet. Denn die Klägerin sei Halter der
LKW. Es komme allein auf die durch die entsprechende Registrierung beim
Kraftfahrtbundesamt begründete formelle Haltereigenschaft an. Dass in anderen
rechtlichen Zusammenhängen - etwa bei § 7 StVG - unter bestimmten
Voraussetzungen anderes gelte, sei unerheblich. Denn der Halterbegriff müsse im
Hinblick auf seine Funktion im jeweiligen Regelungszusammenhang ausgelegt werden.
Dies gebiete es, im vorliegenden Zusammenhang allein auf die Meldung beim
Kraftfahrtbundesamt abzustellen, weil anders eine praktikable und effiziente
Durchführung der Mauterhebung nicht möglich sei. Im Hinblick auf die eher geringen
Mautbeträge liege der Fall anders als bei den im Einzelfall hohen Haftungsbeträgen aus
§ 7 StVG. Selbst wenn man im Übrigen auf einen materiellen Halterbegriff abstellen
wolle, ändere sich hier nichts. Dann sei darauf abzustellen, wer das Kraftfahrzeug auf
eigene Rechnung gebrauche und die Verwendungsnutzungen ziehe, wobei auch hier der
Zulassung indizielle Bedeutung zukomme. Danach sei die Klägerin im Zeitpunkt der
Kontrollen Halterin der LKW gewesen, woran sich auch durch die längere Vermietung
deswegen nichts geändert habe, weil die Überlassung entgeltlich erfolgt sei. Die Klägerin
habe entsprechend ihrem Unternehmensgegenstand die Vermietung wegen des zu
erzielenden wirtschaftlichen Vorteils betrieben; falls etwaige Außenstände der Klägerin
aus diesem Vertragsverhältnis nicht werthaltig sein sollten, führe dies zu keiner anderen
Beurteilung.
Die Einzelheiten ergeben sich aus der Streitakte und dem Verwaltungsvorgang der
Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet. Denn die angefochtenen
Bescheide sind rechtmäßig, so dass Rechte der Klägerin nicht verletzt sein können (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dass die hier streitgegenständlichen Autobahnbenutzungen,
für die jeweils keine Maut entrichtet war, gebührenpflichtig gewesen sind, ist zwischen
den Beteiligten zu Recht nach Grund und Höhe nicht umstritten. Erörterungsbedürftig ist
allein die Frage, ob die Klägerin im Zeitpunkt der betreffenden Fahrten jeweils Halterin
der beiden LKW gewesen und deshalb - neben ihrer Mieterin - Mautschuldnerin gemäß §
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der beiden LKW gewesen und deshalb - neben ihrer Mieterin - Mautschuldnerin gemäß §
2 Satz 1 des Autobahnmautgesetzes für schwere Nutzfahrzeuge (ABMG) ist. Die
Kammer bejaht diese Frage. Dabei erscheint allerdings zweifelhaft, ob dies allein aus
dem Umstand folgt, dass die Klägerin - aufgrund eigener Meldung - beim
Kraftfahrtbundesamt als Halterin vermerkt ist. Zwar trifft es zu, dass nur dieser Eintrag
schnell und unkompliziert in Erfahrung gebracht werden kann, während die Prüfung, ob
der Eintrag zutreffend ist, weiteren Aufwand verursacht. Gegen die Erheblichkeit - nur -
des formellen Eintrags spricht indes, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung des
seit langem eingeführten Begriffs des „Halters“ die Heranziehung desjenigen bezweckt
haben könnte, der das tatsächlich ist und nicht nur als solcher geführt wird; andernfalls
wäre nur der Scheinhalter Mautschuldner und der eigentliche Halter gerade nicht. Diese
Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden.
Denn die Klägerin war im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen
Autobahnbenutzungen tatsächlich Halterin der beiden verwendeten Lastkraftwagen.
Halter ist, wer das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung gebraucht, also die Kosten
bestreitet und die Verwendungsnutzungen zieht, wer tatsächlich, vornehmlich
wirtschaftlich, über die Fahrzeugbenutzung verfügen kann. Von besonderer Bedeutung
für die Bestimmung der Haltereigenschaft ist entsprechend dem Zweck des § 7 Abs. 1
des Straßenverkehrsgesetzes, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen den
Halter eine Schadensersatzpflicht trifft, die Einwirkungsmöglichkeit auf das Kraftfahrzeug
als Gefahrenquelle (Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. März 1983 - VI ZR 108/81 -, BGHZ
87, 133; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 1983 - 7 C 70.81 - Buchholz
442.16 § 23 StVZO Nr. 2; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 7 StVG, Rn 14;
Heidelberger Kommentar, Straßenverkehrsrecht, 2002, § 7 StVG Rdnr. 109). Für
Vermietungsfälle ist anerkannt, dass sowohl der Mieter des Kraftfahrzeuges als auch der
Vermieter nebeneinander Halter sein können (Bundesgerichtshof, Urteil vom 3.
Dezember 1991, BGHZ 116, 200).). Obwohl auch bei kurzfristiger Vermietung eines
Kraftfahrzeuges nur der Mieter und nicht mehr der Vermieter über den Einsatz
desselben bestimmen kann, besteht Einigkeit, dass dies allein die Haltereigenschaft des
Vermieters nicht beendet. Die Anwendung starrer zeitlicher Fristen erscheint insoweit
nicht als angezeigt. Denn auch bei nicht nur ganz kurzfristiger Vermietung können die
Verhältnisse so gestaltet sein, dass dem Vermieter immer noch ausreichend
Einwirkungsmöglichkeiten insbesondere auf den Zustand des Fahrzeugs verbleiben und
damit auch Verantwortlichkeit für die von diesem ausgehenden Gefahren.
So liegt der Fall hier. In zeitlicher Hinsicht waren die Fahrzeuge im Zeitpunkt der
streitigen Autobahnbenutzungen zwar schon etwa ein halbes Jahr der Mieterin
überlassen, auch wenn es der Klägerin während dieser Zeit durch Ausübung ihres
ordentlichen Kündigungsrechts jederzeit möglich war, die Überlassung mit einer Frist von
einem Monat zum Monatsende zu beenden. Von besonderer Bedeutung sind für die
Kammer aber die Regelungen unter Nr. 2 der einschlägigen Mietverträge, denen jeweils
entnommen werden kann, dass in dem Mietzins die fahrzeugbezogenen Kosten für
notwendige Bereifung, Hauptuntersuchung, Inspektionen, Haftpflichtversicherung u. a.
enthalten waren, mithin, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, im Umkehrschluss
belegt ist, dass die Kostentragung insoweit und damit auch eine (Mit-)Verantwortlichkeit
für die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen bei der Klägerin verblieben war.
Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die Beklagte sowie die
Widerspruchsbehörde auch ihr Auswahlermessen in rechtlich nicht zu beanstandender
Weise (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt. Denn noch bevor die ersten streitigen
Nacherhebungsbescheide erlassen wurden, kamen an die Mieterin der Klägerin
geschickte Anhörungen am 14. September 2006 als unzustellbar zurück. Erst nachdem
es sowohl telefonisch als auch über Internetrecherche nicht gelungen war, die Anschrift
der Mieterin zu verifizieren, zog die Beklagte die Klägerin zur Nacherhebung heran.
Schon in den streitgegenständlichen Widerspruchsbescheiden ist hierauf hingewiesen
worden. Dies ist, weil vertretbar begründet, gerichtlich nicht zu beanstanden. Weitere
Versuche, die Mieterin zu erreichen, waren im Hinblick auf Aufwand und Bedeutung der
Angelegenheit nicht geboten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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