Urteil des VG Berlin vom 13.03.2017

VG Berlin: ordre public, eheliche gemeinschaft, zgb, verfassung, niedersachsen, anerkennung, lebensgemeinschaft, besitz, staat, vollstreckung

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Gericht:
VG Berlin 24.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 A 273.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 51 Abs 1 AsylVfG 1992, Art 6
Abs 1 GG
Reichweite der Schutzwirkung von AsylVfG 1992 § 51 Abs 1; die
bigamische Ehe und die Ehe auf Zeit schützt GG Art 6 nicht, sie
verstoßen gegen den ordre-public
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die 1975 geborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige. Sie reiste im Frühjahr 2006
in das Bundesgebiet ein und beantragte im Mai desselben Jahres Asyl. Zur Durchführung
des Asylverfahrens wurde sie dem Land Berlin zugewiesen.
Im August 2008 beantragte sie, in das Land Niedersachsen umverteilt zu werden. Zur
Begründung führte sie aus, sie habe im Jahr 2005 den R.S. im Iran geheiratet, der im
Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei und in S. lebe. Sie legte die Ablichtung einer
Heiratsurkunde vor, die mit einem Prägesiegel des Leiters des iranischen Ehenotariats
versehen war. Danach habe sie am 17. Mai 2005 mit R.S. die Ehe für die Dauer von 50
Jahren geschlossen. Als Brautgabe seien 114 Goldmünzen vereinbart worden, die vom
Ehemann auf Verlangen der Ehefrau ausgehändigt werden müssten.
Den Antrag auf Umverteilung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11. September
2008 mit der Begründung ab, die von der Klägerin geschlossene Ehe auf Zeit sei nicht
schutzwürdig im Sinne des Artikels 6 GG. Zudem sei R.S. noch mit einer anderen Frau
verheiratet, auch wenn diese sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalte.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 28. September 2008 erhobenen Klage,
zu deren Begründung sie geltend macht, die Zeitehe sei im Iran eine anerkannte Form
der Ehe, die deshalb auch dem Schutz des Artikels 6 Abs. 1 GG unterfalle. R.S. habe sich
von seiner anderen Ehefrau allein deshalb nicht scheiden lassen, weil diese psychische
Probleme mit suizidalen Tendenzen habe. Weiter müsse die andere Ehefrau der
Eingehung einer weiteren Dauerehe zustimmen. Wegen ihrer psychischen Verfassung
habe man sie aber damit nicht behelligen wollen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. September 2008 zu
verpflichten, sie länderübergreifend von Berlin nach Niedersachsen umzuverteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten
verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
sind.
Entscheidungsgründe
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Das Verwaltungsgericht Berlin ist örtlich gemäß § 52 Nr. 3 VwGO zur Entscheidung des
Falles zuständig, weil die Klägerin verpflichtet ist, ihren Aufenthalt in Berlin zu nehmen.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann nicht
die länderübergreifende Umverteilung von Berlin nach Niedersachsen verlangen noch
kann sie verlangen, dass ihr hierauf gerichteter Antrag neu beschieden wird. Die
Ablehnung ihres Begehrens durch den angefochtenen Bescheid war rechtmäßig und
verletzt sie daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 51 Abs.
1 AsylVfG. Danach ist der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten auch durch
länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen, wenn ein Ausländer - wie hier die
Klägerin - nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
Die tatbestandlichen Anforderungen wären vorliegend nur dann erfüllt, wenn die Ehe
zwischen der Klägerin und R.S. als schützenswerte Ehe im Sinne des § 51 AsylVfG
anzusehen wäre. Das ist nicht der Fall.
Die Regelung ist Ausdruck des Schutzes von Ehe und Familie nach Artikel 6 Abs. 1 GG
(Jobs, in: GK-AsylVfG § 51, Rn. 4; Hailbronner, Ausländerrecht, § 51 AsylVfG, Rn. 7; OVG
Hamburg, Beschluss vom 20. August 1991 - Bs IV 255/91 -, FamRZ 1992, S. 315 zu § 22
Abs. 6 Satz 1 AsylVfG 1982). Das hat zur Folge, dass die Schutzwirkungen des § 51 Abs.
1 AsylVfG nicht weiter reichen, als die des Artikels 6 Abs. 1 GG (vgl. zu einer insoweit
vergleichbaren Konstellation bei §§ 30, 31 AuslG 1990: OVG Koblenz, Urteil vom 12. März
2004 - 10 A 11717/03 -).
Die von der Klägerin geführte Ehe ist vom Schutzbereich des Artikels 6 GG indessen
nicht erfasst. Das gilt zum einen im Hinblick darauf, dass es sich bezüglich des R.S. um
eine bigame Ehe sowie zum anderen um eine Ehe auf Zeit handelt.
Der Ehebegriff der Verfassung liegt das Bild der „verweltlichten“ bürgerlich-rechtlichen
Ehe zugrunde, die in den rechtlich vorgesehenen Formen vor dem Standesbeamten
geschlossen wird (Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, 9.A., Art. 6, Rn. 2 m.w.N.). Das
Schutzgebot der Verfassung gewährleistet die Institution der Ehe nicht abstrakt, sondern
in der Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetzlichen Regelung
maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht (BVerfGE, 31, 58, 82 f.).
Geschützt wird nach herrschender Meinung grundsätzlich nur die Einehe (Coester-
Walten, in: von Münch / Kunig, GG, 5.A., Art. 6, Rn. 8; Umbach, in: Umbach / Clemens,
GG, Art. 6, Rn. 22; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, GG, 11.A., Art.
6, Rn. 6; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, 9.A., Art. 6, Rn. 2). Das
Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt: „Eine derartige Regelung muss die
wesentlichen, das Institut der Ehe bestimmenden Prinzipien beachten, die sich daraus
ergeben, dass Art. 6 Abs. 1 GG an vorgefundenen, überkommenen Lebensformen - etwa
das Prinzip der Einehe - anknüpft“ (BVerfGE 62, 323, 330). Zwar finden sich im
Schrifttum zu Artikel 6 GG Äußerungen, wonach die Vorschrift auch von Ausländern im
Ausland wirksam geschlossene Mehrehen schützen soll (so: Schmitt-Kammler, in:
Sachs, GG, 4.A., Art. 6, Rn. 7; Robbers, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, 5.A., Art. 6,
Rn. 42). Diese Auffassung wird aber nicht überzeugend begründet. Zur Begründung ihrer
Auffassung wird von den Vertretern dieser Ansicht namentlich darauf verwiesen, das
Bundesverwaltungsgericht habe sich in einem Urteil vom 30. April 1985 - 1 C 33/81
(BVerwGE 71, 228 ff.) so geäußert. Der Hinweis auf diese Entscheidung geht jedoch fehl,
weil das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob Mehrehen dem Schutzgebot des
Artikels 6 Abs. 1 GG unterfallen, in der besagten Entscheidung ausdrücklich offen
gelassen hat (erneut offen gelassen im Beschluss vom 4. April 1986 - 1 A 10/86 -,
Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 76). Diese Frage war dort nicht entscheidungserheblich,
weil jedenfalls die bestehende familiäre Gemeinschaft zwischen der dortigen Klägerin
und den bei dem bigam verheirateten Ehemann lebenden Kindern geschützt war. Das ist
sowohl in rechtsdogmatischer wie in tatsächlicher Hinsicht ein erheblicher Unterschied.
Ebenso zu Unrecht berufen sich die Autoren, die den Schutz des Artikels 6 GG auf
Mehrehen befürworten, auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6. Dezember 1985 - VI
R 56/82 - (NJW 1986, S. 2209 f.). Der Bundesfinanzhof hat in dieser Entscheidung
vielmehr ausdrücklich bestätigt, dass Artikel 6 GG von der monogamen Ehe ausgeht.
Das schließe aber nicht aus, dass die §§ 26, 26b EStG, die Regelungen zum sog.
Ehegattensplitting enthalten, nicht an nach ausländischem Recht zulässige polygame
Ehen anknüpfen. Der BFH hat demnach über die Auslegung des EStG entscheiden,
Artikel 6 GG aber nicht in diesem Sinne interpretiert.
Unbeschadet dessen ist der Schutzbereich des Artikels 6 Abs. 1 GG vorliegend aber
auch deshalb nicht berührt, weil die von der Klägerin geschlossene Ehe auf Zeit nicht
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auch deshalb nicht berührt, weil die von der Klägerin geschlossene Ehe auf Zeit nicht
erfasst ist. Nach der Artikel 6 GG zugrundeliegenden Vorstellung ist die Ehe eine auf
Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft (vgl. § 1353 Abs. 1 BGB). Das
Bundesverfassungsgericht hat insoweit ausgeführt, der Gesetzgeber habe bei der
Regelung der Voraussetzungen für die Eheauflösung einen erheblichen
Gestaltungsspielraum, sei dabei jedoch an die verfassungsrechtliche Gewährleistung der
grundsätzlich unauflöslichen Ehe gebunden. Deshalb müsse das Scheidungsrecht auch
eheerhaltende Elemente enthalten. Die Ehescheidung habe für die Rechtsordnung die
Ausnahme zu bilden (BVerfGE 53, 224 ff.). Damit steht es in deutlichem Widerspruch,
eine Ehe auf Zeit einzugehen, zumal sie die Durchführung eines Scheidungsverfahrens
überflüssig macht.
Selbst wenn man das anders sähe und den Anwendungsbereich des § 51 AsylVfG dem
Grunde nach über den Schutzbereich des Artikels 6 Abs. 1 GG hinaus auf die Mehrehe
und die Zeitehe erstreckte, würde im Ergebnis nichts anderes gelten. Der Ehe der
Klägerin müsste gleichwohl die Anerkennung versagt bleiben, weil ihr auch insoweit
sowohl im Hinblick darauf, dass es eine Mehrehe als auch im Hinblick darauf, dass es
eine Zeitehe ist, die Anerkennung wegen Verstoßes gegen den innerstaatlichen ordre-
public versagt werden müsste.
Im Einzelnen:
Gemäß Artikel 13 Abs. 1 EGBGB unterliegen die Voraussetzungen für die Eheschließung
für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Vorliegend richtet sich
das Eherecht für die Klägerin und R.S. nach den iranischen Vorschriften. Beide sind
iranische Staatsangehörige, die Eheschließung erfolgte zudem im Iran. Gemäß Artikel 6
EGBGB ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre
Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen
Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die
Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist (sog. ordre-public-Vorbehalt). Zu
fragen ist insoweit danach, ob das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu
den Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung und der in ihnen liegenden
Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es von uns für
untragbar gehalten wird (Hohloch, in: Erman, Art. 6 EGBGB, Rn. 13 m.w.N.).
Unverzichtbar ist dabei immer die Abweichung von Regelungen, die zum Kernbestand
der deutschen Rechtsordnung gezählt werden können (Hohloch, a.a.O., Rn. 17).
Entscheidend ist insoweit primär Intensität und Stärke des Inlandsbezugs des
Tatbestandes (Hohloch, a.a.O., Rn. 16 m.w.N.). In Fällen der Anwendung von
Auslandsrecht ist erheblicher Inlandsbezug z.B. durch gewöhnlichen Inlandsaufenthalt
oder auch andere Berührung von Inlandsinteressen anzunehmen (Hohloch, a.a.O., Rn.
33).
Der hier zu entscheidende Sachverhalt weist erheblichen Inlandsbezug auf. R.S. lebt seit
nahezu 30 Jahren im Bundesgebiet mit einem verfestigten Aufenthaltsrecht. Er ist
sozusagen faktischer Inländer. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Ehe war zudem
von Anfang an beabsichtigt, diese in der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Das
ergibt sich schon aus der zeitlichen Nähe zwischen Eheschließung und Einreise der
Klägerin.
Die Bestimmungen, die eine Einehe festlegen, zählen zu den Vorschriften, die
Grundgedanken der hiesigen Rechtsordnung widerspiegeln. Dass Artikel 6 Abs. 1 GG
lediglich die Einehe schützt, wurde bereits dargelegt. Hinzu kommt vorliegend noch
folgender Aspekt: Im Hinblick auf die Mehrehe mag man es noch für angängig halten,
wenn eine Ehefrau eines im Ausland rechtmäßig in Mehrehe verheirateten Mannes hier
mit diesem lebt. Nicht angängig ist es aber, wenn dieser Ehemann zwar stets nur mit
einer seiner Ehefrauen im Bundesgebiet lebt, die betreffende Ehefrau aber gleichsam
wechselt, indem er eine zeitlang mit der einen, sodann mit der anderen Ehefrau in
Deutschland zusammen ist. Ließe man das zu, würde man faktisch die Mehrehe
legitimieren. Hat der Ehemann mit einer seiner Ehefrauen im Bundesgebiet gelebt, steht
es ihm daher nicht frei, die Ehefrau in die Heimat zurückzuschicken, um sich eine andere
seiner Ehefrauen ins Bundesgebiet zu holen. Lebt er hier mit einer bestimmten Ehefrau,
so müsste er sich von dieser zumindest zunächst scheiden lassen, bevor er mit der
nächsten Ehefrau eine schützenswerte eheliche Gemeinschaft im Bundesgebiet leben
dürfte.
Hier hat R.S. mit seiner ersten, jetzt überwiegend im Iran lebenden Ehefrau zumindest
eine Zeit lang in ehelicher Gemeinschaft im Bundesgebiet gelebt. Das ist zwischen den
Beteiligten unstreitig. Dass diese Ehefrau nun nicht mehr in Deutschland ihren
Lebensmittelpunkt hat, führt nicht zu der Annahme, dass er mit der nächsten Ehefrau
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Lebensmittelpunkt hat, führt nicht zu der Annahme, dass er mit der nächsten Ehefrau
eine schützenswerte Gemeinschaft im Bundesgebiet leben kann. Dieses Recht ist
sozusagen „verbraucht“. Er müsste sich von der (ersten) Ehefrau zumindest scheiden
lassen.
Deutlich wird dies auch, wenn man in Betracht zieht, dass die (erste) Ehefrau des R.S.,
die nach den Bekundungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Besitz einer
Niederlassungserlaubnis ist, nach Deutschland käme. Nach der Logik des klägerischen
Vortrags müssten dann beide Ehen von der hiesigen Rechtsordnung geschützt sein.
Damit ließe man letztlich die bigame Ehe in Deutschland zu. Ob das generell gegen den
hiesigen ordre-public verstoßen würde, muss insoweit nicht entschieden werden.
Anzunehmen ist das aber jedenfalls bei derart starkem Inlandsbezug wie im
vorliegenden Fall.
Auch im Hinblick darauf, dass es sich um eine Zeitehe handelt, liegt ein Verstoß gegen
den ordre-public vor. Die insoweit geltenden Regelungen des iranischen Rechts sind mit
den hiesigen Gerechtigkeitsvorstellungen grundlegend unvereinbar. Eine Ehefrau auf
Zeit stellt nach iranischem Recht gewissermaßen eine Ehefrau 2. Klasse dar. Die
„Minderwertigkeit“ einer Ehefrau auf Zeit wird schon dadurch deutlich, dass im Iran ein
Mann mit bis zu vier Frauen gleichzeitig in Dauerehe verheiratet sein darf. Offen steht
ihm aber dessen ungeachtet die Möglichkeit, beliebig viele Zeitehen einzugehen
(Enayat, in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran, S. 47).
Weiter ist die Dauerehe Ehe eines muslimischen Mannes mit einer nicht muslimischen
Frau an sich nicht zulässig. Eine solche Ehe wäre nichtig. Davon unberührt bleibt aber die
Möglichkeit, eine Ehe auf Zeit zu schließen (Enayat, a.a.O., S. 48). Weiter ist es ein
wesentliches Element der Ehe nach dem iranischen Zivilgesetzbuch - ZGB -, dass der
Unterhalt der Frau durch den Ehemann zu erbringen ist (§ 1106 ZGB, hier wie im
Folgenden zitiert nach: Enayat, a.a.O., S. 112 ff.). Bei einer Ehe auf Zeit gilt das nicht, es
sei denn, es ist Entsprechendes vereinbart worden (§ 1113 ZGB). Eine derartige
Rangfolge zwischen Ehefrauen 1. und 2. Klasse ist mit den hiesigen
Gerechtigkeitsvorstellungen, wie sie insbesondere im Gleichbehandlungsgrundsatz des
Artikels 3 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommen, nicht vereinbar. Das fällt besonders
negativ ins Gewicht angesichts der ohnehin schwachen Stellung der (Ehe) Frauen in der
iranischen Rechts- und Gesellschaftsordnung.
Nach den hier geltenden Vorstellungen ist es zudem wesentliches Element der Ehe,
füreinander Verantwortung zu übernehmen (vgl. auch § 1353 Abs. 1 Satz 2, 2.HS BGB)
und Familienunterhalt zu gewähren (§ 1360 BGB). Die Ehe auf Zeit ist nach dem
Gesagten darauf grundsätzlich nicht angelegt. Sie weicht damit auch insofern so
erheblich von den der innerstaatlichen Rechtsordnung zugrundeliegenden Vorstellungen
ab, dass angesichts des starken Inlandsbezugs des vorliegenden Sachverhalts ein ordre-
public-Verstoß anzunehmen ist.
Es kann dahinstehen, ob eine andere Einschätzung gerechtfertigt sein könnte, wenn die
Betroffenen nach iranischem Recht keine andere Möglichkeit hätten, als eine Ehe auf
Zeit einzugehen. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, wenn die Ehegatten einer Ehe
auf Zeit Unterhaltsverpflichtungen wie bei einer Dauerehe vereinbart hätten. Jedenfalls
im vorliegenden Fall bedürfen diese Konstellationen keiner Entscheidung, weil sie nicht
vorliegen.
Sowohl die Klägerin als auch R.S. sind Muslime. Sie hätten nach iranischem Recht ohne
Weiteres eine Dauerehe miteinander eingehen können. R.S. hätte es zudem in der
Hand, sich zum einen entweder von seiner „Dauerehefrau“ scheiden zu lassen und zum
anderen ungeachtet einer solchen Scheidung, die Klägerin „auf Dauer“ und eben nicht
nur „auf Zeit“ zu ehelichen. Der Vortrag, die (erste) Ehefrau, deren Zustimmung es für
die Eingehung einer weiteren Dauerehe bedürft hätte, habe psychische Probleme mit
suizidalen Tendenzen, ist gänzlich unsubstanziiert und auch unabhängig davon nicht
geeignet, eine andere Einschätzung zu rechtfertigen. Es darf erwartet werden, dass, wer
ernsthaft eine eheliche Lebensgemeinschaft verwirklichen will, dies notfalls unter
Inkaufnahme von Hindernissen und Schwierigkeiten tun wird. Dass die Klägerin und R.S.
gerade dies nicht tun, lässt nach Einschätzung des Gerichts Zweifel am Willen
aufkommen, tatsächlich eine eheliche Lebensgemeinschaft führen zu wollen.
Weiter ist zwischen der Klägerin und R.S. auch eine Unterhaltsvereinbarung nicht
getroffen worden. Das Fehlen der Unterhaltspflichten wird auch nicht durch die sog.
Morgengabe kompensiert. Die hier insoweit vereinbarten 114 Goldmünzen wurden
bislang nicht gezahlt. Zudem handelt es sich bei der Morgengabe rechtlich um etwas
grundlegend Verschiedenes von den üblichen ehelichen Unterhaltspflichten (vgl. § 1107
ZGB, wonach der Unterhalt Unterkunft, Nahrung, Kleidung und Einrichtungsgegenstände
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ZGB, wonach der Unterhalt Unterkunft, Nahrung, Kleidung und Einrichtungsgegenstände
umfasst, die üblicherweise unter Berücksichtigung der Stellung der Frau angebracht
sind, sowie Bedienstete für den Fall einer Gewöhnung der Frau, Bedienstete zu haben).
R.S. leistet auch tatsächlich keinen Unterhalt. Das folgt schon aus dem Umstand, dass
die Klägerin hierzu im Rahmen ihrer Angaben zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe
vorgetragen hat, außer Sozialhilfe keinerlei Einnahmen zu haben. Wenn sie nunmehr in
der mündlichen Verhandlung behauptet, R.S. leiste tatsächlich Unterhalt, ist das als
verfahrensangepasst zu werten. Aber selbst wenn R.S. tatsächlich Unterhalt leisten
würde (übrigens mit der Folge, dass die Klägerin nur aufgrund unwahrer Angaben
Prozesskostenhilfe und womöglich auch weitere staatliche Sozialleistungen beziehen
würde), vermochte dies die fehlende Rechtspflicht zur Unterhaltsleistung nach
iranischem Recht nicht zu ersetzen. Auch dass vorliegend die Ehe für 50 Jahre und damit
vermutlich zumindest für den 1956 geborenen R.S. faktisch (vorbehaltlich einer
vorzeitigen Auflösung) auf Lebenszeit geschlossen wurde, ändert hieran nichts
Entscheidendes.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung des Artikels 8 Abs. 3
des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich
Persien vom 13. August 1930 (RGBl. II, S. 1006). Nach dieser Vorschrift bleiben die
Angehörigen der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates in Bezug
auf das Personen-, Familien- und Erbrecht den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze
unterworfen. Die Anwendung dieser Gesetze kann vom anderen vertragschließenden
Staat nur ausnahmsweise und insoweit ausgeschlossen werden, als ein solcher
Ausschluss allgemein gegenüber jedem fremden anderen Staat erfolgt. Artikel 8 Abs. 3
Satz 2 des Abkommens lässt eine Berufung auf den ordre-public nach den allgemein im
Verhältnis zu fremden Staaten üblichen Grundsätzen zu (OLG Düsseldorf, Beschluss
vom 19. Dezember 2008 - I-3 Wx 51/08 -).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidungen über die
vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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