Urteil des VG Arnsberg vom 11.03.2008
VG Arnsberg: garage, grundstück, mauer, terrasse, einsichtnahme, lärm, stadt, gebäude, wohnhaus, breite
Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 K 3502/06
Datum:
11.03.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3502/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung
T2. , Flur 52, Flurstück 366 (postalische Anschrift: L. 1b) und wendet sich gegen die
Errichtung eines Wohnhauses auf dem östlich angrenzenden Flurstück 94. Das
Wohnhaus des Klägers ist Teil eines Reihenhauses mit vier Wohngebäuden und wird
von der westlich gelegenen Straße L. erschlossen. Das 108 m² große Grundstück wird
im rückwärtigen (östlichen) Bereich als Terrasse (11,25 m²) und als Garten (ca. 27 m²)
genutzt. Das Wohnhaus hat zwei Vollgeschosse und verfügt über ein Satteldach mit
einer Firsthöhe von 9,00 m. Im Obergeschoss ist vor die nach Osten weisende
Giebelwand ein Balkon angebaut.
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Das 834 m² große Flurstück 94 wird von Norden über die Straße M. H. erschlossen; die
westlich, östlich und südlich angrenzenden Grundstücke sind mit Wohnhäusern bebaut.
Das trapezförmige Grundstück hat im Norden an der M.°°°° H. eine Breite von ca.
14,00 m und an der südlichen Grundstücksgrenze eine Breite von ca. 26,00 m. Das
derzeit unbebaute Grundstück ist von Norden nach Süden ca. 40 m lang. Es liegt im
Geltungsbereich der Gestaltungssatzung für die Altstadt T2. vom 12. November 2001
(Altstadtsatzung) und des am 1. Juni 1977 in Kraft getretenen (einfachen)
Bebauungsplans Nr. 99 der Stadt T2. , der es als allgemeines Wohngebiet mit
zweigeschossiger Bebauung bei einer Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 und einer
Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,8 festgesetzt.
3
Im Jahr 1982 stellte der damalige Eigentümer eine Bauvoranfrage zur Errichtung von
zwei Einfamilienhäusern auf dem Flurstück 94. Der Stadtdirektor der Stadt T2. erteilte
zunächst einen positiven Vorbescheid und nahm diesen später zurück. Das
Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg hob den Rücknahmebescheid mit Urteil vom 4.
Dezember 1984 (4 K 1413/84) auf. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
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Westfalen (OVG NRW) wies die Klage im Berufungsverfahren unter Abänderung der
erstinstanzlichen Entscheidung durch Urteil vom 9. September 1986 (11 A 297/85) ab
und führte in der Begründung u.a. aus: Beurteilungsgrundlage für das Bauvorhaben sei
hinsichtlich der Frage, welche Fläche des Grundstückes überbaubar sei, § 34 des
Bundesbaugesetzes (BBauG). Denn die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 99
zur überbaubaren Grundstücksfläche seien unwirksam. Die zur Genehmigung gestellte
Bebauung mit zwei Wohnhäusern verletze das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber
den angrenzenden Nachbargrundstücken.
Im Jahr 2000 stellten die Eheleute Fenger als Eigentümer des Grundstückes einen
erneuten Bauantrag zur Errichtung eines eingeschossigen Zweifamilienhauses mit einer
Grundfläche von ca. 180 m² nebst Garage. Die Nord- und die Südwand des Gebäudes
sollte in einem Abstand von 11,74 m bzw. 28,50 m zur M. H. errichtet werden. Der
Beklagte lehnte den Bauantrag mit der Begründung ab, dass sich das Bauvorhaben
aufgrund seiner rückwärtigen Lage nicht in die nahezu ausschließlich durch
Straßenrandbebauung geprägte nähere Umgebung einfüge und es nicht hinreichend
Rücksicht auf die Wohn- und Ruheinteressen der angrenzenden Nachbarn nehme.
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Nach Zurückweisung des Widerspruches erhoben die Eigentümer Klage und das
erkennende Gericht verpflichtete den Beklagten durch Urteil vom 11. Juni 2002 (4 K
2672/01) zur Erteilung der Baugenehmigung. Den Antrag des Beklagten auf Zulassung
der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 18. August 2003
(7 A 3164/02) ab. In beiden Entscheidungen war u.a. ausgeführt, dass das Bauvorhaben
sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfüge
und nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Wegen der Einzelheiten der
Begründungen wird auf die vorgenannten Entscheidungen verwiesen.
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Der Beigeladene stellte am 4. Mai 2006 einen Bauantrag und der Beklagte erteilte ihm
am 30. Mai 2006 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einzelhauses mit zwei
Wohneinheiten, einer Garage und einem Stellplatz. Das Bauvorhaben soll nach den
genehmigten Unterlagen wie folgt ausgeführt werden: Im westlichen und östlichen
Gebäudeteil sollen zwei 120 m² bzw. 128 m² große Wohnungen entstehen. Das
Gebäude soll eine Grundfläche von 165,8 m² (GRZ 0,2) und eine Geschossfläche von
273,89 m² (GFZ 0,32) haben. Es soll ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 7,55 m und
einer Dachneigung von 34° erhalten. Die Giebelseiten sollen nach Norden und Süden
ausgerichtet werden und die versetzt vor- und zurückspringenden Giebelwände der
westlichen bzw. der östlichen Haushälften zur Straße M. H. einen Abstand von 11,60 m
und 26,60 m bzw. von 15,00 m und 28,40 m einhalten. Die Westwand des Gebäudes
soll eine Traufhöhe von 3,46 m haben und zum Grundstück des Klägers in einem
Abstand von zwischen 4,40 m und 6,90 m errichtet werden. In die Dachfläche soll in
Höhe des Grundstücks des Klägers in einem Abstand von ca. 6,00 m zur Grenze ein
Dachaufbau mit einem Fenster eingebaut werden. Zwischen der Westwand des
Gebäudes und der westlichen Grundstücksgrenze soll eine Garage mit einer Wandhöhe
von 2,75 m und einer 7,28 m langen Westwand errichtet und daran südlich angrenzend
soll eine Terrasse angelegt werden.
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Der Beklagte ließ mit Bescheid vom 29. Mai 2006 Abweichungen von den
Festsetzungen der §§ 4 und 7 der Altstadtsatzung in Bezug auf die den getroffenen
Festsetzungen zur Dachneigung und zu den Fensterformaten nicht entsprechende
Ausführung zu. Zur Begründung seines am 29. Juni 2006 eingelegten Widerspruchs
machte der Kläger zunächst geltend, dass die Stadtvertretung einen
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Aufstellungsbeschluss für eine 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 99 gefasst habe,
der die Entwicklung der bislang unbebauten Grundstücke im Plangebiet im Blick habe.
Die Baugenehmigung sei von der Verwaltung ohne Rücksicht auf den
Aufstellungsbeschluss und die Planungshoheit der Stadtvertretung erteilt worden.
Mit Schreiben vom 12. September 2006 trug der Kläger ergänzend vor: Das
Bauvorhaben beeinträchtige die Wohnqualität seines Grundstückes schwerwiegend.
Die 7 m lange rückwärtige Grundstücksgrenze werde mit einer 2,75 m hohen
Garagenwand und einer 2,00 m hohe Mauer bebaut, so dass sein Garten vollständig
verschattet werde. Hinter der Mauer sei eine Terrasse geplant, so dass unzumutbare
Lärm- und Geruchsbelästigungen z.B. beim Grillen zu befürchten seien. Die Westwand
des Bauvorhabens solle eine bis zum Fußboden reichende Fensterfront erhalten, so
dass sein Wohn- und Schlafbereich optisch beeinträchtigt werde. Das Bauvorhaben sei
mit dem Bauvorhaben der Eheleute Fenger schon allein wegen der intensiven Nutzung
der Seitenbereiche nicht vergleichbar. Das überdimensionale Vorhaben zerstöre die
städtebaulichen Strukturen des Quartiers.
9
Die Landrätin des Kreises T2. wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 15.
September 2006 zurück und führte aus: Das Bauvorhaben sei nicht
nachbarrechtswidrig. Es halte die nach § 6 der Bauordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen (BauO NRW) erforderlichen Abstandflächen ein und verstoße auch
hinsichtlich der Anordnung der Garage und des Stellplatzes nicht gegen § 51 Abs.7
BauO NRW. Das Bauvorhaben sei bauplanungsrechtlich unbedenklich. Hinsichtlich Art
und Maß der Bebauung seien die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 99
eingehalten. Dieser enthalte keine wirksame Festsetzung der überbaubaren
Grundstücksfläche, so dass Nachbarschutz nur im Rahmen des § 34 des
Baugesetzbuches (BauGB) und insoweit über das Gebot der Rücksichtnahme gewährt
werden könne. Dieses Gebot sei nicht verletzt. Das Bauvorhaben halte zum Grundstück
des Klägers den erforderlichen Abstand ein, so dass zunächst davon ausgegangen
werden könne, dass das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt
sei. Dem Bauvorhaben komme auch keine erdrückende Wirkung zu. Insoweit sei in den
früheren gerichtlichen Entscheidungen hinsichtlich des vergleichbaren Vorhabens G.
ausgeführt, dass das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt werde. Soweit Einsicht
auf das Grundstück des Klägers genommen werden könne, müsse der Kläger dies
ebenso wie die mit der Nutzung der Terrasse verbundenen Lebensäußerungen im
städtischen Innenbereich hinnehmen. Nachbarrechte seien auch nicht durch die
Grenzbebauung verletzt. Die offenbar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze
geplante Mauer sei genehmigungsfrei und die Garage dürfe an der Grenze errichtet
werden.
10
Der Kläger hat am 16. Oktober 2006 Klage erhoben und macht geltend: Entgegen den
Ausführungen in den früheren Gerichtsverfahren verstoße das Bauvorhaben gegen das
Gebot der Rücksichtnahme. Die gerichtlichen Fehlbewertungen seien im Wesentlichen
darauf zurückzuführen, dass im Verfahren 4 K 2672/01 der Sachverhalt fehler- und
mangelhaft ermittelt worden sei.
11
Das genehmigte Vorhaben sei mit dem Vorhaben der Eheleute G. nicht vergleichbar.
Damals sei ein selbstgenutztes Wohnhaus mit Einliegerwohnung genehmigt worden.
Ausweislich des Verkaufsprospektes der Volksbank I1.---weg wolle der Beigeladene
das Grundstück gewinnbringend vermarkten und so aufteilen, dass ein Doppelhaus
entstehe. Zudem sei das damalige Gebäude nach Süden und Norden ausgerichtet
12
gewesen. Das jetzige Bauvorhaben sei aufgrund seiner Raumaufteilung, den
großflächigen Fenstern und der großen Terrasse im Grenzbereich zu den seitlichen
Grundstücksgrenzen ausgerichtet und ermögliche dadurch eine Einsichtnahme auf
seine Außenwohnbereiche und die Erdgeschossräume. Dies sei auch bei Erteilung des
Abweichungsbescheides von der Altstadtsatzung, der den Einbau der großen Fenster in
die Westwand zulasse, nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Das Vorhaben verstoße trotz der Einhaltung der Abstandflächen gegen das Gebot der
Rücksichtnahme. Es liege eine vom Regelfall abweichende Sondersituation vor, denn
das überdimensionierte Vorhaben habe erdrückende Wirkung. Seine rückwärtige
Grundstücksgrenze werde durch die Garage und die Mauer vollständig abgeriegelt, so
dass die Terrasse und der Garten vollständig verschattet und die dort befindlichen
Pflanzen eingehen würden. Der Baukörper verursache ein Gefühl des
„Eingemauertseins" und könne insbesondere seiner Frau nicht zugemutet werden.
Diese leide ausweislich eines beigefügten Attestes an Klaustrophobie und müsse durch
die Abriegelung des Grundstückes schwerwiegende gesundheitliche Folgen befürchten.
13
Auch die Anordnung der Garage im rückwärtigen Bereich führe insbesondere an Sonn-
und Feiertagen zu unzumutbaren Beeinträchtigungen. Die Garage werde über eine 16
m lange Zufahrt angefahren und dringe bis 23 m in den bisher nicht durch Lärm- und
Abgase belastenden Ruhebereich ein.
14
Das Bauvorhaben sei jedenfalls gegenüber den tiefer gelegenen und besonders kleinen
Grundstücken entlang der Straße „H1. I2. „ rücksichtslos.
15
Schließlich verstoße die Stadt T2. auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung, indem
sie für den Bebauungsplan Nr.99 nicht wie in einem vergleichbaren Fall für den
Bebauungsplan Nr. 101 eine Veränderungssperre erlassen habe.
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Der Kläger beantragt,
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die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Beklagten vom 30. Mai 2006 nebst
Abweichungsbescheid vom 29. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Landrätin des Kreises T2. vom 15. September 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und in den
früheren gerichtlichen Entscheidungen.
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Der Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt aus: Das Bauvorhaben sei mit dem Vorhaben der Eheleute G. nahezu identisch.
Hinsichtlich dieses Vorhabens sei in den früheren Gerichtsentscheidungen bereits
festgestellt worden, dass Nachbarrechte nicht verletzt seien. Der Kläger habe auch
keinen Anspruch auf Erlass einer Veränderungssperre, weil es nach § 1 Abs.3 BauGB
keinen Anspruch auf Aufstellung von Bebauungsplänen gebe. Die persönlichen
24
Verhältnisse der Bewohner der Nachbargrundstücke seien rechtlich unerheblich, weil
das Gebot der Rücksichtnahme grundstücksbezogen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie auf die Verfahrensakten im
Parallelverfahren 4 K 1073/07 nebst dazu beigezogener Verwaltungsvorgänge und auf
die Akten des Verfahrens 4 K 2672/01 Bezug genommen.
25
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
26
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die angefochtenen Genehmigungen
(Baugenehmigung und Abweichungsbescheid) des Beklagten vom 29. und 30. Mai
2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landrätin des Kreises T2. vom 15.
September 2006 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs.1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
27
In Verfahren des baurechtlichen Nachbarstreits ist nicht Gegenstand der rechtlichen
Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben allen Vorschriften des öffentlichen Baurechts
entspricht. Für den Erfolg in Verfahren der vorliegenden Art kommt es vielmehr darauf
an, ob die angefochtene Genehmigung gerade gegen solche Vorschriften verstößt, die
neben den öffentlichen Interessen auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt
sind. Dies ist hier nicht der Fall.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Abweichungsbescheides vom 29.
Mai 2006, denn gestalterische Festsetzungen dienen städtebaulichen und
baugestalterischen Gründen und haben regelmäßig keine nachbarschützende Wirkung.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Mai 2007 - 7 A 2364/06 -, Baurecht (BauR) 2007, 1560
und Beschluss vom 28. November 1997 - 10 B 2668/97 - jeweils bezüglich
gestalterischer Festsetzungen in einem Bebauungsplan.
30
Dies gilt erst recht für eine Gestaltungssatzung als örtliche Bauvorschrift gemäß § 86
BauO NRW, denn diese gilt nicht nur für ein Bebauungsplangebiet, in dem die
Anwohner in einem nachbarlichen Austauschverhältnis untereinander stehen. Insoweit
zeigt die Präambel der Satzung vom 12.11.2001, in der es u.a. heißt, „Ziel dieser
Satzung ist, das charakteristische Stadtbild der Altstadt zu erhalten", deutlich, dass mit
der Satzung allein städtebauliche und stadtgestalterische Zielsetzungen verfolgt werden
und dass die Regelungen keinen Nachbarschutz vermitteln (sollen).
31
Auch die angefochtene Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dies kann die Kammer auch ohne erneute Ortsbesichtigung entscheiden, denn
aufgrund des vorliegenden umfassenden Karten- und Lichtbildmaterials sind die
entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt und es bedarf keiner weiteren
Ermittlungen.
32
Die angegriffene Baugenehmigung ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil sie formell
(nachbar-)rechtswidrig wäre. Sie ist insbesondere nicht schon wegen fehlender
hinreichender Bestimmtheit (§ 37 Abs.1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das
Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NRW- ) aufzuheben. Allerdings entspricht es
ständiger Rechtsprechung der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts, dass eine
33
Baugenehmigung auf eine Nachbarklage aufzuheben ist, wenn sie im Hinblick auf
nachbarrechtsrelevante Merkmale unbestimmt und eine Verletzung eines
Nachbarrechtes nicht auszuschließen ist.
Vgl. Urteil vom 12. September 2006 - 10 A 2980/05 -, BauR 2007, 350 =
Baurechtssammlung (BRS) 70 Nr. 128 sowie Beschluss vom 30. Mai 2005 - 10 A
2017/03 -, BauR 05,1459 = BRS 69 Nr. 163 jeweils mit weiteren Nachweisen.
34
Eine solche zu Lasten des Klägers gehende Unbestimmtheit der Baugenehmigung lässt
sich jedoch nicht feststellen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf
hinweist, dass der Abstand des Baukörpers zu den Häusern der „H I2. „ in einem
veralteten Katasterplan unzutreffend wiedergegeben sei und dass dem Lageplan nicht
hinreichend zu entnehmen, dass die Häuser im Bereich der „H I2. „ einen Meter tiefer als
das Baugrundstück liegen und dass ein geschützter Baum im Lageplan nicht
eingetragen sei, so rechtfertigt dies nicht die Aufhebung der Baugenehmigung, weil
nicht ersichtlich ist, dass hierdurch ein Verstoß gegen den Kläger schützende
(nachbarrechtsrelevante) Vorschriften begründet werden könnte. Soweit der Kläger
darauf hinweist, dass die Bauvorlagen u.a. im Hinblick auf die Dachgauben nicht mit
den Darstellungen im Verkaufsprospekt der Volksbank I1.---weg übereinstimmen, so ist
dies rechtlich unerheblich. Der Inhalt einer Baugenehmigung wird durch den Bauschein
bestimmt und durch die zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Bauvorlagen
konkretisiert.
35
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2003 - 7 B 2374/02 -, BRS 66 Nr. 82.
36
Ob diese mit anderen Unterlagen nicht im Einklang stehen, ist insoweit für die
Bestimmtheit der Baugenehmigung unerheblich.
37
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2005, a.a.O.
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Insoweit ist es auch unerheblich, dass die erteilte Baugenehmigung auf den 30. Mai
2006 datiert ist und der mit Grünstempel auf den Bauvorlagen angebrachte
Zugehörigkeitsvermerk auf eine Baugenehmigung vom 29. Mai 2006 hinweist, denn
hierbei handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler im Sinne des § 42 S.1
VwVfG NRW, der nicht zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung führt, sondern
allenfalls Anlass für eine Berichtigung sein könnte.
39
Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften der
Landesbauordnung. Ein zu Lasten des Grundstücks des Klägers gehender Verstoß
gegen die Abstandflächenvorschrift des § 6 BauO NRW liegt ersichtlich nicht vor. Die
zum Grundstück des Klägers weisende Westwand des Gebäudes hat eine Traufhöhe
von 3,46 m. Die Höhe des Daches ist nach § 6 Abs.4 S. 6 BauO NRW weder aufgrund
der Dachneigung, die weniger als 45° beträgt (Nr. 2 Spiegelstrich 1) noch aufgrund des
Dachaufbaus, dessen Gesamtbreite weniger als die Hälfte der darunter liegenden
Gebäudewand beträgt (Nr. 2 Spiegelstrich 2) der Wandhöhe hinzuzurechnen, so dass
sich selbst unter Zugrundelegung des ungünstigsten Maßes 0,8 H (§ 6 Abs.5 Satz 1
BauO NRW) eine Abstandfläche von 2,76 m errechnet und die Wand somit den
Mindestabstand von 3,00 m (§ 6 Abs.5 S.6 BauO NRW) einhalten muss. Tatsächlich hält
die Wand jedoch einen (Mindest-) Abstand von 4,40 m ein. In diesem Zusammenhang
sei angemerkt, dass bei Zugrundelegung des § 6 BauO NRW in der seit dem 29.
Dezember 2006 gültigen Fassung,
40
vgl. zur Anwendbarkeit dieser Fassung in Nachbarstreitverfahren: OVG NRW, Urteil
vom 8. März 2007 - 7 A 3782/05 -, BauR 2007, 1023,
41
für die Wand nach § 6 Abs.6 Satz 1 BauO NRW ein Abstandsmaß von 0,4 H der
Berechnung zu Grunde gelegt werden müsste, so dass bei diesem Abstand die Wand
eine Höhe von 11,00 m haben dürfte. Auch die Garage ist als Grenzgarage im Sinne
von § 6 Abs.11 BauO NRW abstandflächenrechtlich unbedenklich, denn sie hat eine
Wandhöhe von weniger als 3,00 m und keine Öffnungen in der Grenzwand. Die
Gesamtlänge der zulässigen Grenzbebauung überschreitet zu der Nachbargrenze auch
nicht die Länge von 9,00 m und zu allen Nachbargrenzen nicht die Länge von 15,00 m.
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Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen die Vorschrift des § 51 Abs.7 BauO NRW,
wonach Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden müssen, dass
ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und Lärm und Gerüche das Arbeiten und
Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung nicht über das zumutbare Maß
hinaus stören dürfen. Dabei ist das Kriterium der Unzumutbarkeit nicht im
enteignungsrechtlichen Sinne zu verstehen, sondern meint unterhalb dieser Schwelle
liegende Belästigungen durch Lärm oder Gerüche, die der Umgebung, insbesondere
der Nachbarschaft billigerweise nicht zugemutet werden können. Die Frage, wann die
Benutzung von Stellplätzen die Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt
und generell nach festen Merkmalen beurteilen. Vielmehr kommt es entscheidend auf
die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken. Dementsprechend
ist von Bedeutung, an welchem Standort die Stellplätze angeordnet werden sollen und
in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und ggfls.
gegenüber den Wohnhäusern des betroffenen Nachbarn befindet. Entscheidend für die
Feststellung, ob die Benutzung von Stellplätzen als unzumutbar zu bewerten ist, ist
weiter der Umstand, wie der Bereich, in dem die Stellplätze errichtet werden sollen bzw.
in denen sie sich auswirken werden, zu qualifizieren ist und welche Einwirkungen die
Bewohner dort bereits hinzunehmen oder zu erwarten haben. Dabei ist einerseits von
dem Grundsatz auszugehen, dass die durch die Nutzung von Stellplätzen verursachten
Belästigungen nur selten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen,
wenn die Stellplätze, wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung
vorgegeben, nahe der Straße untergebracht werden. Andererseits werden Lärm- und
Geruchsbelästigungen von Stellplätzen im rückwärtigen Grundstücksbereich eher die
Grenze des Zumutbaren überschreiten. Dabei ist die Grenze um so niedriger
anzusetzen, je empfindlicher und schutzwürdiger der Bereich, in dem die Stellplätze
errichtet werden sollen, hinsichtlich der in § 51 Abs.7 BauO NRW genannten
Schutzgüter ist.
43
Vgl. zur ständigen Rechtsprechung der Bausenate des OVG NRW zuletzt die Urteile
vom 20. Juni 2006 - 10 A 80/04 -, BRS 70 Nr. 136 und vom 24. Januar 2008 - 7 A 270/07
-, bisher nicht veröffentlicht.
44
Hiervon ausgehend ist ein Verstoß gegen § 51 Abs.7 BauO NRW jedenfalls gegenüber
dem Grundstück des Klägers nicht gegeben. Zwar soll einerseits die Garage in einer
Entfernung von 16,00 m zur Straße M. H. und damit im Bereich der Rückseiten der
Gebäude des Reihenhauses L. 1a - d) errichtet werden. Insoweit entspricht es auch
ständiger Rechtsprechung, dass dem Schutz der Gebäuderückseiten aufgrund des
Ruhebedürfnisses der Bewohner grundsätzlich besondere Bedeutung zukommt.
45
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2006 - 10 A 80/04 - und Beschluss vom 30.
November 1999 - 7 B 2012/99 - m.w.N.
46
Insoweit wird auch durch die Anordnung der Garage im rückwärtigen Bereich erstmalig
ein Störpotential in den Hinterbereich getragen, mit dem die Nachbarn nicht rechnen
mussten.
47
Andererseits sind nach der gesetzgeberischen Entscheidung des § 6 Abs.11 Nr.1 BauO
NRW Garagen nebst deren erforderlichen Zuwegung an der Nachbargrenze
grundsätzlich hinzunehmen. Dies bedeutet zugleich, dass auch die mit der Benutzung
der Garage notwendigerweise verbundenen Geräusche (Öffnen und Schließen des
Garagentores, Motorengeräusch der ein- und ausfahrenden Pkw, Türenschlagen,
Gespräch vor der Garage etc.) und die bei der Zu- und Abfahrt zur Garage verursachten
Abgase nach der gesetzgeberischen Wertung auch und gerade an der Nachbargrenze
grundsätzlich als zumutbar anzusehen sind.
48
Vgl. auch insoweit OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2006,a.a.O. mit weiteren
Nachweisen.
49
Die Garage dient der Nutzung der Wohnung und erlaubt das Abstellen (nur) eines
Fahrzeuges, so dass bei der hier vorzunehmenden typisierenden Betrachtungsweise im
Durchschnitt mit vier Fahrzeugbewegungen täglich zu rechnen ist.
50
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2006, a.a.O.
51
Diese Auswirkungen der Garage sind dem Kläger in der gegebenen Situation noch
zuzumuten. Denn die Garage soll auf einer Länge von 2,00 m an der gemeinsamen
Grundstücksgrenze errichtet werden. Durch diese Anordnung wird das Grundstück des
Klägers zugleich gegenüber dem Zu- und Abgangsverkehr weitgehend abgeschirmt und
die Zufahrt zur Garage befindet sich 5,00 m vom Grundstück des Klägers entfernt, so
dass trotz der Anordnung der Garage im rückwärtigen Bereich hier von unzumutbaren
Störungen des Grundstücks des Klägers nicht auszugehen ist.
52
Die Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des
Bauplanungsrechts. Das Bauvorhaben liegt innerhalb des Geltungsbereichs des
(einfachen) Bebauungsplans Nr. 99 der Stadt T2. . Dieser setzt für das Grundstück ein
allgemeines Wohngebiet mit maximal zweigeschossiger Bebauung und eine
Grundflächenzahl von 0,4 und 0,8 fest. Dass das Vorhaben diesen Festsetzungen
entspricht, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, so dass das Gebäude hinsichtlich
Art und Maß der baulichen Nutzung nicht zu beanstanden ist.
53
Beurteilungsgrundlage im Übrigen ist gemäß § 30 Abs.3 BauGB die Bestimmung des §
34 Abs.1 BauGB, da der Bebauungsplan kein qualifizierter Plan ist. Denn er enthält
keine (wirksamen) Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen und zu den
Verkehrsflächen.
54
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. September 1986 - 11 A 297/85 -, betreffend die
Bauvoranfrage des Voreigentümers Scyf.
55
Im früheren Verfahren ist insoweit hinsichtlich eines vergleichbaren Baukörpers mit
einer Tiefe von 28,50 m geklärt worden, dass sich dieser hinsichtlich der
56
Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Umgebungsbebauung einfügt. Fügt
sich aber ein Bauvorhaben in die nähere Umgebung ein, so kommt insoweit auch keine
Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme in Betracht.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -,
BRS 62 Nr. 102.
57
Ob diese Feststellungen auch auf das hier streitige Bauvorhaben übertragbar sind, kann
im vorliegenden Verfahren letztlich offen bleiben, denn § 34 Abs.1 BauGB vermittelt
Nachbarschutz jedenfalls nur über das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens
enthaltene Rücksichtnahmegebot.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1996 - 4 B 215.96 -, BRS 58 Nr. 164.
59
Angesichts dessen bedarf es mangels Entscheidungserheblichkeit auch nicht der vom
Kläger für erforderlich erachteten Prüfung, ob alle früheren tatsächlichen Feststellungen
in den Urteilen zutrafen.
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Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liegt nicht vor. Welche
Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den
jeweiligen Umständen ab. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass um so mehr an
Rücksichtnahme verlangt werden kann, je empfindlicher und schutzwürdiger die
Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme zu Gute kommt; umgekehrt braucht
derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, um so weniger Rücksicht zu nehmen, je
verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit seinem Vorhaben verfolgten
Interessen sind. Die hierbei vorzunehmende Interessenabwägung hat sich an dem
Kriterium der Unzumutbarkeit auszurichten.
61
Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 1981 - 4 C 1.78 -, BauR 81, 155 = BRS 38 Nr. 186.
62
Zur Beurteilung der Unzumutbarkeit ist auf die konkrete Situation vor Ort abzustellen.
Von Bedeutung sein können beispielsweise die topographischen und meteorologischen
Verhältnisse, die Lage der Grundstücke zueinander, die Größe der betroffenen
Grundstücke, die konkrete Nutzung der Grundstücke und gegebenenfalls einzelner
Grundstücksbereiche, die Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit bestehender
Nutzungen, das Erfordernis der geplanten Nutzung aus der Sicht des Bauherrn, die
Lage, Größe und sonstige Ausgestaltung vorhandener und geplanter Baukörper.
Letztlich bedarf es einer Gesamtbewertung sämtlicher einschlägiger Kriterien, um die
Frage der Rücksichtslosigkeit zuverlässig beurteilen zu können.
63
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. November 2001 - 10 B 860/01 -, BRS 64 Nr. 122.
64
Das Bauvorhaben ist nicht wegen der vom Kläger in den Vordergrund seiner
Ausführungen gestellten Entziehung von Luft und Sonne und seiner erdrückenden
Wirkung rücksichtslos. Hält ein Vorhaben - wie das hier streitige - die nach § 6 BauO
NRW erforderlichen Abstandflächen ein, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass das
Bauvorhaben unter den Gesichtspunkten, die Regelungsziel der Abstandvorschriften
sind - Vermeidung von Licht-, Luft- und Sonnenentzug, Unterbindung einer
erdrückenden Wirkung des Baukörpers sowie Wahrung eines ausreichenden
Sozialabstandes - nicht gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme
verstößt.
65
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1998 - 4 B 215.96 -, BRS 58 Nr. 164; OVG
NRW, Beschluss vom 13. September 1999 - 7 B 1457/99 -, BauR 2001, 917.
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Allerdings kann sich im Einzelfall ein Vorhaben wegen seiner erdrückenden Wirkung
mit dem Gebot der Rücksichtnahme als unvereinbar erweisen, wenn ein durch seine
Ausmaße (Breite und/oder Höhe) und Gestaltung als außergewöhnlich zu
qualifizierender Baukörper den Bewohnern eines Nachbargrundstücks den Eindruck
des „Eingemauertseins" vermittelt. Einer in dieser Weise hervorgerufenen Abriegelung
des Nachbargrundstücks kommt erdrückende Wirkung zu.
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vgl. OVG NRW, Urteile vom 14. Januar 1994 - 7 A 2002/92 -, BauR 94, 746 = BRS 56
Nr. 196 und vom 15. Mai 2002 - 7 B 558/02 -, Juris sowie Beschluss vom 19. Mai 2005 -
7 B 17/05 - und vom 21. März 2007 - 7 B 137/07 -, beide nicht veröffentlicht.
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Hiervon ausgehend liegt ein Rücksichtnahmeverstoß nicht vor. Das Bauvorhaben ist
zunächst nicht wegen seiner Ausmaße oder seiner Baumasse rücksichtslos. Es soll ein
eingeschossiges Wohnhaus mit einem Satteldach und einer Firsthöhe von 7,55 m
errichtet werden. Die zum Grundstück des Klägers weisende Westwand hat eine Länge
von 15,00 m und eine Höhe von 3,46 m. Insoweit handelt es sich um einen Baukörper,
der von seinen Ausmaßen nicht als außergewöhnlich qualifiziert werden kann und der
die Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht ausnutzt, denn danach wäre eine
zweigeschossige Bebauung mit einer GRZ von 0,4 (tatsächlich nur 0,2) und einer GFZ
von 0,8 (tatsächlich nur 0,32) zulässig. Der Baukörper ist damit ohne weiteres mit der
angrenzenden Bebauung vergleichbar. Denn das Reihenwohnhaus L. 1a) bis 1d) hat
eine Breite von 25,00 m und die Firste sind 9,00 m hoch. Auch das dreigeschossige
Haus L1.-----------gasse 2a hat eine Breite von 15,00 m und ist deutlich höher als das
geplante Gebäude.
69
Das Bauvorhaben hat auch nicht wegen der vom Kläger befürchteten vollständigen
Bebauung der Nachbargrenze erdrückende Wirkung. Der Kläger weist insoweit
wiederum unter Heranziehung des Prospektes der Volksbank I1.---weg darauf hin, dass
entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine 2,00 m hohe Mauer und die 2,75 m
hohe Garagenwand errichtet werden sollen und dass somit seinem Garten Licht und Luft
vollständig entzogen würden. Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Inhalt
einer Baugenehmigung nicht durch solche Unterlagen, sondern allein durch die
Bauvorlagen konkretisiert wird. Die mit Grünstempel versehene Baubeschreibung
enthält unter der Rubrik Nr. 21 „Sonstige Außenanlagen z.B. Grundstückseinfriedung"
hierzu keine Eintragung. Auch dem Lageplan ist nicht zu entnehmen, dass an der
Grundstücksgrenze eine 2,00 m hohe Mauer errichtet werden soll. Nur in der
Erdgeschosszeichnung ist eine bauliche Anlage, die eine Mauer darstellen könnte,
eingezeichnet. Angaben zur Höhe dieser Anlage lassen sich insoweit den Bauvorlagen
nicht entnehmen, so dass eine Mauer mit einer Höhe von 2,00 m nicht genehmigt
worden ist. Insoweit weist die Kammer im Hinblick auf die offenbar beabsichtigte
Errichtung einer Mauer/Einfriedung darauf hin, dass eine solche Mauer bis zu einer
Höhe von 2,00 m zwar nach § 65 Abs.1 Nr. 13 BauO NRW genehmigungsfrei errichtet
werden darf. Die Baugenehmigungsfreiheit entbindet aber nach § 65 Abs.4 BauO NRW
nicht von der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften und eine
genehmigungsfreie Anlage muss somit z.B. auch mit dem Gebot der Rücksichtnahme in
Einklang stehen.
70
Ist somit davon auszugehen, dass durch die Baugenehmigung „nur" die Errichtung der
Grenzgarage und nicht auch einer weiteren Mauer genehmigt worden ist, so kann nicht
wegen der Errichtung der Garage auf einem Teilstück der gemeinsamen Grenze von
einer erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens gesprochen werden. Der Gesetzgeber
lässt die Errichtung einer Garage auf der Grenze ausdrücklich zu. Soweit der Kläger
unter Hinweis auf die kleine Gartenfläche seines Grundstücks eine besondere
Rücksichtnahme einfordert, hat hierzu das Oberverwaltungsgericht im Beschluss vom
18. August 2003 ausgeführt, dass Bewohner des unbeplanten Innenbereichs, die ihre
eigenen Baugrundstücke intensiv ausnutzen, von ihren Grundstücksnachbarn nicht
erwarten können, dass diese große, bebaubare Grundstücke nur deshalb unbebaut
lassen, um den Bewohnern auf fremden Eigentum den Freiraum zu sichern, den diese
auf ihren eigenen Grundstück nicht gewahrt haben.
71
Auch die sonstigen Einwände des Klägers können einen Verstoß gegen das Gebot der
Rücksichtnahme oder gegen sonstige nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen
Baurechts nicht begründen. Hierzu ist Folgendes auszuführen:
72
Soweit der Kläger wiederholt auf die vermeintliche Rücksichtslosigkeit des Vorhabens
gegenüber Nachbargrundstücken insbesondere in Bezug auf die Gebäude im Bereich
„H1. I2. „ verweist, kann dieses Argument seiner Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Denn
Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist allein die Frage, ob das Bauvorhaben
Nachbarrechte des Klägers verletzt; die er nicht aus der (möglichen) Verletzung der
Rechte Dritter ableiten kann.
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Soweit der Kläger auf die Krankheit seiner Ehefrau, die nicht Klägerin dieses Verfahrens
ist, und die für sie besonders belastenden Folgen einer Bebauung des
Nachbargrundstückes hinweist, so kann dieser Umstand nicht berücksichtigt werden. Es
entspricht ständiger Rechtsprechung, dass im Baunachbarstreit eine
grundstücksbezogene und keine personenbezogene Betrachtungsweise geboten ist.
Besondere Empfindlichkeiten, gesundheitliche Indispositionen oder andere persönliche
Eigenheiten haben außer Betracht zu bleiben.
74
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - 4 BN 39.05 -, BRS 69 Nr. 14 m.w.N..
75
Dementsprechend ist es für die Entscheidung auch unerheblich, ob der Beigeladene
das Haus selbst bewohnen oder ob er es vermarkten will.
76
Auch die vom Vorhabengrundstück mögliche Einsichtnahme auf das Grundstück des
Klägers begründet keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Denn im
unbeplanten Innenbereich gibt es regelmäßig keinen eigenständigen Schutz vor
Einblicknahme, der subjektive Rechte des Nachbarn begründen würde.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.01.2004 - 10 B 1811/03 -.
78
Unter dem Blickwinkel etwaiger Einsichtsmöglichkeiten kann in der Regel keine
Rücksichtnahme verlangt werden, die über den Schutz hinausgeht, der durch die
Abstandflächenvorschriften vermittelt wird.
79
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 1996 - 7 A 4325/93 - sowie Beschlüsse vom 10.
März 1998 - 7 B 441/98 - und vom 23. Dezember 1999 - 7a B 1699/99.NE -.
80
Es liegt hier auch keine - eine Ausnahme von dem vorstehenden Grundsatz
rechtfertigende - Sondersituation dergestalt vor, dass der Kläger durch die Eröffnung
unzumutbarer Einsichtsmöglichkeiten gleichsam auf dem Präsentierteller leben müsste.
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Vgl. zu einer solchen Sondersituation: OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Juli 2001 - 7 B
834/01 - und vom 22. August 2005 - 7 A 806/04 -, BRS 69 Nr. 91.
82
Zwar kann vom Vorhabengrundstück sowohl in die Außenwohnbereiche (Garten,
Terrasse) als auch in die Räume im Innern geblickt werden, und es ist auch
nachvollziehbar, dass sich der Kläger hierdurch eingeschränkt fühlt. Dies führt aber
nicht zur Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen. Denn der rückwärtige
Bereich des Grundstücks und insbesondere die Außenwohnbereiche konnten auch
bisher schon aus den Fenstern und den Balkonen der Nachbargebäude des
Reihenhauses und von den gegenüberliegenden Grundstücken an der Straße „H1. I2. „
eingesehen werden. Die Einsichtnahme in die rückwärtigen Grundstücks- bereiche ist
bei einem Reihenhaus, bei dem die durch den gemeinsamen Grenzanbau erhöhte
bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke durch einen Verzicht auf seitliche Grenzabstände
und damit auf Freiflächen, die dem Wohnfrieden dienen und vor Einsichtnahme
geschützt sind, „erkauft" wird, üblich und in aller Regel hinzunehmen. Eine
Rücksichtslosigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in die Dachfläche des
Bauvorhabens ein (aufstehendes) Fenster eingebaut werden soll, von dem auch eine
Einsichtnahme in die Räume im Obergeschoss des Hauses des Klägers möglich sein
dürfte. Diese Räume dürften zunächst auch von den zwar deutlich weiter entfernten
Häusern entlang der Straße „H1. I2. „ eingesehen werden können. Zudem ist es dem
Kläger unter dem Aspekt der gegenseitigen Rücksichtnahme zumutbar, solche Räume,
wie Schlafräume oder andere in Bezug auf eine Einsichtnahme besonders
„schutzbedürftigen" Räume (z.B. Bäder), wirksam durch Vorhänge, Jalousien, Gardinen
etc. abzuschirmen.
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Das vom Kläger zur Begründung der Rücksichtlosigkeit herangezogene Urteil vom 22.
August 2005 - 10 A 3611/03 -, BRS 69 Nr. 91 trägt seine Rechtsauffassung nicht. Auch
der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat in diesem Urteil zunächst
hervorgehoben, dass in bebauten Gebieten - speziell wenn eine Hausgruppe errichtet
wird - Einsichtsmöglichkeiten im Allgemeinen hingenommen werden müssen. Der
Senat hat dann unter Bewertung der konkreten Umstände des dort zu entscheidenden
Falles einen Balkon eines Reihenhauses ausnahmsweise als rücksichtslos angesehen,
weil über die gegenseitige Einsichtnahme in die rückwärtigen Gartenbereiche hinaus
erstmalig eine Einsichtnahme in ein nur 1,00 m entferntes Schlafzimmerfenster im
Nachbarreihenhaus ermöglicht wurde und damit auch ein Mindestmaß an privater
Wohnruhe nicht mehr gesichert war. Eine vergleichbare Fallkonstellation liegt hier
jedoch nicht vor. Anders als im damals entschiedenen Fall ermöglicht ein solches
Fenster (eines Arbeitszimmers) regelmäßig nur (gelegentliche) Ausblicke nach Außen
und es wird nicht wie bei einem Balkon, der einem länger andauernden Aufenthalt dient,
eine Aussichtsplattform geschaffen. Zudem liegen zwischen dem Dachfenster im Haus
des Beigeladenen und den Fenstern im Obergeschoss des Hauses des Klägers eine
Entfernung von ca. 13 m, so dass auch nicht die Rede davon sein kann, dass nicht
einmal ein Mindestmaß an privater Wohnsphäre gewährleistet sei.
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Soweit der Kläger auf die mit der Nutzung der Terrasse verbundenen Lärm- und
Geruchsimmissionen hinweist, so kann auch dieser Umstand eine Rücksichtslosigkeit
nicht begründen. Insoweit handelt es sich um eine in Wohngebieten allgemein
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hinzunehmende sozialadäquate Nutzung der Grundstücke. Sollte die Terrasse von den
zukünftigen Bewohnern in unzumutbarem Maße genutzt werden, muss der Kläger diese
Beeinträchtigungen auf dem Zivilrechtsweg zu verhindern suchen.
Eine Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung begründet auch nicht der Vortrag
des Klägers, der Rat der Stadt beabsichtige die Änderung des Bebauungsplans und
müsse wie in einem vergleichbaren Fall zur Sicherung dieser Planung eine
Veränderungssperre erlassen. Denn nach den Angaben des Vertreters des Beklagten in
der mündlichen Verhandlung beabsichtigt der Rat der Stadt nicht mehr, den
Bebauungsplan zu ändern und das eingeleitete Änderungsverfahren weiter zu
verfolgen. Unabhängig davon dient eine Veränderungssperre der Sicherung der
planerischen Ziele einer Gemeinde und damit nicht dem Schutz eines Nachbarn.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs.1, Abs. 3, 162 Abs.3 VwGO.
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Die Voraussetzungen des § 124a Abs.1 VwGO liegen nicht vor.
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