Urteil des VG Arnsberg vom 22.08.2000
VG Arnsberg: kündigung, betriebsübergang, firma, juristische person, arbeitsgericht, kriegsopfer, ermessen, gehalt, satzung, betriebsrat
Verwaltungsgericht Arnsberg, 11 K 861/99
Datum:
22.08.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 861/99
Tenor:
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahren, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind
nicht erstattungsfähig.
T a t b e s t a n d :
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Der am 28. Dezember 1939 geborene und verheiratete Kläger ist mit dem Grad 80
schwerbehindert und war seit dem 1. April 1954 bei der Firma als Sicherheitsfachkraft
beschäftigt. Das Amtsgericht T. eröffnete mit Beschluß vom 1. Januar 1997 das
Konkursverfahren über die Arbeitgeberin und bestellte den Beigeladenen zum
Konkursverwalter. Dieser vereinbarte am 19. März 1997 mit dem Betriebsrat der
Gemeinschuldnerin einen sogenannten Interessenausgleich, wonach die Beteiligten
unter anderem Einigkeit darüber erzielten, daß der Betrieb in der bisherigen Form nicht
weiter geführt werden kann und sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter
Beachtung aller Kündigungsschutzfristen gekündigt werden können.
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Unter dem 10. April 1997 beantragte der Konkursverwalter die Zustimmung zur
Kündigung des Klägers, die der Beklagte nach Anhörung des Arbeitsamtes, des
Betriebsrates und des Vertrauensmannes für die Schwerbehinderten mit
Zustimmungsbescheid vom 24. November 1997 erteilte. Zur Begründung dieser
Entscheidung legte der Beklagte im wesentlichen dar, daß der Betrieb des Arbeitgebers
stillgelegt worden sei und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auch bei der
ursprünglich geplanten Auffanggesellschaft Q1. nicht gegeben sei. Der vom Kläger
geltend gemachte Betriebsübergang habe nicht stattgefunden.
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Der Beigeladene kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger daraufhin mit Schreiben
vom 8. Dezember 1997 zum 31. März 1998. Das vom Kläger vor dem Arbeitsgericht
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Hagen angestrengte Kündigungsschutzverfahren ruht.
Mit seinem am 19. Dezember 1997 gegen den Zustimmungsbescheid erhobenen
Widerspruch wandte der Kläger ein, daß ein Betriebsübergang auf die Firma Q1.
vorliege. Bei dieser könne er weiterbeschäftigt werden. Der Beigeladene trug
demgegenüber vor, daß eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den
Schwerbehinderten nicht bestehe. Die geplante Auffanggesellschaft sei nicht zustande
gekommen. Auch liege kein Betriebsübergang auf die Firma Q1. vor.
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Der Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle wies den Widerspruch des
Klägers in seiner Sitzung vom 8. Januar 1999 aus folgenden Erwägungen als
unbegründet zurück: Der Zustimmungsantrag des Beigeladenen sei zulässig. Um den
Beteiligten den Weg zum Arbeitsgericht nicht zu versperren, gehe der
Widerspruchsausschuß für seine Entscheidung davon aus, daß ein Betriebsübergang
auf die Firma Q1. nicht vorliege und bejahe daher die Antragsbefugnis des
Beigeladenen. Auch in der Sache sei dem Beigeladenen zu Recht die Zustimmung zur
Kündigung des Klägers erteilt worden. Es sei ein Anwendungsfall des § 19 Abs. 1 des
Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) gegeben, denn der Betrieb des Arbeitgebers
des Klägers sei nicht nur vorübergehend eingestellt worden und außerdem lägen
zwischen dem Zugang der Kündigung und dem Zeitpunkt, bis zu dem Lohn oder Gehalt
gezahlt werde, mindestens drei Monate. Das grundsätzlich freie Ermessen der
Hauptfürsorgestelle sei daher gebunden gewesen.
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Der Kläger hat am 5. März 1999 Klage erhoben. Er trägt vor, daß der Beklagte versäumt
habe aufzuklären, ob ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) vorliege. Es sei nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher
Umstände der Beklagte das Vorhandensein eines Betriebsüberganges verneint habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 24. November 1997 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1999 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er führt zur Begründung seines Antrages aus, daß die Firma Q2. , auf die der Betrieb
des Arbeitgebers nach Angaben des Klägers gemäß § 613 a BGB übergegangen sei,
erst nach Ausspruch der Kündigung gegründet worden sei. Im übrigen sei die Frage, ob
ein Betriebsübergang auf die Firmen Q1. oder Q2. stattgefunden habe, eine rein
arbeitsrechtliche Frage, dessen Überprüfung dementsprechend allein den
Arbeitsgerichten vorbehalten sei.
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Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und eine Stellungnahme im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht abgegeben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verfahrenakte sowie
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässige Klage hat in der Sache
keinen Erfolg.
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Der Zustimmungsbescheid der Hauptfürsorgestelle vom 24. November 1997 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1999 ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Der Antrag des Beigeladenen auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers war sowohl
zulässig als auch begründet. Der Zulässigkeit dieses Antragsbegehrens steht nicht
entgegen, daß - wie der Kläger behauptet - möglicherweise ein Betriebsübergang nach
§ 613 a BGB stattgefunden hat mit der Folge, daß die in Konkurs gegangene Firma Q.
nicht mehr als Arbeitgeber anzusehen wäre, sondern der Betriebsübernehmer. Auch in
diesem Fall ist der Beigeladene als Konkursverwalter über das Vermögen des
(ursprünglichen) Arbeitnehmers als berechtigt anzusehen, einen Antrag auf Zustimmung
zur Kündigung zu stellen, denn die Frage des Betriebsübergangs ist zwischen den
Beteiligten streitig. In einer derartigen Situation hat der bisherige Betriebsinhaber ein
Rechtschutzinteresse an der Erteilung der Zulässigkeitserkärung. Weder der Beklagte
noch das Verwaltungsgericht können rechtsverbindlich klären, ob das Arbeitsverhältnis
des Klägers auf die Firma Q1. oder eine andere Firma übergegangen ist. Über die Frage
des Bestehens oder Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses haben allein die
Arbeitsgerichte zu entscheiden, wie auch der Beklagte in dem streitgegenständlichen
Bescheid dargelegt hat. Verneint das Arbeitsgericht einen Betriebsübergang, bejaht es
also, daß der Beigeladene weiterhin Arbeitgeber des Klägers ist, hat eine
Kündigungsschutzklage des Klägers im Falle einer Kündigung schon deshalb Erfolg,
weil es an der erforderlichen Zulässigkeitserklärung fehlt. Zur Vermeidung dieses
Risikos kann dem Beigeladenen die Antragsbefugnis im Hinblick auf die Durchführung
eines Zustimmungsverfahrens nicht abgesprochen werden. Insoweit ist die Situation
des Beigeladenen der eines Arbeitgebers vergleichbar, der bei der Hauptfürsorgestelle
die Zustimmung zur Kündigung eines Arbeitnehmers begehrt, dessen
Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht endgültig feststeht.
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Vgl. OVG NW, Urteil vom 21. März 2000 - 22 A 5137/99 -.
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Auch im übrigen ist die Kündigungszustimmung verfahrensfehlerfrei ergangen. Das für
den Wohn- und gleichermaßen für den Beschäftigungsort zuständige Arbeitsamt wurde
durch die örtliche Fürsorgestelle ordnungsgemäß angehört. Ebenso hat die
Fürsorgestelle den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung eingeschaltet. Der
Beigeladene hat ferner innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung der
Hauptfürsorgestelle die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 8.
Dezember 1997 ausgesprochen.
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Die angefochtene Kündigungszustellung ist ferner in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht
zu beanstanden. Nach § 15 SchbG bedarf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses
eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung der
Hauptfürsorgestelle. Die Entscheidung darüber steht im pflichtgemäßen Ermessen der
Behörde. Dieses Ermessen ist eingeschränkt bei Kündigungen in Betrieben und
Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, wenn
zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Lohn oder Gehalt gezahlt
wird, mindestens drei Monate liegen. In diesem Fall hat die Hauptfürsorgestelle gemäß
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§ 19 Abs. 1 die Zustimmung zu erteilen. Hier liegen die Tatbestandsvoraussetzungen
des § 19 Abs. 1 Satz 1 vor, so daß der Beklagte zur Erteilung der Zustimmung zur
Kündigung verpflichtet war. Der Betrieb des Arbeitgebers des Klägers war im Zuge des
Konkursverfahrens nicht nur vorübergehend eingestellt. Dies hat die Hauptfürsorgestelle
und nachfolgend der Widerspruchsausschuß zutreffend festgestellt. Der Kläger ist dem
nicht substantiiert entgegengetreten. Darüber hinaus ist die Kündigung am 8. Dezember
1997 zum 31. März 1998 ausgesprochen worden, so daß zwischen dem Tage der
Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt gezahlt wird, mindestens drei Monate
liegen.
Dem Einwand des Klägers, von einer Stillegung des Betriebes des Arbeitgebers könne
deswegen nicht ausgegangen werden, weil dieser gemäß § 613 a BGB auf einen
Übernehmer übergegangen sei, ist deswegen nicht weiter nachzugehen, weil nur die
Gerichte der Arbeitsgerichtbarkeit verbindlich feststellen können, ob ein Betrieb
stillgelegt worden oder auf einen anderen Inhaber gemäß § 613 a BGB übergegangen
ist. Denn wenn man unterstellt, daß der Beigeladene mangels eines
Betriebsüberganges noch Arbeitgeber des Klägers war, so hat er nach den obigen
Ausführungen im Hinblick auf die erfolgte Betriebsstillegung einen Anspruch darauf,
daß der Beklagte die Kündigung des Klägers für zulässig erklärt. Unterstellt man
demgegenüber, daß der Betrieb auf eine andere Firma übergegangen ist, so ist diese
damit gemäß § 613 a BGB in die Rechte und Pflichten der bestehenden
Arbeitsverhältnisse, also auch in das mit dem Kläger, eingetreten. Dies bedeutet indes,
daß der Betriebsübernehmer dann selbst den Antrag auf Zulässigkeitserklärung der
Kündigung stellen müßte. Eine Kündigung des Klägers durch den Beigeladenen wäre
im Falle eines bereits erfolgten Betriebsübergangs rechtlich bedeutungslos und hätte
insbesondere auf das dann zwischen dem Kläger und dem Betriebsübernehmer
bestehenden Arbeitsverhältnis keinerlei Einfluß.
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Bei dieser Sachlage darf der Beklagte dem Beigeladenen die beantragte
Zulässigkeitserklärung nicht mit der Begründung verweigern, es liege ein
Betriebsübergang vor. Die Beteiligten stellen nicht in Abrede, daß ihre jeweilige
Auffassung zum Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Betriebsübergangs vom
Arbeitsgericht, das allein verbindlich hierüber zu entscheiden hat, anders gesehen
werden kann. Die Verweigerung der Zulässigkeitserklärung wegen des angenommenen
Betriebsübergangs liefe damit aber auf eine Rechtsverweigerung für den Beigeladenen
hinaus. Kündigt er ohne Zustimmung des Beklagten, unterliegt er in einem
nachfolgenden Kündigungsschutzprozeß schon wegen der fehlenden
Zulässigkeitserklärung, wenn das Arbeitsgericht einen Betriebsübergang verneint,
obwohl in diesem Fall unstreitig schon wegen der dauerhaften Betriebsstillegung die
beabsichtigte Kündigung hätte für zulässig erklärt werden müssen. Dieses Ergebnis läßt
sich nur vermeiden, wenn der Beklagte und nachfolgend die Gerichte der
Verwaltungsgerichtsbarkeit - allenfalls abgesehen von Evidenzfällen - allein auf die
Absicht der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers wegen der
behaupteten Betriebsstillegung abstellen, ohne zu prüfen, ob wegen eines möglichen
Betriebsübergangs überhaupt noch ein Arbeitsverhältnis zwischen dem die Kündigung
beabsichtigenden und dem Arbeitnehmer besteht. Eine dem Antrag des Arbeitgebers
entsprechende Zulässigkeitserklärung ergeht in diesem Fall vorsorglich. Sie entfaltet
rechtliche Wirksamkeit nur dann, wenn das Arbeitsgericht entscheidet, daß der
Beigeladene noch Arbeitgeber des Klägers ist. Nimmt das Arbeitsgericht - wie der
Kläger - einen Betriebsübergang an, gehen die Zulässigkeitserklärung und die darauf
folgende Kündigung ins Leere.
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Schutzwürdige Interessen des Klägers und des eventuellen Betriebsübernehmers
stehen der vorsorglich erteilten Zulässigkeitserklärung nicht entgegen. Liegt kein
Betriebsübergang vor, entspricht die erteilte Zulässigkeitserklärung dem Gesetz, das in
Fällen der dauerhaften Betriebsstillegung und der Vorzahlung des Gehalts für
mindestens drei Monate die Lösung des Arbeitsverhältnisses mit dem
Schwerbehinderten zuläßt. Liegt dagegen ein Betriebsübergang vor, so berührt die
Kündigung den Kläger nicht, weil sie ins Leere geht. Einen Arbeitsgerichtsprozeß mit
dem - angenommenen - Betriebsübernehmer kann der Kläger nicht vermeiden, wenn
der Übernehmer das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit ihm bestreitet.
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Vgl. OVG NW, Urteil vom 21. März 2000 aaO.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188
Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind
nicht erstattungsfähig, weil dieser weder einen eigenen Antrag gestellt noch das
Verfahren durch eigene Stellungnahmen gefördert hat.
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Rechtsmittelbelehrung:
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Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zugelassen wird. Die
Zulassung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) zu beantragen. Der Antrag muß das
angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die
Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
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Vor dem Oberverwaltungsgericht muß sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt,
durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als
Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für den Antrag auf Zulassung der
Berufung. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich
auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie
Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. In Angelegenheiten der
Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit in
Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts sind vor dem
Oberverwaltungsgericht als Prozeßbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von
Vereinigungen der Kriegsopfer und Behinderten zugelassen, sofern sie kraft Satzung
oder Vollmacht zur Prozeßvertretung befugt sind. Dies gilt entsprechend für
Bevollmächtigte, die als Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum von Vereinigungen der Kriegsopfer und Behinderten stehen,
handeln, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und
Prozeßvertretung der Mitglieder von Vereinigungen der Kriegsopfer und Behinderten
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Vereinigungen der Kriegsopfer
und Behinderten für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haften.
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Der Antragsschrift sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt
werden.
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