Urteil des VG Arnsberg vom 08.02.2001

VG Arnsberg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, auflage, grundsatz der verhältnismässigkeit, öffentliche ordnung, versammlung, widerstand, verfügung, begriff, form, ausnahme

Verwaltungsgericht Arnsberg, 3 L 153/01
Datum:
08.02.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 L 153/01
Tenor:
1) Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 07. Februar 2001
gegen die beschränkenden Verfügungen im Bescheid des
Antragsgegners vom 06. Februar 2001 wird abgelehnt.
2) Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Der Streitwert wird auf 8.000 DM festgesetzt.
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Der Antragsgegner hat die sofortige
Vollziehung der seiner Verfügung vom 06. Februar 2001 beigefügten beschränkenden
Verfügungen (Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersammlG und § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG)
nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO besonders angeordnet, sodass einstweiliger
Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist.
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Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Zunächst ist festzustellen, dass der Antragsgegner die Anordnung des Sofortvollzugs
gemäss § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders begründet hat. Das Gericht hält die
Ausführungen dazu auf Seite 6 der hier umstrittenen Verfügung für zutreffend,
insbesondere den Hinweis darauf, dass die Auflagen zur Erreichung ihres Zwecks der
sofortigen Beachtung unterliegen müssen.
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Zwar lässt sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen
Überprüfung der Sach- und Rechtslage ein endgültiges Urteil über die Rechtmäßigkeit
der hier angefochtenen Auflagen nicht treffen, weil die Gefährdungslage im Sinne des §
15 Abs. 1 des einschlägigen Versammlungsgesetzes und damit die Notwendigkeit der
zu ihrer Begegnung getroffenen Auflagen nicht endgültig abgeschätzt werden kann.
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Die demzufolge anzustellende Interessenabwägung fällt jedoch zu Lasten des
Antragstellers aus, weil aus derzeitiger Sicht eine ganz überwiegende
Wahrscheinlichkeit für die vom Antragsgegner angenommene Gefahrenlage und die
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Notwendigkeit der beschränkenden Verfügungen spricht.
Der Antragsgegner hat im hier angefochtenen Teil seiner Entscheidung vom 06. Februar
2001 im Wesentlichen zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen die
Auflagen nötig erscheinen und dass sie auch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit
entsprechen. Auf den Inhalt des Bescheides sei daher zunächst verwiesen.
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Unter Berücksichtigung des Inhalts der Antragsschrift vom 7. Februar 2001, der vom
Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgänge und seiner Stellungnahme vom 7.
Februar 2001 ist aus gerichtlicher Sicht zu ergänzen:
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Der angefochtenen Bescheid enthält im Wesentlichen drei Elemente. Auf Seite 2 des
Bescheides wird zunächst der zeitlich-räumliche Umfang der Versammlung umrissen,
indem die entsprechenden Angaben des Antragstellers aus seinen
Anmeldungsschreiben und dem Kooperationsgespräch schriftlich fixiert werden und
hierzu ergänzend die Auflagen 1 bis 3 aufgenommen werden. Die Auflagen 4, 5 und 6
enthalten sodann Regeln über das äußere Erscheinungsbild der Versammlung, das ihr
das Gepräge gibt. Die Auflagen 7 und 8 schliesslich enthalten Massgaben zum Inhalt
der Meinungsäusserungen durch Reden, Sprechchöre und Transparente.
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Die zeitlich-räumliche Festlegung der Versammlung einschliesslich der Beschreibung
des Demonstrationsweges und der Dauer der einzelnen Kundgebungen (Auflage 1)
wird vom Antragsteller nicht angegriffen.
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Mit seinem Antrag wendet sich der Antragsteller gegen die Festlegung des Termins
einer persönlichen Ansprachemöglichkeit vor Ort, d.h. am P+R-Platz des S- Bahnhofes
I3 auf 11 Uhr ( Auflage 2) mit der Begründung, Versammlungsteilnehmer kämen mit den
Zügen der Volmetalbahn erst um 11.15 Uhr an. Dies vermag die Rechtmässigkeit des
Termins rechtlich nicht in Frage zu stellen. Auch das Gericht ist der Auffassung, dass zur
Klärung organisatorischer Fragen die Festlegung eines Zeitraums von einer Stunde vor
Veranstaltungsbeginn nicht unangemessen ist und dass damit gerechnet werden kann,
dass Teilnehmer bereits um 11 Uhr oder gar vorher anwesend sind.
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In allgemein-organisatorischer Sicht hat der Antragsgegner in Auflage 3 festgelegt, dass
der Antragsteller am genannten Ort die Ordner um 11.30 Uhr der Polizei vorzustellen
und in ihre Aufgaben einzuweisen habe. Auch hier wendet sich der Antragsteller gegen
den seiner Einschätzung nach zu frühen Zeitpunkt mit der Begründung, die Ordner
reisten erst später mit der Volmetalbahn an. Das Gericht vermag auch hier
überzeugende Gründe für eine Verlegung des Zeitpunkts nicht zu erkennen, weil es der
Meinung ist, dass die Ordner dann eben rechtzeitig auf andere Weise zum Ort der
Auftaktkundgebung anreisen müssen.
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Die Auflagen 4, 5 und 6 zum äusseren Erscheinungsbild der Versammlung werden vom
Antragsteller ebenfalls angefochten. Hierzu gilt folgende Bewertung durch das Gericht:
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Bei der Auflage 4 wendet sich der Antragsteller gegen das Verbot, Fahnen - ausser der
Bundesflagge - zu benutzen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des
Antragstellers dazu in seiner Antragsbegründung hat der Antragsgegner in seiner
Stellungnahme vom 7. Februar 2001 (Seite 2) zu diesem Punkt erklärt, es bestünden
keine Bedenken, die auf die Bundesflagge beschränkte Ausnahme um die Flaggen der
Bundesländer zu erweitern. In der durch diese Äusserung abgeänderten Fassung der
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Auflage 4 wird der Antragsteller nicht mehr in seinen Rechten verletzt, entspricht doch
die Auflage zur Benutzung der Fahnen nunmehr einer vom Bundesverfassungsgericht
im Beschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BVQ 8/01 - angeordneten Massgabe.
Die Auflage 5 untersagt das gemeinsame Tragen von dunklen Springerstiefeln in
Verbindung mit dem Tragen von Bomberjacken (schwarz, blau, militärgrün) ggfs. mit
militärischer Kopfbedeckung und wird vom Antragsteller als unbestimmt in Frage
gestellt. Der Antragsgegner sieht in der von ihm untersagten Art des Auftretens einen
Verstoss gegen § 3 VersammlG, nach dem u.a. das Tragen gleichartiger
Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung verboten ist.
Das Gericht schliesst sich der Würdigung durch den Antragsgegner an und verweist zur
Begründung auf den Inhalt des Beschlusses des VG Gelsenkirchen vom 15. Dezember
2000 - 14 L 2728/00 - (Seite 6), der insoweit vom OVG NRW im Beschluss vom 15.
Dezember 2000 - 11 B 1894/00 - nicht abgeändert worden ist. Es sieht sich in dieser
Einschätzung auch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.
Januar 2001 bestätigt, in dem in der Massgabe Nr. 2 u.a das Tragen gleichartiger
Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung untersagt
wird.
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In Auflage Nr. 6 untersagt der Antragsgegner das geschlossene Marschieren in Blöcken,
Zügen oder Reihen und begründet dies damit, dass die untersagte Form des Aufzugs
Ausdruck einer demonstrierten Gewaltbereitschaft und Einschüchterung sei. Dem tritt
der Antragsteller entgegen und verweist darauf, dass sich Menschen in einem Aufzug
nun einmal zwingend in Reihen hinter- und nebeneinander bewegten. Auch insoweit
teilt das Gericht aus den Gründen des bereits erwähnten Beschlusses des VG
Gelsenkirchen die Auffassung des Antragsgegners.
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Die Auflagen 7 und 8 beziehen sich auf zu erwartende Meinungsäusserungen
inhaltlicher Art.
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Die Auflage 7 hält der Antragsteller für unbestimmt bzw. unnötig und verweist darauf,
dass in Reden ohnehin nicht gegen strafrechtliche Bestimmungen wie §§ 130, 131
StGB verstossen werden dürfe. Soweit der Antragsteller damit zum Ausdruck bringen
will, dass bei der von ihm veranstalteten Versammlung nicht gegen die Auflage
verstossen werden wird, wird er durch diese Auflage nicht beschwert. Im Übrigen
können strafrechtlich sanktionierte Verbote im Wege der Auflage auch verwaltungs- und
versammlungsrechtlich durchsetzbar gestaltet werden.
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Bei der Auflage 8 schliesslich wendet sich der Antragsteller gegen den Teil dieser
Auflage, durch den angeordnet wird, dass Parolen (Sprechchöre) mit der Wortfolge
"nationaler Widerstand" nicht verwendet werden dürfen. Zur Begründung dieser Auflage
hat der Antragsgegner ausgeführt, dass unter diesem Begriff bei vergleichbaren
Veranstaltungen in jüngerer Vergangenheit das rechtsextreme politische Spektrum die
Überlegenheit des deutschen Volkes als eine Art ausschliesslicher Blutsgemeinschaft
propagiert habe und dass durch lautes und gemeinsames Skandieren eine besonders
militante, aggressive und fremdenfeindliche Stimmung erzeugt werde; hierdurch werde
die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet. Diese Begründung wird auch durch das
Gericht getragen. Es bezieht sich dabei auf Feststellungen im Verfassungsschutzbericht
des Landes Nordrhein Westfalen über das Jahr 1999, in dem auf den Seiten 84 und 101
über die Verwendung dieses Begriffes berichtet wird und aus dem geschlossen werden
kann, dass dieser Begriff Erkennungszeichen für Rechtsextremisten ist. Im Übrigen teilt
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es auch die hierzu ergangene Begründung des VG Gelsenkirchen im bereits erwähnten
Beschluss vom 15. Dezember 2000. Dem Versuch des Antragstellers, die aus dem
Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft resultierende positive
Besetzung dieses Begriffs auch auf den "nationalen Widerstand" zu übertragen, vermag
die Kammer nicht zu folgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Höhe des Streitwertes
ergibt sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (vgl. hierzu I 7 und 44.3 des sog.
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1996, 605 ff).
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