Urteil des VG Arnsberg vom 07.10.2009
VG Arnsberg (beurteilung, antragsteller, begründung, bewertung, verhältnis zu, überwiegende wahrscheinlichkeit, vergleich, plausibilität, anordnung, verwaltungsgericht)
Verwaltungsgericht Arnsberg, 2 L 424/09
Datum:
07.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
2.Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 424/09
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, die dem M. mit Erlass vom 9. Juli 2009 zugewiesenen drei
Beförderungsplanstellen der BesGr. A 10 BBesO mit den Beigeladenen
oder anderen Bewerbern zu besetzen, bis über das
Beförderungsbegehren des Antragstellers unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
Der Antragsgegner und die Beigeladenen zu 1. und 2. tragen die
Gerichts-kosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragsstellers
jeweils zu einem Drittel; ihre außergerichtlichen Kosten tragen sie
jeweils selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3.
sind nicht erstattungsfähig. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Der aus der Beschlussformel zu 1. ersichtliche Antrag des Antragstellers ist zulässig
und begründet.
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Der nach Maßgabe von § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
grundsätzlich mögliche Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 123 Abs. 3
VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO - die
Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs voraus.
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Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass ein Anordnungsgrund gegeben ist, d. h.
die begehrte Regelung notwendig ist, um den geltend gemachten
Beförderungsanspruch zu sichern. Im Falle des Vollzugs der fraglichen
Stellenbesetzungen, für die der Antragsteller nach der Auswahlentscheidung des M. (im
Folgenden: M. ) nicht vorgesehen ist, würde eine Ernennung des Antragstellers
endgültig vereitelt; denn die Besetzung der Stellen könnte nach den Vorschriften des
Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG) nicht mehr rückgängig
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gemacht werden.
Der Antragsteller hat auch den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die vom M. zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung stellt sich im
Rahmen des vorliegenden Verfahrens als rechtsfehlerhaft dar.
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Ausgangspunkt der gerichtlichen Überprüfung der streitigen Auswahlentscheidung ist
der beamtenrechtliche Grundsatz, dass der Beamte keinen strikten Anspruch auf
Beförderung hat. Es steht vielmehr im Ermessen des Dienstherrn, welchem Beamten er
bei einer Beförderung den Vorzug gibt. Jeder Beamte hat jedoch einen Anspruch darauf,
dass der Dienstherr eine am Leistungsgrundsatz ausgerichtete ermessensfehlerfreie
Entscheidung trifft. Dieser Anspruch kann durch eine einstweilige Anordnung gesichert
werden, wenn die getroffene Beförderungsentscheidung fehlerhaft ist und nicht
ausgeschlossen werden kann, dass eine fehlerfreie Entscheidung des Dienstherrn zu
einer Beförderung des Antragstellers führt. Grundsätzlich vermag jeder Fehler im
Auswahlverfahren einschließlich etwaiger Fehler der dabei zugrunde gelegten
Beurteilungen den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen; vor
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ausgesetzt werden dabei die Berücksichtigungsfähigkeit des Fehlers und dessen
potentielle Kausalität für das Auswahlergebnis.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Juni 2006 - 6 B 618/06 - und vom 6. August 2004 -
6 B 1226/04 -; ständige Rechtsprechung der beschließenden Kammer, z. B. Beschluss
vom 15. September 2006 - 2 L 561/06 -.
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Hiernach ist dem Antragsteller einstweiliger Rechtsschutz in der Gestalt, dass die
Besetzung der Beförderungsstellen einstweilen zu unterbleiben hat, zu gewähren.
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Für Qualifikationsvergleiche im Rahmen von Auswahlentscheidungen sind in erster
Linie aktuelle Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen Leistungsstand
wiedergeben.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 -, DVBl 2003, 1524 = NVwZ
2004, 95 = Schütz / Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/A II 1.4 Nr.
105; OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2001 - 1 B 704/01 -, DÖD 2001, 315 =
NVwZ-RR 2002, 113; ständige Rechtsprechung der beschließenden Kammer, z. B.
Beschluss vom 24. März 2006 - 2 L 46/06 -.
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Die der streitigen Auswahlentscheidung zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des
Antragstellers vom 17. Oktober 2008 gibt - weiterhin - Anlass zur gerichtlichen
Beanstandung.
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Zu der Beurteilung des Antragstellers vom 17. Oktober 2008 hat die Kammer mit
Beschluss vom 8. Juni 2009 - 2 L 191/09 - Folgendes ausgeführt:
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"Es spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beurteilung
rechtswidrig ist, weil sie gegen die Gebote der Plausibilität und Widerspruchsfreiheit
verstößt. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist
davon auszugehen, dass die Bewertungen der Hauptmerkmale "Leistungsergebnis"
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und "Sozialverhalten" in einem
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unlösbaren Widerspruch zu den Bewertungen der diesen Hauptmerkmalen
nachgeordneten Submerkmale stehen.
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Das allgemein anerkannte Gebot der Plausibilität dienstlicher Beurteilungen verlangt
zwar nicht, dass die Bewertung der Hauptmerkmale und das Gesamturteil als zwingend
folgerichtiges Produkt der Benotungen ihnen nachgeordneter Einzelkriterien
erscheinen. In die höchstpersönliche Einschätzung des Beurteilers können auch
Überlegungen einfließen, die bei den Einzelbewertungen nicht vollständig zum
Ausdruck gelangen. Insbesondere kann der Beurteiler den einzelnen Merkmalen
unterschiedliche Bedeutung für die sie zusammenfassende Bewertung zumessen. Nr.
6.3 der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen
(RdErl. d. Innenministeriums vom 25. Januar 1996 - IV B 1 - 3034 H) - MBl. NRW. S. 278
- in der Fassung des Runderlasses vom 19. Januar 1999 - MBl. NRW. S. 96 - (BRL Pol)
trägt diesem Grundsatz Rechnung; danach sind die Hauptmerkmale aus der Bewertung
der Submerkmale unter Würdigung ihrer Gewichtung zu beurteilen. Dasselbe gilt für die
ergänzende Bestimmung, dass aufgrund der unterschiedlichen Gewichtung der
Submerkmale die Bildung eines Punktwertes als arithmetisches Mittel aus den
Bewertungen der einzelnen Submerkmale nicht gewollt sei. Eine vergleichbare
Regelung trifft Nr. 8.1 BRL Pol für die Bildung des Gesamturteils.
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Wenn jedoch trotz des Gesichtspunktes, dass den einzelnen Merkmalen aufgrund ihrer
unterschiedlichen Gewichtung nicht zwingend die gleiche Bedeutung zukommt, eine
deutliche Diskrepanz zwischen Einzelmerkmalen und den ihnen übergeordneten
Gesamtbewertungen nicht mehr erklärt werden kann, leidet die dienstliche Beurteilung
an einem Widerspruch und ist nicht plausibel.
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Vgl. OVG NRW, Urteile vom 29. August 2001 - 6 A 2967/00 -, DÖD 2001, 310, m. w. N,
vom 23. Juni 2006 - 6 A 1216/04 -, und vom 13. Dezember 2007 - 6 A 1414/05 -, DÖD
2008, 174, sowie Beschlüsse vom 28. Juni 2006 - 6 B 618/06 -, NWVBl. 2007, 119, und
vom 27. Dezember 2007 - 6 A 1603/05 -, JURIS Rn. 47 ff.
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Die über den Antragsteller erstellte dienstliche Beurteilung vom 17. Oktober 2008 weist
einen solchen Plausibilitätsmangel auf.
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Die Bewertung des von dem Endbeurteiler mit 3 Punkten benoteten Hauptmerkmals
"Leistungsergebnis" kann nicht mit einer unterschiedlichen Gewichtung der
Submerkmale ("2.1 Leistungsgüte" und "2.2 Leistungsumfang") erklärt werden, da diese
mit 4 bzw. 5 Punkten benotet sind. Gleiches gilt für das vom Endbeurteiler mit 3 Punkten
bewertete Hauptmerkmal "Sozialverhalten", dessen nachgeordnete Submerkmale
ebenfalls alle mit 4 Punkten benotet wurden. 6
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In Fällen dieser Art kann der Endbeurteiler zur Auflösung des Widerspruchs zwischen
der Bewertung von Submerkmalen einerseits und der Benotung der jeweils
übergeordneten Hauptmerkmale eine Plausibilisierung vornehmen. Hieran fehlt es.
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Die der Endbeurteilung beigefügte Begründung, die nach Nr. 9.2 BRL Pol erforderlich
ist, wenn - wie hier - Erst- und Endbeurteilung nicht übereinstimmen, bietet keine
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plausible Erklärung für den aufgezeigten Widerspruch. Denn der Endbeurteiler stellt
lediglich allgemeine, auf den vorgenommenen Quervergleich bezogene Erwägungen
an. Solche Erwägungen können zwar nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles
die Herabsetzung eines Gesamturteils - bzw. eines Hauptmerkmals - durch den
Endbeurteiler rechtfertigen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Dezember 1999 - 6 A 3593/98 -, DÖD 2000, 266,
und vom 27. Dezember 2007 - 6 A 1603/05 -, JURIS Rn. 51; Urteil vom 29. August 2001
- 6 A 2967/00 -, DÖD 2001, 310.
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Sie führen aber in Bezug auf die hier festgestellte Widersprüchlichkeit der Beurteilung
schon deshalb nicht weiter, weil sie nicht auf die Bewertung der Submerkmale
eingehen. Im Interesse der Plausibilität und Vollständigkeit der Beurteilung wäre es
erforderlich gewesen, dass der Endbeurteiler sich in rechtlich beachtlicher Weise auch
zu den Benotungen der nachgeordneten Submerkmale geäußert hätte. Dies ist nicht
geschehen.
27
Insoweit kann sich der Antragsgegner nicht erfolgreich auf das im Klageverfahren 2 K
455/09 mit Schriftsatz vom 29. April 2009 Ausgeführte berufen. Dies gilt trotz des
Umstandes, dass in diesem Schreiben ausdrücklich auf einzelne Submerkmale
eingegangen wird, und zwar auch auf solche, die den Hauptmerkmalen
"Leistungsergebnis" und "Sozialverhalten" nachgeordnet sind.
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Zum Submerkmal "Leistungsgüte" (2.1) wird dabei festgestellt, die Bewertung mit 4
Punkten entspreche nicht dem tatsächlichen Leistungsbild des Antragstellers. Diese
Einschätzung wird anschließend näher erläutert und in tatsächlicher Hinsicht
konkretisiert. Hievon ausgehend, wird des Weiteren ausgeführt, die Beurteilung der
Submerkmale "Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen" (3.1) und "Verhalten
gegenüber Vorgesetzten" (3.2) mit jeweils 4 Punkten sei als nicht sachgerecht befunden
worden. Schließlich wird festgestellt, auch die Beurteilung des Submerkmals
"Leistungsumfang" (2.2) habe nicht dem tatsächlichen Leistungsbild des Antragstellers
entsprochen.
29
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Den vorgenannten Bewertungen werden jeweils auf sie bezogene konkrete
Feststellungen zur Aufgabenwahrnehmung bzw. zum dienstlichen Verhalten des
Antragstellers im Beurteilungszeitraum zugrunde gelegt. Dies bewirkt jedoch keine
Plausibilisierung der Beurteilung im oben erläuterten Sinne. Denn es bleibt offen,
welche Benotungen die Submerkmale im Einzelnen haben sollen. Konkrete Punktwerte
werden nicht genannt. Dies führt dazu, dass die Beurteilung in dieser Hinsicht weiterhin
unklar bleibt.
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Hinzu tritt, dass sich im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht mit der
erforderlichen Gewissheit feststellen lässt, inwieweit die in dem Schriftsatz vom 29. April
2009 wiedergegebenen Feststellungen und Bewertungen vom Endbeurteiler stammen
bzw. diesem zugerechnet werden können. Der Schriftsatz ist vom Endbeurteiler weder
verfasst noch unterzeichnet worden. Darüber hinaus ist in dem Schriftsatz erläutert, die
in ihm enthaltenen Ausführungen zu den dort genannten Submerkmalen resultierten aus
der "Beurteilerbesprechung am 23. September 2008". Hiermit dürfte das
"Koordinierungsgespräch" vom 23. September 2008 gemeint sein. An dieser
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Besprechung hat der Endbeurteiler ausweislich des in den beigezogenen
Verwaltungsvorgängen befindlichen Protokolls nicht teilgenommen. Ob bzw. inwieweit
sich der Endbeurteiler die in dem "Koordinierungsgespräch" vom 23. September 2008
erfolgten Erörterungen zu den Submerkmalen der Beurteilung des Antragstellers in der
Beurteilerbesprechung - vgl. Nr. 9.2 Abs. 1 Satz 3 BRL Pol - vom 25. September 2008
zu eigen gemacht hat, lässt sich dem Protokoll der Beurteilerbesprechung nicht
zweifelsfrei entnehmen. Hinreichend konkrete Feststellungen enthält das Protokoll (vom
25. September 2008) hierzu nicht. Zur "Besoldungsgruppe A 9 g. D." ist lediglich
ausgeführt, auch diese Vergleichsgruppe sei unter Berücksichtigung der
vorgeschlagenen Änderungen betrachtet und besprochen worden; es seien alle
Beurteilungen betrachtet worden; der Endbeurteiler habe sich "den Vorschlägen
angeschlossen". Ob Gegenstand dieser "Vorschläge" auch die in dem
Koordinierungsgespräch erfolgten Erwägungen zu den Submerkmalen in der über den
Antragsteller erstellten Beurteilung waren, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen.
Schließlich würde selbst dann, wenn sich der Endbeurteiler in der
Beurteilerbesprechung vom 25. September 2008 den in dem Koordinierungsgespräch
vom 23. September 2008 zu den Submerkmalen der Beurteilung des Antragstellers
getroffenen Feststellungen angeschlossen haben sollte, dies die Annahme nicht
rechtfertigen, die Beurteilung des Antragstellers sei dadurch plausibilisiert worden, und
zwar unabhängig von der aufgezeigten inhaltlichen Unzulänglichkeit der fraglichen
Erwägungen. Denn es ist nicht erkennbar, dass sich, bezogen auf die Submerkmale, die
Ergebnisse des Koordinierungsgesprächs vom 23. September 2008 in der
Endbeurteilung vom 17. Oktober 2008 niedergeschlagen haben. In diese sind die in
dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 29. April 2009 wiedergegebe
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nen Resultate des Koordinierungsgesprächs vom 23. September 2008 nicht
eingeflossen. Ansonsten hätte der Endbeurteiler bei den Submerkmalen nicht die
jeweiligen Benotungen des Erstbeurteilers unverändert übernommen, sondern insoweit
die (Erst-) Beurteilung entsprechend den Einschätzungen vom 23. September 2008
abgeändert.
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Die Widersprüchlichkeit zwischen der Bewertung der Hauptmerkmale
"Leistungsergebnis" und "Sozialverhalten" auf der einen und den Benotungen der
zugehörigen Submerkmale auf der anderen Seite lässt sich auch nicht durch die
Erwägung ausräumen, mit der abweichenden Festsetzung der Bewertung jener
Hauptmerkmale habe sich der Endbeurteiler zugleich von der Benotung der
Submerkmale distanziert und diese hätten dadurch ihre Aussagekraft verloren. Folge
dieser Annahme wäre wiederum eine fehlerhafte, weil unklare bzw. unvollständige
Beurteilung, die in einem späteren Auswahlverfahren für den Qualifikationsvergleich
ggfls. unbrauchbar wäre.
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Vgl. OVG NRW, Urteile vom 23. Juni 2006 - 6 A 1216/04 -, und vom 13. Dezember 2007
- 6 A 1414/05 -, DÖD 2008, 174, sowie Beschluss vom 27. Dezember 2007 - 6 A
1603/05 -, JURIS Rn. 54.
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Der Antragsgegner hat, obgleich ihm diese Möglichkeit rechtlich eröffnet ist, die
erforderliche Begründung auch nicht im Klageverfahren - 2 K 455/09 - nachgeholt.
Insoweit gilt das vorstehend Dargelegte entsprechend."
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Ausgehend von diesen Feststellungen, an denen die Kammer auch bei
Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Antragsgegners und der Darlegungen
der Beigeladenen zu 1. und 2. festhält, stellt sich die Beurteilung des Antragstellers im
Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens weiterhin als rechtswidrig dar.
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Der Antragsgegner hat, obwohl ihm diese Möglichkeit nach wie vor rechtlich offen steht,
es nicht vermocht, den aufgezeigten Plausibilitätsmangel durch Nachholung der
erforderlichen Begründung auszuräumen.
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Eine Behebung des Plausibilitätsdefizits ist insbesondere nicht dadurch erfolgt, dass in
dem Verfahren 2 K 455/09 der Schriftsatz vom 10. Juli 2009 eingereicht wurde.
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42
Inwieweit die in diesem Schriftsatz wiedergegebenen Feststellungen vom Endbeur-
teiler stammen bzw. diesem zugerechnet werden können, lässt sich nicht mit der
erforderlichen Gewissheit feststellen. Denn der Schriftsatz ist weder vom Endbeurteiler
verfasst noch von ihm unterzeichnet worden.
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Ausgehend hiervon bleibt die in dem Schriftsatz vom 10. Juli 2009 geäußerte Annahme,
der Endbeurteiler habe die Submerkmale in der Beurteilung des Antragstellers linear um
einen Punkt herabgesetzt, eine bloße Mutmaßung, die nicht belegt worden ist. Eine vom
Endbeurteiler verfasste oder diesem zurechenbare Erklärung, aus der sich mit
hinreichender Klarheit entnehmen lässt, mit welchen genauen Punktwerten die
einzelnen Submerkmale in der Beurteilung des Antragstellers vom 17. Oktober 2008 -
im Rahmen der Endbeurteilung - bewertet sein sollen, liegt weiterhin nicht vor. Auch die
sonstigen Darlegungen in dem Schriftsatz vom 10. Juli 2009 sind insoweit unergiebig
und bieten keinen Anlass, von den in dem Beschluss der Kammer vom 8. Juni 2009 - 2
L 191/09 - hinsichtlich der mangelnden Plausibilität der streitbefangenen Beurteilung
getroffenen rechtlichen Feststellungen und Bewertungen abzuweichen.
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Entsprechendes gilt für die Antragserwiderung vom 29. Juli 2009, die im Wesentlichen
lediglich die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 29. April 2009 und 10. Juli 2009
wiederholt bzw. auf diese Schriftsätze verweist.
45
Aber auch unabhängig von den vorstehenden Feststellungen ist die dienstliche
Beurteilung des Antragstellers vom 17. Oktober 2008 im Rahmen des vorliegenden
Eilverfahrens als rechtswidrig einzustufen. Denn sie verstößt gegen Nr. 8.1 Abs. 2 BRL
Pol.
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Nach dieser Bestimmung ist die Feststellung, dass sich Lebens- und Diensterfahrung -
entgegen der in Nr. 6 BRL Pol aufgestellten Vermutung - nicht positiv auf das
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Leistungsbild ausgewirkt haben, im Gesamturteil im Einzelnen zu begründen. Nach den
Erläuterungen des Innenministeriums des Landes NRW zu den BRL Pol, Stand 1. März
1999, S. 139, ist diese Begründung vom Schlusszeichnenden (Endbeurteiler)
vorzunehmen, wenn jemand zum dritten Mal in einer Vergleichsgruppe desselben
statusrechtlichen Amtes beurteilt wird, also zwischenzeitlich nicht befördert worden ist,
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und in der anstehenden Beurteilung ein Gesamturteil vorgesehen ist, das schlechter ist
als das Gesamturteil der vorangegangenen Beurteilung oder weder im Vergleich zur
letzten noch im Vergleich zur vorletzten Beurteilung eine Verbesserung darstellt. Eine
Begründung ist daher - so die Erläuterungen - insbesondere erforderlich, wenn die
Leistungen in einem statusrechtlichen Amt trotz zunehmender Lebens- und
Diensterfahrung konstant mit demselben Gesamturteil bewertet werden, denn dann
haben sich Lebens- und Diensterfahrung nicht positiv ausgewirkt. Die Begründung soll
in diesen Fällen - so die weiteren Erläuterungen - den Beurteilten aufzeigen, warum im
Quervergleich innerhalb der Vergleichsgruppe trotz der zunehmenden Lebens- und
Diensterfahrung kein positiveres Ergebnis erzielt wurde.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 6 B 113/09 -, JURIS.
50
Der Endbeurteiler hat vorliegend zwar erkannt, dass eine Begründungspflicht im
vorgenannten Sinne besteht. Die Leistungen des zuletzt im Jahre 1998 zum
Polizeikommissar - BesGr. A 9 BBesO - beförderten Antragstellers sind in den
Regelbeurteilungen vom 21. Januar 2000, 24. Februar 2003, 13. Dezember 2005 und
17. Oktober 2008 jeweils mit dem Gesamturteil "3 Punkte" bewertet worden. Der
Antragsteller ist mithin zum vierten Mal in einer Vergleichsgruppe desselben
statusrechtlichen Amtes beurteilt worden. Danach ist das Begründungserfordernis nach
Nr. 8.1 Abs. 2 BRL Pol gegeben; die aktuelle Regelbeurteilung sieht ein Gesamturteil
vor, das weder im Vergleich zur letzten noch zur vorletzten Regelbeurteilung - und im
Übrigen auch nicht zur davor liegenden Regelbeurteilung - eine Verbesserung darstellt.
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52
Die Begründung des Endbeurteilers genügt jedoch inhaltlich nicht den an sie zu
stellenden Anforderungen. Nr. 8.1 Abs. 2 BRL Pol verlangt eine über den Verweis auf
den Quervergleich in der Vergleichsgruppe hinausgehende Erläuterung für den
Beurteilten, aus der er entnehmen kann, woran es im Einzelnen liegt, dass die
wachsende Lebens- und Diensterfahrung sich bei ihm, anders als im Regelfall, nicht
positiv auf das Leistungsbild ausgewirkt hat. Die von der Rechtsprechung aufgestellten
Grundsätze für eine Abweichungsbegründung nach Nr. 9.2 Abs. 3 BRL Pol, deren
Grundlage meistens in einzelfallübergreifenden Erwägungen liegt, bleiben hinter diesen
Anforderungen zurück.
53
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2009 - 6 B 1642/09 -, JURIS, und vom 4.
Mai 2009 - 6 B 113/09 -, JURIS.
54
Die Begründung nach Nr. 8.1 Abs. 2 BRL Pol braucht dafür, dass die zunehmende
Lebens- und Diensterfahrung sich nicht positiv auf das Leistungsbild ausgewirkt haben,
allerdings nicht zwingend individuelle Ursachen zu benennen, denn die Gründe für ein
im Vergleich zur vorangegangenen Regelbeurteilung schlechteres Gesamturteil bzw. für
ein weder im Vergleich zur letzten noch im Vergleich zur vorletzten Regelbeurteilung
verbessertes Gesamturteil trotz zunehmender Lebens- und Diensterfahrung müssen
nicht notwendig überwiegend individuell bedingt sein. Sie können vielmehr auch auf
Veränderungen oder sonstigen Besonderheiten bei der Zusammensetzung der
fraglichen Vergleichsgruppe und einer dadurch gestiegenen Leistungsdichte innerhalb
dieser Gruppe beruhen, die den Leistungsstand des Beamten bei relativer Betrachtung
gegenüber der bzw. den vorangegangenen Regelbeurteilung/en als nicht ausreichend
gesteigert, unverändert oder sogar herabgesetzt erscheinen lassen.
55
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 6 B 113/09 -, JURIS.
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57
Mit Blick auf den Sinn und Zweck der nach Nr. 8.1 Abs. 2 BRL Pol erforderlichen
Begründung, dem Beamten zu verdeutlichen, warum in seinem Fall trotz zunehmender
Lebens- und Diensterfahrung kein für ihn günstigeres Beurteilungsergebnis erzielt
wurde, ist jedoch ein Mindestmaß an Klarheit und Plausibilität der Ausführungen
erforderlich.
58
Vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2009 - 6 B 1642/08 -, JURIS Rn. 9,
und vom 4. Mai 2009 - 6 B 113/09 -, JURIS Rn. 13.
59
Das gilt insbesondere und nicht zuletzt auch dann, wenn jemand - wie der Antragsteller
- zum vierten Mal in einer Vergleichsgruppe desselben statusrechtlichen Amtes eine
Regelbeurteilung erhält, die im Vergleich zu den drei vorangegangenen
Regelbeurteilungen kein besseres Gesamturteil vorsieht.
60
Diesen rechtlichen Vorgaben entspricht die im Falle des Antragstellers vom
Endbeurteiler zu Nr. 8.1 Abs. 2 BRL Pol gegebene Begründung nicht. Der Endbeurteiler
hat insoweit ausgeführt: "Die gestiegene Dienst- und Lebenserfahrung hat bei PK S. H.
nicht zu einer Änderung seines Leistungsverhaltens geführt. PK S. H. hat seine
Aufgaben über die Jahre in gleicher Art und Weise den Anforderungen entsprechend
wahrgenommen". Diese Darlegungen beinhalten bei genauer Betrachtung lediglich die
Feststellung, dass es beim Antragsteller trotz zunehmender Lebens- und
Diensterfahrung in den vergangenen Jahren nicht zu einer Leistungssteigerung
gekommen, sondern dass eine Leistungsstagnation eingetreten ist. Sie verdeutlichen
dem Antragsteller aber nicht, wie es erforderlich wäre,
61
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Mai 2006 - 6 A 207/05 -, JURIS Rn. 19, und vom 20.
Januar 2009 - 6 B 1642/08 -, JURIS Rn. 8,
62
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die Gründe für diesen statischen Zustand. Dies gilt auch für den Verweis des
Endbeurteilers darauf, dass der Antragsteller seine Aufgaben über die Jahre in der
gleichen Art und Weise den Anforderungen entsprechend wahrgenommen habe.
Hiermit werden keine - individuellen oder auf Besonderheiten der Vergleichsgruppe
zurückzuführenden - Gründe für den Leistungsstillstand benannt, sondern es wird im
Kern lediglich die vom Endbeurteiler angenommene Leistungsstagnation als solche
umschrieben. Die mangelnde Tauglichkeit der Darlegungen des Endbeurteilers als
Begründung im Sinne der Nr. 8.1 Abs. 2 BRL Pol wird überdies dadurch bestätigt, dass
das vom Endbeurteiler Angeführte praktisch in jedem von Nr. 8.1 Abs. 2 BRL Pol
erfassten Fall Gültigkeit beanspruchen könnte, in dem sich der Endbeurteiler auf in der
Person des jeweils Beurteilten liegende Ursachen für den unterbliebenen
Leistungsfortschritt beruft. Damit würden Sinn und Zweck der nach Nr. 8.1 Abs. 2 BRL
Pol erforderlichen Begründung, dem Beamten die in seinem konkreten Einzelfall
einschlägigen Gründe für den entgegen der bestehenden Vermutung eingetretenen
Leistungsstillstand zu verdeutlichen, verfehlt.
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Von den rechtlichen Möglichkeiten zur Nachbesserung einer nicht ausreichenden
Begründung nach Nr. 8.1 Abs. 2 BRL Pol noch im gerichtlichen Verfahren,
65
vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2009 - 6 B 1642/08 -, JURIS Rn. 9,
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hat der Endbeurteiler keinen Gebrauch gemacht.
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Stellt sich die angegriffene Beurteilung aus den dargelegten Gründen - nach wie vor -
als rechtsfehlerhaft dar, so vermittelt dies dem Antragsteller (weiterhin) einen
Aufhebungs- und Neubeurteilungsanspruch. Denn ein Beamter kann eine
widerspruchsfreie und plausible Beurteilung beanspruchen und verlangen, dass eine
Beurteilung, die diesen Maßgaben nicht entspricht, durch eine rechtsfehlerfreie
Beurteilung ersetzt wird. Gleichzeitig führt die Fehlerhaftigkeit der Beurteilung dazu,
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dass sie in dem hier streitgegenständlichen Auswahlverfahren keine Verwendung
finden durfte.
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Da nicht von vornherein auszuschließen ist, dass der Dienstherr im Rahmen einer
neuen Auswahlentscheidung, die nicht mehr auf die im vorstehend erläuterten Sinne
fehlerhafte Beurteilung abhebt, den Antragsteller im Verhältnis zu dem Beigeladenen
nicht (mehr) als geringer qualifiziert ansieht,
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vgl. zu diesem Erfordernis OVG NRW, Beschluss vom 9. Februar 2005 - 6 B 2449/05 -,
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ist dem Antragsteller antragsgemäß einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes. Im Hinblick auf den nur vorläufigen Charakter der begehrten
Entscheidung ist der Streitwert auf die Hälfte des sich bei Anwendung dieser
Vorschriften ergebenden Betrages zu reduzieren.
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