Urteil des VG Arnsberg vom 27.07.2001

VG Arnsberg: fraktion, vertrauensschutz, zuschuss, geschäftsführung, ausstattung, lebenserfahrung, ermessensspielraum, missbrauch, entschädigung, chancengleichheit

Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 K 3337/00
Datum:
27.07.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 3337/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
Tatbestand:
1
Klägerin ist die aus drei Mitgliedern bestehende Fraktion der Partei Bündnis 90/Die
Grünen im Kreistag des Kreises T. -. , dem Beklagten. Am 22. Oktober 1999 fasste der
Beklagte rückwirkend zum 1. Oktober 1999 einen - mit der vorliegenden Klage
angegriffenen - Beschluss über die Neuregelung der Gewährung von
Fraktionszuwendungen.
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Nach dem bis zum 30. September 1999 geltenden Finanzierungssystem erhielten die
damals bestehenden drei Fraktionen (SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen) einen
jährlichen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Fraktionsgeschäftsführung, der sich
an der Vergütung einer BAT VII- Angestellten orientierte und im Jahr 1999 57.166,77
DM betrug. Zusätzlich vergab der Beklagte einen Zuschuss für die Fortbildung der
Fraktionsmitglieder in Höhe von 1090,90 DM je Fraktionsmitglied. Nach dieser
Regelung erhielt die Klägerin bis zum 30. September 1999 - zu diesem Zeitpunkt
gehörten ihr noch vier Mitglieder an - einen jährlichen Betrag in Höhe von 61.530,40
DM.
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Im Anschluss an die Kommunalwahl im September 1999 bildeten sich in dem beklagten
Kreistag fünf Fraktionen, auf die die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel durch den
angegriffenen Beschluss wie folgt aufgeteilt werden: Die Fraktionen mit jeweils drei
Mitgliedern - die Klägerin sowie die erstmals im beklagten Kreistag vertretenen
Fraktionen von UWG und FDP - erhalten einen Zuschuss in Höhe von jeweils 34.333,-
DM, die aus 27 Fraktionsmitgliedern bestehende Fraktion der CDU erhält einen Betrag
in Höhe von 89.997,- DM und die aus 18 Mitgliedern bestehende Fraktion der SPD
einen Betrag in Höhe von 79.998,- DM jährlich.
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Dem angegriffenen Beschluss liegen am 16. September 1999 angefertigte
Berechnungen (Bl. 137- 139 d. BA) zugrunde, zu deren Erstellung zunächst wie folgt
zwischen einzelnen Ausgabearten unterschieden wurde:
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(1) Grundbedarf für Büroräume, Büroausstattung und Literatur (2) Personalkosten und
(3) sonstige Aufwendungen, z.B. Fortbildung der Fraktionsmit- glieder
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Innerhalb der Ausgabearten (1) und (2) wurde sodann erneut differenziert nach "kleinen"
und "großen" Fraktionen. Während der Grundbedarf (1) für "kleine" Fraktionen auf
11.000,- DM jährlich festgesetzt wurde, sollten "große" Fraktionen 15.000,- DM jährlich
erhalten. Diese Beträge wurden wiederum im Wege einer gesonderten Berechnung
erzielt (vgl. Bl. 139 d. BA), wobei z.B. die benötigte Bürofläche für "kleine" Fraktionen
auf 30 qm und für "große" Fraktionen auf 50 qm festgesetzt und der Mietpreis pro qm
einheitlich mit 10 DM veranschlagt wurde. Als Zuschuss für Personalkosten (2) wurde
für die CDU- und die SPD- Fraktion auf Grundlage der Personalkosten für eine 2/3 bis
Ganztagskraft ein Betrag in Höhe von 45.000,- DM jährlich und für die Fraktionen der
FDP, der UWG und die Klägerin auf der Grundlage der Personalkosten für eine 1/3 bis
Halbtagskraft ein Betrag in Höhe von 20.000,- DM jährlich in die Berechnung
einbezogen. Darüber hinaus wurden Zuschüsse für sonstige Aufwendungen je Mitglied
mit einem Betrag in Höhe von 1.111,- DM veranschlagt.
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Die Klägerin hat mehrfach erfolglos Bedenken gegenüber dem neuen
Finanzierungssystem geäußert, zuletzt in einem auf den 9. Juni 2000 anberaumten
interfraktionellen Gespräch.
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Am 18. August 2000 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, zu deren
Begründung sie geltend macht: Der Beschluss des Beklagten vom 22. Oktober 1999 sei
rechtswidrig. Der Beklagte habe das ihm bei der Entscheidung über die Gewährung von
Fraktionszuwendungen eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt, da er den
Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt habe. Zu diesem Zweck habe der beklagte
Kreistag den tatsächlichen Bedarf der einzelnen Fraktionen in der Vergangenheit
erfragen müssen. Es genüge nicht, den Bedarf abstrakt zu ermitteln. Zudem seien die
vom Beklagten zugrunde gelegten Werte widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.
Dies ergebe sich u.a. aus dem Vergleich zweier Aktenvermerke aus dem Jahre 1989.
Hier seien z.B. im Hinblick auf die Miete zunächst 9,- DM pro qm und später 10,- DM pro
qm angesetzt worden, ohne dass deutlich werde, worauf dieser Unterschied
zurückzuführen sei. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, weshalb der
Grundbedarf und die Personalkosten für "kleine" und "große" Fraktionen in
unterschiedlicher Höhe angesetzt worden seien, obwohl ein bestimmter Grundbedarf
einheitlich gegeben sei. Darüber hinaus sei eine Bestimmung dessen, wann eine
Fraktion als "klein" oder "groß" einzustufen sei, nicht erfolgt. Die Bedarfsanalyse sei
außerdem keinem Kreistagsmitglied, das am 22. Oktober 1999 über das
Finanzierungssystem zu entscheiden gehabt habe, bekannt gewesen. Der angesetzte
Abschreibungszeitraum von 15 Jahren sei sachlich unrichtig.
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Darüber hinaus verletze sie der angegriffene Beschluss in ihrem Recht auf
Gleichbehandlung, da der hier anwendbare formalisierte Gleichheitssatz
Differenzierungen nur gestatte, wenn ein zwingender Grund sie erfordere. Ein solcher
sei vorliegend aber nicht dargelegt worden.
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Der angegriffene Beschluss verletze außerdem den Grundsatz des Vertrauensschutzes,
da die Neuregelung der Fraktionsfinanzierung rückwirkend beschlossen worden sei und
die Klägerin auf eine Fortgeltung der bisherigen Regelung über Fraktionszuwendungen
bis zum Ende des Haushaltsjahres habe vertrauen dürfen. Bei der Neuregelung hätten
bestehende arbeitsvertragliche Verpflichtungen der Klägerin gegenüber ihren
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Angestellten beachtet werden müssen.
Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 22. Oktober 1999 rechtswidrig ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt dazu vor: Eine Bedarfsermittlung sei durchgeführt worden. Eine solche erfordere
nämlich nicht die Ermittlung und Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen der
Fraktionen in der Vergangenheit. Vielmehr reiche es aus, wenn sich die Bedarfsanalyse
an den wichtigsten und wesentlichsten Ausgabearten orientiere und diesen
entsprechend der Größe der Fraktion einen bestimmten Betrag zuweise. Eine
Differenzierung nach der Fraktionsstärke sei sachgerecht, da die Höhe des Bedarfs von
ihr abhängig sei. Die Erhöhung des Abschreibungszeitraumes von 10 auf 15 Jahre sei
zulässig, da insoweit ein einheitlicher Maßstab angelegt worden sei. Die Klägerin könne
sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sie über den Ablauf der Sitzungsperiode
hinaus nicht auf den Fortbestand der bisherigen Regelung habe vertrauen dürfen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Verfahrensakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Sie ist zwar als kommunalverfassungsrechtliche Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1
der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Durch die Beschlussfassung hat
sich ein festzustellendes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten hinreichend
konkretisiert. Auch hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der begehrten
Feststellung, da der Beschluss unmittelbar ihre finanzielle Ausstattung betrifft.
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der Beschluss des Beklagten vom 22. Oktober 1999 ist nicht deshalb rechtswidrig, weil
er die Mitgliedschaftsrechte der Klägerin aus § 40 Abs. 3 S. 1 der Kreisordnung für das
Land Nordrhein- Westfalen (KrO NRW) verletzt.
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Ob der Beschluss zudem aus anderen Gründen rechtswidrig ist, war im Rahmen der
vorliegenden Klage nicht zu prüfen. Denn der Beschluss einer kommunalen
Vertretungskörperschaft kann nur dann mit Erfolg angegriffen werden, wenn er wegen
Verletzung von Mitgliedschaftsrechten des Klägers rechtswidrig ist.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
2.2.1972 - 3 A 887/69 -, OVGE 27, S. 258, 264.
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Eine Verletzung des Mitgliedschaftsrechtes der Klägerin aus § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW
scheidet aus. Nach dieser Vorschrift gewährt der Kreis den Fraktionen aus
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Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für
die Geschäftsführung. Die Fraktionen haben folglich einen Anspruch auf Zuwendungen,
der jedoch nicht auf die vollständige Deckung ihrer Kosten gerichtet ist. Die
Entscheidung über die Bemessung der Zuwendungen steht vielmehr im Ermessen der
kommunalen Vertretungskörperschaft.
Vgl. Wansleben in: Held/ Becker/ Decker/ Kirchhof/ Krämer/ Wansleben, Kommentar
zum Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Loseblattsammlung, Stand
September 2000, KrO § 40 Anm. 5.1.
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Der Beklagte hat das ihm durch § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW eingeräumte Ermessen
pflichtgemäß ausgeübt. Bei der Ermessensausübung sind die sich aus der Verfassung
ergebenden Grenzen, insbesondere der Grundsatz der Chancengleichheit, zu beachten.
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Vgl. Kopp/ Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage, 2000, §
114 Rn. 7; so auch Verwaltungsgericht (VG) Münster, Beschluss vom 22.12.1999, - 1 L
1668/99 -, S.3 der Beschlussausfertigung; VG Köln, Urteil vom 8.5.1991- 4 K 2279/90 -
Eildienst Städtetag NRW 1991, S. 539.
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Der Grundsatz der Chancengleichheit ist ein Anwendungsfall des allgemeinen
Gleichheitssatzes, der - über die Grundrechtsverbürgung des Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) hinaus - als ungeschriebener selbstverständlicher
Verfassungsgrundsatz auch für die Beziehungen innerhalb des Staatsaufbaus gilt.
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.1.1975, - 3 A 551/73 -, S. 24 der Urteilsausfertigung; Urteil
vom 14.6.1994, - 15 A 2449/91 -, NWVBl. 1994, S. 414, 415.
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Folglich war er auch im Rahmen der Ermessensentscheidung zu § 40 Abs. 3 S. 1 KrO
NRW von dem beklagten Kreistag zu beachten. Der Gleichheitssatz erlaubt
Differenzierungen, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.1.1975, aaO, S. 24 der Urteilsausfertigung.
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Entgegen der Behauptung der Klägerin ist der Gleichheitssatz vorliegend nicht in der
Ausprägung des sog. formalisierten Gleichheitssatzes anwendbar. Dieser lässt
Differenzierungen nicht schon bei Vorliegen eines rechtfertigenden, sondern nur bei
Bejahung eines "besonderen" oder "zwingenden" Grundes zu. Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat diese strenge Ausprägung des
Gleichheitssatzes im Hinblick auf die Entschädigung von Abgeordneten mit
Alimentationscharakter entwickelt.
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Vgl. BVerfG, Urteil vom 5.11.1975 - 2 BvR 193/74 -, BVerfGE 40, 294 ff.
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Sie beansprucht jedoch keine Geltung für die hier in Frage stehende, den Fraktionen zu
gewährende Aufwandsentschädigung. Diese ist vom Gebot der einheitlichen
Entschädigung ausgenommen; sie kann je nach der Höhe des Aufwands differenziert
bemessen werden.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.6.1994, aaO, S. 415.
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Die in dem angegriffenen Beschluss vorgenommene Differenzierung zwischen "kleinen"
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und "großen" Fraktionen stellt sich als sachgerecht dar. Denn die Höhe der
Aufwendungen für die Geschäftsführung i.S.v. § 40 Abs. 3 S. 1 KrO NRW ist abhängig
von der Größe der Fraktionen. Diese Abhängigkeit ist auf die den Fraktionen durch § 40
Abs. 2 S. 1 KrO NRW zugewiesene Aufgabe der Mitwirkung bei der Willensbildung und
Entscheidungsfindung in der Vertretung zurückzuführen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe,
die u.a. die Abhaltung von Fraktionssitzungen erforderlich macht, benötigen die
Fraktionen bestimmte Sach- und Personalmittel (z.B. Räumlichkeiten,
Fraktionsassistenten). Bedarf und Aufwendungen kleiner Fraktionen werden in diesem
Zusammenhang naturgemäß geringer sein als Bedarf und Aufwendungen größerer
Fraktionen.
Vgl. so auch VG Köln, Urteil vom 8.5.1991, aaO, S. 541; in diesem Sinne auch OVG
NRW in seinem Urteil zur Aufwandsentschädigung eines Fraktionsvorsitzenden vom
14.6.1994, aaO, S. 415.
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So benötigen größere Fraktionen z.B. größere Räumlichkeiten und mehr
Sitzgelegenheiten; auch haben sie einen höheren Koordinierungsbedarf.
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Allerdings haben auch die "kleinen" Fraktionen bezüglich bestimmter Kostenfaktoren
(z.B. Literatur, Grundausstattung, Unterhaltung eines Büros) einen Grundbedarf, der
durch die Gewährung eines Sockelbetrages abzudecken ist.
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Vgl. so auch VG Köln, Urteil vom 8.5.1991, aaO, S. 541.
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Die Gewährung eines Sockelbetrages erfordert jedoch nicht, dass er den Fraktionen
neben dem pro Kopf gewährten Zuwendungsbetrag in jeweils gleicher Höhe
zuzuwenden ist. Vielmehr kann es gerechtfertigt sein, bereits bei der Festlegung des
Sockelbetrages eine Differenzierung nach der Fraktionsstärke vorzunehmen. Bei
diesem Vorgehen ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Ausgaben (z.B. für
Räumlichkeiten, für die Beschäftigung eines Fraktionsassistenten) nicht unmittelbar
proportional zur Fraktionsstärke steigen, sondern stufenweise. Dies ist vorliegend
geschehen. Zwar werden den im beklagten Kreistag vertretenen Fraktionen neben den
Zuwendungen pro Fraktionsmitglied in Höhe von 1.111,- DM Beträge in
unterschiedlicher Höhe gewährt. Jedoch zeigt ein Vergleich dieser den einzelnen
Fraktionen gewährten Sockelbeträge, dass die Zuwendungshöhe nicht unmittelbar
proportional zur Fraktionsstärke steigt, sondern degressiv. Während die Klägerin mit drei
Mitgliedern einen Sockelbetrag in Höhe von 31.000,- DM erhält, werden den Fraktionen
von CDU (27 Mitglieder) und SPD (18 Mitglieder) Sockelbeträge in Höhe von jeweils
60.000,- DM zugewandt.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es im Hinblick auf eine Verletzung des
Gleichheitssatzes unerheblich, dass der angegriffene Beschluss nicht bestimmt, wann
eine Fraktion als "klein" und wann sie als "groß" zu bezeichnen ist. Es ist nicht Aufgabe
eines Beschlusses, eine abstrakt- generelle Regelung aufzustellen. Vielmehr reicht es
aus, wenn - wie hier - eine sachgerechte Lösung für ein regelungsbedürftiges Problem -
Verteilung der Haushaltsmittel auf die nach der Kommunalwahl im September 1999
gegründeten Fraktionen - geboten wird. Darüber hinaus ist bei der gegebenen
Zusammensetzung des beklagten Kreistages aus drei Fraktionen mit jeweils drei
Mitgliedern, einer Fraktion mit 27 Mitgliedern und einer Fraktion bestehend aus 18
Mitgliedern ohne weiteres erkennbar, welche zu den "kleinen" und welche zu den
"großen" Fraktionen gezählt wird.
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Die in dem angegriffenen Beschluss getroffene Ermessensentscheidung ist auch nicht
etwa deshalb rechtswidrig, weil - wie die Klägerin vorträgt - der Beklagte die zugrunde
liegenden Tatsachen nicht ordnungsgemäß ermittelt hätte.
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Zwar ist es zur pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens im Rahmen des § 40 Abs. 3
S. 1 KrO NRW erforderlich, den Bedarf der einzelnen Fraktionen zu ermitteln und
festzulegen, in welchem Umfang er abgedeckt werden soll.
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Vgl. Wansleben, aaO, KrO § 40 Anm. 5.1.
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Auch wurde dieses Vorgehen im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts
Gelsenkirchen vom 13. Februar 1987,
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vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 13.2.1987, - 15 K 1536/85 -, NWVBl. 1987, S. 53 ff,
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von dem Innenminister des Landes Nordrhein- Westfalen mit Erlass vom 2. Januar 1989
(III A 1- 11.70 - 3960/88) empfohlen.
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Zur Bedarfsermittlung müssen jedoch nicht notwendigerweise die tatsächlichen, den
einzelnen Fraktionen in der Vergangenheit individuell entstandenen Aufwendungen
erfragt werden. Dies wäre auch im Hinblick auf die nach der Kommunalwahl 1999
erstmals gegründeten Fraktionen der UWG und der FDP gar nicht möglich. Vielmehr ist
eine abstrakte Ermittlung des Bedarfs jedenfalls dann ausreichend, wenn - wie hier - die
einzelnen Ausgabeposten aufgelistet werden, für die notwendiger- und zulässigerweise
Aufwendungsersatz geleistet werden soll, und diesen bestimmte Beträge zugeordnet
werden, die sich gemessen an der Lebenswirklichkeit als nachvollziehbar und
sachgerecht darstellen.
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Eine konkrete Bedarfsanalyse ist entbehrlich, da es Fraktionen mit überdurchschnittlich
hohem und solche mit überdurchschnittlich geringem Bedarf gibt und auch der Einsatz
der Mittel für bestimmte Aufgabenbereiche den Fraktionen selbst überlassen bleibt.
Kann die Höhe der Aufwendungen aber von Fraktion zu Fraktion variieren, so wird eine
Analyse der Mittelverwendung in der Vergangenheit keinen Aufschluss über einen den
Fraktionen einheitlich entstehenden Bedarf geben können. Aus diesem Grunde würde
es auch wenig nützen, zur Bedarfsermittlung auf die von den Fraktionen gemäß § 40
Abs. 3 S. 3 KrO NRW zu erstellenden Verwendungsnachweise zurückzugreifen. Diese
geben nur Aufschluss über die Verwendung der gewährten Zuwendungen in der
Vergangenheit, nicht jedoch darüber, welche Ausgaben eine Fraktion insgesamt für ihre
Geschäftsführung getätigt und für welche Aufgaben sie welche Summen aufgewendet
hat. Daher kann es dem beklagten Kreistag überlassen werden, die Höhe des
Aufwendungsbedarfs aufgrund von Werten, die sich nach der allgemeinen
Lebenserfahrung als sachgerecht darstellen, zu ermitteln.
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Die Durchführung einer abstrakten Bedarfsanalyse wird auch dem Verbot der
verschleierten Parteienfinanzierung gerecht. Danach stellt es einen die Verfassung
verletzenden Missbrauch dar, wenn die Fraktionen Zuwendungen erhalten, die durch
ihre Bedürfnisse nicht gerechtfertigt sind.
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vgl. BVerfG, Urteil vom 19.7.1966, - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56, 105.
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Um diesem Missbrauch vorzubeugen, darf es nicht den Fraktionen selbst überlassen
werden, ihren Bedarf zu bestimmen. Dieser ist vielmehr unter Beachtung der ihnen
durch das Kommunalverfassungsrecht zugewiesenen Aufgaben anhand von
standardisierten, nach der allgemeinen Lebenserfahrung als sachgerecht
erscheinenden Werten zu ermitteln.
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Zur ermessensfehlerfreien Ermittlung des Bedarfs der Fraktionen ist es daher
ausreichend, wenn in einem ersten Schritt die einzelnen Ausgabeposten aufgelistet
werden, für die der beklagte Kreistag notwendiger- und zulässigerweise
Aufwendungsersatz leisten will, und diesen in einem zweiten Schritt bestimmte Beträge
zugeordnet werden, die sich gemessen an der Lebenswirklichkeit als nachvollziehbar
und sachgerecht darstellen.
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Diesen Anforderungen entspricht die von dem beklagten Kreistag unter dem 16.
September 1999 vorgenommene Bedarfsermittlung (Bl. 137- 139 d. BA). Die darin
erfolgte Beschränkung des Aufwendungsersatzes auf die Ausgabengruppen "(1.)
Grundbedarf für Büroräume, -ausstattung und Literatur, (2.) Personalkosten sowie (3.)
Zuwendung pro Fraktionsmitglied" ist im Hinblick auf den Ermessensspielraum des
Beklagten bei der Vergabe von Haushaltsmitteln nicht zu beanstanden. Auch erfolgte
die Ermittlung des Grundbedarfs der Fraktionen für Büroräume, -ausstattung und
Literatur (Bl. 139 d. BA) detailliert und nachvollziehbar. Die vom beklagten Kreistag
vorgenommene Bewertung der jeweiligen Ausgabearten, insbesondere die - von der
Klägerin gerügte - Höhe der Zuwendungen zu den Mietkosten, ist nicht zu beanstanden,
da sowohl ein Mietpreis von 9,- DM als auch ein solcher von 10,- DM pro qm unter
Zugrundelegung der allgemeinen Lebenswirklichkeit sachgerecht erscheint. Die der
Berechnung zugrunde gelegten Werte orientieren sich an den nach allgemeiner
Lebenserfahrung für die einzelnen Ausgabenbereiche typischerweise aufzuwendenden
Kosten. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Fraktionen
vorliegend Zuschüsse in einer Höhe erhalten, die durch ihre Bedürfnisse nicht mehr
gerechtfertigt wären.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die Bedarfsanalyse den
einzelnen Kreistagsmitgliedern vor der Abstimmung bekannt gemacht worden ist oder
nicht. Allein ausschlaggebend ist, dass sie der Beschlussfassung vorausgegangen ist,
so dass sich die Höhe der Zuschüsse letztlich nicht als willkürlich darstellt.
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Der Beklagte handelte auch bei der Verlängerung des Abschreibungszeitraumes von 10
auf 15 Jahre ermessensfehlerfrei. Im Hinblick auf den ihm durch § 40 Abs. 3 S. 1 KrO
NRW eingeräumten Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung des
Finanzierungssystems erscheint diese Festlegung nicht willkürlich, solange - wie hier -
einheitlich von dem gleichen Abschreibungszeitraum ausgegangen wird.
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Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Beschluss sei wegen Verstoßes
gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes
rechtswidrig. Als spezifisches Rechtsprinzip greift der Vertrauensschutz ein, wenn
jemand von seiner Entscheidung oder seiner Verhaltensweise, auf deren Bestand und
deren Fortbestand andere vertraut haben und vertrauen durften, abweichen will.
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Vgl. Maurer in: Isensee/Kirchhoff, Handbuch des Staatsrechts, Band III, § 60 Rn. 7.
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Auf Vertrauensschutz kann sich folglich nur der berufen, der auch tatsächlich selbst auf
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den Fortbestand eines bestimmten Vertrauenstatbestandes vertraut hat. Die Klägerin
konnte schon kein Vertrauen in das bis zum 30. September 1999 geltende System der
Fraktionsfinanzierung entwickeln, da sie erst mit der neuen Fraktionsvereinbarung der
im September 1999 gewählten Mandatsträger entstanden ist. Sie ist trotz einheitlicher
Bezeichnung - Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen - nicht identisch mit der Fraktion, die
zuvor bestanden hatte und mit dem Zusammentritt des neu gewählten Kreistages im
Oktober 1999 aufgelöst wurde. Denn Fraktionen bestehen nach Ablauf des
kommunalen Mandats ihrer Mitglieder, also nach dem Zusammentritt der neu gewählten
Vertretungskörperschaft, als Träger gemeindeinterner Mitwirkungsbefugnisse nicht mehr
weiter.
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 27.3.1990, - 15 A 2666/86 -, S. 3, 4 der
Beschlussausfertigung.
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Die Klägerin kann sich auch nicht als eventuelle Rechtsnachfolgerin der vorherigen
Fraktion der Partei Bündnis 90/ Die Grünen auf Vertrauensschutz berufen. Dies ist
ausgeschlossen, da ein aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes fließender
Anspruch auf Fortgeltung eines bestimmten Vertrauenstatbestandes höchstpersönlichen
Charakter hat und folglich nicht im Wege der Rechtsnachfolge übertragbar ist.
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Bei der Neuregelung der Fraktionsfinanzierung hatte der Beklagte auch nicht die
arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der einzelnen Fraktionen gegenüber ihren
Fraktionsassistenten zu berücksichtigen. Die Einstellung von Arbeitnehmern sowie die
Ausgestaltung der Arbeitsverträge fällt in den Risikobereich der Fraktionen selbst. Bei
dem Abschluss von Arbeitsverträgen haben sie dem Umstand Rechnung zu tragen,
dass sie sich jeweils mit dem Zusammentritt eines neu gewählten Kreistages auflösen
und erst aufgrund einer Fraktionsvereinbarung der neu gewählten Mandatsträger
entstehen.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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