Urteil des VG Arnsberg vom 02.09.2010

VG Arnsberg (fläche, höhe, bewertung, konkrete berechnung, prognose, verhältnis zu, satzung, festsetzung, verband, veranlagung)

Verwaltungsgericht Arnsberg, 7 K 3251/09
Datum:
02.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 3251/09
Tenor:
für Recht erkannt:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage
zurückgenommen hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist kommunales Mitglied des beklagten Wasserverbandes, der die Aufgabe
der Abwasserbeseitigung wahrnimmt. Der Beklagte betreibt in seinem Verbandsgebiet
73 Kläranlagen, darunter auch die Kläranlage (KA) B. , über die die Klägerin u.a. ihre
Schmutz- und Mischwässer entsorgt. Für die Einleitung von in dieser Kläranlage
behandeltem Schmutzwasser in die M. zahlt der Beklagte an das Land Nordrhein-
Westfalen (resp. Bezirksregierung E. ) eine sogenannte Schmutzwasserabgabe nach
Maßgabe des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) und der diesbezüglichen
Ausführungsvorschriften der §§ 64 ff. des Landeswassergesetzes (LWG).
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Im Zusammenhang mit dem Bau des am 1. August 2007 in Betrieb genommenen
Regenüberlaufbeckens (RÜB) F. fiel auf die Klägerin ein Baukostenanteil in Höhe von
232.853,65 EUR, den sie über den Beklagten finanzierte. Der Beklagte beantragte für
die Einleitung aus der Kläranlage B. und aus den Mischnetzen bei der Bezirksregierung
E. gemäß § 10 Abs. 3 und 4 AbwAG die Verrechnung der Abwasserabgabe mit den
Aufwendungen für den Bau des RÜB F. ; für die Veranlagungsjahre 2004 bis 2007
erhielt der Beklagte die Festsetzungsbescheide mit einer entsprechenden Verrechnung.
Die Abwasserabgabe für Schmutz- und Niederschlagswasser wurde bereits vollständig
mit den Kosten für Maßnahmen der Stadt B. und mit dem Kostenanteil des
Ruhrverbandes für die Errichtung des RÜB F. verrechnet. Einen Verrechnungsantrag für
die bei der Klägerin angefallenen Aufwendungen für die Errichtung des RÜB F. stellte
der Beklagte nicht. Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 beantragte die Klägerin, ihr den vom
Ruhrverband erhaltenen Verrechnungsbetrag betreffend ihren Baukostenanteil
entsprechend gutzuschreiben. Dies lehnte der Beklagte ab. Ein daraufhin im Jahre 2009
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von der Klägerin über den Beklagten bei der Bezirksregierung E. gestellter
Verrechnungsantrag nach § 10 AbwAG wurde nicht beschieden.
Mit Beitragsbescheid vom 15. Oktober 2009 setzte der Beklagte für das Jahr 2009 u.a.
Allgemeine Reinhaltungsbeiträge (A-Anlagen) in Höhe von insgesamt 873.056,00 EUR
fest. Für das Bewertungsmerkmal "Bewertung Fläche NW"
(NW=Niederschlagswasserbehandlung) wurde eine Menge von 949.400 qm und ein
Einheitssatz/Messzahl von 20 BE/10.000,000 qm und der Ermäßigungsfaktor 0,80
berücksichtigt. Auf dieser Grundlage wurden 1.519 Bewertungseinheiten ermittelt und
mit einem Klärkostenbeitrag von 67,67 EUR/BE multipliziert, so dass der Beitrag für die
Niederschlagswasserbehandlung mit 102.791,00 EUR ermittelt wurde. Daneben setzte
der Beklagte u.a. Besondere Reinhaltungsbeiträge (B-Anlagen) für die KA B. , RÜB F. in
Höhe von 18.518,34 EUR fest.
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Am 9. November 2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
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Zur Begründung ihrer Klage bezüglich des Allgemeinen Reinhaltungsbeitrages
betreffend die Bewertung Fläche NW trägt sie vor: Der Betrag sei nicht korrekt ermittelt
worden, da die zugrunde gelegte Quadratmeterzahl von 949.400 qm zu hoch sei;
tatsächlich hätte nur eine Fläche von 536.732 qm berücksichtigt werden dürfen, so dass
der Beitrag nur in Höhe von 58.128,53 EUR gerechtfertigt sei. Die Bewertung für die
Niederschlagswasserbehandlung richte sich nach den Veranlagungsrichtlinien.
Grundlage für die Beitragserhebung seien danach die befestigten, an eine
Mischkanalisation angeschlossenen Flächen der Gemeinden. Grundlage für die
Ermittlungen des Beklagten seien Überfliegungsdaten, die bereits aus Anfang der
90iger Jahre stammten und nicht mehr aktuell seien bzw. der aktuellen Rechtslage
entsprächen. Seit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 18. Dezember 2007 (- 9 A 3648/04 - bestätigt
durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts [BVerwG] vom 13. Mai 2008)
seien die Gemeinden, die auch Verbandsmitglieder des Beklagten seien, verpflichtet,
zur Abrechnung der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung von den Bürgern eine
gesonderte Regenwassergebühr zu erheben. Dieser Verpflichtung sei sie - die Klägerin
- bereits seit dem Jahre 2002 nachgekommen. Die abflusswirksamen Flächen seien von
ihr erstmals im Jahre 2001 durch Auswertung der Liegenschaftskataster und der
Selbstauskünfte aller Grundstückseigentümer ermittelt worden. Die Daten würden
laufend überprüft. Angesichts der der Rechtsprechung des OVG NRW müsse auch der
Beklagte die so ermittelten Flächen seiner Beitragsveranlagung zugrunde legen.
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Die zu berücksichtigende Fläche errechne sich daher wie folgt:
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- versiegelte und abflusswirksame Grundstücksfläche 320.406 qm - versiegelte und
abflusswirksame Verkehrsfläche 282.641 qm ---------------- 603.047 qm - abzüglich
versiegelte und abflusswirksame Flächen von RV-Mitgliedern 6.043 qm - abzüglich
versiegelte und abflusswirksame Verkehrs- flächen in Trenngebieten, deren
Niederschlagswasser nicht einer Kläranlage zugeführt wird 31.253 qm - abzüglich
versiegelter und abflusswirksamer Verkehrs- flächen in Trenngebieten, deren
Niederschlagswasser nicht einer Kläranlage zugeführt wird 29.019 qm =========
536.732 qm.
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Bezüglich der Festsetzung eines besonderen Reinhaltungsbeitrages (B-Anlagen) für die
KA B. , RÜB F. trägt die Klägerin vor: Sie sei bei der Errichtung des RÜB F. von dem
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Beklagten mit einem Baukostenanteil in Höhe von 232.853,65 EUR belastet worden,
den sie nach einem Zins- und Tilgungsplan zahle. Der festgesetzte Besondere
Reinhaltungsbeitrag entspreche dem für das Jahr 2009 festgesetzten Zins- und
Tilgungsdienst. Es handele sich hierbei um Abwasserbehandlungsanlagen im Sinne
des § 10 Abs. 3, 4 AbwAG, die zu einer Minderung der Gesamtschadstofffracht beim
Einleiten führten und den Beklagten zur Verrechnung mit der an das Land Nordrhein-
Westfalen zu zahlenden sog. Schmutzabwasserabgabe berechtigten. Zwischen den
Beteiligten sei streitig, ob und inwieweit die Klägerin als Kostenbeteiligte bei der
Errichtung der Anlagen an dieser Verrechnungsmöglichkeit zu partizipieren habe. Ein
entsprechender Verrechnungsantrag des Beklagten sei positiv beschieden worden.
Hierbei stelle sich die Frage, ob der Beklagte lediglich seine eigenen Aufwendungen
oder die Gesamtaufwendungen für die Maßnahmen inklusive des Kostenbeitrages der
Klägerin zur Verrechnung angemeldet habe.
Die Klägerin hat ursprünglich - sinngemäß - beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 insoweit aufzuheben, als darin 1.
Allgemeine Reinhaltungsbeiträge (A-Anlagen) betreffend die Bewertung Fläche NW in
Höhe von 102.791,00 EUR und 2. Besondere Reinhaltungsbeiträge (B-Anlagen) für das
RÜB F. in Höhe von 18.518,34 EUR festgesetzt sind.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen
und beantragt nunmehr,
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den Beitragsbescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 insoweit aufzuheben, als
darin 1. Allgemeine Reinhaltungsbeiträge (A-Anlagen) betreffend die Bewertung Fläche
NW von mehr als 58.128,53 EUR und 2. Besondere Reinhaltungsbeiträge (B-Anlagen)
für das RÜB F. in Höhe von 18.518,34 EUR festgesetzt sind.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor: Er habe die Flächen zutreffend ermittelt. Die abflusswirksamen befestigten
Flächen seien mit Übernahme der Aufgabe der Niederschlagswasserbeseitigung durch
ihn im gesamten Verbandsgebiet Anfang der 1990iger Jahre durch systematische und
flächendeckende Überfliegungen ermittelt worden. Die auf diese Weise nach
einheitlicher Methode für jede Verbandsgemeinde ermittelten Flächenansätze hätten in
der Folge jeweils Eingang in die mit den Mitgliedskommunen abgestimmten
Schmutzfrachtberechnungen gefunden, auf deren Basis er die zur
Niederschlagswasserbehandlung erforderlichen Anlagen geplant und sukzessive
errichtet habe. Auch im Gebiet der Klägerin sei er so verfahren. Er habe der Klägerin mit
Schreiben vom 22. Januar 2001 u.a. eine Übersichtstabelle übersandt, aus der die
Ergebnisse der jeweiligen Schmutzfrachtberechnungen sowie die Prognose- und
Vorhalteflächen ersichtlich seien. Ausweislich seines an die Klägerin gesandten
Schreibens vom 15. Januar 2002 habe er sich auch mit dem Einwand von Städten und
Gemeinden, die einen "gesplitteten" Gebührensatz eingeführt haben und die zum Teil
die befestigten Flächen durch eigene Befragungen ermittelt hätten, auseinandergesetzt.
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Eine Anfertigung neuer Luftbilder und die durch deren Auswertung entstehenden Kosten
seien unverhältnismäßig hoch und müssten auf die Mitgliedsgemeinden umgelegt
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werden.
Zudem sei der Einwand der Klägerin - seine Richtigkeit unterstellt - unerheblich.
Zunächst müsse die Flächenermittlung nach einer einheitlichen Methode erfolgen.
Maßgeblich seien insoweit nicht das Ermittlungsverfahren, das die Klägerin
durchgeführt habe, sondern seine Überfliegungsdaten. Die Daten, die er durch
Auswertung der Luftbilder Anfang der 1990iger Jahre ermittelt habe, seien in
Abstimmung mit der Klägerin Grundlage für die Dimensionierung der Kläranlagen
gewesen. Die dadurch verursachten Aufwendungen könnten nicht durch Einführung
eines nachträglichen, individuellen und alternativen Bewertungsmaßstabes auf andere
Mitglieder abgewälzt werden. Die Klägerin sei an die gemeinsamen Planungen mit dem
Beklagten gebunden.
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Er räume ein, dass fast zwei Jahrzehnte nach Durchführung der Überfliegungen des
Verbandsgebietes heute genauere Verfahren zur Auswertung der Luftbilder oder auch
ganz andere Methoden zur Ermittlung abflusswirksamer Flächen zur Verfügung
stünden, deren Anwendungen zu durchaus relevanten Abweichungen führen könnten.
Tatsächlich habe er in den letzten Jahren jedoch keine bessere oder genauere
Datengrundlage zur Verfügung gehabt. Zum anderen führe die Methode der
Flächenermittlung bei einheitlicher Anwendung innerhalb des Verbandsgebietes bei
allen Mitgliedskommunen in ähnlicher Weise zu Unschärfen und Abweichungen. Es
spreche einiges dafür, dass die einheitliche Anwendung derselben Ermittlungsmethode
zu keinen relevanten Mehrbelastungen einzelner Mitglieder bei der Unterverteilung der
Beitragslasten führe. Eine Umstellung auf eine andere, ggf. genauere
Bewertungsmethode müsse jedenfalls zeitgleich und flächendeckend im Verbandgebiet
eingeführt werden, um Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1
Grundgesetz auszuschließen. Ein Obsiegen der Klägerin würde eine solche
Gleichbehandlung unterlaufen.
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Die Klägerin könne im vorliegenden Verfahren nicht die Erstattung eines Teils der
kommunalen Investitionskosten für das gemeinsam geplante und gebaute RÜB F.
geltend machen. Unabhängig davon sei die Abwasserabgabe für Schmutz- und
Niederschlagswasser bereits vollständig mit seinem - des Beklagten -
(projektbezogenen) verrechenbaren Aufwendungsbetrag für die Errichtung des
Regenüberlaufbeckens F. verrechnet worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der von der
Klägerin und dem Beklagten übersandten (Verwaltungs-)Vorgänge verwiesen.
21
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
22
Soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92
Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingestellt. Die im Übrigen
zulässige Anfechtungsklage ist insgesamt unbegründet.
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Die Klage mit dem Klageantrag zu 1. hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist -
soweit darin ein Allgemeiner Reinhaltungsbeitrag (A-Anlagen) betreffend die Bewertung
Fläche NW (Niederschlagswasserbehandlung) von mehr als 58.128,53 EUR festgesetzt
ist - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
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Rechtsgrundlage für die Erhebung des Allgemeinen Reinhaltungsbeitrages (A-
Anlagen)/Niederschlagswasserbehandlung sind §§ 25, 26 Abs. 1, 4 und 6 des
Ruhrverbandsgesetzes (RuhrVG), § 24 der Satzung für den Ruhrverband (RV-Satzung)
in Verbindung mit V.4 der Veranlagungsrichtlinien (VR).
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Bei der Beurteilung, ob der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in dem
angefochtenen Umfang rechtmäßig ist, ist zunächst darauf abzustellen, dass
Verbandsbeiträge Zwangsbeiträge sind, die ein Verband seinen Mitgliedern zur
Finanzierung der allgemeinen Verbandsaufgaben auferlegt; es handelt sich also um
eine Umlage zur Finanzierung der Verbandsaufgaben. Anknüpfungspunkt für eine
Beitragspflicht ist damit nicht die Tatsache der Vorteilsziehung, sondern diejenige der
Aufgabenerfüllung durch den Verband (vgl. § 25 Abs. 1 RuhrVG); die individuelle
Vorteilsziehung ist nur die Berechnungsgrundlage für die Höhe der konkret zu
entrichtenden Beiträge.
26
Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg, Urteil vom 25. März 2010 - 7 K 3613/08 -;
Rapsch, DÖV 1987, 793, 797; ders., Wasserverbandsrecht, München 1993, Rdnr. 281.
27
Da es bei Verbandslasten keine unmittelbare Verknüpfung von Leistung und
Gegenleistung gibt, sondern nur einen mittelbaren Zusammenhang zwischen
Beitragserhebung und - vermutetem - Mitgliedervorteil, kommt es nicht darauf an, ob die
von den jeweiligen, die Teilnahme einschränkenden Mitgliedern gezogenen Vorteile
aus der Tätigkeit des Beklagten in einem äquivalenten Verhältnis zur Höhe der
Abgaben stehen. Denn eine solche Betrachtung verbietet sich in Bezug auf
Verbandslasten, weil das Äquivalenzprinzip, das die Höhe von Gebühren und Beiträgen
begrenzt und besagt, dass die geforderte Gebühr bzw. der Beitrag nicht außer
Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen darf, auf das Recht der Verbandslasten
nicht ohne weiteres übertragbar ist. Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG),
Beschluss vom 21. Oktober 1987 - 7 B 64.87 -, Buchholz 401.64 § 3 AbwAG;
Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarland, Urteil vom 7. November 2001 - 20 A 3166/02,
juris.
28
Die im vorliegenden Fall dem angefochtenen Verbandsbeitrag zugrundegelegte Fläche
(Bewertung Fläche NW) von 949.400 qm, die zwischen den Beteiligten allein streitig ist,
ist nicht zu beanstanden; sonstige Bedenken gegen die Festsetzung des Allgemeinen
Reinhaltungsbeitrages (A-Anlagen)/Niederschlagswasserbehandlung hat die Klägerin
nicht geltend gemacht.
29
Gemäß § 25 Abs. 1 RuhrVG haben die Mitglieder dem Verband die Beiträge zu leisten,
die zur Erfüllung seiner Aufgaben und Pflichten, seiner Verbindlichkeiten und zu einer
ordentlichen Haushalts- oder Wirtschaftsführung erforderlich sind, soweit andere
Einnahmen zur Deckung der Ausgaben des Verbandes nicht ausreichen. Nach Absatz
2 Satz 1 dieser Vorschrift bestehen die Beiträge in Geldleistungen, die nach Maßgabe
der Satzung fällig werden. Die Beitragslast verteilt sich auf die Mitglieder im Verhältnis
der Vorteile, die sie von der Durchführung der Aufgaben des Verbandes haben oder zu
erwarten haben, und der Kosten, die der Verband auf sich nimmt, um von ihnen
herbeigeführte oder zu erwartende nachteilige Veränderungen zu vermeiden, zu
vermindern, zu beseitigen oder auszugleichen oder ihnen obliegende Leistungen zu
übernehmen (§ 26 Abs.1 Satz 1 RuhrVG). Der Verband hat aufgrund des § 26 Abs. 6
RuhrVG nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 Veranlagungsrichtlinien zu erlassen,
30
die den Mitgliedern gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 RuhrVG bekanntzumachen sind. V.4 der
hier maßgeblichen von der Verbandsversammlung beschlossen
Veranlagungsrichtlinien bestimmt unter anderem: "(1) Der Einheitssatz für die
Bewertung der Niederschlagswasserbehandlung beträgt 20 BE/ha befestigter Fläche.
(2) Diese Bewertung gilt für die befestigen, an eine Mischkanalisation angeschlossenen
Flächen ... der Gemeinden und der gewerblichen Mitglieder, von denen
Niederschlagswasser ganz oder teilweise einer Abwasserbehandlungsanlage des
Verbandes zugeführt wird. Für die Veranlagung ist die Fläche maßgeblich, die sich
aufgrund der Prognose für einen Zeitraum von 15 Jahren errechnet.
...
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(4) Die Veranlagung für die Niederschlagswasserbehandlung erfolgt erstmals ab dem 1.
Januar 2002. Der Einheitssatz von 20 BE/ha wird ab dem 1. Januar 2002 mit 0,2, ab
dem 1. Januar 2004 mit 0,4, ab dem 1. Januar 2006 mit 0,6, ab dem 1. Januar 2008 mit
0,8, ab dem 1. Januar 2010 mit 1,0 multipliziert."
32
Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass die Heranziehung der Klägerin auf der
Grundlage der von der Verbandsversammlung beschlossenen und den Mitgliedern
gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 RuhrVG bekannt gemachten Veranlagungsrichtlinien erfolgte.
§ 26 Abs. 6 RuhrVG verweist hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der in § 26 Abs. 1
bis 4 RuhrVG normierten Beitragsmaßstäbe ausdrücklich auf die zu erlassenden
Veranlagungsrichtlinien, nicht jedoch auf die Satzung.
33
So bereits VG Arnsberg, Urteil vom 3. Dezember 1999 - 13 K 4382/98 -; OVG NRW,
Urteil vom 19. Mai 1980 - 11 A 1312/76 -, juris; Rapsch, Wasserverbandsrecht, Rdnr.
248f.
34
Die Veranlagungsrichtlinien sind als eine Erläuterung und Verdeutlichung der im
Ruhrverbandgesetz bereits festgelegten Grundsätze der Kostenverteilung zu werten,
durch die die konkrete Berechnung der auf die einzelnen Mitglieder entfallenden
Beiträge bestimmt werden soll. Sie sind damit den Verwaltungsvorschriften zur
Durchführung anderer gesetzlicher Bestimmungen vergleichbar, die Zweifelsfragen und
Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung behandeln, für die Praxis unentbehrlich
sind und eine einheitliche Handhabung des Gesetzes gewährleisten sollen, ohne selbst
eine über das Gesetz hinausgehende bzw. von ihr abweichende materielle Wirkung zu
beanspruchen.
35
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 1980, a.a.O.
36
Es bestehen - auch seitens der Klägerin - keine Bedenken dagegen, dass V.4 VR als
Maßstab abstellt auf die befestigten, an eine Mischkanalisation angeschlossenen
Flächen der Gemeinden und der gewerblichen Mitglieder, von denen
Niederschlagswasser ganz oder teilweise einer Abwasserbehandlungsanlage des
Verbandes zugeführt wird.
37
Dem gewählten Wahrscheinlichkeitsmaßstab liegt die nachvollziehbare Vorstellung
zugrunde, dass mit der Verdichtung der Oberfläche deren Absorptionsfähigkeit in der
Regel deutlich sinkt, so dass das bei Regenfällen schlagartig auftretende
Niederschlagswasser auf der Oberfläche bleibt und zur Beseitigung abgeleitet werden
muss. Dementsprechend ist unter einer Flächenbefestigung jede Veränderung der
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natürlichen Bodenoberfläche zu verstehen, die zu einer Verdichtung führt.
Vgl. allgemein: OVG NRW, Urteil vom 18. September 2009 - 9 A 2016/08 - und vom 1.
September 1999 - 9 A 5715/98 -, beide juris.
39
Bei der konkreten Erstellung der Veranlagungsrichtlinien hat der Beklagte
(Verbandsversammlung) die Befugnis, die Maßstäbe für die Beitragsveranlagung - im
Rahmen der Regelungen des RuhrVG - nach sachkundigem Ermessen festzulegen. Bei
Bestimmung und Anwendung der Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, der Schätzung von
Daten und Mengen usw. steht dem Beklagten ein relativ weiter Gestaltungsspielraum
zu.
40
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 10 B 72/04 -, NVwZ 2005, 1184; OVG
NRW, Urteil vom 19. Mai 1980, a.a.O.; VG Arnsberg, Urteil vom 25. März 2010 - 7 K
3613/08 -.
41
Dies folgt aus dem Selbstverwaltungsrecht der Verbände bzw. der Möglichkeit der
Mitglieder, über die Wahl der Delegierten zur Verbandsversammlung (§ 12 RuhrVG), die
die Veranlagungsrichtlinien beschließt, auf die Arbeit und Arbeitsweise des Beklagten -
hier konkret auf die Ausgestaltung der Veranlagungsrichtlinien - einzuwirken. Die
Verbandsmitglieder sind an der Selbstverwaltung des Beklagten weit stärker beteiligt
als etwa die Bürger einer Gemeinde an dem Erlass einer Satzung betreffend die
Erhebung einer gemeindlichen Abgabe. Es hält sich daher im Rahmen der durch das
sachkundige Ermessen eingeräumten Gestaltungsfreiheit, wenn Gesichtspunkte der
Praktikabilität, der pauschalierenden und vereinfachenden Schematisierung bei der
Ausgestaltung der Veranlagungsrichtlinien berücksichtigt werden. Die
Gestaltungsfreiheit bei der Aufstellung und Anwendung der Richtlinien findet erst dort
ihre Grenze, wo der Verteilungsmaßstab nicht mehr sachgerecht angewandt wird und
wo gegen Grundrechte, insbesondere Art. 3 Grundgesetz verstoßen wird. Die
Veranlagungsrichtlinien dürfen in Bezug zu allen Mitgliedern vor allem nicht zu einer
willkürlichen Ungleichbehandlung führen.
42
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15. September 2004 - 20 A 3166/02 -, juris und vom 19. Mai
1980, a.a.O.
43
Der Verteilungsmaßstab und dessen Konkretisierung können sich in Anbetracht der
besonderen Gestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Verbandsmitgliedern und
dem Verband auf eine Angemessenheit im weiteren Sinne beschränken.
44
So Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 18. Dezember 2002 - 22
B 99.1402 -, BayVBl. 2003, 399.
45
Die Klägerin hat nach alledem keinen Anspruch darauf, dass die
Veranlagungsrichtlinien die aus ihrer Sicht bzw. für ihr Gemeindegebiet vernünftigste,
gerechteste und zweckmäßigste Ermittlung der maßgeblichen Flächen bestimmen bzw.
ermöglichen.
46
V.4 Abs. 2 Satz 2 VR, wonach für die Veranlagung die Fläche maßgeblich ist, die sich
aufgrund der Prognose für einen Zeitraum von 15 Jahren errechnet, genügt den
dargestellten Anforderungen und ist hinreichend bestimmt. Der von dem Beklagten in
Anwendung der Veranlagungsrichtlinien zugrunde gelegte 15jährige Prognosezeitraum
47
ist unter Berücksichtigung der Größe des Verbandsgebietes und der praktischen
Probleme bzw. Komplexität im Zusammenhang mit der Ermittlung der befestigten
Flächen (und der damit korrespondierenden Dimensionierung der zur
Niederschlagswasserbehandlung erforderlichen Anlagen) angemessen und von dem
weiten Gestaltungsspielraum des Beklagten gedeckt. Es hat auch keine Auswirkungen
auf die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des angefochtenen Verbandsbeitrages, dass
V.4 Abs. 2 Satz 2 VR nicht ausdrücklich bestimmt, wann der Prognosezeitraum von 15
Jahren beginnt (Prognosebeginn) und sich damit konsequenterweise auch nicht zum
Prognoseende verhält. Angesichts dessen, dass die Verbandsmitglieder an der
Selbstverwaltung des Verbandes bzw. dem Erlass der Veranlagungsrichtlinien stark
beteiligt sind, sind an die Bestimmtheit der Grundlagen für die Beitragsveranlagung der
Verbandsmitglieder geringe Anforderungen zu stellen.
Rapsch, Wasserverbandsrecht, Rdnr. 248.
48
Zwar verhält sich der von dem Beklagten dem Gericht übersandte Beschluss der
Verbandsversammlung vom Dezember 1998 nicht zum Prognosebeginn bzw.
Prognosezeitraum; jedoch ergibt sich aus der von dem Beklagten geschilderten
Vorgehensweise bei der Ermittlung der der streitigen Veranlagung zugrundegelegten
Flächen, dass der 15jährige Prognosezeitraum am 1. Januar 2002 begann und zum 31.
Dezember 2016 enden wird. Damit ist auch die Verbindung zu V.4 Absatz 4 VR
hergestellt, da danach ab dem 1. Januar 2002 erstmals eine Veranlagung zu Beiträgen
für die Niederschlagswasserbehandlung möglich war und mit diesem Stichtag
sinnvollerweise der Prognosezeitraum begann. Diese Vorgehensweise gewährleistet
zudem eine einheitliche Handhabung aller betroffenen Verbandsmitglieder und war der
Klägerin auch bekannt.
49
Der Beklagte hat im Zuge der Einführung der Veranlagung zur
Niederschlagswasserbehandlung ab dem 1. Januar 2002 eine kommunenscharfe
Aufbereitung der Daten durchgeführt, die im Wesentlichen auf einer verbandsweiten
Überfliegung in den Jahren 1991/1992 (Ist-Zustand) sowie auf den im Rahmen der
Schmutzfrachtberechnungen mit den Kommunen abgestimmten Prognose- und
Vorhalteflächen (Prognose-Zustand) basierte. So übersandte der Beklagte der Klägerin
mit Schreiben vom 22. Januar 2001 u.a. eine Übersichtstabelle, aus der die Ergebnisse
der befestigten Flächen getrennt nach "IST aus Luftbildern" und "incl. Prognose- und
Vorhalteflächen" bezüglich des Gemeindegebietes der Klägerin ersichtlich sind; diese
Berechnungen hat die Klägerin nach einer Reduzierung der maßgeblichen Flächen
auch akzeptiert. Ausweislich des an die Klägerin gesandten Schreibens des Beklagten
vom 15. Januar 2002 hat sich der Beklagte auch mit dem Einwand von Städten und
Gemeinden, die einen "gesplitteten" Gebührensatz eingeführt haben und die zum Teil
die befestigten Flächen durch eigene Befragungen ermittelt hätten, auseinandergesetzt.
Der Zugrundelegung dieser in Abstimmung mit der Klägerin ermittelten Flächen im
Rahmen der Beitragsveranlagung steht auch nicht entgegen, dass die den
Ausgangspunkt der Prognose bildenden Flächen, die aufgrund der Überfliegungen des
Verbandsgebietes bereits im Jahre 1991/1992 ermittelt wurden, zum Prognose-beginn
(1. Januar 2002) bereits 10 bis 11 Jahre alt waren. Damit ist der dem Beklagten
zustehende weite Gestaltungsspielraum auch unter Berücksichtigung der
Gesichtspunkte der Praktikabilität, der pauschalierenden und vereinfachenden
Schematisierung, aber auch der Kosten, noch nicht überschritten. Hinzu kommt, dass
auch die Dimensionierung der von dem Beklagten vorzuhaltenden Kläranlagen von der
Flächenermittlung abhing/abhängt und der Klägerin davon ausgehend
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dementsprechende Vorteile geboten werden. Unabhängig davon muss dem Beklagten
bei langfristigen Entwicklungen komplexer Art hinsichtlich der Frage, ob eine dauerhafte
erhebliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist, eine weite
Beobachtungszeit sowie ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt werden,
vgl. BayVGH, Urteil vom 18. Dezember 2002 - 22 B 99.1402, Rdnr. 38, juris,
51
der hier nicht überschritten ist. Der Beklagte ist sich dieses Umstandes auch bewusst,
wie der Abschlussbericht zeigt. Er hat jedoch nicht ausschließlich die Interessen der
Klägerin, sondern die aller betroffenen Verbandsmitglieder wahrzunehmen.
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Nach alledem ist die noch streitige Erhebung des Allgemeinen Reinhaltungsbeitrages
(A-Anlagen) betreffend die Bewertung Fläche NW (Niederschlagswasserbehandlung)
durch den Beklagten nicht zu beanstanden.
53
Die Klage mit dem Klageantrag zu 2. hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Bescheid des
Beklagten vom 15. Oktober 2009 ist auch hinsichtlich der Festsetzung des Besonderen
Reinhaltungsbeitrages (B-Anlagen) für das RÜB F. in Höhe von 18.518,34 EUR
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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Die Klägerin hat gegen die Rechtmäßigkeit der auf §§ 25, 26 Abs. 4, 6 RuhrVG, 25 RV-
Satzung in Verbindung mit den Veranlagungsrichtlinien beruhenden Festsetzung des
streitigen Besonderen Reinhaltungsbeitrages für das RÜB F. keine substantiierten
Bedenken vorgebracht. Entgegen ihrer Ansicht ist der Besondere Reinhaltungsbeitrag
insoweit auch nicht auf 0 EUR festzusetzen, weil ihr ein Erstattungsanspruch in Höhe
von (mindestens) 18.518,34 EUR gegen den Beklagten zusteht, was der Beklagte
bestreitet. Denn ein solcher Erstattungsanspruch lässt jedenfalls die - im vorliegenden
Verfahren angefochtene - Festsetzung des Wasserverbandsbeitrages an sich unberührt
und wäre in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen. Soweit das Begehren der
Klägerin dahingehend zu verstehen ist, dass sie mit dem streitigen Erstattungsanspruch
die Aufrechnung erklärt, führt auch dies jedenfalls nicht zur teilweisen Rechtswidrigkeit
des Heranziehungsbescheides. Dieser Einwand ist - unabhängig davon, ob eine
Aufrechnung mit einem bestrittenen Anspruch hier überhaupt zulässig wäre bzw. ob
eine Aufrechnung nicht bereits aufgrund tatsächlich erfolgter Zahlung des Beitrages
unzulässig wäre - im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den
Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 jedenfalls unbeachtlich
und kann erst im Bereich des Vollstreckungsschutzes mit einer Feststellungsklage
geltend gemacht werden.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 40 Rdnr. 46. Die Kostenentscheidung beruht
auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
56
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer nach §§ 124a
Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO sind nicht gegeben.
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Ferner ergeht ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter folgender B e s c h l u s s:
58
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes für die Zeit bis zur
teilweisen Klagerücknahme auf 121.309,34 EUR (= 102.791,00 EUR plus 18.518,34
EUR) und für die Zeit danach auf 63.180,81 EUR (= 44.662,47 EUR plus 18.518,34
EUR) festgesetzt.
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