Urteil des VG Arnsberg vom 29.10.2010

VG Arnsberg (antragsteller, antrag, streitwert, sache, verwaltungsgericht, grundwasser, beseitigung, ansehen, eigentümer, dritter)

Verwaltungsgericht Arnsberg, 14 L 763/10
Datum:
29.10.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 L 763/10
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/6.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Das Gericht entscheidet über den Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, es zu
unterlassen, abgesehen von 51 geschädigten Bäumen sämtliche 189 Lindenbäume in
den Ringanlagen des Ostringes bis zu einer erneuten Entscheidung nach Anhörung und
unter Berücksichtigung der Interessen der Anlieger zu fällen,
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auf der Grundlage von § 80 Abs. 8 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in
Verbindung mit § 123 Abs. 2 Satz 3 VwGO durch den Vorsitzenden der Kammer, weil
die Sache - wie es die zitierten Vorschriften voraussetzen - besonders eilbedürftig ist.
Nach der Darstellung der Antragsteller ist seitens des Antragsgegners beabsichtigt, die
Baumfällaktion alsbald nach den Herbstferien zu beginnen; die nordrhein-westfälischen
Herbstferien endeten am vergangenen Wochenende. Auch der Antragsgegner hat
ausweislich eines Vermerks des Berichterstatters der zunächst mit der Angelegenheit
befasst gewesenen 1. Kammer des beschließenden Gerichts vom 19. Oktober 2010 die
Absicht durchblicken lassen, mit der von den Antragstellern bekämpften Maßnahme
alsbald zu beginnen. Unter diesen Umständen sieht sich das Gericht gehalten, über den
Antrag kurzfristig zu entscheiden und insbesondere nicht länger auf die bislang nicht
eingetroffene Antragserwiderung zu warten.
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Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung in der Gestalt der sogenannten Regelungsanordnung hat in der Sache
keinen Erfolg. Eine gerichtliche Entscheidung nach § 123 VwGO verlangt, dass der
Antragsteller sowohl den geltend gemachten materiellen Anspruch
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(Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit, eine vorläufige Regelung zu
erlassen (Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§
920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Im vorliegenden Fall ist ein
Anordnungsgrund in diesem Sinne gegeben, weil in der bereits zuvor dargestellten
Situation damit zu rechnen ist, dass die Bäume, deren Erhaltung die Antragsteller
gewährleistet sehen wollen, innerhalb der nächsten Tage bzw. (wenigen) Wochen
gefällt werden. Es fehlt indessen an einem Anordnungsanspruch; die Antragsteller
haben keinen Rechtsanspruch darauf, dass der Antragsgegner die Baumfällaktion
unterlässt.
Zur Begründung ihres Begehrens verweisen die Antragsteller zunächst auf
"Umweltgesichtspunkte", vor deren Hintergrund sie die vom Antragsgegner geplante
Beseitigung der erhaltenswerten und ausgewachsenen Linden als "barbarischen Akt"
ansehen. Das Umweltrecht vermittelt indessen keine subjektiv einklagbaren Rechte
Dritter, so dass die Antragsteller aus dieser Materie keinen Anordnungsanspruch im
Sinne von § 123 VwGO herleiten können.
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Das Gleiche gilt, soweit die Antragsteller sich auf den Gesichtspunkt des Baumschutzes
berufen. Nach den Erkenntnissen des Gerichts unterliegen die Linden, deren Abholzung
bevorsteht, nicht der einschlägigen Baumschutzsatzung der Stadt Hamm, die in ihrem §
1 auf ein sogenanntes "Baumverzeichnis" verweist, das allerdings für den Bezirk I. nur
einzelne (wenige) Bäume nennt, so dass die Linden in ihrer Gesamtheit nicht von der
Baumschutzsatzung erfasst werden. Im Übrigen begründet der gesetzliche oder
satzungsmäßige Schutz eines Baumes oder eines anderen Landschaftsbestandteils
ebenso wenig wie der Umweltschutz allgemein subjektive öffentliche Rechte Dritter.
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Die in Rede stehenden Bäume sind schließlich Bestandteil einer
denkmalschutzrechtlichen Erfassung aus den achtziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts, so dass der Antragsgegner gehalten war, vor ihrer Beseitigung eine
Erlaubnis nach § 9 des Denkmalschutzgesetzes (DSchG) zu erteilen, was er unter dem
19. Oktober 2010 auch getan hat. Auch das Denkmalschutzrecht besteht indessen allein
im öffentlichen Interesse; subjektive Ansprüche vermittelt es allenfalls insoweit, als unter
Umständen der Eigentümer eines geschützten Denkmals Abwehransprüche gegen
solche Maßnahmen haben kann, welche die Denkmalwürdigkeit des eigenen
Anwesens beeinträchtigen,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. April 2009 - 4 C 3.08 -,
Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2009 Seite 913 = Baurecht (BauR) 2009 Seite 1281
= Baurechtssammlung (BRS) Band 74 Nr. 220.
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Im vorliegenden Fall werden die Antragsteller nicht als Eigentümer eines Denkmals
betroffen, sondern lediglich als Nachbarn, die sich aus Rechtsgründen nicht dagegen
wehren können, dass das Denkmal nachteilige Veränderungen erfährt.
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Die kommunalrechtlichen Vorschriften, welche die Antragsteller als verletzt ansehen,
weil nicht die Bezirksvertretung hätte entscheiden dürfen, geben dem einzelnen Bürger,
der nur als Teil der gesamten Bürgerschaft von einer (vermeintlich oder tatsächlich)
verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommenen Entscheidung betroffen ist, kein
Abwehrrecht.
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Soweit die Antragsteller schließlich befürchten, die Abholzaktion könne sich auf den
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Grundwasserstand und damit auf die Standsicherheit ihrer Grundstücke auswirken,
ergibt sich auch hieraus kein materieller Abwehranspruch. Der Antragsgegner wird nicht
unmittelbar auf das Grundwasser einwirken; er nimmt nicht einmal Erdaufschlüsse im
Sinne von § 49 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vor, die sich möglicherweise
mittelbar auf die Höhe des Grundwassers auswirken können. Allein daraus, dass eine
Vielzahl von Bäumen entfernt werden soll, die bislang beträchtliche Wassermengen
aufgenommen haben, so dass in der Folge möglicherweise der Grundwasserspiegel
steigen wird, ergibt sich kein nachbarliches Abwehrrecht. Ebenso wie der Entzug von
Grundwasser durch einen sogenannten "Absenkungstrichter" keinen unmittelbaren
Eingriff in das Eigentum des Nachbarn darstellt, sondern lediglich einen mittelbaren, der
nicht mit Rechtsbehelfen abgewehrt werden kann,
vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 - 4 C 5.87 -, DVBl. 1992 Seite 564 =
BRS Band 52 Nr. 5, stellt eine Maßnahme, die - möglicherweise - als unbeabsichtigte
Folge ein Ansteigen des Grundwassers bewirkt, keinen abwehrfähigen unmittelbaren
Eingriff in das Grundeigentum dar. Ob die Befürchtungen der Antragsteller
möglicherweise im Rahmen der Vorschrift des § 909 BGB relevant sein könnten, ist im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu prüfen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO.
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Die Entscheidung über den Streitwert ergeht auf der Grundlage von § 52 Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes. Weil keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür
vorliegen, den Streitwert anhand der Bedeutung der Sache für die Antragsteller zu
bestimmen, wird für ein Hauptsacheverfahren voraussichtlich der sogenannte
Auffangwert anzusetzen sein. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des anhängigen Streits
ist es gerechtfertigt, lediglich die Hälfte dieses Betrages als Streitwert festzusetzen.
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