Urteil des VG Arnsberg vom 30.09.2005

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Verwaltungsgericht Arnsberg, 13 K 3362/04
Datum:
30.09.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 3362/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
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Der Kläger ist approbierter psychologischer Psychotherapeut sowie Kinder- und
Jugendlichen-Psychotherapeut. Beruflich ist er als Leiter der Erziehungsberatungsstelle
des F. tätig.
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Mit Bescheid vom 4. März 2003 zog ihn die Beklagte zu einem Jahresbeitrag für das
Jahr 2003 in Höhe von 250,00 EUR heran. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 zurückwies.
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Mit seiner dagegen gerichteten Klage trägt der Kläger vor: Er sei nicht
psychotherapeutisch tätig und übe seinen Beruf im Sinne der erlangten Approbationen
nicht aus. Deswegen könne die Beklagte ihn nicht zu dem vollen Jahresbeitrag
heranziehen. Er, der Kläger, sei Leiter einer Erziehungsberatungsstelle ohne jegliche
therapeutische Funktion. Er sei dort im Beamtenverhältnis beschäftigt und besitze auch
keine Kassenzulassung. Die Beklagte differenziere nicht zwischen dem Beruf des
Diplom-Psychologen und demjenigen des Psychotherapeuten. Sein Tätigkeitsbereich
sei beschränkt auf Tätigkeiten im Sinne des § 28 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes.
Er berate Eltern in Fragen der Erziehung sowie Einzelne oder Paare in Bezug auf ihre
Beziehung. Diese Tätigkeiten fielen nicht in den Bereich des
Psychotherapeutengesetzes. Erziehungsberatung sei Jugendhilfe. Eine Approbation sei
dafür nicht erforderlich. Der Erziehungsberatungsstelle stehe eine Chefärztin für
Kinderheilkunde konsiliarisch zur Verfügung. Zur Diagnostik und Psychotherapie sei die
Weiterverweisung zu entsprechenden Stellen ausnahmslose Praxis. Im Übrigen berufe
er sich auf das Verfahren vor dem erkennenden Gericht mit dem Aktenzeichen 13 K
1505/02, mit dem er sich erfolgreich gegen die Beitragserhebung für das Jahr 2001
gewandt habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Beitragsbescheid der Beklagten vom 4. März 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27. September 2004 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor: Der Kläger sei als Leiter der Erziehungsberatungsstelle
psychotherapeutisch tätig. Das ergebe sich unter anderem aus der Bewerbung des
Klägers zur Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung X. im Oktober
2000 und aus dem Jahresbericht 2001 des F. Ohnehin lasse sich bei einer Tätigkeit in
einer Beratungsstelle nicht auseinanderhalten, was bloße Beratung im Sinne des
Kinder- und Jugendhilfegesetzes und was psychotherapeutische Tätigkeit sei. Unter
anderem gehe es auch um die Feststellung eventueller Störungen mit Krankheitswert.
Dabei handele es sich um eine Diagnose, die auch Ausübung der Heilkunde im Sinne
des Psychotherapeutengesetzes sei. Hinzuweisen sei auf das Selbstverständnis der
Erziehungsberatungsstellen, die für sich in Anspruch nähmen, Psychotherapie
auszuüben. Insoweit sei auf umfangreiche Literatur zu verweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere der Auskunft des F.
vom 21. September 2005, wird auf den Inhalt der Streitakte, der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge und der überreichten Unterlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Aufhebung
des Beitragsbescheides der Beklagten vom 24. Juni 2002. Der Verwaltungsakt ist nicht
rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
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Die Beitragserhebung gegenüber dem Kläger ist sowohl in formeller als auch in
materieller Hinsicht zulässig. Das hat das Gericht in seinem Urteil vom 9. August 2002
in dem Verfahren gleichen Rubrums (13 K 1505/02) ausgeführt. Darauf wird verwiesen.
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An der in dem zitierten Urteil vertretenen Auffassung, der Kläger sei in seinem Fach
nicht tätig (vgl. S. 10 des Urteils) hält die Kammer nicht mehr fest. Vielmehr hat die
beklagte Kammer den Kläger zu Recht zu einem vollen Jahresbeitrag herangezogen.
Auf Mängel der Beitragsordnung, die sich aus der Heranziehung nicht in ihrem Beruf
arbeitender Kammermitglieder ergeben (vgl. insoweit das bereits zitierte Urteil der
Kammer vom 9. August 2002), kann sich der Kläger nicht berufen. Das ergibt sich aus
Folgendem:
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Als Leiter der Erziehungsberatungsstelle des F. arbeitet der Kläger in seinem Beruf als
Psychotherapeut. Namentlich übt er Psychotherapie aus. Im Sinne der Satzung der
Beklagten ist er als Psychotherapeut tätig, wenn er in seinem Beruf die ihn zur
Approbation befähigenden Fähigkeiten und Kenntnisse nutzt.
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Vgl. auch VG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2004 - 9 K 2843/03 -, S. 6 des
Urteilsabdrucks.
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Diese weite Auslegung orientiert sich an der allgemeinem Verständnis entsprechenden
Sicht der Berufsausübung. Eine einengende, sich an einem eingeschränkten
Verständnis des Begriffs des Psychotherapeuten im Sinne des
Psychotherapeutengesetzes anlehnende Auslegung ist nicht geboten. Klarstellend
weist die Kammer darauf hin, dass ein eingeschränktes Verständnis der
Psychotherapie, die teilweise vertreten wird, nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes
entspricht. Offenbar wird dabei der Versuch unternommen, Psychotherapie im Sinne der
Ausübung der Heilkunde (vgl. insoweit § 1 Abs. 3 des Psychotherapeutengesetzes -
PsychThG -) abzugrenzen gegenüber einer Psychotherapie, die keine Heilkunde ist.
Das ist schwerlich nachzuvollziehen, setzt es doch voraus, dass Psychotherapeuten
Patienten therapieren, die nicht krank sind, also Symptome ohne Krankheitsbild
behandeln. Das schließt sich indessen nach allgemeinem Sprachgebrauch aus. Denn
Psychotherapie ist die therapeutische Beeinflussung von Verhaltensanomalien und
seelischen Leiden, insbesondere Neurosen, mit seelisch-geistigen Mitteln.
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Vgl. insoweit Meyers, Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl.,unter „Psychotherapie".
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Schwer zu trennen allerdings ist die Psychotherapie von der psychologisch-
anthropologischen Beratung, weil die Übergänge insoweit fließend sind.
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Als Leiter der Erziehungsberatungsstelle des F. ist der Kläger in seinem Beruf als
Psychotherapeut im Sinne der Beitragsordnung der beklagten Kammer tätig. Das folgt
bereits aus dem Selbstverständnis der Erziehungsberatungsstelle. In ihr wird laut
Stellenbeschreibung der Mitarbeiterin des Klägers in großem Umfange Psychotherapie
ausgeführt. Die tatsächlichen Verhältnisse entsprechend somit nicht den Angaben des
Klägers, der behauptet, bei Therapiebedarf erfolge eine Weiterverweisung an
Konsiliarärzte. Eine Stellenbeschreibung des Klägers liegt dem Gericht nicht vor.
Insoweit verweist der Landrat des F. in seiner Auskunft lediglich auf Angaben des
Klägers, dass er in den vergangenen Jahren für den F. nicht als Psychotherapeut tätig
gewesen sei. Offensichtlich soll dem Gericht eine detaillierte Beschreibung der Stelle
des Klägers nicht vorgelegt werden. Mit Blick darauf erweist sich die Bescheinigung des
F. vom 28. Mai 2002 als Gefälligkeitsbescheinigung und nicht aussagekräftig. Auf
einzelne Tätigkeitsbereiche des Klägers kommt es indessen nicht an. Als Leiter der
Erziehungsberatungsstelle ist er nach Überzeugung des Gerichts als Psychotherapeut
tätig. Das hängt bereits mit seiner Aufgabe als Leiter der Einrichtung zusammen. Dort
setzt er seine Kenntnisse und Fähigkeiten ein, die ihm die Approbation als
Psychotherapeut ermöglicht haben. Jede andere Bewertung erweist sich als
lebensfremd. Vergleichbar lebensfremd wäre die Auffassung, der mit
Verwaltungsaufgaben betraute Amtsarzt sei nicht in seinem Beruf als Arzt tätig, der
Amtsapotheker übe seinen Beruf als Apotheker nicht aus, oder der verwaltende und
begutachtende Amtszahnarzt sei nicht als Zahnarzt tätig. Nach dem Selbstverständnis
der Erziehungs- und Familienberatungstellen,
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vgl. Das Online-Familienhandbuch, Herausgeber: Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E.
Fthenakis und Dr. Martin R. Textor, www.familienhandbuch.de,
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helfen sie vor allem bei Erziehungsschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten,
psychosomatischen Beschwerden, Eltern-Kind-Konflikten, in Fragen der Partnerschaft,
Trennung und Scheidung sowie hinsichtlich der Ausübung des Umgangsrechts
nichtsorgeberechtigter Elternteile. In der Regel verfügen die dort eingesetzten
Fachkräfte über Zusatzausbildungen, z.B. in der Verhaltenstherapie,
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Gesprächspsychotherapie, Psychoanalyse, Spieltherapie oder Familientherapie. Ohne
psychotherapeutische Kenntnisse und Fähigkeiten ist daher eine umfassende
Erziehungsberatung nach dem Selbstverständnis der Erziehungsberatungsstellen gar
nicht möglich.
Mit Blick darauf kommt es auf eine Verifizierung der Angaben des Klägers nicht an.
Zumindest hegt das Gericht erhebliche Zweifel an dem Wahrheitsgehalt des
klägerischen Vortrages. Das folgt aus den Unterlagen, die die beklagte Kammer
vorgelegt hat. In dem Jahresbericht 2001 der Psychologischen Beratungsstelle für
Eltern, Kinder und Jugendliche des F. heißt es zur Tätigkeit des Klägers: „Paarberatung,
Paartherapie, Beratung bei Trennung, Scheidung, in Nachscheidungsphase, Beratung
in Fragen des Eltern-Kind-Umganges, Psychologische Diagnostik, Lernberatung,
Erziehungsberatung/Elterntraining, Leitungsaufgaben". Das belegt eindeutig, dass der
Kläger zumindest in den Jahren 2001 und 2002 auch selbst psychotherapeutisch tätig
gewesen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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