Urteil des VG Arnsberg vom 03.03.2010

VG Arnsberg (auf probe, kläger, altersgrenze, beamtenverhältnis, probe, interesse, einstellung, antrag, bewerber, zeitpunkt)

Verwaltungsgericht Arnsberg, 2 K 3022/09
Datum:
03.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 3022/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
Tatbestand:
1
Der am 12. Februar 1962 geborene Kläger erwarb im Jahr 1981 die allgemeine
Hochschulreife. Von Juli 1981 bis September 1982 leistete der Kläger Wehrdienst.
Anschließend studierte er an der X..-Universität in N. Physik. Im Mai 1988 bestand der
Kläger die Diplom-Hauptprüfung. Danach war er bis zum 30. April 1993 als
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der X. -Universität N. tätig und arbeitete an seiner
Dissertation. Am 19. Dezember 1994 wurde ihm der Grad eines Doktors der
Naturwissenschaften verliehen. Zuvor waren - am 19. Januar 1993 und 23. Mai 1994 -
die beiden Kinder des Klägers geboren worden.
2
In den folgenden Jahren (bis Dezember 2005) arbeitete der Kläger als EDV-
Fachberater, Projektentwickler und Projektingenieur bei verschiedenen Firmen.
3
Nachdem die Bezirksregierung E. am 29. September 2005 die Diplom-Hauptprüfung im
Studiengang Physik als Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und
Gesamtschulen in den Fächern Physik und Mathematik anerkannt hatte, leistete der
Kläger vom 1. Februar 2006 bis 31. Januar 2008 den Vorberei-tungsdienst. Er bestand
die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen in den
Fächern Mathematik und Physik mit der Note "sehr gut".
4
Der Beklagte stellte den Kläger mit Arbeitsvertrag vom 29. Januar 2008 zum 1. Februar
2008 unbefristet als Lehrkraft in den öffentlichen Schuldienst des Landes ein; der Kläger
ist seitdem am G. -Gymnasium in T. tätig.
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Mit Antrag vom 1. Februar 2008 begehrte der Kläger die Übernahme in das Beam-
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tenverhältnis auf Probe und bezog sich maßgeblich auf den sog. Mangelfacherlass des
Beklagten, der Ausnahmen von der zu diesem Zeitpunkt in § 52 Abs. 1 der Verordnung
über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen (LVO a. F.)
enthaltenen Altersgrenze - Vollendung des 35. Lebensjahres - für Bewerber mit
bestimmten Mangelfächern vorsah.
Die Bezirksregierung B. teilte dem Kläger unter dem 13. März 2008 mit, dass sein
Schreiben vom 1. Februar 2008 als Widerspruch gegen die durch Abschluss des
Arbeitsvertrages vom 29. Januar 2008 inzidenter erfolgte Ablehnung der Über-nahme in
das Beamtenverhältnis auf Probe gewertet werde. Der Durchführung eines
Vorverfahrens bedürfe es nicht. Dem Kläger bleibe unbenommen, den Klageweg
innerhalb eines Jahres nach Ablehnung der Verbeamtung zu beschreiten.
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Nachdem der Kläger am 22. Dezember 2008 Klage erhoben hatte, verpflichtete das
erkennende Gericht den Beklagten durch Urteil vom 8. Juli 2009 - 2 K 4001/08 -unter
Aufhebung der mit der Unterbreitung und dem Abschluss des Arbeitsvertrages vom 29.
Januar 2008 inzidenter erfolgten Ablehnung der Übernahme des Klägers in das
Beamtenverhältnis auf Probe, über den Antrag des Klägers auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden. Zur Begründung führte die Kammer unter Bezug-nahme auf das
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 - 2 C 18.07 - aus, der
Beklagte sei bei seiner Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem
Verbeamtungsbegehren des Klägers eine laufbahnrecht-liche Altersgrenze
entgegenstehe.
8
Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 8. Juli 2009 lehnte die Bezirksregierung B.
die Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe mit Bescheid vom 6.
Oktober 2009 - erneut - ab und führte aus: Die am 18. Juli 2009 in Kraft getretene
Neuregelung der Höchstaltersgrenze durch die Verordnung zur Änderung der
Laufbahnverordnung und anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 2009 -
GV.NRW. S. 381 - (im Folgenden: ÄnderungsVO) sei nach den Maßgaben der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 - 2 C 18.07 -
erfolgt. Soweit Bewerber im Antragszeitpunkt das 40. Lebensjahr bereits vollendet
hätten und auch kein Tatbestand vorliege, der eine Überschreitung der
Höchstaltersgrenze zulasse, könne eine Verbeamtung nicht erfolgen. Gründe für eine
Ausnahmeentscheidung im Wege der Billigkeit bestünden in diesen Fällen nicht, weil
ein schutzwürdiges Vertrauen in eine höhere Altersgrenze als 35 Jahre bis zum 19.
Februar 2009 vor dem Hintergrund der seinerzeit gefestigten obergerichtlichen
Rechtsprechung, die die vormalige Altersgrenze als wirksam eingestuft habe, nicht habe
bestehen können. Auch sei durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
vom 19. Februar 2009 kein Vertrauensschutztatbestand begründet worden. Denn ein
Vertrauen in einen regelungslosen Zustand sei nicht schutzwürdig, zumal das
Bundesverwaltungsgericht nur die normtechnische Ausgestaltung, nicht jedoch die
Altersgrenze generell für unzulässig erklärt habe. Unter Berücksichtigung des Alters,
des Lebenslaufes und des Antragszeitpunktes seien im Falle des Klägers die
Voraussetzungen für eine Verbeamtung nicht erfüllt. Es lägen auch keine Gründe für
eine Ausnahmeentscheidung im Wege der Billigkeit vor.
9
Daraufhin hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er trägt vor: Die Bezirks-
regierung B. habe die Neubescheidung, zu der sie durch Urteil der Kammer vom 8. Juli
2009 - 2 K 4001/08 - verpflichtet worden sei, nicht unter Beachtung der
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Rechtsauffassung des Gerichts vorgenommen. Denn dem Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 19. Februar 2009 zufolge, das in dem rechtskräftigen Urteil des
erkennenden Gerichts zitiert worden sei, könne der betroffene Bewerber verlangen,
dass über seinen Antrag auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe ohne
Berücksichtigung einer laufbahnrechtlichen Altersgrenze entschieden werde.
Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung B. vom 6.
Oktober 2009 zu verpflichten, ihn - den Kläger - in das Beamtenverhältnis auf Probe zu
übernehmen,
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hilfsweise,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung B. vom 6.
Oktober 2009 zu verpflichten, über seinen - des Klägers - Antrag auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
16
Er verweist auf die Begründung seines Bescheids vom 6. Oktober 2009 und führt
ergänzend aus: Die ablehnende Entscheidung beruhe auf der LVO n. F. Bei einer
Verurteilung zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
entfalle die Bindungswirkung des Urteils, wenn sich nach dem für die Entscheidung
maßgeblichen Zeitpunkt die Sach- und Rechtslage zu Ungunsten des Klägers
verändere. Bezüglich der Wirksamkeit der Neuregelung der Höchstalters-grenze werde
auf das Urteil des Verwaltungsgerichts E. vom 6. Oktober 2009 - 2 K 7399/08 -
verwiesen.
17
Das erkennende Gericht hat mit Urteil vom heutigen Tage - 2 K 93/10 - die
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil der Kammer vom 8. Juli 2009 - 2 K 4001/08 -
gemäß § 167 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 767 der
Zivilprozessordnung (ZPO) für unzulässig erklärt. Ebenfalls mit Beschluss vom heutigen
Tage - 2 L 28/10 - hat das Gericht die Vollstreckung aus dem Urteil der Kammer vom 8.
Juli 2009 - 2 K 4001/08 - bis zum Erlass des Urteils im Klagever-fahren 2 K 93/10
gemäß §§ 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 769 Abs. 1 ZPO eingestellt. Den Antrag des
Klägers, zur Erzwingung der im Urteil der Kammer vom 8. Juli 2009 - 2 K 4001/08 -
titulierten Handlungspflicht gegenüber dem Land NRW gemäß § 172 VwGO ein
Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR festzusetzen und für den Fall, dass dieses
nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft - vollstreckt durch Inhaftierung des
Regierungspräsidenten - festzusetzen, hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom
heutigen Tage - 2 M 33/09 - abgelehnt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakten 2 K 4001/08, 2 K 93/10, 2
M 33/09 und 2 L 28/10 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
19
Entscheidungsgründe
20
Die Klage hat keinen Erfolg.
21
Die Klage ist zulässig. Der Kläger verfügt über das erforderliche Rechtsschutzbe-
dürfnis.
22
Lehnt eine Behörde, nachdem sie durch rechtskräftiges Urteil verpflichtet worden ist,
über den Antrag auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, den Erlass des in Rede
stehenden Verwaltungsakts erneut ab, so darf der Betroffene den geltend gemachten
"Erfüllungsanspruch" grundsätzlich mit einer Verpflichtungsklage weiterverfolgen. Er
muss sich nicht auf einen Vollstreckungsantrag nach § 172 VwGO verweisen lassen.
23
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 4 B 13.07 -, BauR 2007, 1709 (1710);
BayVGH, Urteil vom 26. Januar 2007 - 1 BV 02.2147 -, NVwZ-RR 2007, 736 (736 f.);
Kopp / Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 121 Rn. 21a.
24
Ein Sonderfall ist allerdings gegeben, wenn nach Erhebung der (erneuten)
Verpflichtungsklage - zusätzlich - ein Antrag nach § 172 VwGO gestellt wird (hier:
Antrag des Klägers vom 21. Dezember 2009 im Verfahren 2 M 33/09) und daraufhin
durch den Vollstreckungsschuldner eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 167 Abs. 1
VwGO i. V. m. § 767 ZPO erhoben wird (hier: Klage des Landes NRW vom 13. Januar
2010 - 2 K 93/10 -). Jedoch bleibt auch in diesem Fall die (neuerliche)
Verpflichtungsklage des Betroffenen zulässig. Zum einen kann nur durch eine solche
Klage verhindert werden, dass die förmliche Ablehnung des Erlasses des begehrten
Verwaltungsakts bestandskräftig und damit einer gerichtlichen Sachprüfung entzogen
wird. Zum anderen ist der Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage nicht
identisch mit dem der Verpflichtungsklage. Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist
die Verpflichtung der Behörde zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts.
Demgegenüber ist Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage die Unzulässigkeit
der Zwangsvollstreckung aus dem Titel wegen bestimmter Einwendungen. Die
vorgebrachten Einwendungen selbst sind nicht Streitgegenstand der
Vollstreckungsabwehrklage.
25
Vgl. Lackmann, in Musielak, Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2009, § 767 Rn. 16 u. 46.
26
Die danach zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Bezirks-
regierung B. vom 6. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe (Hauptantrag) noch einen Anspruch darauf, dass über
seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechts-
auffassung des Gerichts erneut entschieden wird (Hilfsantrag).
27
Eine Verpflichtung des Beklagten, den Kläger in das Beamtenverhältnis auf Probe zu
übernehmen, besteht bereits deshalb nicht, weil die Sache insoweit nicht spruchreif ist
und vom Gericht auch keine Spruchreife hergestellt werden kann.
28
Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis auf Probe steht im
pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Dabei ist - neben anderen Erforder-nissen -
auch die gesundheitliche Eignung des Bewerbers von Bedeutung. Die gesundheitliche
29
Eignung des Klägers, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war,
hat zunächst der Dienstherr in eigener Verantwortung zu prüfen. Die diesbezügliche
Beurteilung ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Ein Verpflichtungsurteil muss
schon aus diesem Grunde ausscheiden.
Vgl. hierzu: OVG NRW, Urteil vom 22. September 2006 - 6 A 1755/04 -, Schütz/Maiwald,
Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/A II 1.4 Nr. 145 = RiA 2007, 131.
30
Unabhängig hiervon bleiben sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag ohne
Erfolg, weil die Bezirksregierung die Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis
auf Probe rechtsfehlerfrei abgelehnt hat.
31
Die Bezirksregierung hat ihre Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass der
Kläger überaltert ist und Ausnahmen von der für ihn geltenden Höchstaltersgrenze nicht
beanspruchen kann. Dabei hat sie auf die nach Erlass des Urteils vom 8. Juli 2009 - 2 K
4001/08 - durch Art. 1 der ÄnderungsVO geänderten Bestimmungen der LVO (LVO n. F.)
zur Höchstaltersgrenze abgestellt.
32
Diese Vorgehensweise ist gerichtlich nicht zu beanstanden, und zwar weder aus
prozessualen noch aus materiell-rechtlichen Gründen.
33
Entgegen der Auffassung des Klägers durfte die Bezirksregierung bei ihrer
Entscheidung auf die Bestimmungen der LVO n. F. abheben, obwohl sie durch Urteil
vom 8. Juli 2009 - 2 K 4001/08 - zur erneuten Bescheidung des Antrags des Klägers auf
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts verpflichtet worden war und die maßgebliche Rechtsauffassung des
Gerichts in der (seinerzeitigen) Feststellung bestand, dass dem Verbeamtungsbegehren
des Klägers eine laufbahnrechtliche Altersgrenze nicht entgegenstehe.
34
Tritt im Anschluss an ein rechtskräftiges Neubescheidungsurteil eine Veränderung der
Sach- und Rechtslage ein, die dem Bescheidungsurteil zugrunde lag, so steht die
Bindungswirkung des Bescheidungsurteils einer Berücksichtigung der neu
eingetretenen Umstände grundsätzlich nicht entgegen. Denn das
Neubescheidungsurteil konnte sich auf die neuen Umstände nicht beziehen.
35
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1983 - 7 B 2.83 -, NVwZ 1984, 432; Urteil
vom 27. Januar 1995 - 8 C 8.93. -, NJW 1996, 737; Hess. VGH, Beschluss vom 26. März
1999 - 11 TM 3406/98 u. a. -, NVwZ-RR 1999, 805 (806); Kopp / Schenke, a.a.O., § 121
Rn. 21a.
36
So liegt der Fall hier. Die vom Beklagten im Bescheid vom 6. Oktober 2009 heran-
gezogenen Bestimmungen der ÄnderungsVO konnten in dem Bescheidungsurteil vom
8. Juli 2009 noch nicht berücksichtigt werden, weil die neuen laufbahnrechtlichen
Bestimmungen erst nach dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen
Zeitpunkt, der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2009, in Kraft getreten sind, nämlich
am 18. Juli 2009 (vgl. Art. 3 ÄnderungsVO). Dementsprechend ist die Bindungswirkung
des Urteils vom 8. Juli 2009 durch die nachträglich veränderte Rechtslage relativiert.
37
Der Zugrundelegung der §§ 52, 6, 84 LVO n. F. standen auch keine sonstigen Gründe
entgegen. Grundsätzlich hat eine Behörde bei ihrer Entscheidung das aktuell geltende
Recht anzuwenden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aus dem anzuwen-denden
38
Recht selbst - unmittelbar (z.B. durch Übergangsvorschriften) oder mittelbar (nach Sinn
und Zweck der Regelung) - oder aus höherrangigem Recht (z.B. dem
Rechtsstaatsprinzip) folgt, dass früheres (altes) Recht fortgelten soll.
Derartige Gründe liegen nicht vor.
39
Die LVO n. F. enthält in Bezug auf den Regelungskomplex "laufbahnrechtliche
Überalterung" keine Übergangsregelungen, die bestimmen, dass eine frühere
Rechtslage für bestimmte Sachverhalte weitergelten soll.
40
Vgl. zum Fehlen von Übergangsbestimmungen: VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Januar
2010 - 2 K 3851/08 -, NRWE; VG Münster, Urteil vom 2. November 2009 - 2 K 205/05 -,
NRWE; Schnellenbach, Höchst-altersgrenze für die Übernahme in das
Beamtenverhältnis in NRW, Rechtsgutachten im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft, Juli 2009, S. 14.
41
Es lag ersichtlich nicht im Interesse des Verordnungsgebers, der bis zum Ergehen des
Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 - 2 C 18.07 - vom
wirksamen Bestehen einer laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze sowie von
entsprechenden Ausnahmeregelungen ausgegangen war, eine Rechtslage zu schaffen,
die einem bestimmten Personenkreis die Möglichkeit einer Verbeamtung ohne
Berücksichtigung einer laufbahnrechtlichen Altersgrenze eröffnet. Im Gegenteil kam es
dem Verordnungsgeber - wie schon in der Vergangenheit - bei Erlass der LVO n. F.
ersichtlich darauf an, den Zugang zum Beamtenverhältnis zu regulieren und ein
angemessenes Verhältnis von Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen durch
Einführung einer laufbahnrechtlichen Altersgrenze sicherzustellen. Von daher fehlen
jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber es "billigend in Kauf nehmen"
wollte, dass bestimmte Beamtenbewerber von dem durch das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 - 2 C 18.07 - bewirkten
"regulierungslosen" Zustand profitieren.
42
Die - vom Verordnungsgeber gewollte - Anwendung des neuen Laufbahnrechts auch
auf noch nicht abgeschlossene "Altfälle" kollidiert nicht mit höherrangigem Recht;
insbesondere bewirkt diese Rechtsanwendung keine rechtsstaatlich unzulässige
Rückwirkung. Die hierfür maßgeblichen Gründe ergeben sich aus den nachfolgenden
Ausführungen zur Wirksamkeit der LVO n. F.; hierauf wird Bezug genommen.
43
Die die Höchstaltersgrenze betreffenden Bestimmungen der §§ 52, 6 und 84 LVO n. F.
sind wirksam. Hierzu hat das Verwaltungsgericht E. mit Urteil vom 5. Januar 2010 - 2 K
3851/08 -, NRWE, in einem ähnlich gelagerten Streitfall Folgendes ausgeführt:
44
"Das Gericht vermag zunächst keine durchgreifenden Verfahrensfehler festzustellen.
Selbst wenn unterstellt wird, dass die vorherige Beteiligung der Spitzenorganisationen
der zuständigen Gewerkschaften und Berufsverbände hinter den Anforderungen des §
94 LBG NRW zurückgeblieben ist, hätte dies nicht die Nichtigkeit der Verordnung zur
Folge.
45
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1979 - 2 N 1.78 -, BVerwGE 59, 48; VG
Aachen, Urteil vom 8. Oktober 2009 - 1 K 1286/07 -, JURIS; Schnellenbach,
Rechtsgutachten von Juli 2009 für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, S. 17
(Fn. 1).
46
Die Neufassung der Laufbahnverordnung ist materiell rechtmäßig. Sie wird
insbesondere den vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. Februar
2009 (- 2 C 18.07 -, a.a.O.) aufgestellten Anforderungen gerecht, wonach dann keine
grundsätzlichen materiell-rechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung einer
Altersgrenze für die Einstellung in das Beamtenverhältnis bestehen, wenn die
Altersgrenze und ihre Ausnahmetatbestände normativ hinreichend geregelt sind. Das ist
vorliegend der Fall.
47
Zum einen bildet die Verordnungsermächtigung in § 5 Abs. 1 LBG NRW ungeachtet
dessen, dass sie die Bestimmung von Altersgrenzen nicht ausdrücklich erwähnt, eine
ausreichende gesetzliche Grundlage zur Regelung von laufbahnrechtlichen
Altersgrenzen durch den Verordnungsgeber, weil Altersgrenzen zu den Regelungen
gehören, durch die herkömmlicherweise das Laufbahnwesen der Beamten gestaltet
wird (BVerwG, a.a.O., Rn. 11, zur gleichartigen Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 LBG
a. F.).
48
Zum anderen erweisen sich die einschlägigen Bestimmungen der geänderten
Laufbahnverordnung als solche als rechtmäßig.
49
Der Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) gebietet keinen Verzicht auf eine
Höchstaltersgrenze. Laufbahnrechtliche Altersgrenzen für Einstellung und Übernahme
in das Beamtenverhältnis werden zudem weder durch das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz noch durch Gemeinschaftsrecht (Richtlinie 2000/79/EG)
ausgeschlossen (BVerwG, a.a.O., Rn. 9 und 10 bzw. Rn. 11 bis 23). Das erkennende
Gericht sieht sich angesichts dieser Ausführungen nicht veranlasst, die Entscheidung
des EuGH abzuwarten oder gar diese Frage selbst dem EuGH vorzulegen.
50
Auch dass der Verordnungsgeber die Altersgrenze nunmehr gerade auf 40 Jahre
festgesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsge-richt hat insoweit
keine bestimmten Vorgaben gemacht. Es hat vielmehr betont, dass dem Normgeber bei
der Wahl der Mittel, mit denen er ein legitimes Ziel erreichen will, ein
Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, bei dem politische, wirtschaftliche, soziale,
demografische und auch haushaltsbezo-gene Erwägungen Berücksichtigung finden
können (a.a.O., Rn. 18). Besondere Bedeutung gewinnt hierbei das im
Lebenszeitprinzip begründete Interesse an möglichst langen aktiven Dienstzeiten und
an der Vermeidung einer übermäßigen Belastung durch Versorgungspflichten (BVerwG,
a.a.O., Rn. 16, 21). Zwar muss in die Überlegungen einbezogen werden, dass
Altersgrenzen eine empfindliche Beeinträchtigung des Leistungsgrundsatzes darstellen;
auch wird die Angemessenheit der Altersgrenze davon abhängen, in welchem Umfang
Ausnahmen vorgesehen werden. Angesichts der in § 6 Abs. 2 und § 84 Abs. 2 LVO n. F.
aufgeführten zahlreichen Fallgruppen, in denen eine Überschreitung der Altersgrenze
obligatorisch oder im Ermessensweg zugelassen wird, sowie angesichts des
Umstandes, dass nunmehr eine Anhebung der Altersgrenze von 35 auf 40 Jahre erfolgt
ist, hat der Verordnungsgeber mit der Änderungsverordnung vom 30. Juni 2009 aber
eine insgesamt ausgewogene, jedenfalls von Rechts wegen nicht zu beanstandende
Neuregelung der Altersgrenze getroffen. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht
den Zweck von Altersgrenzen nicht nur in der Sicherstellung eines angemessenen
Verhältnisses von Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sieht, sondern darauf
verweist, dass "daneben" dem Interesse des Dienstherrn an ausgewogenen
Altersstrukturen Bedeutung beigemessen werden "kann" (a.a.O., Rn. 12) und die
51
Berücksichtigung dieses Interesses "nur auf der Grundlage einer plausiblen und
nachvollziehbaren Planung" zulässig sei (a.a.O., Rn. 21), ergeben sich keine
durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der Neuregelung der
Höchstaltersgrenze. Es besteht keine Verpflichtung, bei der Festlegung einer
Altersgrenze in jedem Fall auch auf diesen Aspekt tragend abzustellen und ihn
eingehend zu prüfen. Beabsichtigt der Verordnungsgeber, wie hier, eine Anhebung der
Höchst-altersgrenze, tritt der Gesichtspunkt der "ausgewogenen Altersstruktur" in den
Hintergrund. Denn die Festlegung einer höheren Altersgrenze ist nicht geeignet, zu
einer Verjüngung eines eher überalterten Lehrkörpers, wie er (gerichtsbekannt) in
Nordrhein-Westfalen anzutreffen ist, und in diesem Sinne zu einer ausgewogeneren
Altersstruktur beizutragen. Demnach erscheint es als unschädlich, dass sich sowohl in
der allgemeinen Begründung zur Neuregelung der Laufbahnverordnung als auch in der
Einzelbegründung zu §§ 52 und 6 LVO n. F. keine Ausführungen zur Bedeutung der
Höchstaltersgrenze für die Altersstruktur in der Lehrerschaft finden, hier vielmehr allein
auf die Zielsetzung abgestellt wird, "ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitsleistung
und Versorgungsansprüchen sicherzustellen".
Der Verordnungsgeber hat in der neu gefassten Laufbahnverordnung zudem nicht nur
mit 40 Jahren eine als solche unbedenkliche neue Altersgrenze festgelegt, sondern
auch die Sonder- und Ausnahmefälle nunmehr in ausreichendem Maße selbst
bestimmt:
52
Der Katalog des § 6 Abs. 2 Satz 1 Buchstaben a) bis d) LVO n. F. führt die zwingend -
also ohne ein behördliches Ermessen - zu beachtenden Überschreitungsgründe auf.
Waren dort bisher bereits die Betreuung minderjähriger Kinder und die Pflege naher
Angehöriger geregelt, sind nunmehr früher im Ermessensbereich (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 LVO a. F.) angesiedelte weitere Verzögerungstatbestände hinzugetreten (Dienstpflicht
nach Art. 12a GG, freiwilliges soziales Jahr). Hier (in Satz 5) verortet worden ist nunmehr
auch die Bestimmung des § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO a. F., wonach die für die Bearbeitung
der Bewerbung aufzuwendende Zeit nicht zu Lasten des Bewerbers gehen soll.
53
Die Zulassung von Ausnahmen im Ermessenswege ist nun nicht mehr
voraussetzungslos möglich, sondern von dem Vorliegen der in § 84 Abs. 2 Nr. 1 und Nr.
2 LVO n. F. näher umschriebenen Voraussetzungen abhängig. Mit der hier erfolgten
Festlegung tatbestandlicher Voraussetzungen für die (im Übrigen) in das Ermessen
gestellten Ausnahmen von der Altersgrenze ist der vom Bundesverwaltungsgericht
(a.a.O., Rn. 25 ff.) an den Verordnungsgeber gerichteten Aufforderung, die Bestimmung
von Ausnahmetatbeständen nicht der Verwaltung zu überlassen, diese vielmehr im
Wesentlichen selbst zu regeln, in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden.
54
In Nr. 1 ist mit dem Abstellen auf das erforderliche (erhebliche) dienstliche Interesse zum
einen deutlich gemacht worden, dass eine solche Ausnahme nicht dem persönlichen,
etwa wirtschaftlichen Interesse des Bewerbers dient. Zugleich erfährt das zu fördernde
öffentliche Interesse dadurch eine weitere Präzisierung, dass es in Bezug gesetzt wird
zu dem Erfordernis der Gewinnung von Fachkräften. Der Umstand allein, dass die
Neuregelung inhaltlich an die bisher durch Erlasse bestimmten Ausnahmeregelungen
(Mangelfacherlass etc.) anknüpft, spricht als solcher jedenfalls nicht gegen die
Tragfähigkeit der Regelung. Maßgebend ist vielmehr, ob der Regelungsgehalt des
Ausnahmetatbestandes, gemessen an den vom Bundesverwaltungsgericht
aufgestellten Anforderungen, hinreichend bestimmt ist. Das ist durch die Aufstellung von
tatbestandlichen Voraussetzungen, welche die Zielrichtung der Norm zweifelsfrei
55
erkennen lassen, geschehen. Von dem Verordnungsgeber eine zusätzliche "Gruppen"-
Bildung, d. h. eine weitergehende Typisierung der angesprochenen Fallgruppen, zu
fordern,
- so wohl Schnellenbach, a.a.O., S. 22 f., 49 f., der die inhaltliche Substanz als "zu
dürftig" kritisiert -,
56
bedeutete nach Ansicht der Kammer eine Überspannung der an eine abstraktgenerelle
Rechtnorm zu stellenden Anforderungen. Eine solche Rechtsnorm muss jedenfalls nicht
ins Detail gehen. Zu berücksichtigen ist namentlich, dass die fraglichen Bestimmungen
der Laufbahnverordnung Regelungen für sämtliche betroffenen Laufbahnen treffen
müssen, so dass regelmäßig nicht die Notwendigkeit besteht, in einer bestimmten
Laufbahn auftretende spezifische Fragestellungen einer eingehenden Regelung zu
unterziehen. Sofern das beklagte Land zur Umsetzung der Norm in der Praxis
Ausführungsbestimmungen erlassen wird, bleibt deren Bedeutung zudem hinter den
bisherigen Erlassregelungen zurück. Denn künftig wird sich der Dienstherr hierbei
angesichts der tatbestandlich festgelegten Ausnahmevoraussetzungen im Wesentlichen
lediglich im Bereich norminterpretierender und nicht ermessenslenkender
Verwaltungsvorschriften bewegen, so dass die verordnungsrechtliche Altersgrenze nicht
mehr "in weitem Umfang und für einen erheblichen Bewerberkreis durch
Behördenentscheidungen überlagert" (so zur früheren Rechtslage BVerwG, a.a.O., Rn.
27) werden wird.
57
Mit dem Ausnahmetatbestand der Nr. 2 ist eine Härtefallregelung getroffen worden, die
gleichfalls durch die Bezeichnung bestimmter tatbestandlicher Voraussetzungen
("beruflicher Werdegang", "aus ... nicht zu vertretenden Gründen", "nachweislich",
"unbillig") die Zielrichtung selbst deutlich macht. Zwar mag die Verwendung mehrerer
unbestimmter Rechtsbegriffe die Handhabung dieser Ausnahmebestimmung
erschweren.
58
Vgl. Schnellenbach, a.a.O., S. 23.
59
Durchgreifende rechtliche Bedenken wären unter diesem Gesichtspunkt aber nur dann
zu erheben, wenn die Regelung völlig unpraktikabel wäre. Davon ist jedoch nicht
auszugehen, zumal sie sich auch ansonsten gebräuchlicher Rechtbegriffe bedient und
als Auslegungshilfen die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze
herangezogen werden können. So knüpft die Härtefallregelung erkennbar an die
bislang schon im Rahmen des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO a. F. geübte und von der
Rechtsprechung
60
- vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 24. September 2008 - 6 A 1586/07 -, JURIS -
61
geforderte Praxis an, mit dem Instrument der Ausnahmebewilligung besonders
gelagerten Einzelfällen gerecht zu werden, insbesondere wenn der Bewerber aus einer
besonderen Ausnahmesituation herrührende Gesichtspunkte anführt, die nicht
offenkundig hinter dem öffentlichen Interesse an einer Begrenzung der
Versorgungslasten zurückstehen müssen.
62
Schließlich erweist sich die LVO n. F. nicht deshalb als unwirksam, weil die
Änderungsverordnung vom 30. Juni 2009 bezüglich der Höchstaltersgrenze keine
Übergangsregelungen enthält, insbesondere nicht die - angesichts des Verdikts der
63
bisherigen Regelung durch die Urteile des Bundesverwaltungsge-richts vom 19.
Februar 2009 (a.a.O.) ohnehin fern liegende - Bestimmung trifft, dass in den noch nicht
abgeschlossenen Antragsverfahren statt der Neuregelung eine abweichende (z.B. die
frühere) Regelung gelten soll. Soweit für den Fall des Fehlens entsprechender
Übergangsbestimmungen geltend gemacht wird, die Neufassung der Bestimmungen
über die Höchstalters-grenze verstoße gegen das Verbot der Rückwirkung von
Gesetzen, folgt das erkennende Gericht dem nicht. Eine grundsätzlich unzulässige
echte Rückwirkung liegt nur dann vor, wenn ein bereits abgewickelter, in der
Vergangenheit abgeschlossener Tatbestand nachträglich neu geregelt wird. Erforderlich
ist, dass der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand in der Vergangenheit nicht nur
begonnen hat, sondern im Zeitpunkt der Neuregelung bereits abgeschlossen war.
Demgegenüber liegt eine grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung vor, wenn eine
Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und
Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene
Rechtsposition nachträglich entwertet.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 C 4.05 -, DVBI. 2006, 648.
64
Die Anwendung des neuen Laufbahnrechts begründet keinen Fall einer echten
Rückwirkung, da der betroffene Tatbestand vor Inkrafttreten der LVO n. F. am 18. Juli
2009 noch nicht abgeschlossen war. Die hierbei erfolgte - bei Annahme einer zuvor
"Altersgrenzen freien" Rechtslage erstmalige - Festlegung der Höchstaltersgrenze greift
nicht in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt - d. h. hier: ein bestehendes
Beamtenverhältnis auf Probe - ein, wirkt sich vielmehr allenfalls für die Zukunft
(nachteilig) auf das derzeit im Klagewege verfolgte Einstellungsbegehren aus. Geht
man von einem Fall der unechten Rückwirkung aus, erweist sich diese als zulässig, weil
"Bestandsinteressen" nicht die Veränderungsgründe des Verordnungsgebers
überwiegen. Weder konnte der Kläger ... in dem Zeitpunkt, als er sich entschloss, den
Lehrerberuf zu ergreifen und den Vorbereitungsdienst aufzunehmen, darauf vertrauen,
dass er nach (erfolgreichem) Abschluss dieser Ausbildung unter Begründung gerade
eines Beamtenverhältnisses in den Schuldienst des beklagten Landes eingestellt
werden würde, noch ist ... ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers darauf
anzuerkennen, in den Genuss der durch die Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 kurzzeitig eröffneten Möglichkeit
einer von einer Höchstaltersgrenze unabhängigen Einstellung in das Beamtenverhältnis
zu kommen. Jedenfalls müssen die insoweit bestehenden Erwartungen des Klägers
hinter das gewichtige Interesse des Dienstherrn zurücktreten, in Anbetracht der
Dauerhaftigkeit des Beamtenverhältnisses ein angemessenes Verhältnis von
Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sicherzustellen. Eine abweichende
Interessenabwägung ist auch nicht angesichts dessen geboten, dass mit der
Bewerbung um Einstellung in den Schuldienst besondere Pflichten des potenziellen
Dienstherrn aus einer beamtenrechtlichen Sonderverbindung begründet werden und
diese verletzt sind, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung die Sach- und Rechtslage
schuldhaft fehlerhaft geprüft hat.
65
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. November 2008 - 6 A 1054/05 -, ZBR 2009, 271.
66
Denn Letzteres lässt sich hier gerade nicht festzustellen."
67
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung vollinhaltlich an.
68
Vgl. zur Wirksamkeit der LVO n. F. auch: VG Aachen, Urteile vom 11. Dezember 2009 -
1 K 1640/09 -, JURIS, und vom 8. Oktober 2009 - 1 K 1286/07 -, JURIS; VG Münster,
Urteil vom 2. November 2009 - 4 K 205/05 -, JURIS.
69
Soweit der Kläger sinngemäß unter Berufung auf die Urteile des Verwaltungsgerichts
Koblenz vom 1. September 2009 - 6 K 1357/08.KO und 6 K 465/09.KO - der Auffassung
ist, es gebe weiterhin keine wirksame Höchstaltersgrenze, und meint, insbesondere die
Ausnahmeregelung in § 84 Abs. 2 Nr. 1 LVO n. F. sei unpräzise und damit unzulässig,
sind die gerichtlichen Ausführungen in jenen Verfahren für den vorliegenden Streitfall
schon deshalb unerheblich, weil in Rheinland-Pfalz - anders als in Nordrhein-Westfalen
- eine durch Rechtsvorschrift festgelegte Höchstalters-grenze sowie entsprechend
normierte Ausnahmeregelungen fehlen; die generelle Höchstaltersgrenze und die
Ausnahmen sind vielmehr allein auf Verwaltungsebene festgelegt worden.
70
Nach alledem sind für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Übernahme in
das Beamtenverhältnis auf Probe die Bestimmungen der LVO n. F. maßgeblich.
71
Hiervon ausgehend hat die Bezirksregierung B. zu Recht eine Verbeamtung des
Klägers abgelehnt, weil er laufbahnrechtlich überaltert ist und Ausnahmen von der für
ihn geltenden Höchstaltersgrenze nicht beanspruchen kann.
72
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 LVO n. F. darf als Laufbahnbewerber nach §
5 Abs. 1 a) LVO n. F. in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder
übernommen werden, wer das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der am 12.
Februar 1962 geborene Kläger hatte diese Höchstaltersgrenze bereits bei seiner
unbefristeten Einstellung in den Schuldienst mit Wirkung vom 1. Februar 2008 um ca. 6
Jahre überschritten.
73
Die Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 LVO n. F., die eine Überschreitung der Altersgrenze
von 40 Jahren wegen zwingend zu beachtender Verzögerungsgründe ermöglicht, greift
nicht zu Gunsten des Klägers ein. Nach dieser Bestimmung darf u.a. dann, wenn sich
die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe wegen Ableistung
einer Dienstpflicht nach Art. 12a GG oder wegen der Geburt oder Betreuung eines
Kindes unter 18 Jahren verzögert hat, die jeweilige Altersgrenze im Umfang der
Verzögerung überschritten werden.
74
Ein Ausnahmefall nach § 6 Abs. 2 Satz 1 a) LVO n. F. wegen Wehrdienstableistung ist
im Falle des Klägers nicht gegeben. Er hatte zum Zeitpunkt der unbefristeten
Einstellung in den Schuldienst die Höchstaltersgrenze um deutlich mehr als die
tatsächliche Dauer des Wehrdienstes (15 Monate) überschritten.
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Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 c) LVO n. F.
(Kinderbetreuung) im Falle des Klägers erfüllt. Die Annahme einer Ausnahme von der
Höchstaltersgrenze wegen Kinderbetreuung setzt zunächst voraus, dass sich der
Bewerber ganz oder überwiegend, vgl. zu dieser Voraussetzung OVG NRW, Urteil vom
13. Dezember 2007 - 6 A 2173/05 -, ZBR 2008, 384,
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der Betreuung seiner Kinder gewidmet hat. Dies hat der Kläger schon nicht geltend
gemacht, und es ist auch anderweitig nicht erkennbar.
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§ 6 Abs. 2 Satz 5 LVO n. F., wonach sich das Höchstalter erhöht, wenn der Bewerber an
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dem Tage, an dem er den Antrag auf Einstellung oder Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe gestellt hat, die Höchstaltersgrenze nicht überschritten hat
und die Einstellung oder Übernahme innerhalb eines Jahres nach der AntragsteIlung
erfolgt, ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil der Kläger bei AntragsteIlung das 40.
Lebensjahr schon (lange) überschritten hatte.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von der
Höchstaltersgrenze nach § 84 Abs. 2 LVO n. F.
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Das gilt zunächst für den Ausnahmetatbestand nach Satz 1 Nr. 1 dieses Absatzes.
Danach können Ausnahmen zugelassen werden für einzelne Fälle oder Gruppen von
Fällen, wenn der Dienstherr ein erhebliches dienstliches Interesse daran hat, Bewerber
als Fachkräfte zu gewinnen oder zu behalten. Nach Abs. 2 Satz 2 liegt ein solches
erhebliches dienstliches Interesse insbesondere vor, wenn die Ausnahme-erteilung zur
Sicherstellung der Erledigung der öffentlichen Aufgaben erforderlich ist. Bezogen auf
die Lehrerlaufbahnen werden hiermit allgemein die Fallgestaltungen umschrieben, in
denen mangels ausreichender Zahl von Fachlehrern in bestimmten Fächern
Unterrichtsausfall droht oder gar bereits zu verzeichnen ist und in denen bislang mittels
Verwaltungsvorschriften versucht worden ist, den beschriebenen Zustand zu
"bekämpfen".
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Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Januar 2010 - 2 K 3851/08 -, NRWE.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 84 Abs. 2 Satz
1 Nr. 1 LVO n. F. sind nicht erfüllt. Der Beklagte hat dadurch, dass er den früher
geltenden sog. Mangelfacherlass zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 (sogar
vorzeitig) hat auslaufen lassen, zu erkennen gegeben, dass er ein "dienstliches
Interesse" an der Gewinnung bzw. dem Behalten von Lehrern mit den in dem
Mangelfacherlass aufgeführten Fächern und Fachrichtungen nicht mehr sieht, ein
solches Interesse in Abwägung mit den durch die Verbeamtung älterer Lehrer
verbundenen Versorgungslasten jedenfalls nicht mehr als "erheblich" betrachtet. Es gibt
auch derzeit keine Anzeichen dafür, dass das beklagte Land auf der Grundlage des § 84
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LVO n. F. in absehbarer Zeit erneut ähnliche
Ausführungsbestimmungen erlassen wird, die eine Überschreitung sogar der (auf 40
Jahre) angehobenen Altersgrenze ermöglichen sollen. Da sich der Kreis der Lehrer, die
für eine Verbeamtung in Betracht kommen, mit der neuen Altersgrenze erweitert hat,
dürfte sich auch das "Angebot" an Lehrern mit bevorzugt benötigten Lehrbefähigungen
erhöht haben.
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Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Januar 2010 - 2 K 3851/08 -, NRWE.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausnahmeerteilung nach § 84 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 LVO n. F. in unmittelbarer Anwendung liegen gleichfalls nicht vor. Im Falle
des Klägers hat sich der auf den Lehrerberuf bezogene berufliche Werdegang nicht aus
Gründen verzögert, die ein Festhalten an der Altersgrenze als unbillig erscheinen
lassen. Maßgebend dafür, dass der Kläger schon bei der Einstellung in den Schuldienst
laufbahnrechtlich überaltert war, war der Umstand, dass er zunächst über einen
Zeitraum von rund 5 Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität tätig
war und sodann über ca. 10 Jahre einer beruflichen Tätigkeit in der Industrie
nachgegangen ist und sich erst danach für den Lehrerberuf entschieden hat. Dass diese
Gestaltung seines Lebenslaufes nicht auf seinem freien Willen beruhte und von ihm
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"nicht zu vertreten" war, hat er weder geltend gemacht noch ist dies anderweitig
erkennbar.
Das Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen hat
allerdings mit Erlass vom 30. Juli 2009 - 211-1.12.03.03-973 - festgelegt, dass in den
Fällen, in denen die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht
innerhalb eines Jahres nach Antragstellung erfolgte, der Beamte aber im Antrags-
zeitpunkt das 40. Lebensjahr oder bei Vorliegen einer Schwerbehinderung das 43.
Lebensjahr (ggf. zuzüglich Hinausschiebenstatbestände nach § 6 LVO n. F.) noch nicht
vollendet hat, eine Verbeamtung im Wege einer Einzelfallausnahme nach § 84 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 LVO n. F. analog erfolgt (Ermessensreduzierung auf Null). In diesen Fällen
gilt die Ausnahme gemäß § 84 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LVO n. F. als vom Ministerium für
Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen im Einvernehmen mit dem
Innenministerium und dem Finanzministerium erteilt. Insoweit soll es sich um eine
Billigkeitsregelung handeln, die sicherstellen soll, dass ein unverschuldetes
Überschreiten der Höchstaltersgrenze der Bewerberin oder dem Bewerber nicht
entgegengehalten wird, sofern bei Antragstellung die Voraussetzungen zur
Verbeamtung noch vorlagen.
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Diese Bestimmungen greifen vorliegend jedoch schon deshalb nicht ein, weil der Kläger
zum Zeitpunkt der Antragstellung das 40. Lebensjahr zuzüglich 15 Monate (Dauer des
Wehrdienstes) schon lange vollendet hatte und Kinderbetreuungszeiten des Klägers
bereits nicht nachgewiesen sind.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Kammer lässt die Berufung gegen das vorliegende Urteil zu, weil die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die
streitentscheidenden Rechtsfragen bedürfen aus Gründen der einheitlichen
Rechtsanwendung einer Klärung; die Auswirkungen der Entscheidung gehen über den
Einzelfall weit hinaus.
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Aus denselben Gründen wird die Sprungrevision zugelassen (vgl. §§ 134 Abs. 2 Satz 1,
132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Damit entspricht die Kammer dem ausdrücklichen Antrag der
Beteiligten.
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