Urteil des VG Arnsberg vom 24.01.2005

VG Arnsberg: verein, politische verfolgung, anerkennung, bundesamt, vorführung, abschiebung, richteramt, ausstellung, asylbewerber, anhörung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 9 K 1001/04.A
24.01.2005
Verwaltungsgericht Arnsberg
9. Kammer
Urteil
9 K 1001/04.A
VERWALTUNGSGERICHT ARNSBERG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
wegen
Asylgewährung im Folgeverfahren (Türkei)
hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2005 durch
Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Peters als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des
Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Tatbestand:
Die nach eigenen Angaben jeweils am 00.00.0000 als geboren
registrierten Kläger stammen aus dem Dorf P. im Kreis N. der Provinz N1.
. Sie sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkzugehörigkeit. Die
Kläger sind miteinander verheiratet, seit 1979 rituell, seit 1987 staatlich.
Aus der ehelichen Verbindung sind insgesamt zehn Kinder
hervorgegangen.
Die Kläger gelangten am 00.00.0000 auf dem Luftweg von Istanbul
kommend über den Flughafen Frankfurt in die Bundesrepublik. Hier
suchten sie unter dem 00.00.0000 um ihre Anerkennung als
Asylberechtigte nach.
Die Anerkennungsgesuche der Kläger blieben im bundesamtlichen
Verwaltungsverfahren erfolglos. In dem sich anschließenden
Klageverfahren 9 K 958/97.A lehnte das erkennende Gericht die
Klagebegehren durch Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
17. April 2000 ab. Den dagegen gerichteten Berufungszulassungsantrag
lehnte das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen
(OVG NW) durch Beschluss vom 11. Juni 2001 in dem Verfahren 8 A
3003/00.A ab.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 00.00.0000 suchten die Kläger
abermals um ihre Anerkennung als Asylberechtigte in einem weiteren
Verfahren nach (Folgeantrag). Zur Begründung legten sie zunächst
schriftsätzlich im Wesentlichen dar: Seit ihrer Einreise hätten sie sich
exilpolitisch engagiert. Sie hätten an politischen Veranstaltungen
teilgenommen und diese teilweise mitorganisiert. Über ihre Aktivitäten sei
verschiedentlich im Rahmen von Berichterstattungen in "Özgür Politika",
aber auch in "Serxwebun" berichtet worden. Er - der Kläger - sei
außerdem in den Vorstand des Vereins "Ehmede Xani" gewählt worden.
Bei einer Rückkehr in die Türkei hätten sie deshalb mit asylerheblichen
Maßnahmen zu rechnen.
Am 00.00.0000 wurden die Kläger im Rahmen des Folgeverfahrens
erneut vor dem Bundesamt in Dortmund angehört. Der Kläger machte
dabei auf Befragen im Wesentlichen folgende Angaben: Am 00.00.0000
sei er in den Vorstand des Vereins "Ehmede Xani" gewählt worden. Seit
2001 sei er Mitglied des Vereins. Der Verein sei in Dortmund. Innerhalb
des Vereins organisiere er Informationsveranstaltungen. In Abständen
von zwei Monaten würden Volksversammlungen abgehalten. Er halte
den Kontakt zur kurdischen Bevölkerung aufrecht. Er nehme an allen
Aktivitäten des Vereins teil. Außerdem sei er stimmberechtigtes Mitglied
von YEK-KOM. YEK-KOM sei der Dachverband der kurdischen Vereine.
Der Verein "Ehmede Xani" sei Mitglied von YEK-KOM. Ob sein Name im
Vereinsregister eingetragen sei, wisse er nicht. Der Verein habe etwa
600 Mitglieder.
Die Klägerin machte auf Befragen im Wesentlichen folgende Angaben:
Auch sie sei Mitglied des Vereins "Ehmede Xani". Für eine
Demonstration am 14. Juli 2003 habe sie eine behördliche Erlaubnis
eingeholt. Außerdem habe sie an einem Hungerstreik teilgenommen.
Medya-TV habe darüber berichtet. Während der Berichterstattung habe
sie sich auch etwa eine halbe Stunde geäußert. Eigentlich habe sie
ziemlich viel gesprochen. Gesendet worden sei allerdings nur sehr
wenig. Die Kläger haben dem Bundesamt Bescheinigungen des
Deutsch-Kurdischen Kulturvereins Dortmund vom 25. Oktober 2003 und
4. November 2003 vorgelegt, in denen ihnen bestätigt wird, zu den
aktivsten Vereinsmitgliedern zu gehören.
Mit Bescheid vom 00.00.0000 lehnte das Bundesamt die
Anerkennungsbegehren ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des §
51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) und Abschiebungshindernisse
nicht vorlägen und forderte die Kläger unter Androhung der Abschiebung
zum Verlassen der Bundesrepublik auf. Zur Begründung legte es im
Wesentlichen dar: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es
sich bei den exilpolitischen Aktivitäten der Kläger um ein exponiertes
Engagement handele, das sie aus der Masse der Kritiker des türkischen
Staates heraushebe. Außerdem stellten sich die selbst geschaffenen
Nachfluchttatbestände nicht als Ausdruck und Fortführung einer schon
während des Aufenthaltes im Heimatland vorhandenen und getätigten
Überzeugung dar.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer mit anwaltlichem Schriftsatz
vom 00.00.0000 erhobenen Klage, zu deren Begründung sie im
Wesentlichen auf die bei ihrer Anhörung vorgetragenen Gründe
verweisen.
Während des Klageverfahrens haben die Kläger mit Schriftsatz vom
00.00.0000 auf die Geschehnisse anlässlich ihrer Vorführung auf dem
türkischen Generalkonsulat in Essen zwecks Ausstellung von
Passersatzpapieren am 00.00.0000 verwiesen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 00.00.0000 hat die Klägerin darauf
hingewiesen, auf der Mitgliederversammlung des Deutsch-Kurdischen
Freundschaftsvereins vom 00.00.0000 zum Vorstandsmitglied gewählt
worden zu sein und in dieser Eigenschaft im Vereinsregister beim
Amtsgericht Dortmund eingetragen worden zu sein.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom
00.00.0000 zu verpflichten, sie - die Kläger - als Asylberechtigte
anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60
Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - (früher: § 51 Abs. 1 AuslG) sowie
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (früher: § 53
AuslG) vorliegen.
Die Beklagte hat - schriftsätzlich - beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem
angegriffenen Bescheid.
Der Beteiligte stellt keinen Antrag.
Das Gericht hat Beweis erhoben zu den Vorfällen auf dem türkischen
Generalkonsulat in Essen am 00.00.0000 durch Vernehmung der Frau H.
D. und des Herrn I. C. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der
Zeugeneinvernahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. Januar
2005 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens
der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte - hier
insbesondere auf die über die mündliche Verhandlung vom 24. Januar
2005 gefertigte Niederschrift - sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der beigezogenen
Verfahrensakte 9 K 958/97.A Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG -)
keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf
Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des
Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration
von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) und
auch nicht auf die Feststellung des Vorliegens von
Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Der Bescheid
des Bundesamtes vom 9. März 2004 ist rechtmäßig und verletzt die
Kläger nicht ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Das unter Bezugnahme auf den anwaltlichen Schriftsatz vom 1. Oktober
2003 eingebrachte neuerliche Rechtsschutzgesuch ist ein Folgeantrag
im Sinne des § 71 Abs. 1 AsylVfG, da das ursprüngliche
Anerkennungsbegehren in einem asylrechtlichen Erstverfahren
rechtskräftig zu Lasten der Kläger entschieden worden ist. Ein weiteres
Asylverfahren ist danach nur dann durchzuführen, wenn die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen. Hierbei sind allein
die von einem Kläger selbst geltend gemachten Gründe für ein
Wiederaufgreifen zugrunde zu legen.
Vgl. zu den Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen in ständiger
Rechtsprechung: VG Arnsberg, Urteil vom 6. November 2000 - 9 K
3860/97.A - m.w.N..
Das danach zulässige Wiederaufgreifensbegehren ist jedoch nicht
begründet. Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anerkennung als
Asylberechtigte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
Ausführungen des erkennenden Gerichts in dem den Klägern bekannten
Urteil vom 17. April 2000 in ihrem (Erst-)Verfahren 9 K 958/97.A
verwiesen. Gemessen an den danach zugrunde zu legenden Kriterien
konnte das Begehren der Kläger auf Erlangung asylrechtlicher
Rechtsposition keinen Erfolg haben, weil nicht angenommen werden
kann, dass den Klägern wegen eines Nachfluchtgrundes mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in die Türkei politische Verfolgung
droht.
Die Kläger sind durch ihre exilpolitischen Aktivitäten im Jahre 2003,
soweit sie sich hinsichtlich der Fristeinhaltung nach § 51 Abs. 3 VwVfG
zulässigerweise auf sie berufen können, nicht gefährdet.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer, insoweit in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein- Westfalen,
vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 28. Mai 2003 - 9 K 1982/01.A -; OVG NW,
Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4782/99.A -, s.S. 62 ff. des amtlichen
Umdrucks; vorangehend: OVG NW, Urteil vom 10. April 2002 - 8 A
2745/98.A -, s.S. 16 ff. des amtlichen Umdrucks
begründen exilpolitische Aktivitäten ein beachtlich wahrscheinliches
Verfolgungsrisiko nur bei solchen Kurden, die sich politisch exponiert
haben, sich durch ihre Betätigung deutlich von derjenigen der breiten
Masse abheben. Nur wer politische Ideen und Strategien entwickelt und
zu deren Umsetzung in Worten oder Taten von Deutschland aus
maßgeblichen Einfluss auf die türkische Innenpolitik und insbesondere
auf seine in Deutschland lebenden Landsleute zu nehmen versucht, ist
aus der maßgeblichen Sicht des türkischen Staates ein
ernstzunehmender Gegner, den es zu bekämpfen gilt. Das ist z.B.
anzunehmen bei Leitern von größeren und öffentlichkeitswirksamen
Demonstrationen und Protestaktionen sowie Rednern auf solchen
Veranstaltungen und ferner bei Mitgliedern und Delegierten des
kurdischen Exilparlaments.
Nicht beachtlich wahrscheinlich zu politischer Verfolgung führen
demgegenüber exilpolitische Aktivitäten niedrigen Profils. Dazu gehören
alle Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung. Sie sind dadurch
gekennzeichnet, dass der Beitrag des Einzelnen entweder - wie bei
Großveranstaltungen - kaum sichtbar oder zwar noch individualisierbar
ist, aber hinter den zahllosen deckungsgleichen Beiträgen anderer
Personen zurücktritt. Derartige Aktivitäten sind ein Massenphänomen, bei
denen die Beteiligten ganz überwiegend nur die Kulisse abgeben für die
eigentlich agierenden Wortführer. Das ist z.B. anzunehmen bei schlichter
Teilnahme an Demonstrationen, Hungerstreiks, Autobahnblockaden,
Informationsveranstaltungen oder Schulungsseminaren, Verteilung von
Flugblättern und Verkauf von Zeitschriften, Platzierung namentlich
gekennzeichneter Artikel und Leserbriefe in türkischsprachigen
Zeitschriften.
Nach diesen Maßstäben ist die Teilnahme der Kläger an verschiedenen
Veranstaltungen, wie sie behauptet und zum Teil auch belegt worden
sind, als niedrig profiliert zu bewerten. In keinem Zusammenhang wird
erkennbar, dass die Kläger als inspirative Leiter von Veranstaltungen in
Erscheinung getreten wären, als könne von ihnen eine geistige
Beeinflussung ihrer Landsleute ausgehen, als seien sie überhaupt in der
Lage, politische Ideen und Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Gerade die Klägerin, die sich gekleidet in den sog. "kurdischen
Nationalfarben" für Bildveröffentlichungen in den verschiedensten
Publikationen geradezu anbietet und angeboten hat, hat im Rahmen ihrer
Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung erfahren lassen, dass
sie wenig geeignet ist, als Ideenträger oder Initiator wahrgenommen zu
werden. Wer wie die Klägerin nicht weiß, welchem "Verein" sie als
Mitglied eigentlich angehört - zur Auswahl stehen: der Verein "Ehmede
Xani", der Deutsch-Kurdische Kulturverein, der Deutsch-Kurdische
Freundschaftsverein (vgl. Schriftsatz vom 04.08.2004) und das
"Kurdische Kulturzentrum" (Termin zur mündlichen Verhandlung) -, wer
dem Verein "Ehmede Xani" angehören will, ohne zu wissen, wer oder
was "Ehmede Xani" ist oder war, wer Newroz feiert, die Feier mit Kawa in
Verbindung bringt, ohne zu wissen, was eigentlich gefeiert wird und wer
oder was Kawa ist oder war, und wer schließlich am 15. August die
Aufnahme des bewaffneten Kampfes feiert, ohne zu wissen, wer gegen
wen den bewaffneten Kampf aufgenommen hat, verdeutlicht sehr
nachdrücklich, dass sich sein nachgewiesenes Engagement in der
Wahrnehmung untergeordneter Aufgaben erschöpft, dass seinem
Agieren eine irgendwie geartete leitende Funktion nicht beizumessen ist
und ein ernsthaftes Interesse türkischer Dienststellen an dem Gewicht
seiner "politischen Äußerung" auch dann nicht bestehen kann, wenn er -
wie die Klägerin dekorativ in Szene gesetzt - sich mit einem Wortbeitrag
im Rahmen einer Fernsehberichterstattung zu Wort meldet.
Ähnliches gilt auch für den Kläger, dessen Tätigkeit als "Ersatzmitglied
des Vorstandes" ebenso unbelegt geblieben ist, wie seine Kontakte zu
YEK-KOM, auf welcher Vereinsschiene auch immer. Auch die
Gesamtwürdigung der politischen Aktivitäten der Kläger gibt keinen
Anlass zu der Annahme, dass insoweit quantitative in qualitative
Gesichtspunkte umschlagen könnten. Dass der Deutsch-Kurdische
Kulturverein in Dortmund beiden Klägern unter dem 25. Oktober 2003
und 4. November 2003 bescheinigt, zu den aktivsten Mitgliedern zu
gehören, besagt ebenso wenig etwas zur Profilierung derartiger
Aktivitäten, wie die gleichlautende Formulierung, dass sie bei
Veranstaltungen und bei Info-Ständen immer stets sehr hilfsbereit seien.
Keine andere rechtliche Würdigung ermöglicht die erstmals im Laufe des
Klageverfahrens mit Schriftsatz vom 00.00.0000 geltend gemachte
Geschehensabfolge anlässlich der Vorführung der Kläger im türkischen
Generalkonsulat in Essen am 00.00.0000 zwecks Beantragung und
Ausstellung von Passersatzpapieren für die Kläger und weitere
Familienmitglieder. Ungeachtet einer vom Gericht ggf. neu zu
durchdenkenden Bewertung sog. nachgeschobener
Wiederaufgreifenserwägungen
vgl. dazu: VG Arnsberg, Urteil vom 30. Oktober 1996 - 9 K 3379/94.A -;
sowie OVG NW, Beschluss vom 25. Februar 1997 - 25 A 720/97.A - zu
VG Arnsberg, Ge- richtsbescheid vom 30. Dezember 1996 - 8 K
4671/96.A -
ergibt sich für die Kläger selbst dann keine günstigere Entscheidung,
wenn das Gericht die Vorfälle vom 00.00.0000 mit in die gerichtliche
Würdigung des vorliegenden Rechtsschutzgesuchs einbezieht. Auffällig
ist insoweit, dass wesentliche Teile der von den Klägern schriftsätzlich
beschriebenen Vorgänge durch die Kläger im Termin zur mündlichen
Verhandlung nicht bestätigt worden sind, die gröbsten Beleidigungen
keine Erwähnung mehr gefunden haben und tätliche Angriffe auf die
Klägerin ("Würgegriff") nicht stattgefunden haben. Auch die als Zeugen
vernommenen Frau D1. und Herr C. konnten keine Klärung darüber
herbeiführen, wer wann aus welchem Anlass mit welchen Worten wen
beleidigt hat. Fest steht deshalb für das Gericht aufgrund der
Einlassungen der Kläger, denen das Gericht nur sehr begrenzt folgt, und
den Aussagen der Zeugen, dass es bei der Vorführung der Kläger und
ihrer Kinder zum Austausch von Beleidigungen, Handgreiflichkeiten und
Rangeleien gekommen ist und dass das Konsulatspersonal den Klägern
und ihren Kindern den Zutritt zu dem inneren Konsulatsbereich verwehrt
hat und sie aufgefordert hat, das Konsulat zu verlassen. Das Gericht
konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Vorführungsablauf
den Intentionen der Kläger im vorliegenden Verfahren aus ihrer Sicht
durchaus gelegen kam. Über etwaige daraus resultierende
Konsequenzen für die Kläger im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei lassen
sich lediglich Mutmaßungen anstellen, ohne dass sich Anhaltspunkte für
eine Rückkehrgefährdung derzeit konkretisieren ließen, zumal es keine
Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Personal des türkischen
Generalkonsulats irgendwelche rechtlichen Schritte gegen die Kläger
eingeleitet hätte.
Die mit Schriftsatz vom 00.00.0000 eingebrachte Wahl der Klägerin zur
stellvertretenden Vorsitzenden des Deutsch-Kurdischen Kulturvereins in
Dortmund am 00.00.0000 und ihre Eintragung in das Vereinsregister
beim Amtsgericht Dortmund am 00.00.0000 ermöglichen dem Gericht
keine den Klägern günstigere Würdigung des damit geltend gemachten
Nachfluchtgrundes.
Zwar ist es nach der Rechtsprechung der Kammer in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen (OVG NW)
vgl. OVG NW, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4792/99.A - aa0., aber auch:
OVG NW, Urteil vom 4. November 2003 - 15 A 5193/00.A -
grundsätzlich denkbar, dass in das Vereinsregister eingetragene
Vorstandsmitglieder von Vereinigungen, die als von der PKK dominiert
oder beeinflusst gelten, der Gefahr politischer Verfolgung in der Türkei
ausgesetzt sein können. Sind allerdings konkrete Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass ein Asylbewerber aus der Sicht des türkischen Staates
gleichwohl nicht als exilpolitisch exponiert zu betrachten sein könnte, ist
eine Gesamtwürdigung vorzunehmen.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 10. April 2002 - 8 A 2745/98.A -, s.S. 20 ff. des
amtlichen Umdrucks.
Anhaltspunkte dieser Art können sich etwa daraus ergeben, dass ein
Asylbewerber zwar Vorstandsmitglied eines PKK-Vereins ist, aber nicht
erkennbar ist, dass er dort mehr als nur untergeordnete Aufgaben zu
erfüllen hat, also nur eine passiv-untergeordnete Stellung einnimmt.
Entsprechende Anhaltspunkte bestehen auch bei Vereinsvorständen,
deren Mitglieder auffällig häufig wechseln.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 10. April 2002 - 8 A 2745/98.A - aa0..
So liegen die Dinge indessen hier. Wie bereits dargelegt, erschöpfen sich
die Aktivitäten der Klägerin allenfalls in der Befolgung von Anregungen,
Empfehlungen und Weisungen Dritter, als eigenständiger politischer
Ideenträger kann die Klägerin kaum in Erscheinung treten. Wie sich dem
beigezogenen "historischen" Vereinsregisterauszug entnehmen lässt,
sind die Vorstandsmitglieder des Vereins seit seiner Gründung in nicht
unerheblichem Umfang ausgetauscht worden. Es drängt sich der
Eindruck auf, als fungiere der Verein neben seinen sonstigen
Satzungstätigkeiten auch als Instrument zur Beschaffung von
Aufenthaltstiteln unter der Flagge exilpolitischer Tätigkeiten. Dafür
sprechen auch die hektographierten Formularbescheinigungen, die der
Verein für seine "aktivsten" Mitglieder ausstellt. Nicht weiter
kommentieren möchte das Gericht die mit Schriftsatz vom 29. Dezember
2004 eingereichte Bescheinigung des Vereins vom 27. Dezember 2004,
in der unmissverständlich formuliert wird, dass eine Abschiebung der
Klägerin unter den Kurden in Deutschland Proteste "verbreiten" könne.
Ist damit der Asylantrag der Kläger (auch im Folgeverfahren) zu Recht
abgelehnt worden, liegen auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1
AufenthG nicht vor. Das Leben oder die Freiheit der Kläger sind aus den
vorangehenden Erwägungen nicht wegen der in dieser Vorschrift
genannten Merkmale bedroht.
Die Klage gegen Nr. 4 des Bescheides der Beklagten vom 00.00.0000 ist
ebenfalls nicht begründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die
Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die von der
Beklagten verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
stehen im Einklang mit der hier maßgeblichen Gesetzes- und
Rechtslage. Über asylverfahrensabhängige oder
asylverfahrensunabhängige Bleiberechte verfügen die Kläger nicht.
Entsprechende Abschiebungsverbote (vgl. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) -
sind nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO in
Verbindung mit § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zugelassen
wird. Die Zulassung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des
Urteils beim Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821
Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg)
zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In
dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist,
darzulegen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat oder 2. das Urteil von einer Entscheidung
des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des
gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
oder 3. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter
Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Vor dem Oberverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte, soweit er
einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer
deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit
Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Das gilt auch für den Antrag
auf Zulassung der Berufung. Juristische Personen des öffentlichen
Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte
mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst
vertreten lassen.
Dem Antrag sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten
beigefügt werden.
VERWALTUNGSGERICHT ARNSBERG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
wegen
Asylgewährung im Folgeverfahren (Türkei)
hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Arnsberg aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 24. Januar 2005 durch
Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Peters als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Tatbestand:
Die nach eigenen Angaben jeweils am 00.00.0000 als geboren registrierten Kläger
stammen aus dem Dorf P. im Kreis N. der Provinz N1. . Sie sind türkische
20
21
22
23
24
25
Staatsangehörige kurdischer Volkzugehörigkeit. Die Kläger sind miteinander verheiratet,
seit 1979 rituell, seit 1987 staatlich. Aus der ehelichen Verbindung sind insgesamt zehn
Kinder hervorgegangen.
Die Kläger gelangten am 00.00.0000 auf dem Luftweg von Istanbul kommend über den
Flughafen Frankfurt in die Bundesrepublik. Hier suchten sie unter dem 00.00.0000 um ihre
Anerkennung als Asylberechtigte nach.
Die Anerkennungsgesuche der Kläger blieben im bundesamtlichen Verwaltungsverfahren
erfolglos. In dem sich anschließenden Klageverfahren 9 K 958/97.A lehnte das erkennende
Gericht die Klagebegehren durch Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.
April 2000 ab. Den dagegen gerichteten Berufungszulassungsantrag lehnte das
Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (OVG NW) durch Beschluss vom
11. Juni 2001 in dem Verfahren 8 A 3003/00.A ab.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 00.00.0000 suchten die Kläger abermals um ihre
Anerkennung als Asylberechtigte in einem weiteren Verfahren nach (Folgeantrag). Zur
Begründung legten sie zunächst schriftsätzlich im Wesentlichen dar: Seit ihrer Einreise
hätten sie sich exilpolitisch engagiert. Sie hätten an politischen Veranstaltungen
teilgenommen und diese teilweise mitorganisiert. Über ihre Aktivitäten sei verschiedentlich
im Rahmen von Berichterstattungen in "Özgür Politika", aber auch in "Serxwebun" berichtet
worden. Er - der Kläger - sei außerdem in den Vorstand des Vereins "Ehmede Xani"
gewählt worden. Bei einer Rückkehr in die Türkei hätten sie deshalb mit asylerheblichen
Maßnahmen zu rechnen.
Am 00.00.0000 wurden die Kläger im Rahmen des Folgeverfahrens erneut vor dem
Bundesamt in Dortmund angehört. Der Kläger machte dabei auf Befragen im Wesentlichen
folgende Angaben: Am 00.00.0000 sei er in den Vorstand des Vereins "Ehmede Xani"
gewählt worden. Seit 2001 sei er Mitglied des Vereins. Der Verein sei in Dortmund.
Innerhalb des Vereins organisiere er Informationsveranstaltungen. In Abständen von zwei
Monaten würden Volksversammlungen abgehalten. Er halte den Kontakt zur kurdischen
Bevölkerung aufrecht. Er nehme an allen Aktivitäten des Vereins teil. Außerdem sei er
stimmberechtigtes Mitglied von YEK-KOM. YEK-KOM sei der Dachverband der kurdischen
Vereine. Der Verein "Ehmede Xani" sei Mitglied von YEK-KOM. Ob sein Name im
Vereinsregister eingetragen sei, wisse er nicht. Der Verein habe etwa 600 Mitglieder.
Die Klägerin machte auf Befragen im Wesentlichen folgende Angaben: Auch sie sei
Mitglied des Vereins "Ehmede Xani". Für eine Demonstration am 14. Juli 2003 habe sie
eine behördliche Erlaubnis eingeholt. Außerdem habe sie an einem Hungerstreik
teilgenommen. Medya-TV habe darüber berichtet. Während der Berichterstattung habe sie
sich auch etwa eine halbe Stunde geäußert. Eigentlich habe sie ziemlich viel gesprochen.
Gesendet worden sei allerdings nur sehr wenig. Die Kläger haben dem Bundesamt
Bescheinigungen des Deutsch-Kurdischen Kulturvereins Dortmund vom 25. Oktober 2003
und 4. November 2003 vorgelegt, in denen ihnen bestätigt wird, zu den aktivsten
Vereinsmitgliedern zu gehören.
Mit Bescheid vom 00.00.0000 lehnte das Bundesamt die Anerkennungsbegehren ab,
stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) und
Abschiebungshindernisse nicht vorlägen und forderte die Kläger unter Androhung der
Abschiebung zum Verlassen der Bundesrepublik auf. Zur Begründung legte es im
Wesentlichen dar: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den
exilpolitischen Aktivitäten der Kläger um ein exponiertes Engagement handele, das sie aus
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
der Masse der Kritiker des türkischen Staates heraushebe. Außerdem stellten sich die
selbst geschaffenen Nachfluchttatbestände nicht als Ausdruck und Fortführung einer schon
während des Aufenthaltes im Heimatland vorhandenen und getätigten Überzeugung dar.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer mit anwaltlichem Schriftsatz vom 00.00.0000
erhobenen Klage, zu deren Begründung sie im Wesentlichen auf die bei ihrer Anhörung
vorgetragenen Gründe verweisen.
Während des Klageverfahrens haben die Kläger mit Schriftsatz vom 00.00.0000 auf die
Geschehnisse anlässlich ihrer Vorführung auf dem türkischen Generalkonsulat in Essen
zwecks Ausstellung von Passersatzpapieren am 00.00.0000 verwiesen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 00.00.0000 hat die Klägerin darauf hingewiesen, auf der
Mitgliederversammlung des Deutsch-Kurdischen Freundschaftsvereins vom 00.00.0000
zum Vorstandsmitglied gewählt worden zu sein und in dieser Eigenschaft im
Vereinsregister beim Amtsgericht Dortmund eingetragen worden zu sein.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 00.00.0000 zu
verpflichten, sie - die Kläger - als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass
die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - (früher: § 51 Abs. 1
AuslG) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (früher: § 53 AuslG)
vorliegen.
Die Beklagte hat - schriftsätzlich - beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid.
Der Beteiligte stellt keinen Antrag.
Das Gericht hat Beweis erhoben zu den Vorfällen auf dem türkischen Generalkonsulat in
Essen am 00.00.0000 durch Vernehmung der Frau H. D. und des Herrn I. C. als Zeugen.
Wegen des Ergebnisses der Zeugeneinvernahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom
24. Januar 2005 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im
Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte - hier insbesondere auf die über die
mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2005 gefertigte Niederschrift - sowie der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der beigezogenen Verfahrensakte
9 K 958/97.A Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs.
1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG -) keinen Anspruch auf Anerkennung als
Asylberechtigte und auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1
des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern
im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) und auch nicht auf die Feststellung des
40
41
42
43
44
45
46
47
Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Der Bescheid des
Bundesamtes vom 9. März 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht ihren Rechten
(§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Das unter Bezugnahme auf den anwaltlichen Schriftsatz vom 1. Oktober 2003 eingebrachte
neuerliche Rechtsschutzgesuch ist ein Folgeantrag im Sinne des § 71 Abs. 1 AsylVfG, da
das ursprüngliche Anerkennungsbegehren in einem asylrechtlichen Erstverfahren
rechtskräftig zu Lasten der Kläger entschieden worden ist. Ein weiteres Asylverfahren ist
danach nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen. Hierbei sind allein die von einem
Kläger selbst geltend gemachten Gründe für ein Wiederaufgreifen zugrunde zu legen.
Vgl. zu den Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen in ständiger Rechtsprechung: VG
Arnsberg, Urteil vom 6. November 2000 - 9 K 3860/97.A - m.w.N..
Das danach zulässige Wiederaufgreifensbegehren ist jedoch nicht begründet. Hinsichtlich
der Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigte wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Ausführungen des erkennenden Gerichts in dem den Klägern
bekannten Urteil vom 17. April 2000 in ihrem (Erst-)Verfahren 9 K 958/97.A verwiesen.
Gemessen an den danach zugrunde zu legenden Kriterien konnte das Begehren der
Kläger auf Erlangung asylrechtlicher Rechtsposition keinen Erfolg haben, weil nicht
angenommen werden kann, dass den Klägern wegen eines Nachfluchtgrundes mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in die Türkei politische Verfolgung
droht.
Die Kläger sind durch ihre exilpolitischen Aktivitäten im Jahre 2003, soweit sie sich
hinsichtlich der Fristeinhaltung nach § 51 Abs. 3 VwVfG zulässigerweise auf sie berufen
können, nicht gefährdet.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer, insoweit in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen,
vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 28. Mai 2003 - 9 K 1982/01.A -; OVG NW, Urteil vom 27. Juni
2002 - 8 A 4782/99.A -, s.S. 62 ff. des amtlichen Umdrucks; vorangehend: OVG NW, Urteil
vom 10. April 2002 - 8 A 2745/98.A -, s.S. 16 ff. des amtlichen Umdrucks
begründen exilpolitische Aktivitäten ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsrisiko nur
bei solchen Kurden, die sich politisch exponiert haben, sich durch ihre Betätigung deutlich
von derjenigen der breiten Masse abheben. Nur wer politische Ideen und Strategien
entwickelt und zu deren Umsetzung in Worten oder Taten von Deutschland aus
maßgeblichen Einfluss auf die türkische Innenpolitik und insbesondere auf seine in
Deutschland lebenden Landsleute zu nehmen versucht, ist aus der maßgeblichen Sicht
des türkischen Staates ein ernstzunehmender Gegner, den es zu bekämpfen gilt. Das ist
z.B. anzunehmen bei Leitern von größeren und öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen
und Protestaktionen sowie Rednern auf solchen Veranstaltungen und ferner bei Mitgliedern
und Delegierten des kurdischen Exilparlaments.
Nicht beachtlich wahrscheinlich zu politischer Verfolgung führen demgegenüber
exilpolitische Aktivitäten niedrigen Profils. Dazu gehören alle Tätigkeiten von
untergeordneter Bedeutung. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass der Beitrag des
Einzelnen entweder - wie bei Großveranstaltungen - kaum sichtbar oder zwar noch
individualisierbar ist, aber hinter den zahllosen deckungsgleichen Beiträgen anderer
48
49
50
51
Personen zurücktritt. Derartige Aktivitäten sind ein Massenphänomen, bei denen die
Beteiligten ganz überwiegend nur die Kulisse abgeben für die eigentlich agierenden
Wortführer. Das ist z.B. anzunehmen bei schlichter Teilnahme an Demonstrationen,
Hungerstreiks, Autobahnblockaden, Informationsveranstaltungen oder
Schulungsseminaren, Verteilung von Flugblättern und Verkauf von Zeitschriften,
Platzierung namentlich gekennzeichneter Artikel und Leserbriefe in türkischsprachigen
Zeitschriften.
Nach diesen Maßstäben ist die Teilnahme der Kläger an verschiedenen Veranstaltungen,
wie sie behauptet und zum Teil auch belegt worden sind, als niedrig profiliert zu bewerten.
In keinem Zusammenhang wird erkennbar, dass die Kläger als inspirative Leiter von
Veranstaltungen in Erscheinung getreten wären, als könne von ihnen eine geistige
Beeinflussung ihrer Landsleute ausgehen, als seien sie überhaupt in der Lage, politische
Ideen und Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Gerade die Klägerin, die sich
gekleidet in den sog. "kurdischen Nationalfarben" für Bildveröffentlichungen in den
verschiedensten Publikationen geradezu anbietet und angeboten hat, hat im Rahmen ihrer
Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung erfahren lassen, dass sie wenig
geeignet ist, als Ideenträger oder Initiator wahrgenommen zu werden. Wer wie die Klägerin
nicht weiß, welchem "Verein" sie als Mitglied eigentlich angehört - zur Auswahl stehen: der
Verein "Ehmede Xani", der Deutsch-Kurdische Kulturverein, der Deutsch-Kurdische
Freundschaftsverein (vgl. Schriftsatz vom 04.08.2004) und das "Kurdische Kulturzentrum"
(Termin zur mündlichen Verhandlung) -, wer dem Verein "Ehmede Xani" angehören will,
ohne zu wissen, wer oder was "Ehmede Xani" ist oder war, wer Newroz feiert, die Feier mit
Kawa in Verbindung bringt, ohne zu wissen, was eigentlich gefeiert wird und wer oder was
Kawa ist oder war, und wer schließlich am 15. August die Aufnahme des bewaffneten
Kampfes feiert, ohne zu wissen, wer gegen wen den bewaffneten Kampf aufgenommen hat,
verdeutlicht sehr nachdrücklich, dass sich sein nachgewiesenes Engagement in der
Wahrnehmung untergeordneter Aufgaben erschöpft, dass seinem Agieren eine irgendwie
geartete leitende Funktion nicht beizumessen ist und ein ernsthaftes Interesse türkischer
Dienststellen an dem Gewicht seiner "politischen Äußerung" auch dann nicht bestehen
kann, wenn er - wie die Klägerin dekorativ in Szene gesetzt - sich mit einem Wortbeitrag im
Rahmen einer Fernsehberichterstattung zu Wort meldet.
Ähnliches gilt auch für den Kläger, dessen Tätigkeit als "Ersatzmitglied des Vorstandes"
ebenso unbelegt geblieben ist, wie seine Kontakte zu YEK-KOM, auf welcher
Vereinsschiene auch immer. Auch die Gesamtwürdigung der politischen Aktivitäten der
Kläger gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass insoweit quantitative in qualitative
Gesichtspunkte umschlagen könnten. Dass der Deutsch-Kurdische Kulturverein in
Dortmund beiden Klägern unter dem 25. Oktober 2003 und 4. November 2003 bescheinigt,
zu den aktivsten Mitgliedern zu gehören, besagt ebenso wenig etwas zur Profilierung
derartiger Aktivitäten, wie die gleichlautende Formulierung, dass sie bei Veranstaltungen
und bei Info-Ständen immer stets sehr hilfsbereit seien.
Keine andere rechtliche Würdigung ermöglicht die erstmals im Laufe des Klageverfahrens
mit Schriftsatz vom 00.00.0000 geltend gemachte Geschehensabfolge anlässlich der
Vorführung der Kläger im türkischen Generalkonsulat in Essen am 00.00.0000 zwecks
Beantragung und Ausstellung von Passersatzpapieren für die Kläger und weitere
Familienmitglieder. Ungeachtet einer vom Gericht ggf. neu zu durchdenkenden Bewertung
sog. nachgeschobener Wiederaufgreifenserwägungen
vgl. dazu: VG Arnsberg, Urteil vom 30. Oktober 1996 - 9 K 3379/94.A -; sowie OVG NW,
52
53
54
55
56
57
58
Beschluss vom 25. Februar 1997 - 25 A 720/97.A - zu VG Arnsberg, Ge- richtsbescheid
vom 30. Dezember 1996 - 8 K 4671/96.A -
ergibt sich für die Kläger selbst dann keine günstigere Entscheidung, wenn das Gericht die
Vorfälle vom 00.00.0000 mit in die gerichtliche Würdigung des vorliegenden
Rechtsschutzgesuchs einbezieht. Auffällig ist insoweit, dass wesentliche Teile der von den
Klägern schriftsätzlich beschriebenen Vorgänge durch die Kläger im Termin zur
mündlichen Verhandlung nicht bestätigt worden sind, die gröbsten Beleidigungen keine
Erwähnung mehr gefunden haben und tätliche Angriffe auf die Klägerin ("Würgegriff") nicht
stattgefunden haben. Auch die als Zeugen vernommenen Frau D1. und Herr C. konnten
keine Klärung darüber herbeiführen, wer wann aus welchem Anlass mit welchen Worten
wen beleidigt hat. Fest steht deshalb für das Gericht aufgrund der Einlassungen der Kläger,
denen das Gericht nur sehr begrenzt folgt, und den Aussagen der Zeugen, dass es bei der
Vorführung der Kläger und ihrer Kinder zum Austausch von Beleidigungen,
Handgreiflichkeiten und Rangeleien gekommen ist und dass das Konsulatspersonal den
Klägern und ihren Kindern den Zutritt zu dem inneren Konsulatsbereich verwehrt hat und
sie aufgefordert hat, das Konsulat zu verlassen. Das Gericht konnte sich des Eindrucks
nicht erwehren, dass dieser Vorführungsablauf den Intentionen der Kläger im vorliegenden
Verfahren aus ihrer Sicht durchaus gelegen kam. Über etwaige daraus resultierende
Konsequenzen für die Kläger im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei lassen sich lediglich
Mutmaßungen anstellen, ohne dass sich Anhaltspunkte für eine Rückkehrgefährdung
derzeit konkretisieren ließen, zumal es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Personal
des türkischen Generalkonsulats irgendwelche rechtlichen Schritte gegen die Kläger
eingeleitet hätte.
Die mit Schriftsatz vom 00.00.0000 eingebrachte Wahl der Klägerin zur stellvertretenden
Vorsitzenden des Deutsch-Kurdischen Kulturvereins in Dortmund am 00.00.0000 und ihre
Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht Dortmund am 00.00.0000 ermöglichen
dem Gericht keine den Klägern günstigere Würdigung des damit geltend gemachten
Nachfluchtgrundes.
Zwar ist es nach der Rechtsprechung der Kammer in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NW)
vgl. OVG NW, Urteil vom 27. Juni 2002 - 8 A 4792/99.A - aa0., aber auch: OVG NW, Urteil
vom 4. November 2003 - 15 A 5193/00.A -
grundsätzlich denkbar, dass in das Vereinsregister eingetragene Vorstandsmitglieder von
Vereinigungen, die als von der PKK dominiert oder beeinflusst gelten, der Gefahr
politischer Verfolgung in der Türkei ausgesetzt sein können. Sind allerdings konkrete
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein Asylbewerber aus der Sicht des türkischen
Staates gleichwohl nicht als exilpolitisch exponiert zu betrachten sein könnte, ist eine
Gesamtwürdigung vorzunehmen.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 10. April 2002 - 8 A 2745/98.A -, s.S. 20 ff. des amtlichen
Umdrucks.
Anhaltspunkte dieser Art können sich etwa daraus ergeben, dass ein Asylbewerber zwar
Vorstandsmitglied eines PKK-Vereins ist, aber nicht erkennbar ist, dass er dort mehr als nur
untergeordnete Aufgaben zu erfüllen hat, also nur eine passiv-untergeordnete Stellung
einnimmt. Entsprechende Anhaltspunkte bestehen auch bei Vereinsvorständen, deren
59
60
61
62
63
64
65
66
67
Mitglieder auffällig häufig wechseln.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 10. April 2002 - 8 A 2745/98.A - aa0..
So liegen die Dinge indessen hier. Wie bereits dargelegt, erschöpfen sich die Aktivitäten
der Klägerin allenfalls in der Befolgung von Anregungen, Empfehlungen und Weisungen
Dritter, als eigenständiger politischer Ideenträger kann die Klägerin kaum in Erscheinung
treten. Wie sich dem beigezogenen "historischen" Vereinsregisterauszug entnehmen lässt,
sind die Vorstandsmitglieder des Vereins seit seiner Gründung in nicht unerheblichem
Umfang ausgetauscht worden. Es drängt sich der Eindruck auf, als fungiere der Verein
neben seinen sonstigen Satzungstätigkeiten auch als Instrument zur Beschaffung von
Aufenthaltstiteln unter der Flagge exilpolitischer Tätigkeiten. Dafür sprechen auch die
hektographierten Formularbescheinigungen, die der Verein für seine "aktivsten" Mitglieder
ausstellt. Nicht weiter kommentieren möchte das Gericht die mit Schriftsatz vom 29.
Dezember 2004 eingereichte Bescheinigung des Vereins vom 27. Dezember 2004, in der
unmissverständlich formuliert wird, dass eine Abschiebung der Klägerin unter den Kurden
in Deutschland Proteste "verbreiten" könne.
Ist damit der Asylantrag der Kläger (auch im Folgeverfahren) zu Recht abgelehnt worden,
liegen auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vor. Das Leben oder die
Freiheit der Kläger sind aus den vorangehenden Erwägungen nicht wegen der in dieser
Vorschrift genannten Merkmale bedroht.
Die Klage gegen Nr. 4 des Bescheides der Beklagten vom 00.00.0000 ist ebenfalls nicht
begründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die von der Beklagten verfügte Ausreiseaufforderung und
Abschiebungsandrohung stehen im Einklang mit der hier maßgeblichen Gesetzes- und
Rechtslage. Über asylverfahrensabhängige oder asylverfahrensunabhängige Bleiberechte
verfügen die Kläger nicht. Entsprechende Abschiebungsverbote (vgl. § 60 Abs. 2 bis 7
AufenthG) - sind nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO in Verbindung mit § 83 b
Abs. 1 AsylVfG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zugelassen wird. Die Zulassung
ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht
Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg,
59818 Arnsberg) zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In
dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
oder 2. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des
Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht
oder 3. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt.
Vor dem Oberverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt,
durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
68
69
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Das gilt auch
für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Juristische Personen des öffentlichen Rechts
und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum
Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
Dem Antrag sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.