Urteil des VG Arnsberg vom 02.07.2007

VG Arnsberg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, zirkus, behörde, unterbringung, pflege, halter, tierschutzgesetz, ernährung, wasser

Verwaltungsgericht Arnsberg, 14 L 518/07
Datum:
02.07.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 L 518/07
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
1
Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 27. Juni 2007 gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. Juni 2007 wiederherzustellen und
diesem vorläufig - bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens bzw. eines sich
daran anschließenden Klageverfahrens - aufzugeben, die beiden indischen
Elefantenkühe Indra und Rekka in ihren Gewahrsam zurück zu verbringen,
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bleibt ohne Erfolg.
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Der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners gerichtete Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Mit der Anordnung der sofortigen
Vollziehung der Fortnahmeverfügung in der streitigen Verfügung gemäß § 80 Abs. 2 Nr.
4 VwGO wurde die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich normierte
aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs zunächst durch den Antragsgegner beseitigt.
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Hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung der Antragstellerin aufgegebenen Duldung
des Betretens ihres Betriebsgeländes („Sommerquartiers") durch Bedienstete des
Antragsgegners zum Zwecke des Vollzugs der Fortnahmeverfügung ist der Antrag
schon unzulässig. Insoweit hat die Antragstellerin an der Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach der Anwendung des unmittelbaren
Zwangs am Abend des 26. Juni 2007 kein Rechtsschutzinteresse mehr. Denn die
Duldungsverfügung hat sich insoweit erledigt.
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Bezogen auf die Fortnahmeverfügung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 25.
Juni 2007 ist der statthafte Antrag jedoch zulässig. Diese hat sich insbesondere nicht
durch den auf Veranlassung des Antragsgegners erfolgten Abtransport der Tiere von
dem derzeitigen „Sommerquartier" des von der Antragstellerin betriebenen Zirkus „B. „ in
X. „B1. I. „ an einen anderen Unterbringungsort erledigt. Denn bei der Fortnahme
handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil sein Regelungsgehalt
sich nicht mit dem Wegschaffen der Tiere erledigt, sondern auch den Rechtsgrund für
die auf längere Zeit angelegte öffentlich- rechtliche Verwahrung darstellt. Ist die den
Anforderungen des § 2 des Tierschutz- gesetzes (TierSchG) entsprechende Haltung
des Tieres durch den Halter sicher- gestellt, muss die Behörde vom Amts wegen das
Verwahrungsverhältnis beenden und das Tier zurückgeben.
7
Vgl. Kluge, Tierschutzgesetz, Kommentar, 2002, Rdnr. 22 zu § 16 a TierSchG.
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Sofern die Antragsgegnerin nach dem erfolgten Vollzug der Fortnahmeverfügung
nunmehr sinngemäß die Rückgabe der Tiere in ihren Gewahrsam begehrt, ist der
Antrag als Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO
zulässig.
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Vgl. Kluge, TierSchG, a.a.O., Rdnr. 27 zu § 16 a TierSchG.
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Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
11
Zunächst hat der Antragsgegner das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der
Fortnahmeverfügung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO
entsprechenden Weise begründet. Denn seine diesbezüglichen Ausführungen
beziehen sich auf den vorliegenden Einzelfall, insbesondere den akuten
Gesundheitszustand der Elefantenkühe, und gehen damit über eine rein formelhafte
Begründung hinaus.
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In materieller Hinsicht fällt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO
durchzuführende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus, weil ihr
Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gegen die Fortnahmeverfügung nicht das öffentliche Interesse an deren Sofortvollzug
überwiegt. Die summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit der Fortnahmeverfügung, die
innerhalb der Interessenabwägung vorzunehmen ist, ergibt, dass diese offensichtlich
rechtmäßig ist. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 16 a Satz 1, Satz 2 Nr. 2 TierSchG.
Nach Satz 1 trifft die Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur
Verhütung künftiger Verstöße erforderlichen Maßnahmen. Sie kann nach Satz 2 Nr. 2
insbesondere ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels
Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder
schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fort nehmen und so lange
auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des
§ 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist
eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung
durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG
entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das
Tier veräußern; die Behörde kann das Tier auf Kosten des Halters unter Vermeidung
von Schmerzen töten lassen, wenn die Veräußerung des Tieres aus rechtlichen oder
tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder das Tier nach dem Urteil des beamteten
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Tierarztes nur unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden
weiterleben kann.
Die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Fortnahme und anderweitige
pflegliche Unterbringung der Elefantenkühe sind hier erfüllt. Nach den im vorliegenden
summarischen Verfahren zur Verfügung stehenden Erkenntnissen ist der Antragsgegner
zu Recht davon ausgegangen, dass die Tiere mangels Erfüllung der Voraussetzungen
des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt waren. Wer ein Tier hält, betreut oder zu
betreuen hat, muss nach dieser Vorschrift das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen
entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (Nr.
1), darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken,
dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (Nr. 2)
und muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte
Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (Nr. 3).
Diesen Anforderungen ist die Antragstellerin bei der Haltung der beiden Elefantenkühe
ganz ersichtlich nicht gerecht geworden. Zu einer angemessenen Ernährung gehören
drei Voraussetzungen: 1. die Deckung des physiologischen Bedarfs an Nahrungsstoffen
(wie Wasser, Kohlehydrate, Proteine, essentielle Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe,
Spurenelemente, Ballaststoffe), 2. eine Darreichungsform, die das mit der
Nahrungssuche und -aufnahme verbundene Beschäftigungsbedürfnis befriedigt, indem
sie die zu dem betreffenden Funktionskreis gehörenden Verhaltensabläufe ermöglicht
und 3. die Gewährleistung der gleichzeitigen Nahrungsaufnahme bei sozial lebenden
Tierarten. Zu dem in Nummer 1 der Vorschrift enthaltenen Pflegegebot zählen unter
anderem 1. die Ermöglichung der Eigenkörperpflege einschließlich der sozialen
Hautpflege, 2. die regelmäßige Überwachung sowie 3. alles das, was der allgemeine
Sprachgebrauch unter einer guten Behandlung versteht.
14
Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2007, Rdnrn. 16, 24
zu § 2 TierSchG; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF
3/90 -, in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 101, 1ff.
15
Nach § 2 Nr. 2 TierSchG darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung
(Lokomotion) als einziges seiner Bedürfnisse Einschränkungen bis zur Schmerz-
/leidensgrenze unterworfen werden. Auch wenn es - wie hier - für die Tierhaltung im
Zirkus nicht selten unabdingbar sein wird, die Freiheit zur Fortbewegung
einzuschränken, gilt doch ein uneingeschränktes Verbot der Zufügung von Schmerzen.
Die Verursachung von einfachen Schmerzen markiert für Bewegungseinschränkungen
eine absolute Grenze. Ein eingeschränktes Verbot gilt für die Zufügung von Leiden oder
Schäden. Verursacht die Einschränkung der Bewegung zwar keine Schmerzen, aber
Leiden oder Schäden, so begründet dies eine Rechtswidrigkeit, soweit diese Folgen
vermeidbar sind.
16
Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., Rdnr. 38 f zu § 2 TierSchG.
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Der Antragsgegner hat für das Gericht nachvollziehbar sinngemäß erhebliche Verstöße
gegen die Nummern 1 und 2 festgestellt. Welche Anforderungen ausgehend von der
Vorschrift des § 2 TierSchG an die Haltung und Betreuung von Elefanten in
Zirkusbetrieben zu stellen sind, ist im Detail rechtlich nicht geregelt. Soweit die
Vorschrift eine der Art und den Bedürfnissen der Tiere entsprechende Haltung und
Betreuung erfordert, handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der
Konkretisierung durch die Gerichte bedürfen. Die danach zu stellenden Anforderungen
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sind daher bezogen auf jede Tierart festzulegen. Dies bedeutet im vorliegenden Fall,
dass die Haltungs- und Betreuungsbedingungen für Elefanten vom Gericht zu ermitteln
sind. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei Elefanten grundsätzlich
um Wildtiere handelt, die in freier Wildbahn vorgefundenen natürlichen
Lebensbedingungen einer Haltung der Tiere in Gefangenschaft aber aus
naheliegenden Gründen nicht zugrunde gelegt werden können. Des Weiteren ist hier
die Besonderheit zu beachten, dass die Tiere in einem Zirkus gehalten werden. Die an
die Haltung und Betreuung zu stellenden Anforderungen sind daher unter
Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse von Zirkusbetrieben (beispielsweise
häufiger Transport der Tiere, begrenzte räumliche Verhältnisse, Arbeit der
Zirkusbediensteten mit den Tieren) zu bestimmen. Dabei bedient sich das erkennende
Gericht im vorliegenden Fall als Orientierungs-/Auslegungs- und Entscheidungshilfe der
Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder
ähnlichen Einrichtungen vom 4. August 2000 (im Internet unter:
http://www.bmelv.de/cln_045/nn_753/38/DEI07-
SchutzderTiere/Tierschutz/GutachtenLeitlinien/HaltungZirkustiere.html-nnn=true), die
vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
herausgegeben wurden. Diese sind von einem Sachverständigengremium entwickelt
worden, das sich aus der Tierärztlichen Vereinigung Tierschutz, dem Berufsverband der
Tierlehrer, der Bundestierärztekammer, dem Verband der Zirkusdirektoren, der
deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft und dem Bündnis Tierschutz
zusammensetzt und vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft einberufen wurde.
Vgl. allgemein zur Anwendbarkeit von Leitlinien, die zur Konkretisierung der
unbestimmten Rechtsbegriffe des § 2 TierSchG erlassen worden sind:
Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2007, Rdnr. 44 zu § 2
TierSchG; zu den Zirkusleitlinien im Besonderen: Rdnr. 69 des Anhangs zu § 2
TierSchG.
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Für die Haltung und Betreuung von Elefanten, die - wie hier - in Zirkusbetrieben leben,
enthalten diese konkret in Nummer V Beurteilungshilfen. Danach ist unter Anderem
Folgendes zu beachten: Bei der Aufstallung der Tiere unter anderem darauf zu achten,
dass Urin und Wasser ungehindert ablaufen können. Bei der Paddockhaltung muss der
Paddock so groß sein, dass die Tiere sich ungehindert bewegen können. Für bis zu 3
Elefanten muss das Gehege mindestens 250 qm groß sein. Hauptfuttermittel ist Heu, im
Sommer ergänzt durch Gras. Die diätische Ergänzung und zusätzliche Beschäftigung
der Tiere, die wild lebend etwa zwei Drittel des Tages mit der Nahrungsaufnahme
beschäftigt sind und in deren Tagesablauf die Pflege der empfindlichen Haut, Baden,
Suhlen im Schlamm, Bewerfen mit Sand sowie das Scheuern an Bäumen oder Felsen
ein wichtiger Bestandteil ist, wird durch Äste und frisches Laub erreicht. Hinzu kommen:
Kraftfutter (Hafer,Kleie), Obst und Gemüse. Hinsichtlich der Pflege und
Gesundheitsüberwachung sollen Elefanten mindestens einmal täglich abgespritzt
werden. Bei kalter Witterung kann dies durch Waschen verschmutzter Körperstellen und
Bürsten der Haut ersetzt werden. Regelmäßige Fußpflege, die das Schneiden und
Feilen der Nägel, das Abschälen sich ablösender Sohlenbereiche und das Einfetten
des Nagelbettes beinhaltet, ist notwendig. Durch tägliches Bürsten kann das Verkrusten
der Haut unterbunden werden. Täglich sollen alle Tiere, abgesehen von der Zeit, die sie
in der Vorstellung verbringen, mindestens eine Stunde trainiert, ausgebildet oder
beschäftigt werden.
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Unter Berücksichtigung dieser Richtlinien ist der Antragsgegner zunächst zu Recht
davon ausgegangen, dass die Antragstellerin die Elefanten nicht ihrer Art entsprechend
angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht hat.
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Hinsichtlich des Ernährungszustandes haben die Bediensteten des Antragsgegners bei
ihren Kontrollen vor Ort festgestellt, dass die Elefanten mit großen Mengen an Brötchen,
Brotlaiben und zum Teil verpilzter Silage (festgestellt anlässlich des
Untersuchungsdatums am 31. Mai 2007 durch Frau I1. -C. ) gefüttert wurden. Ersichtlich
ist die zur Vitaminzufuhr erforderliche Fütterung von frischem Obst durch die
Antragstellerin zumindest nicht ausreichend erfolgt. Soweit die Antragstellerin darauf
verweist, die Tiere seien ihren Bedürfnissen entsprechend ernährt worden und frisches
Obst werde jeweils sofort nach dem Erwerb verfüttert, um ein Verderben zu vermeiden,
rechtfertigt dies keine andere Beurteilung, weil allein durch diese subjektive Sichtweise
die tatsächlichen Feststellungen des Antragsgegners vor Ort nicht in Frage gestellt
werden. Denn zum Ernährungszustand der Tiere hat die vom Antragsgegner
zugezogene Tierärztin für Zootiere, Frau DVM I1. -C. aufgrund der Untersuchung der
Tiere vom 31. Mai 2007 in ihrem Gutachten vom 18. Juni 2007 dargelegt, dass dieser
betreffend Indra sehr schlecht und betreffend Rekka nur mäßig ist. Das belegt in
bedauernswert eindrucksvoller Weise, dass entgegen der Annahme der Antragstellerin
eben keine angemessene Ernährung der Elefanten erfolgt ist.
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Ebenso verhält es sich mit dem Pflegezustand der Tiere, der ganz erhebliche Defizite
aufweist, die sich in bereits erheblicher Weise auf den Gesundheitszustand der Tiere
ausgewirkt haben. Die oben beschriebenen Haut- und Fußpflegemaßnahmen sind
ersichtlich von der Antragstellerin nicht in dem erforderlichen Umfang vorgenommen
bzw. veranlasst worden. Denn hierzu hat die Fachtierärztin für Zoo- Wild- und
Gehegetiere Frau I1. -C. am 31. Mai 2007 anlässlich einer Untersuchung festgestellt,
dass bei der Elefantenkuh Indra die Haut stark ungepflegt ist. Massive tiefe
Hautverkrustungen stellte sie besonders an beiden Hinterbeinen sowie borkige und
rissige Haut am gesamten Körper fest. Als Ursache verwies sie auf Urinbeimengungen
sowie fehlende Bade- und Pflegmaßnahmen. Auch bei der Elefantenkuh Rekka stellte
die Tierärztin eine Verkrustung der gesamten Haut fest, wobei besonders an den
Innenflächen der Hinterbeine urinverkrustete, verfärbte Hautstellen zu finden waren. Bei
beiden Tieren waren die Fußsohlen stark zerklüftet, rissig, mit Löchern durchsetzt, faulig
und zeigten unterschiedliche Sohlendicken. Dies war nach dem Gutachten der
Tierärztin darauf zurückzuführen, dass die beiden Elefanten über einen längeren
Zeitraum auf mit Kot und Urin verschmutzten nassen Standflächen gehalten wurden.
Darüber hinaus wies die Elefantenkuh Rekka sogar Dekubitusstellen (Liegegeschwüre)
und Hautwunden auf.
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Diesen Befunden entsprechen auch die örtlichen Gegebenheiten in der nunmehr auch
als Sommerquartier dienenden Fabrikhalle. Dort mussten die Elefanten auf dem
Steinboden mit Teilholzpodest stehen, ohne dass ein ordnungsgemäßer Ablauf des von
ihnen abgesetzten Urins gewährleistet gewesen ist. Denn diesbezüglich war in den
Boden der Halle ein Loch zum Abfließen des Harns gebohrt worden. Die vorgefundenen
Verhältnisse in der Elefantenhaltung und der Zustand der Tiere hat der Antragsgegner
darüber hinaus in einer umfangreichen Bilddokumentation für das Gericht anschaulich
und nachvollziehbar dargelegt. Nach dem Inhalt des Vermerks über die Kontrolle am 31.
Mai 2007 äußerte der Ehemann der Antragstellerin gegenüber den an der Überprüfung
beteiligten Personen (Dr. C1. , Dr. I1. , Herr C2. ) seinen Unmut darüber, dass die Tiere
so viel Wasser lassen würden und er der Pfützen nicht Herr werde. Auf den Zustand der
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Fußsohlen angesprochen, gab er an, sein Sohn und er seien Experten für Fußpflege
und nichts sei schlimmer als Fußsohlen, von denen die Hornhaut heruntergeholt werde,
weil beim anschließenden Laufen auf hartem Untergrund erst die richtigen Schäden
entstehen würden. Ein Abspritzen der Elefanten werde gar nicht mehr vorgenommen,
das Wasser und die Lufttemperaturen seien viel zu kalt. Das mache er - der Ehemann
der Antragstellerin - nur an einem heißen Tag im Sommer. All dies belegt, dass sowohl
bei der Antragstellerin, die die Pflege der Elefanten offenbar weitgehend ihrem
Ehemann überlassen hat, als auch bei diesem trotz der sichtbaren gesundheitlichen
Schäden der Elefantenkühe (Zustand der Haut, offene Wunden, Liegegeschwüre,
Konjunktivitis) keinerlei Einsicht für die bestehenden Defizite in den
Haltungsbedingungen besteht. So ist es auch für das Gericht nicht ansatzweise
nachvollziehbar, aus welchen Gründen ein Abspritzen der Tiere mit Wasser selbst Ende
Mai bei Temperaturen von ca. 20°C nicht durchgeführt wurde. Den schlechten
Ernährungszustand, den die Tierärztin der Elefantenkuh Indra bescheinigt hat, versucht
die Antragstellerin allein mit dem Zahnwechsel (ausgefallener Backenzahn) zu
begründen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass auch die
hier vorgefundene Entwicklung einen zeitlichen Vorlauf beansprucht und sie nicht von
einem auf den anderen Tag eintritt. Bezeichnend ist es für das Gericht auch, dass der
Antragstellerin offenbar bereits am 24. Mai 2007 aufgefallen war, dass die Elefantenkuh
Indra so schlecht gefressen und stark abgenommen habe, ohne jedoch der Ursache für
diese Auffälligkeiten - auch mit tierärztlicher Hilfe - nachzugehen. Auf den anlässlich der
Kontrolle am 25. Mai 2007 vorgefundenen Backenzahn angesprochen, zeigte die
Antragstellerin sich erstaunt und meint nunmehr, allein darin den Grund für den
schlechten Ernährungszustand ausgemacht zu haben. Dies lässt deutlich erkennen,
dass die Antragstellerin gesundheitliche Probleme bei ihren Elefanten nicht hinreichend
realisiert und ernst nimmt.
In bedauernswerter Weise besonders eindrucksvoll ist indes der Umstand, dass die
Tiere nach den Feststellungen der Tierärztin I1. -C. beim Ablegen und Aufstehen große
Probleme haben, die durch Schmerzen, fehlende Muskulatur und die Angst (natürlicher
Instinkt), nicht wieder aufstehen zu können bedingt sind. Ursächlich hierfür ist unter
Anderem eine ausgeprägte Muskeldystrophie bei beiden Tieren. Dies lässt aber allein
den Schluss zu, dass die Möglichkeit der Tiere zu artgemäßer Bewegung so
eingeschränkt wurde, dass ihnen Schmerzen und vermeidbare Leiden zugefügt wurden.
Bei der Rückbildung von Muskulatur handelt es sich nämlich auch nicht um einen
Vorgang, der sich innerhalb kürzester Zeit entwickelt. Vielmehr ist aufgrund des
konkreten gesundheitlichen Zustandes der Tiere ersichtlich, dass diese schon seit
längerer Zeit in ihrer Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt waren. Die Beobachtungen
der Bediensteten des Antragsgegners (Bodenbeschaffenheit des vermeintlichen
Auslaufgeländes) sprechen als Indizien gegen einen regelmäßigen Auslauf der
Elefantenkühe. Die Kammer verweist im Übrigen auf die Erkenntnisse, die sie im
Verfahren 14 L 35/07 gewonnen hat. Gegenstand jener Sache waren die
Haltungsbedingungen der beiden Elefantenkühe im Januar diesen Jahres in I2. , die
Grundlage für eine umfangreiche tierschutzrechtliche Ordnungsverfügung des
Oberbürgermeisters der Stadt I2. vom 14. Dezember 2006 gewesen ist. Diese wurde
zwischenzeitlich ebenso bestandskräftig wie weitere Verfügungen von
Tierschutzbehörden, in deren Zuständigkeitsbereich sich die Antragstellerin mit ihrem
Zirkus B. in der Vergangenheit aufhielt. Beispielhaft genannt seien hier die jeweils
bestandskräftigen Ordnungsverfügungen des Landrats des Kreises V. vom 15. März
1991 und des Landrats des Kreises D. vom 30. Juni 2000 sowie des
Oberbürgermeisters der Stadt I2. vom 14. Dezember 2006.
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Ausgehend von den Erkenntnissen aus den Verwaltungsvorgängen des
Antragsgegners, in denen jeweils in Vermerkform die vorgefundenen Verhältnisse
anlässlich verschiedener Kontrollen dokumentiert sind, ist die Darstellung der
Antragstellerin und des von ihr zur Betreuung der Tiere in Anspruch genommenen
Ehemannes nicht glaubhaft, wonach den Elefanten hinreichender Auslauf gewährt
worden ist. Die in der Örtlichkeit jeweils vorgefundenen Verhältnisse lieferten vielfach
jedenfalls keine Hinweise auf einen Geländebetritt durch Elefanten.
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Das Gericht ist im Übrigen der Überzeugung, dass es schon seit längerem an der
Bereitschaft der Antragstellerin und der von ihr herangezogenen Betreuungspersonen
fehlt, die durch die in der Vergangenheit jeweils zuständig gewesenen
Tierschutzbehörden festgestellten Missstände effektiv zu beseitigen. Denn die
Antragstellerin und ihr Ehemann haben sich dem Vollzug der verschiedenen
Ordnungsverfügungen häufig dadurch entzogen, dass sie in den Zuständigkeitsbereich
einer anderen Behörde weiter gezogen sind, ohne die bisher zuständige
Tierschutzbehörde zu informieren. Von einer hinreichenden Bereitschaft zur
Zusammenarbeit mit den Behörden kann daher keine Rede sein. Diese Erfahrung hat
das erkennende Gericht im Übrigen selbst im Rahmen des bereits erwähnten
vorläufigen Rechtschutzverfahrens 14 L 35/07 gemacht. Nachdem die Berichterstatterin
seinerzeit einen Termin vor Ort für den 29. Januar 2007 anberaumt hatte und die
Antragstellerin über ihren Verfahrensbevollmächtigten Kenntnis von diesem Termin
erlangt hatte, erhielt die Berichterstatterin am 24. Januar 2007 fernmündlich Nachricht
von Bediensteten des damals zuständigen Oberbürgermeisters der Stadt I2. , wonach
die Tiere ohne seine Kenntnis an einen anderen Ort verbracht worden seien. Einer
Inaugenscheinnahme der Haltungsverhältnisse durch das Gericht haben die
Antragstellerin und ihr Ehemann seinerzeit dadurch die Grundlage entzogen.
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Die erheblichen Defizite in der Haltung der Elefantenkühe im Hinblick auf die
Anforderungen des § 2 TierSchG und die daraus resultierenden Vernachlässigungen
der Tiere sind auch von dem beamteten Tierarzt Dr. I3. in den Verwaltungsvorgängen
des Antragsgegners hinreichend dargelegt. Dieser ist auch zu Recht - insbesondere
aufgrund der langjährigen Vorgeschichte - davon ausgegangen, dass eine den
Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung der Elefanten durch die
Antragstellerin derzeit nicht zu erwarten ist. Diese Einschätzung ist schon deshalb
gerechtfertigt, weil die Antragstellerin den verschiedenen tierschutzrechtlichen
Ordnungsverfügungen in der Vergangenheit nicht hinreichend Folge geleistet und deren
Durchsetzung jeweils durch Fortzug verhindert.
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Dass der Antragsgegner die Verfügung nur gegenüber der Antragstellerin erlassen hat,
steht ihrer Rechtmäßigkeit nicht entgegen. Die Anordnung, eine Fortnahme von Tieren
zu dulden und die Kosten hierfür zu tragen, kann gegenüber jeder Person ergehend, die
das Tier hält, betreut oder zu betreuen hat.
29
Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., Rdnr. 15 zu § 16 a TierSchG.
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Die entspricht allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen, nach denen die Behörde
aus dem Kreis mehrerer Störer einen Pflichtigen im Rahmen einer Ordnungsverfügung
auswählen kann. Dass die streitige Ordnungsverfügung ausschließlich an die
Antragstellerin gerichtet ist, obwohl ihr Ehemann offenbar stark in die Haltung der
Elefanten eingebunden ist, begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken. Die
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Antragstellerin ist zumindest Mitbetreiberin des Zirkus und daher tierschutzrechtlich
Pflichtige.
Auch im Übrigen liegen keine Umstände vor, die ein überwiegendes
Suspensivinteresse der Antragstellerin zu begründen vermögen. Die
Fortnahmeverfügung stellt sich insbesondere auch unter Berücksichtigung der
Besonderheiten des Einzelfalls als verhältnismäßig dar. Die anderweitige
Unterbringung der Tiere ist geeignet, eine den Anforderungen des § 2 TierSchG
entsprechende Haltung zu gewährleisten. Sie ist auch erforderlich, um weitere
gesundheitliche Schäden von den Tieren abzuwenden. Schließlich ist die Fortnahme
auch verhältnismäßig im engeren Sinne, weil der damit für die Antragstellerin
verbundene Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zum erzielten Zweck steht.
Dabei verkennt die Kammer zunächst nicht, dass die Anforderungen an eine artgerechte
Haltung von Wildtieren, insbesondere auch Elefanten in Zirkusbetrieben, aufgrund
verschiedener Umstände, unter anderem auch unzureichender finanzieller Verhältnisse,
oft nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. So ist die Thematik der Haltung,
Ausbildung und Nutzung von Tieren im Zirkus am 8. November 2006 Gegenstand einer
Anhörung im Agrarausschuss des Deutschen Bundestages gewesen (vgl.
Ausschussdrucksache 16 (10)264-C)), weil Überlegungen im politischen Raum
bestanden, die Haltung bestimmter Wildtiere in Zirkusbetrieben gar nicht mehr
zuzulassen. Dabei sind insbesondere auch die oft nur unzureichende Umsetzung der
Anforderungen des § 2 TierSchG bei der Haltung von Wildtieren im Zirkus und die
bereits dargestellten Leitlinien zur Sprache gekommen. In diesem Zusammenhang ist
jedoch darauf zu verweisen, dass in den bereits genannten Leitlinien schon die
Besonderheiten der Haltung von Tieren in Zirkusbetrieben Berücksichtigung gefunden
hat. Hinter diesen Leitlinien bleiben die Haltungsbedingungen der beiden
Elefantenkühe durch die Antragstellerin jedoch weit zurück. Schließlich lässt der
bedenkliche gesundheitliche Zustand der Tiere keinen weiteren Verbleib in dem
Zirkusbetrieb der Antragstellerin zu. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass
die beiden Elefantenkühe maßgeblich der Sicherstellung der Erwerbsgrundlage der
Antragstellerin und ihres Ehemannes dienen. Denn in diesem Spannungsfeld zwischen
den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin einerseits und dem Interesse am
effektiven Tierschutz andererseits muss das gesetzliche Interesse an einem Schutz der
Tiere vor körperlichen Leiden und tierschutzwidrigen Bedingungen, wie er sogar in Art.
20 a des Grundgesetzes (GG) als besonderes Staatsschutzziel zum Ausdruck
gekommen und bundesgesetzlich im Tierschutzgesetz normiert worden ist, gegenüber
dem Interesse der Antragstellerin abgewogen werden. In diesem Zusammenhang
bedeutet aber selbst die Fortnahme der Tiere keinen gesetzwidrigen Eingriff in das
Recht der Antragstellerin in ihrer Berufsfreiheit oder in einen eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb. Denn auch bei der Ausübung ihres Berufs und ihres
Zirkusbetriebes ist die Antragstellerin an die gesetzlichen Bestimmungen gebunden,
welche die Freiheit der Berufsausübung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise
beschränken.
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Auch die seit dem Jahr 1968 bestehende, nahezu vierzigjährige Zugehörigkeit der
Elefantenkühe zum Zirkusbetrieb der Antragstellerin bzw. entsprechender im
Familienbesitz befindlicher Vorgängerbetriebe steht der Fortnahme nicht entgegen. Dies
ergibt sich schon daraus, dass gegenüber der Antragstellerin und ihrem Ehemann in der
Vergangenheit immer wieder tierschutzrechtliche Anordnungen erlassen werden
mussten, um bei der Haltung der Elefantenkühe ein Mindestmaß an Tierschutz auch in
dem Zirkusbetrieb zu gewährleisten. Diese - zumeist auf der Grundlage des § 16 a Abs.
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1 Satz 1 TierSchG erlassenen - Anordnungen haben indes nicht zum Erfolg geführt.
Anhand der Erkenntnisse aus den Verwaltungsvorgängen und in der
Antragsbegründung bezweifelt das Gericht im Übrigen, ob bei der Antragstellerin und
den von ihr zur Hilfe genommenen Betreuungspersonen überhaupt die Einsicht
vorhanden ist, dass ganz erhebliche Defizite in der Haltung ihrer Elefanten bestehen
und diese bereits unter Ernährungs-, Haut- und Herz/Kreislauf-Problemen leiden.
Insgesamt drängt sich dem Gericht hier der Eindruck auf, dass es hinsichtlich der
Elefantenhaltung bei der Antragstellerin nicht nur Versäumnisse in der praktischen
Umsetzung, sondern auch erhebliche Wissenslücken in den theoretischen Kenntnissen
der Elefantenhaltung gibt.
Das Vorbringen der Antragstellerin, finanziell nicht für die Kostenübernahme der
anderweitigen Unterbringung aufkommen zu können, führt gleichfalls nicht zu einem
überwiegenden Suspensivinteresse. Denn hinsichtlich der Kostenpflicht sieht das
Gesetz in § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG bereits vor, dass der Halter oder Betreuer
Schuldner für die durch die Fortnahme und anderweitige Unterbringung entstandenen
Kosten ist.
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Gegen das überwiegende öffentliche Vollzugsinteresse spricht auch nicht, dass der
Antragsgegner, wie die Antragstellerin meint - vorausgesetzt seine Behauptungen träfen
zu - den Zustand selbst herbeigeführt habe, weil dieser die während der vergangenen
Monate bestehende Möglichkeit nicht genutzt habe, durch entsprechende Anordnungen
für eine eventuelle Beseitigung von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz zu sorgen.
Dabei übersieht die Antragstellerin, dass bereits mehrere bestandskräftige
Ordnungsverfügungen wegen der Elefantenhaltung gegen sie und ihren Ehemann
erlassen wurden. Dass es bei Verstößen gegen die in den Ordnungsverfügungen
getroffenen Regelungen nicht zu Zwangsmitteln gekommen ist, hat seine Ursache
vorrangig im Verhalten der Antragstellerin und ihres Ehemannes, weil diese sich
zumeist umgehend nach Erlass der Verfügungen aus dem jeweiligen
Zuständigkeitsbereich der Tierschutzbehörde begeben haben.
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Schließlich führen auch die von der Antragstellerin am 2. Juli 2007 persönlich zur
Verfahrensakte überreichten Bilder, Zeitungsberichte und der Backenzahn der
Elefantenkuh zu keiner anderen Beurteilung. Dass der Ernährungs- und Pflegezustand
in der Vergangenheit ein besserer gewesen sein mag, als im aktuellen
Untersuchungsbefund festgestellt, führt nicht zu einer Relativierung der festgestellten
Missstände.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Streitwert ist gemäß § 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes
(GKG) auch angesichts der Vorläufigkeit des Verfahren mit Rücksicht auf das
wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin am Ausgang des vorliegenden Verfahrens
mit 5.000,00 Euro ausreichend und angemessen festgesetzt.
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39