Urteil des VG Arnsberg vom 26.09.2001

VG Arnsberg: eingriff, wiederherstellung des früheren zustandes, landschaft, kultur, grundstück, genehmigung, anpflanzung, zerstörung, ortschaft, käufer

Verwaltungsgericht Arnsberg, 1 K 4747/99
Datum:
26.09.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 4747/99
Tenor:
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die
Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
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Die Kläger, die eine Baumschule betreiben, sind seit April 1998 Pächter des
Grundstücks G1 mit einer Größe von ca. 1,4 ha. Das Grundstück, das ursprünglich als
Grünland genutzt wurde, liegt inmitten eines weiträumigen, landwirtschaftlich genutzten
Raumes nördlich der Ortschaft T. und südlich der bewaldeten Höhen des B. Waldes.
Etwa 100 m südwestlich des Grundstücks befindet sich eine schon länger bestehende
Weihnachtsbaumkultur. Der überwiegende Teil des Grundstücks gehört zu dem im
Biotopkataster Nordrhein-Westfalen erfassten Biotop Nr. 0000-000.
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Nach den Feststellungen des Beklagten bei einer Ortsbesichtigung vom 25. Juni 1998
findet sich auf dem Grundstück anmooriger Boden. Dies zeigte sich daran, dass der
freigelegte Oberboden größtenteils aus Humus in unterschiedlichen Zersetzungsgraden
bestand und das häufig oberflächlich anstehende Wasser eine durch Huminsäure
hervorgerufene dunkle Braunfärbung aufwies.
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Im Frühjahr 1998 bepflanzten die Kläger das Grundstück mit Nordmanntannen im
Verbund von 0,8 x 0,5 m und einigen Reihen Rotfichten. In den Jahren 1999 und 2000
bepflanzten sie weitere unmittelbar angrenzende Flächen in einer Größe von
zusammen etwa 9,2 ha mit unterschiedlichen Nadelhölzern. Diese Anpflanzungen sind
Gegenstand der Klagen 1 K 172/00 und 1 K 3017/00.
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Nach Anhörung der Kläger forderte der Beklagte sie mit Ordnungsverfügung vom 11.
Juni 1999 auf, bis zum 31. Dezember 1999 die auf dem Grundstück in der Gemarkung
G1 angelegte Nadelholzkultur vollständig von der Fläche zu entfernen. Für den Fall,
dass sie der Forderung nicht oder nur teilweise nachkommen sollten, drohte der
Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 DM an. Zur Begründung verwies der
Beklagte auf sein Anhörungsschreiben, in dem er im Wesentlichen ausgeführt hatte: Die
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Anlage der Nadelholzkultur stelle einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne von §
4 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft
(Landschaftsgesetz - LG -) dar. Nach § 4 Abs. 2 Ziffer 10 LG unterliege die Neuanlage
von Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen außerhalb des Waldes grundsätzlich
der Eingriffsregelung. Hiervon seien lediglich „Baumschulen" ausgenommen. Mit
Baumschulen in diesem Sinne könnten nur solche Kulturen gemeint sein, die den
Naturhaushalt oder das Landschaftsbild weniger belasteten als „normale"
Weihnachtsbaumkulturen. Dies treffe für so genannte Sortimentsbaumschulen zu, die
sich mit einem breit gefächerten Angebot an die Endverbraucher wendeten. Sie seien
durch ein großes Spektrum an angebotenen Gehölzarten gekennzeichnet und
erschienen insbesondere durch die dazu gehörenden verschiedenen Laubgehölze im
Landschaftsbild als relativ kleinstrukturierte, vielfältige Flächen, die sich auch
jahreszeitlich unterschiedlich präsentierten. Ihre Weihnachtsbaumproduktion habe -
soweit sie überhaupt stattfinde - nur einen verschwindend geringen Anteil am
Betriebsablauf und könne deshalb vernachlässigt werden. Großflächige, artenarme
Kulturen der Spezialbetriebe, die in der Regel ein sehr eng begrenztes Spektrum von
Gehölzen - fast durchweg Nadelgehölze - für den Vertrieb an Zwischenhändler
anbauten, seien damit nicht vergleichbar. In diesen Fällen finde meist eine beachtliche
Produktion von Weihnachtsbäumen statt. Solche großflächigen Kulturen seien sehr
produktionsmittelaufwendig, da Herbizide und Insektizide eingesetzt werden müssten.
Mit der Entnahme von Wurzelballen werde darüber hinaus die im Sauerland meist nur
geringmächtige Humusauflage verringert, so dass tendenziell die wichtigen Funktionen
des Bodens im Naturhaushalt gestört würden. Der Boden erleide unter intensiv
bewirtschafteten Nadelholzkulturen mit hohem Herbizideinsatz durch Veränderung der
Tonmineralkomplexe und des Basengehaltes erhebliche, nachhaltig wirkende
Schädigungen, wie sie unter extensiv genutzten Weihnachtsbaumkulturen nicht
festzustellen seien. Unter die Unberührtheitsklausel des § 4 Abs. 2 Nr. 10 LG fielen
deshalb diese großflächigen Nadelholzkulturen nicht, sondern nur die so genannten
Sortimentsbaumschulen. Die hier betroffene Kulturfläche liege zum größten Teil in
einem Bereich, der im Biotopkataster als naturschutzwürdig aufgenommen worden sei.
Die Biotopkartierung führe als gefährdete Arten unter anderem Braunkehlchen,
Wiesenpieper und Dorngrasmücke auf. Die relativ extensive Grünlandnutzung in
Verbindung mit den sonstigen Freiflächen im Bereich X. habe zur Folge, dass hier
ziemlich regelmäßig Raubwürger (Rote Liste A 2) und Neuntöter (Rote Liste A 3) im
Sommer anzutreffen seien. Insgesamt sei daher in diesem Bereich mit Vorkommen von
fünf Vogelarten der roten Liste auszugehen. Das Gebiet weise zudem ein hohes
Entwicklungspotential auf. Allein schon die Moorböden bzw. Torfauflagen auf vergleyten
Standorten seien im Sauerland relativ selten. Das bisher gering nährstoffbelastete
Bodenwasser führe in den Wegeseitengräben zur Ausbildung von interessanten
Krautgesellschaften, die teilweise aufgrund der langanhaltenden Wasserführung als
Amphibienlaichplätze dienten.
Die Kläger legten gegen diese Ordnungsverfügung am 24. Juni 1999 Widerspruch ein,
den sie wie folgt begründeten: Sie hätten keine Weihnachtsbaumkultur, sondern eine
Baumschulkultur angepflanzt, die nicht dem Eingriffstatbestand des § 4 Abs. 2 LG
unterfalle. Es sei nicht zulässig, zwischen Baumschulen unterschiedlichen Spektrums
zu unterscheiden. Welche Baumarten im Einzelnen angepflanzt würden, richte sich
wesentlich nach den Bodenverhältnissen. Die Pflanzen würden als Ballenware
entnommen, allenfalls Restbestände würden als Schmuckreisig oder Weihnachtsbäume
genutzt.
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Die Bezirksregierung Arnsberg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
19. November 1999 im Wesentlichen mit folgender Begründung zurück: Die
angepflanzte Baumschulkultur stelle als Monokultur einen Eingriff im Sinne des § 4 Abs.
1 LG dar. Die durch die Baumschule hervorgerufene Funktionsstörung des komplexen
Wirkungsgefüges der natürlichen Faktoren des Naturhaushaltes liege in der Zerstörung
des artenreichen extensiv bewirtschafteten Feuchtgrünlandes, in der Zerstörung der
Bodenstruktur mit Torfauflagen über natürlichen Stauhorizonten, der vollständigen
Zerstörung der wertvollen Vegetationsdecke, der vollständigen Abtötung aller Kräuter
und Gräser durch wiederholtes Aufbringen von Herbiziden, der Abtötung der natürlich
vorkommenden Pilz- und Insektenarten durch Einsatz entsprechender Mittel und dem
Aufwuchs von ökologisch geringwertigen Kräutern. Die Veränderung des
Artenspektrums sei auch hinsichtlich der nicht unbedeutenden Größe der Fläche als
erheblich einzustufen. Auch der hier nur in geringem Umfang betroffene
Grünlandbereich trockenerer Ausprägung habe vor Anlage der Baumschule einem
unvergleichlich größeren Artenspektrum Lebensraum geboten. Dies ergebe sich
beispielhaft aus dem Vorkommen der gefährdeten Vogelarten Braunkehlchen,
Wiesenpieper und Dorngrasmücke, da dieses Vorkommen unmittelbar von der Struktur
des vorhandenen Lebensraumes abhängig sei. Zudem werde durch die
Baumschulkultur der ehemals vorhandene Grünflächenverband zerschnitten und damit
das Landschaftsbild erheblich und nachhaltig beeinträchtigt. Es treffe nicht zu, dass eine
Baumschulkultur wegen der Regelung in § 4 Abs. 2 Ziffer 10 LG grundsätzlich keinen
Eingriff in Natur und Landschaft darstelle. Es müsse lediglich in jedem Einzelfall
überprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 LG vorlägen. Die nach § 6
Abs. 4 LG erforderliche Genehmigung hätten die Kläger weder beantragt noch erhalten.
Bei einer Abwägung der gegenläufigen Interessen im Rahmen des § 4 Abs. 5 LG seien
die Belange von Natur und Landschaft höher zu bewerten als die Interessen der Kläger.
Großflächige Produktionsflächen für Nadelhölzer entsprechender Sortimente stünden in
geringer Entfernung zur Verfügung. Es sei nicht möglich, an gleicher Stelle einen für den
Naturhaushalt gleichwertigen Lebensraum und für das Landschaftsbild optisch
gleichwertige Strukturen zu schaffen oder durch Maßnahmen ausreichend zu
minimieren. Die landschaftsrechtliche Genehmigung könne deshalb auch nicht
nachträglich erteilt werden.
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Der Widerspruchsbescheid wurde am 23. November 1999 als Einschreiben zur Post
gegeben.
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Am 27. Dezember 1999 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie
vorbringen: Eine Differenzierung der in § 4 Abs. 2 Nr. 10 LG privilegierten Baumschulen
in „Sortimentsbaumschulen" und „Spezial-Baumschulen" finde im Landschaftsgesetz
keine Stütze. Abgesehen davon, betrieben sie, die Kläger, jedoch eine
„Sortimentsbaumschule". Auf etlichen Hektar würden diverse Sorten von Nadel- und
Laubgehölzen sowie Ziersträuchern angebaut. Ballenware werde zum Teil im eigenen
Pflanzencenter in Olsberg vermarktet. Der größte Teil der Anzuchtware gehe an Forst-
und Landschaftsbaubetriebe. Zu ihrer Baumschule gehörten auch Nadelholzkulturen für
Schmuckreisig, Kränze, Gestecke usw.. Wenn auf Teilflächen in Reinanbau
verschiedene Nadelgehölze angebaut würden, gehe dadurch das Kriterium einer
„Sortimentsbaumschule" nicht verloren. Auch aus Gründen der Bodenfruchtbarkeit,
Pflanzen- und Bodenhygiene sowie wegen unterschiedlicher Erntetechniken könne
nicht auf einer bestimmten Fläche eine Vielzahl von unterschiedlichen Baumarten
angebaut werden. Außerdem fielen Baumschulen als Teil der ordnungsgemäßen
landwirtschaftlichen Bodennutzung unter die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 3 LG.
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Zudem lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die Anlage der Kultur
elementare Funktionen des Naturhaushalts tatsächlich schwerwiegend beeinträchtigt
würden. Es werde bestritten, dass vor der Anlage der Kultur eine wesentlich größere
Artenvielfalt insbesondere ein Vorkommen gefährdeter Vogelarten zu verzeichnen
gewesen sei. Die Kultur wirke sich nicht auf die Vogelwelt aus. Vielmehr brüteten Vögel
im Allgemeinen im Nadelholz lieber als im Laubholz, das weniger Schutz biete. Die
Anlage der Kultur führe auch nicht zu einer erheblichen oder nachteiligen
Beeinträchtigung des betroffenen Landschaftsbildes.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte seine Ordnungsverfügung vom 11.
Juni 1999 dahingehend abgeändert, dass die Kulturen 6 Monate nach Bestandskraft der
Verfügung zu beseitigen seien.
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Die Kläger beantragen,
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den Bescheid des Beklagten vom 11. Juni 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Arnsberg vom 19. November 1999 und
der Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen Bezug auf seine Argumentation im
Verwaltungsverfahren.
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Die Berichterstatterin hat das betroffene Grundstück und seine Umgebung am 23.
August 2001 in Augenschein genommen. Insoweit wird auf das Protokoll des
Erörterungstermins Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte, der Akten in den Verfahren 1 K 172/00 und
1 K 3017/00 und der in allen Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten und der Widerspruchsbehörde verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Die
Ordnungsverfügung des Beklagten vom 11. Juni 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Arnsberg vom 19. November 1999 und
der Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist rechtmäßig und verletzt
die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Rechtsgrundlage für die angefochtene Beseitigungsverfügung ist § 6 Abs. 6 Satz 1 LG,
der gegenüber § 14 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der
Ordnungsbehörden (Ordnungs-behördengesetz - OBG -) die speziellere Norm ist. Nach
§ 6 Abs. 6 Satz 1 LG ordnet die zuständige Behörde die Wiederherstellung des früheren
Zustandes, geeignete Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen nach § 4 Abs 4 oder § 5 Abs
1 oder die Zahlung eines Ersatzgeldes nach § 5 Abs. 3 an, wenn ein Eingriff ohne die
erforderliche behördliche Gestattung oder Anzeige vorgenommen wird.
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Die Anlage der Nadelholzkultur auf dem Grundstück G1 ist ein Eingriff in Natur und
Landschaft im landschaftsrechtlichen Sinne.
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Allerdings gilt die Anpflanzung nicht bereits nach § 4 Abs. 2 Nr. 10 LG als Eingriff. Denn
hiernach gilt als Eingriff nur die Anlage von Weihnachtsbaum- und
Schmuckreisigkulturen außerhalb des Waldes, soweit es sich nicht um eine
Baumschule handelt. Die von den Klägern angelegte Kultur ist aber eine Baumschule.
Der Gesetzgeber definiert nicht, wie der Begriff der Baumschule zu verstehen ist. Die
Frage, ob ein Eingriff in Natur und Landschaft vorliegt oder nicht, kann nur
grundstücksbezogen beantwortet werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf § 8
Abs. 8 Satz 2 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege
(Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG -), der den Landesgesetzgeber erst dazu
ermächtigt, Veränderungen bestimmter Art als Eingriffe gelten zu lassen, und der allein
darauf abstellt, ob diese Veränderungen regelmäßig die Leistungsfähigkeit des
Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen.
Entscheidend kann deshalb nur sein, wie eine bestimmte Fläche genutzt oder gestaltet
wird, nicht wer die Fläche bearbeitet. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, ob der
Verursacher eines potentiellen Eingriffs Betreiber einer Baumschule ist, sondern ob die
konkrete Nutzung baumschulmäßig erfolgt. Von einer solchen baumschulmäßigen
Nutzung kann nur die Rede sein, wenn die Pflanzen nach der Aufzucht mit Ballen für
eine Weiterverwendung in der Forstwirtschaft oder zum Zwecke der Garten- oder
Landschaftsgestaltung verkauft werden. Außerdem müssen in der Aufzuchtzeit alle die
Maßnahmen vorgenommen werden, die fachlich für einen späteren Verkauf mit Ballen
notwendig sind. Nicht notwendig ist es hingegen, dass auf einer bestimmten
Anbaufläche eine Vielzahl verschiedener Pflanzenarten angebaut wird.
Unterschiedliche Pflanzen haben unterschiedliche Ansprüche an Boden- und
Klimaverhältnisse und bedürfen einer unterschiedlichen Pflege. Gerade in
Großbetrieben erscheint es aus arbeitsökonomischen Gründen sinnvoll, dass Pflanzen,
die gleiche Ansprüche haben und in gleicher Weise gepflegt werden müssen,
großflächig angebaut werden. Auch eine großflächige Monokultur kann eine
Baumschule im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 10 LG sein. Zwar ist nicht erkennbar, warum
eine solche Kultur regelmäßig weniger den Naturhaushalt und das Landschaftsbild
beeinträchtigen soll als eine herkömmliche Weihnachtsbaumkultur gleicher Größe. Der
Wortlaut des Gesetzes gibt aber für eine entsprechende Differenzierung zwischen
Baumschulkulturen mit einer Vielzahl an Pflanzen (bei denen wohl niemand auf die Idee
käme, es könnte sich um eine Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkultur handeln) und
großflächigen Monokulturen nichts her. Auch die Gesetzesmaterialien legen eine
einschränkende Auslegung des Begriffs „Baumschule" in dieser Weise nicht nahe. Die
seit 1994 bis heute geltende Fassung des § 4 Abs. 2 Nr. 10 LG beruht auf einem
Änderungsantrag der CDU-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren, der damit begründet
wurde, dass denjenigen, die sich im Bereich der Landwirtschaft einen Zusatzverdienst
geschaffen hätten, die Möglichkeit bleiben solle, ihr Gewerbe, welches in einem sehr
begrenzten Rahmen stattfinde, auch auszuüben. Dieser Änderungsvorschlag ist im
zuständigen Ausschuss einstimmig angenommen worden, ohne dass hierfür eine
Begründung gegeben wurde (vgl. Landtags-Drucksache 11/7316). Die mutmaßliche
Intention des Gesetzgebers, Landwirte zu privilegieren, die nebenher in geringem
Umfang eine Weihnachtsbaumproduktion betreiben, hat im Gesetzeswortlaut keinerlei
Niederschlag gefunden. Da sie außerdem nicht der bundesgesetzlichen Vorgabe
entspricht, dass die Frage des Eingriffs grundstücksbezogen zu beurteilen ist, kann sie
bei der Definiton des Begriffs der Baumschule nicht berücksichtigt werden. Zudem
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würde sie in keiner Weise die - von der Intention des Landschaftsgesetzes
möglicherweise sinnvolle - Einschränkung des Begriffs der Baumschulen auf
sogenannte Sortimentsbaumschulen rechtfertigen, da diese wohl kaum von Landwirten
im Nebenerwerb betrieben würden.
Die Kläger nutzen die streitbefangene Fläche baumschulmäßig. Sie haben vorgetragen,
sie beabsichtigten die Nadelhölzer mit Ballen zu veräußern; damit sich ein Ballen
ausbilden könne, würden die Bäume nach einigen Jahren unterschnitten. Der Beklagte
hat im Erörterungstermin zugestanden, dass dies fachlich möglich ist. Weitere
Maßnahmen (Umpflanzen) sind offenbar nicht notwendig, um eine spätere Veräußerung
der Pflanzen mit Ballen möglich zu machen. Unerheblich ist es, ob die Käufer der
Bäume diese zunächst als Weihnachtsbäume nutzen, denn die Käufer werden in der
Regel zumindest die Absicht haben, die Bäume nach Weihnachten zum Zwecke der
Gartengestaltung auszupflanzen. Auch der Beklagte unterstellt den Klägern nicht, sie
hätten in Wahrheit vor, die Bäume insgesamt oder zu großen Teilen nicht mit Ballen zu
veräußern, sondern abzusägen und als herkömmliche Weihnachtsbäume zu
vermarkten.
23
Der Umstand, dass es sich danach bei der Anpflanzung um eine Baumschulkultur
handelt, führt nicht zwangsläufig dazu, dass kein Eingriff in Natur und Landschaft
vorliegt.
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Allerdings spricht viel dafür, dass Baumschulen als Betriebe des Gartenbaus dem
Landwirtschaftsprivileg des § 4 Abs. 3 Nr.1 LG unterfallen. vgl. Louis,
Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. 2000, Rn. 37 zu § 2 BNatSchG; Bundestags-
Drucksache 13/10186 S. 7.
25
Nach dieser Norm gilt die ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung nicht als
Eingriff. Landwirtschaftliche Bodennutzung sind alle im Rahmen der jeweiligen
Nutzungsart bzw. -form zur Bearbeitung des Bodens erforderlichen Maßnahmen, die
unmittelbar der Erzielung landwirtschaftlicher Erträge dienen; nicht hingegen
Maßnahmen, die die Bodennutzung lediglich vorbereiten oder der Gewinnung von
Flächen für die Landwirtschaft dienen, also die Erzielung landwirtschaftlicher Erträge
erst ermöglichen sollen.
26
Vgl. Emig, Natur und Recht (NuR) 1988, 178, 181.
27
Sinn und Zweck der sogenannten Landwirtschaftklausel ist es, die „tägliche
Wirtschaftsweise" des Landwirtes von naturschutzrechtlichen Anforderungen
freizustellen.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. April 1983 - 4 C 76/80-,
BVerwGE 67, 93, 94; Gassner in: Gassner/Bendomir- Kahlo/Schmidt-Räntsch,
Bundesnaturschutzgesetz, Rn. 18, 23 zu § 8 BNatSchG m.w.N.
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Hierzu zählt nicht die erstmalige Anlage von Baumschulkulturen auf Flächen, die zuvor
als Grünland oder als Ackerland genutzt worden sind. Es handelt sich dabei um eine
außergewöhnliche, nicht regelmäßig wiederkehrende Maßnahme, die nicht unmittelbar
der Erzielung landwirtschaftlicher Erträge dient, sondern eine solche erst ermöglichen
soll.
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Die Anlage einer Baumschulkultur ist auch nicht deshalb kein Eingriff, weil
Baumschulen in § 4 Abs. 2 Nr. 10 LG von der gesetzlichen Fiktion ausdrücklich
ausgenommen worden sind. Dies bedeutet nur, dass sie nicht „automatisch" als Eingriff
gelten, nicht aber, dass sie nicht als Eingriff gelten. § 4 Abs. 2 LG stellt keine
erschöpfende Regelung dar, wie sich schon an der Verwendung des Wortes
„insbesondere" zeigt. Bei Tatbeständen, die von Absatz 2 nicht erfasst werden, ist
deshalb stets zu prüfen, ob sie nicht unter die allgemeine Eingriffsdefinition der §§ 4
Abs. 1 LG, 8 Abs. 1 BNatSchG fallen. Das gilt auch für die in § 4 Abs. 2 LG ausdrücklich
genannten Eingriffe, die jedoch den dort geforderten Intensitätsgrad nicht erreichen,
denn diese Regelung soll § 4 Abs. 1 LG nur ergänzen, nicht ersetzen. Wegen der in § 4
Abs. 2 LG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers müssen allerdings
besondere Voraussetzungen gegeben sein, damit in § 4 Abs. 2 LG aufgeführte, von
dieser Norm aber nicht erfasste Tatbestände als Eingriff im Sinne von § 4 Abs. 1 LG zu
werten sind.
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Vgl. Schink, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Nordrhein- Westfalen, Rn. 266;
a.A. offenbar Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
Urteil vom 18. Juli 1995 - 11 A 3526/93 - UA S. 9, ohne weitere Begründung und ohne
dass es darauf für die Entscheidung angekommen wäre.
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Konkret ist deshalb eine Baumschulkultur nur dann Eingriff im Sinne von § 4 Abs. 1 LG,
wenn sie - etwa wegen ihrer Lage oder ihrer Ausdehnung - eine größere Auswirkung auf
den Naturhaushalt oder das Landschaftsbild hat, als dies bei jeder herkömmlichen
Weihnachtsbaumkultur zwangsläufig der Fall ist.
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Hiervon ausgehend ist die Anlage der Nadelholzkultur durch die Kläger ein Eingriff im
Sinne von § 4 Abs. 1 LG. Hiernach sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von
Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftbild
erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können, Eingriffe in Natur und Landschaft im
Sinne dieses Gesetzes. Die Anlage der Kultur auf der ursprünglich als Grünland
genutzten Fläche stellt eine Nutzungsänderung dar. Sie ist auch potentiell geeignet,
erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigungen des Naturhaushalts und des
Landschaftsbildes hervorzurufen, die über das hinausgehen, was zwangsläufig mit jeder
herkömmlichen Weihnachtsbaumkultur verbunden ist. Dabei darf die Kultur auf dem hier
streitbefangenen Grundstück nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im
Zusammenhang mit den in den Jahren 1999 und 2000 angelegten Kulturen auf den
südlich und süd-westlich anschließenden Grundstücken, die Gegenstand der Klagen 1
K 172/00 und 1 K 3017/00 sind, gesehen werden. Die konkrete Gefahr, dass durch die
Anpflanzungen insgesamt Beeinträchtigungen der genannten Art hervorgerufen werden,
besteht wegen der Größe der gesamten Anpflanzung von ca. 10,6 Hektar, der
exponierten Lage inmitten der zuvor ganz überwiegend landwirtschaftlich genutzten
Freiflächen zwischen dem Dorf T. und dem B. Wald sowie des Umstandes, dass ein
erheblicher Teil der betroffenen Flächen (G2, G3, G4 und z.T. G1) zu dem im
Biotopkataster Nordrhein-Westfalen als naturschutzwürdig eingeschätzten Biotop Nr.
0000-000 gehört.
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Für den demnach vorliegenden Eingriff wäre gemäß § 6 Abs. 4 LG eine Genehmigung
der unteren Landschaftsbehörde (des Beklagten) erforderlich gewesen, die jedoch
weder beantragt noch erteilt worden ist.
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Die Aufforderung, die Anpflanzung zu entfernen, ist auch nicht deshalb
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unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, weil die Kläger einen Anspruch auf
(nachträgliche) Erteilung der Genehmigung haben.
Nach § 6 Abs. 4 LG trifft die untere Landschaftsbehörde bei der Entscheidung über
einen Genehmigungsantrag die nach § 4 Abs. 4 und 5 und § 5 LG notwendigen
Entscheidungen. Nach § 4 Abs. 5 ist der Eingriff zu untersagen, wenn die Belange des
Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an
Natur und Landschaft im Range vorgehen und die Beeinträchtigung nicht zu vermeiden
oder nicht im erforderlichen Maße auszugleichen ist. Diese Voraussetzungen sind hier
gegeben.
37
Die Anlage der Nadelholzkulturen ist nicht nur potentiell geeignet, den Naturhaushalt
und das Landschaftbild erheblich oder nachhaltig zu beeinträchtigen, sondern sie hat
solche Beeinträchtigungen zumindest des Landschaftsbildes tatsächlich zur Folge.
38
Bei dem im Landschaftsgesetz normierten Schutz des Landschaftsbildes geht es um die
Wirkungen der landschaftsprägenden Elemente auf den Menschen. Das Schutzgut
„Landschaftsbild" ist nämlich kein Wert an sich, sondern in seiner Wertigkeit nur definiert
in der wertenden Betrachtung durch den Menschen, auf den es einwirkt und der es
wahrnimmt. Dabei ist anerkannt, dass das Schutzgut „Landschaftsbild" maßgeblich
durch die - hier allein relevanten - optischen Eindrücke auf den Betrachter, d.h. die mit
dem Auge wahrnehmbaren Zusammenhänge von einzelnen Landschaftselementen
bestimmt ist. Hierbei ist unerheblich, ob die konkret wahrnehmbaren
Landschaftselemente als solche wünschenswert erscheinen oder nicht, vielmehr sind
alle tatsächlich vorhandenen Elemente des Landschaftsbildes von Bedeutung, die
dieses unter den Aspekten Vielfalt, Eigenart und Schönheit mitprägen.
39
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. März 1999 - 7 A 2883/92 -, Nordrhein- Westfälische
Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2000, 15, 16 m.w.N.; Urteil vom 16. Januar 1997 - 7 A
310/95 -, NuR 1997, 410 m.w.N.
40
Beeinträchtigt wird das Landschaftsbild dann, wenn es so verändert wird, dass diese
Veränderung von einem für Schönheiten der natürlich gewachsenen Landschaft
aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig empfunden wird.
41
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 1990 - 4 C 44.87 - BVerwGE 85, 348, 359.
42
Die Nadelholzkulturen befinden sich inmitten eines Bereiches, der bislang von
landwirtschaftlicher Nutzung teils als Acker- teils als Grünland geprägt war. Die
weiträumigen Freiflächen reichten von der Ortschaft T. bis zu den bewaldeten Höhen
des B. Waldes. An wenigen Stellen finden sich eingestreute Gehölze, Baumreihen und -
in unmittelbarer Nähe zu den neuen Kulturen - eine schon länger bestehende
Weihnachtsbaumkultur. Der Bereich ist weithin einsehbar, sowohl von der Ortschaft
T.aus, als auch von dem südlich davon gelegenen Berg. Durch die Kulturen bzw. an
ihnen entlang führen mehrere Wege; es ist wegen der Lage unweit des Dorfes davon
auszugehen, dass diese Wege häufig von Erholungssuchenden frequentiert werden.
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Die Anlage der Nadelholzkulturen führt dazu, dass das bislang offene und überwiegend
von Weihnachtsbaumkulturen freie Tal in seinem optisch prägenden Charakter qualitativ
wesentlich verändert wird. Diese Veränderung wird aus der Ferne und von Nahem noch
augenfälliger werden, wenn die Bäume nach einigen Jahren eine größere Höhe erreicht
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haben. Die Kläger haben im Erörterungstermin angegeben, dass beabsichtigt sei,
zumindest einen Teil der Bäume erst zu entnehmen, wenn sie eine Höhe von ca. 1,80 m
erreicht haben. Diese deutliche Veränderung wirkt sich nachteilig aus. Der reizvolle
Wechsel von Ackerflächen und Grünland und die klare Trennung von Wald und Flur
geht verloren. Stattdessen entsteht inselartig eine weit ausgedehnte Nadelholzkultur auf
einer Gesamtfläche von ca. 10,6 Hektar, die optisch fast den gesamten Freiraum
zwischen dem Dorf und dem Wald einnimmt. Diese Kultur wirkt gegenüber dem
landschaftstypischen Wechselspiel von Weiden, Grünland und Äckern mit zum Teil
eingestreuten Gehölzen und Baumreihen trotz der unterschiedlichen Baumarten, die
angepflanzt werden, monoton. Unerheblich ist es, dass sich bereits eine Altkultur in
unmittelbarer Nachbarschaft befand. Diese prägte die Landschaft nicht entscheidend. In
keiner Weise ist sie mit den um ein Vielfaches größeren Anpflanzungen der Kläger zu
vergleichen. Besonders störend wirken die neuen Anpflanzungen auch deshalb, weil
traditionell gerade Ortsrandlagen offen gehalten werden.
Da die hiernach teilweise bereits eingetretene und weiter zu erwartende
Beeinträchtigung des Landschaftsbildes weder zu vermeiden noch auszugleichen ist,
hätte die Behörde bei der Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung unter
Berücksichtigung aller Anforderungen an Natur und Landschaft eine abwägende
Entscheidung über die Genehmigung des Eingriffes zu treffen und darin auch die
wirtschaftlichen Interessen desjenigen einzubeziehen, der den Eingriff vornehmen will.
45
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Mai 1995 - 7 A 1873/93 -, UA S. 8 f. und 13.
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Der Beklagte und die Widerspruchsbehörde haben eine solche Abwägung
vorgenommen und insbesondere zu Lasten der Kläger berücksichtigt, dass in der
Umgebung andere potentiell genehmigungsfähige Anbauflächen existieren, um deren
Anpachtung sich die Kläger bemühen könnten. Es ist nicht zu beanstanden, dass vor
diesem Hintergrund das Interesse der Kläger gegenüber dem öffentlichen
Landschaftsschutzinteresse nachrangig bewertet wurde.
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Die in der angefochtenen Ordnungsverfügung nunmehr gesetzte Frist von 6 Monaten
nach Bestandskraft ist nicht unverhältnismäßig. Sie ist ausreichend lang bemessen, um
den Klägern ein Umsetzen bzw. Vermarkten der Bäume zu ermöglichen.
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Die Zwangsgeldandrohung beruht auf §§ 55 Abs. 1, 57, 60 und 63 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen und ist nicht zu
beanstanden.
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Als unterliegender Teil haben die Kläger gemäß §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO die
Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
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