Urteil des VG Arnsberg vom 01.02.2002
VG Arnsberg: beihilfe, fürsorgepflicht, vitamin, bvo, medikament, richteramt, wesenskern, arzneimittel, verordnung, zustellung
Verwaltungsgericht Arnsberg, 13 K 1074/00
Datum:
01.02.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 1074/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
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Der Kläger steht als Studiendirektor in Diensten des beklagten Landes. Unter dem 29.
Oktober 1999 beantragte er u.a. die Gewährung einer Beihilfe für Aufwendungen in
Höhe von 90,74 DM (46,39 EUR) für das Präparat "Spondyvit".
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Mit Bescheid vom 10. November 1999 lehnte die B...... den Beihilfeantrag insoweit ab
und führte aus: Aufwendungen für Mittel zur Vorbeugung oder Stärkung seien nicht
beihilfefähig, weil sie überwiegend der Erhaltung der Gesundheit und nicht der
Bekämpfung einer bestehenden Krankheit dienten. Vitaminpräparate seien nur bei
Vitaminmangelerkrankungen beihilfefähig.
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Hiergegen erhob der Kläger unter dem 8. Dezember 1999 Widerspruch und machte
geltend, dass ihm während eines Aufenthaltes in der Rheumaklinik C3....... dringend
empfohlen worden sei, das Medikament lebenslang weiter einzunehmen. Dem
Widerspruch fügte der Kläger ein ärztliches Attest des Facharztes für Orthopädie,
Oberfeldarzt F..... vom 17. November 1999 bei. Dieser führt aus: Das fragliche
Medikament diene im vorliegenden Fall nicht zur Substitution fehlender Vitamine,
sondern als so genannter "Radikalfänger", um Antirheumatika einzusparen. Eine
rheumatische Erkrankung des Klägers sei zwar serologisch noch nicht nachweisbar, es
müsse jedoch von einer seronegativen Polyarthritis bzw. Polyarthrose ausgegangen
werden. Es handele sich bei der Verabreichung dieses Medikaments bei Erkrankungen
dieser Art um ein mittlerweile anerkanntes Behandlungsverfahren.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2000 wies die B..... den Widerspruch des
Klägers zurück und vertiefte die Begründung des Ausgangsbescheides. Ergänzend
legte sie dar, dass durch die Ablehnung der Beihilfefähigkeit angesichts des
Beihilfebetrages von 63,52 DM auch die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern nicht
betroffen sei.
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Mit seiner Klage macht der Kläger ergänzend geltend: Bei ihm bestehe eine reduzierte
Verträglichkeit von nicht steroidalen Antirheumatika. Der Einsatz dieser Medikamente
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lasse sich auch ausweislich der Stellungnahme des ihn behandelnden Orthopäden Dr.
med. Helff durch die Einnahme von "Spondyvit" vermeiden. Zudem müsse er pro Jahr
für dieses Medikament 662,00 DM aufwenden, sodass auch die Fürsorgepflicht gebiete,
die Aufwendungen als beihilfefähig anzuerkennen. Deshalb sei die Ablehnung des
Beihilfeantrags ermessensfehlerhaft erfolgt. Außerdem sei das Präparat 1995 von der
Festsetzungsstelle als beihilfefähig anerkannt worden.
Der Kläger beantragt - sinngemäß -,
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das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheides der B..... vom 10.
November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der B...... vom 25. Februar
2000 zu verpflichten, ihm eine weitere Beihilfe von 63,52 DM für das Präparat
"Spondyvit" zu zahlen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung seines Antrages bezieht es sich im Wesentlichen auf den Inhalt des
streitbefangenen Bescheides sowie des Widerspruchsbescheides. Ergänzend legt es
dar, dass den Festsetzungsstellen im Beihilferecht Ermessensspielräume grundsätzlich
verwehrt seien. Auch bei monatlichen Aufwendungen in Höhe von 63,52 DM gebiete die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine andere Entscheidung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der B....Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage, über die das Gericht nach einem Verzicht der Parteien gemäß § 101 Abs. 2
VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg. Der ablehnende
Bescheid der B...... vom 10. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25. Februar 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten
(vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer
weiteren Beihilfe in Höhe von 63,52 DM für Aufwendungen für das Präparat "Spondyvit".
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Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in
Krankheits-, Geburts- und Todesfällen vom 27. März 1975 (GV NRW S. 332), hier
anwendbar in der Änderungsfassung vom 17. Dezember 1998 (GV NRW S. 750), -
Beihilfenverordnung (BVO) - sind beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen in
angemessenem Umfange u.a. in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit
sowie zur Besserung oder Linderung von Leiden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 BVO
umfassen die beihilfefähigen Aufwendungen die Kosten für u.a. die aufgrund einer
schriftlichen ärztlichen Verordnung beschafften Arzneimittel. Ob es sich bei dem
Präparat "Spondyvit" um ein Arzneimittel handelt, kann offen bleiben, wenngleich der in
der Produktbeschreibung enthaltene Hinweis, dass es sich bei dem allein in dem
Präparat enthaltenen Wirkstoff Tocopherolacetat um natürliches Vitamin E handelt,
dagegen spricht.
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Denn nicht beihilfefähig sind gemäß § 4 Nr. 7 Satz 2 b) BVO Mittel, die geeignet sind,
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Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Diese Mittel sind auch dann nicht beihilfefähig,
wenn in ihnen Arzneimittelzusätze enthalten sind und damit therapeutische Wirkungen
erzielt werden können. Für die Frage, ob ein Mittel Güter des täglichen Bedarfs ersetzen
kann, kommt es allein auf seine objektive Eignung, nicht aber darauf an, wie es
tatsächlich eingesetzt wird.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
14. Juli 1988 - 12 A 1271/86 -, DÖD 1989, 144 m.w.N.
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Das Präparat "Spondyvit" ist objektiv geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen,
weil natürliches Vitamin E auch durch entsprechende Nahrung aufgenommen werden
könnte. Darauf deutet bereits die Gebrauchsinformation des Präparates hin, die als
Anwendungsgebiet "Vitamin E-Mangelzustände" angibt. Eine andere Einschätzung
gebietet auch nicht der Hinweis der behandelnden Ärzte, "Spondyvit" diene im
vorliegenden Fall als "Radikalfänger". Denn ausweislich der Gebrauchsinformation für
das Präparat hat (natürliches) Vitamin E im Körper dieselbe Aufgabe, nämlich
schädigende "Radikale" abzufangen. Dabei weise insbesondere Vitamin E aus
natürlichen Quellen, wie es in "Spondyvit" enthalten sei, eine besonders hohe
biologische Wirksamkeit auf. Dass durch den Einsatz von "Spondyvit" nach den
Angaben der den Kläger behandelnden Ärzte bei den multiplen Gelenkbeschwerden
des Klägers Behandlungserfolge erzielt werden können, ist danach ohne Belang. Bei
Vitaminpräparaten ist die Beihilfefähigkeit daher nur für den - hier nicht vorliegenden -
Fall einer Vitaminmangelerkrankung anzuerkennen.
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Vgl. Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht NRW, Kommentar, Stand der Bearbeitung: August
2001, Anm. 7 (B 78/6) zu § 4 BVO.
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Die begehrte Beihilfe kann auch nicht unter Rückgriff auf die allgemeine Fürsorgepflicht
des Dienstherrn gewährt werden. Die Beihilfebestimmungen sind nach Auffassung des
Dienstherrn die angemessene Festlegung und Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht.
Daher können lediglich in Ausnahmefällen auch Aufwendungen, die nicht in den
Beihilfebestimmungen aufgeführt sind, beihilfefähig sein. Das ist jedoch nur dann der
Fall, wenn der Dienstherr durch die Ablehnung der beantragten Beihilfe die
Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt. Das setzt eine einschneidende
Beeinträchtigung der Lebensführung des Beamten für den Fall voraus, dass die Beihilfe
nicht gewährt wird.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. September 1995 - 6 A 1702/94 -.
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Hierfür bestehen im vorliegenden Fall angesichts des dem Kläger übertragenen Amtes
eines Studiendirektors (Besoldungsgruppe A 15 BBesG) einerseits und der Höhe der
Aufwendung (63,52 DM bzw. 32,48 EUR) keinerlei Anhaltspunkte. Dies gilt selbst dann,
wenn man davon ausgeht, dass der Kläger für das fragliche Präparat monatlich 63,52
DM aufwenden müsste. Auch dann ist die Lebensführung des Klägers in keiner Weise
beeinträchtigt. Im Übrigen müssen in gewissem Umfang Härten, die bei
generalisierenden Regelungen nie auszuschließen sind, hingenommen werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Rechtsmittelbelehrung:
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Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung beim
Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821 Arnsberg, Postanschrift:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) Antrag auf Zulassung der Berufung
gestellt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von
zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die
Berufung zuzulassen ist.
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Die Berufung ist nur zuzulassen, 1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des
Urteils bestehen, 2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten aufweist, 3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des
Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung
beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender
Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung
beruhen kann.
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Die Begründung ist bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg (Jägerstraße 1, 59821
Arnsberg, Postanschrift: Verwaltungsgericht Arnsberg, 59818 Arnsberg) einzureichen.
Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen in Münster durch Beschluss.
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Bei der Antragstellung und vor dem Oberverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte,
soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer
deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum
Richteramt vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich
auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie
Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder
Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des
jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören,
vertreten lassen. Auf die besonderen Vertretungsregelungen des § 67 Abs. 1 Sätze 4 bis
7 der Verwaltungsgerichtsordnung wird hingewiesen.
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Der Antragsschrift sollen möglichst Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt
werden.
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Crummenerl Wollweber Heine
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Beschluss:
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Ferner hat die Kammer am selben Tage ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter
beschlossen:
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Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes
in Höhe der streitbefangenen Beihilfeleistung auf 32,48 EUR festgesetzt.
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