Urteil des VG Arnsberg vom 05.11.2004

VG Arnsberg: serbien und montenegro, kosovo, bundesamt, anerkennung, behandlung, ausländer, gesundheitswesen, operation, leib, depression

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 K 3068/03.A
05.11.2004
Verwaltungsgericht Arnsberg
12. Kammer
Urteil
12 K 3068/03.A
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Tatbestand:
Die Klägerin ist ehemalige jugoslawische Staatsangehörige albanischer
Volkszugehörigkeit und stammt aus dem Kosovo. Sie beantragte nach ihrer Einreise am
23. November 1993 die Anerkennung als Asylberechtigte. Diesen Antrag lehnte das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit
Bescheid vom 4. Dezember 1993 ab. Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben - 12 K
8408 /93 . A - , die mit Urteil vom 28. Februar 1996 abgewiesen wurde. Den Antrag der
Klägerin auf Zulassung der Berufung wies das Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen - OVG NRW - mit Beschluss vom 23. April 1996 - 13 A 1593/96 . A -
zurück.
Am 07. August 1996 stellte die Klägerin einen weiteren Asylantrag. Mit Bescheid vom 18.
Oktober 1996 lehnte das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asyl- verfahrens ab.
Die von der Klägerin daraufhin erhobene Klage - 12 K 5488/96.A - wurde mit Urteil vom 01.
Oktober 1999 abgewiesen.
Am 15. Oktober 2002 beantragte die Klägerin mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 11.
Oktober 2002 die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 des
Ausländergesetzes (AuslG). Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass die Klägerin
aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht in ihr Heimatland zurückkehren könne und dort
auch keine adäquate Behandlung möglich sei. Mit Bescheid vom 21. Juli 2003 lehnte das
Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 14. Dezember 1993
bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab.
Die Klägerin hat daraufhin am 04. August 2003 die vorliegende Klage erhoben. Daneben
hat die Klägerin erfolglos vier Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (12
L1535/03.A- ;12 L 1636/03.A-; 12 L 2009/03.A sowie 12 L 790/04.A) gestellt.
Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend: Sie leide an Erkrankungen, deren
Behandlung im Kosovo nicht möglich sei.
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Ausweislich einer Mitteilung des Landrates des N. Kreises vom 07. Juni 2004 ist die
Klägerin in ihr Heimatland abgeschoben worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 21. Juli 2003 zu verpflichten, festzustellen, dass in der
Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in dem ablehnenden Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Parteien im
Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakten sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 des
Ausländergesetzes (AuslG) gerichtete Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig, aber unbegründet, denn der Bescheid
des Bundesamtes vom 21. Juli 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren
Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Bei dem Antrag vom 15. Oktober 2002 handelt es sich angesichts der bestandskräftigen
Ablehnung des früheren Asylantrags der Klägerin um einen Folgeantrag. Nach § 71 Abs. 1
AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)
ist ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage
nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dabei lässt die Kammer offen, ob nicht die Klage
bereits angesichts der erfolgten Abschiebung der Klägerin keinen Erfolg haben kann.
Jedenfalls hat das Bundesamt in dem angegriffenen Bescheid zu Recht das Vorliegen
eines Abschiebungshindernisses verneint. Dies gilt zunächst unter dem Aspekt der
albanischen Volkszugehörigkeit der Klägerin. Nach § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG werden
Gefahren, denen die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein
ausgesetzt ist, nur bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt. Fehlt es aber - wie
hier - an einer ausdrücklichen Anordnung der obersten Landesbehörde, so ist aus
verfassungsrechtlichen Gründen Abschiebungsschutz wegen allgemeiner Gefahren nur zu
gewähren, wenn eine solch extreme Gefahrenlage vorliegt, bei der jeder Ausländer im
Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten
Verletzungen ausgeliefert würde.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, in:
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1996, 199 und Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C
5.01 - NVwZ 2002,101f m.w.N..
Es ist nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung verfassungsrechtlich derzeit nicht
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geboten, albanischen Volkszugehörigen wegen der allgemeinen Gefahren im Kosovo
Abschiebungsschutz zu gewähren.
vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Mai 2000 - 14 A 3334/94.A -; OVG Lüneburg vom 12. Juni
2001 - 8 L 516/97 -; OVG Thüringen, Urteil vom 25. April 2002 - 3 KO 264/01 -.
Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an und verweist zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Ausführungen in diesen Entscheidungen und auf die zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass
auch den neueren, der Kammer vorliegenden Erkenntnissen keine Anhaltspunkte für eine
nunmehr vorzunehmende abweichende Beurteilung zu entnehmen sind. Diesen
Erkenntnissen lässt sich vielmehr weiter entnehmen, dass trotz der schwierigen
Lebensbedingungen im Kosovo die Grundversorgung mit Lebensmitteln und Wohnraum
sowie die medizinische Versorgung gesichert sind und dass Kosovo-Albaner ohne
Sicherheitsbedenken trotz einer auch nach Abschluss des Minenräumprogramms
fortbestehenden gewissen Gefährdung durch Minen sowie der schwierigen Sicherheitslage
in den serbisch dominierten Enklaven in ihre Heimat zurückkehren können.
vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 10. Februar 2004, 27. November 2002 und 4. Juni
2002 und UNHCR an das VG Kassel vom 8. Mai 2002.
Der Klägerin ist auch nicht aus individuellen Gründen Abschiebungsschutz zu gewähren.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Klägerin bei einer Rückkehr eine erhebliche
konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG mit der
erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit droht. Die Kammer hat in ihrem Beschluss
vom 11. Dezember 2003 -12 L 2009/03.A- ausgeführt: ​Auch die geltend gemachte
Krankheiten der Antragstellerin führen nicht zur Bejahung eines Abschiebungshindernisses
nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG . Ein zwingendes Abschiebungshindernis wird nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
vgl. Urteile vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105, 383 und vom 7.
September 1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000,16,
durch unzureichende Behandlungsmöglichkeiten nur dann begründet, wenn die konkrete
erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers
alsbald nach der Einreise in seinen Heimatstaat wesentlich oder sogar lebensbedrohlich
verschlechtern wird. Als eine zur Gewährung von Abschiebungs- schutz verpflichtende
gravierende Beeinträchtigung der Schutzgüter Leib und Leben kommt nur eine solche
(psychische) Erkrankung in Betracht, die im Abschiebungs- zielstaat infolge fehlender
natürlicher, zeitabhängiger Eigenheilkraft und unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten
zu einer Verschlimmerung mit extremen Leibes- und Lebensgefahren für den
ausreisepflichtigen Ausländer, d.h. zu außergewöhnlich schweren körperlichen oder
psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen führen wird.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Mai 2001 13 A 1287/01.A
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Ausweislich des ärztlichen Attestes des
Arztes für Allgemeinmedizin Raimund T2. liegen bei der Antragstellerin folgende
Erkrankungen vor : Z.n Operation cerebr. Aneurysmen (Gefäßmiß- bildungen), Art.
Hypertonie (Bluthochdruck), Migräne bei rezid. HWS-Syndrom mit Cephalgien und
Cervikobrachialgien, rezid. deg. WS-Syndrom mit Lumbalgien und Lumboischialgien,
organische Depression, Herzrhythmusstörungen sowie rezid. Eisenmagelanämien. Bei
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Würdigung dieser Erkrankungen ist nicht erkennbar und auch nicht dargelegt, dass im Fall
einer Rückkehr in den Kosovo mit extremen Leibes- und Gesundheitsgefahren, d.h. mit
außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden gerechnet werden
muss. Hierzu ist auf Folgendes hinzuweisen: Soweit in dem Attest die wegen des
Vorliegens von Aneurysmen vorgenommene Operation angeführt ist, so liegt diese
Operation Jahre zurück und es ist nicht dargelegt, welche Behandlungsfolgen sich hieraus
heute noch ergeben. Die weiter für die Antragstellerin diagnostizierte art. Hypertonie ist im
Kosovo behandelbar,
vgl. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer BR Jugoslawien - Information -
Medizinische Versorgung im Kosovo und Serbien/Montenegro vom August 2002.
Dies gilt auch im Hinblick auf die geltend gemachte Migräne.
Vgl. Auskunft des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo an das Verwaltungsgericht
Wiesbaden vom 12. September 2002.
Soweit die Antragstellerin weiter an einem rezid. deg. WS-Syndrom leidet, so ist nicht
erkennbar, dass im Falle einer möglichen Nichtbehandlung Gefahren i.S. des § 53 Abs. 6
AuslG drohen. Auch die geltend gemachte Depression führt ebenso wie die
diagnostizierten Herzrhythmusstörungen nicht zur Anerkennung eines
Abschiebungshindernisses, da Depressionen behandelbar sind und Antidepressiva zur
Verfügung stehen und auch Herzrhythmusstörungen behandelbar sind. Auch
Eisenpräparate zur Blutbildung sind erhältlich.
vgl. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer BR Jugoslawien - Information -
Medizinische Versorgung im Kosovo und Serbien/Montenegro vom August 2002.
Im Übrigen sind psychische Erkrankungen mit gewissen Einschränkungen hinsichtlich
schwerer psychischer Erkrankungen im Kosovo ausreichend medizinisch behandelbar;
auch Schmerzmittel sind erhältlich.
vgl. Dokumentation des Bundesamtes ​Serbien und Montenegro" 9. Gesundheitswesen S.
28/29 mit Nachweisen auf die gefestigte Auskunftslage.
Soweit für die Antragstellerin zusätzliche ärztliche Bescheinigungen des T. . W. -
Krankenhauses vom 10. Juni 2003 und von Dr. med. Krystyna N1. vom 16. Juni 2003
vorgelegt worden sind, so ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung, weil die dort
diagnostizierten Erkrankungen mit denen im ärztlichen Attest des Arztes Raimund T1.
übereinstimmen."
In ihrem Beschluss vom 3. Juni 2004 in dem Verfahren 12 L 790/04.A hat die Kammer
ergänzend dargelegt: ​Auch das nunmehrige Vorbringen, es gebe im Heimatland der
Antragstellerin kein Krankenversicherungswesen und die Antragstellerin könne wegen
ihrer Mittellosigkeit die erforderlichen lebenserhaltenden Heilbehandlungen nicht
durchführen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar ist die Inanspruchnahme
medizinischer Leistungen im öffentlichen Gesundheitswesen seit dem Jahr 2003 für den
Patienten nicht mehr gänzlich kostenfrei. Jedoch sind bestimmte Personengruppen, wie z.
B. Invaliden und Empfänger sozialhilfeähnlicher Leistungen von diesen Zahlungen befreit.
Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 10. Februar 2004.
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Da die Antragstellerin für den Fall der Bedürftigkeit Unterstützung in Form der Sozialhilfe
erhalten wird, wird die Behandlung im öffentlichen Gesundheitswesen nach der obigen
Erkenntnis kostenfrei sein."
An diesen Ausführungen hält die Kammer nach erneuter Überprüfung fest, zumal für die
Klägerin neue ärztliche Erkenntnisse nicht vorgelegt worden sind und sich die
Erkenntnislage insoweit nicht geändert hat.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83 b Abs. 1 AsylVfG.