Urteil des VG Arnsberg vom 11.08.2008

VG Arnsberg: lärm, grundstück, nummer, stand der technik, auflage, körperliche unversehrtheit, wohnhaus, nachtarbeit, gutachter, genehmigung

Verwaltungsgericht Arnsberg, 14 K 1371/07
Datum:
11.08.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 1371/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte; die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung G1 (B.-straße 14 a) in O. ,
das sie im Jahre 2001 mit einem Wohnhaus bebauen ließ. In dem der Baugenehmigung
vorangegangenen bestandskräftigen Vorbescheid vom 24. Januar 2001 wies der
Beklagte die Klägerin durch Hinweis 1 darauf hin, dass in der Tag-Zeit von 6.00 Uhr bis
22.00 Uhr eine Lärmimmission von 60 dB (A), verursacht durch den Betrieb der
Beigeladenen in Kauf zu nehmen sei. Diesen Hinweis wiederholte er in der der Klägerin
erteilten Baugenehmigung vom 22. Mai 2001 unter Nummer 20. Bei dem Kläger handelt
es sich um den Ehemann der Klägerin.
2
Das Grundstück der Klägerin grenzt an das westlich gelegene Grundstück der
Beigeladenen Gemarkung G1 (B.-straße 8), auf dem diese seit längerem einen
Maschinen- und Werkzeugbaubetrieb ausübt. Auf den weiter westlich gelegenen
Grundstücken findet ebenfalls gewerbliche Nutzung statt. Jenseits der nördlich des
Betriebsgrundstücks der Beigeladenen gelegenen B.-straße verläuft der Fluss „T. „. Das
Grundstück der Klägerin liegt in Hanglage östlich oberhalb des Betriebsgrundstücks der
Beigeladenen. Die Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines
Bebauungsplanes. Die östlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Grundstücke
sind mit Wohnhäusern bebaut. Der Flächennutzungsplan der Stadt O. enthält für das
Grundstück der Klägerin die Darstellung „Mischgebiet" und für die Flurstücke der
Beigeladenen die Darstellung „Gewerbegebiet".
3
Durch Baugenehmigung vom 1. Oktober 2002 genehmigte der Beklagte die in der
Folgezeit durch die Beigeladene ausgeführte Erweiterung der Produktions- und
Lagerfläche um einen Hallenanbau nach Osten in Richtung des klägerischen
Grundstücks. Der Abstand der östlichen äußeren Hallenwand zum Grundstück der
Klägerin beträgt ca. 35 m, der Abstand zur westlichen Gebäudewand des Wohnhauses
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ca. 38 m. In der östlichen Wand der Betriebshalle der Beigeladenen befindet sich ein
Sektionaltor, südlich davon eine Tür und nördlich ein Fenster. Zwischen der Halle und
dem Grundstück der Klägerin liegen auf dem Betriebgrundstück zur B.-straße hin zehn
Pkw-Stellplätze. Grundlage der Baugenehmigung war unter anderem eine
Schallschutzprognose des Sachverständigen für Wärme- und Schallschutz Dr.- Ing. L.
vom 7. November 2002. Ausgehend von einem Halleninnenpegel von 85 dB (A)
ermittelte der Gutachter für den Immissionsmesspunkt am Gebäude der Kläger einen
Beurteilungspegel von 40 dB (A). Die Auflage Nr. 34 als Bestandteil der
Baugenehmigung lautete: „Die von der Genehmigung erfassten Anlagen sind
schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass die von diesen Anlagen
einschließlich aller Nebeneinrichtungen (wie z.B. Lüftungsanlagen, Fahrzeuge)
verursachten Geräuschimmissionen auch in Verbindung mit dem Betrieb der bereits
genehmigten Anlagen folgende Werte - gemessen 0,50 m außerhalb von der Mitte des
geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen
Raumes nach DIN 4109, Ausgabe 1989, der nachstehend genannten Häuser - nicht
überschreiten: B.-straße 12, B.-straße 14 a und Am C. 6 bei Tage 60 dB (A) gemessen
und bewertet nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) mit
folgender Festsetzung: Als Tagzeit gilt die Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Einzelne
kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen den Immissionswert am Tage um nicht mehr als 30
dB (A) überschreiten. Nachtarbeit wurde nicht beantragt und ist somit nicht Bestandteil
der Genehmigung."
Die Auflage Nr. 35 beinhaltete Folgendes:
5
„Das Sektionaltor in der östlichen Hallenwand ist bis auf die betrieblich notwendigen
Transportvorgänge ständig geschlossen zu halten. Be- und Entladetätigkeiten sind -
soweit möglich - innerhalb der Produktions- und Lagerhalle durchzuführen."
6
Bereits ab Juli 2003 beschwerten die Kläger sich sowohl bei der Beigeladenen als auch
schriftlich gegenüber dem Beklagten über Lärmimmissionen, die vom Betrieb -
insbesondere bei geöffnetem Sektionaltor - ausgingen und die das zulässige Maß
überschreiten würden sowie über die Ausübung ungenehmigter Nachtarbeit auf dem
Betriebsgelände der Beigeladenen. Daraufhin nahm der Beklagte Kontakt mit dem
damaligen Staatlichen Umweltamt (STUA) T1. auf, das eine Geräuschmessung
beabsichtigte.
7
Am 22 März 2007 beantragten die Kläger beim Beklagten, gegen die Beigeladene
wegen Verstoßes gegen die Auflagen der Baugenehmigung und damit für sie
verbundener Immissionsbelastungen bauaufsichtlich einzuschreiten. In der Folgezeit
wiederholten sie unter genauer zeitlicher Angabe der vermeintlichen Verstöße beim
Beklagten ihr Begehren auf Einschreiten. Zwar kam es in der Folgezeit zu einer
Lärmmessung seitens des STUA, die indes nicht zu verwertbaren Ergebnissen führte.
Der Beklagte hörte die Beigeladene nachfolgend zur Einleitung eines
Ordnungswidrigkeitenverfahrens an.
8
Mit Bescheid vom 23. Mai 2007 genehmigte der Beklagte auf Antrag der Beigeladenen
die Änderung des Zweischichtbetriebes auf dem Betriebsgrundstück in einen
Dreischichtbetrieb mit Nachtarbeit, nachdem die Beigeladene im Rahmen des
Genehmigungsantrages eine „Prognose über die Lärmimmissionen in der
Nachbarschaft der Fa. Gebrüder L1. e. K.", erstellt am 10. April 2007 durch die
Vereinigung zur Überwachung technischer Anlagen e. V. (VÜA), eingereicht hatte. Der
9
Gutachter wies darauf hin, dass der Ausgangswert von 85 dB (A), der Grundlage des
Gutachtens des Dr. L. vom 7. November 2002 gewesen sei, während der Messungen
des VÜA unter allgemeinen Betriebsbedingungen zur Tagzeit nicht erreicht worden sei.
Der Gutachter Dr. C1. errechnete daher ausgehend von dem Halleninnenlärm, den er
mit 75 dB (A) als „plausibel" für einen Werkzeugmacherbetrieb ansetzte, für den
Immissionspunkt am Wohnhaus der Kläger für die Emissionsquelle Produktionshalle
einen Beurteilungspegel von 29,0 dB (A) und für die Parkplätze einen solchen von 36
dB (A). Der Baugenehmigung für den Dreischichtbetrieb waren mehrere
Nebenbestimmungen beigefügt, die als „Auflagen", „Bedingungen" und „Hinweise"
bezeichnet wurden.
Auflage Nummer 2 lautete: „Die von der Genehmigung erfassten Anlagen sind
schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass die von diesen Anlagen
einschließlich aller Nebeneinrichtungen (wie z.B. Lüftungsanlagen, Fahrzeuge)
verursachten Geräuschimmissionen auch in Verbindung mit dem Betrieb der bereits
genehmigten Anlagen folgende Werte - gemessen 0,50 m außerhalb von der Mitte des
geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen
Raumes nach DIN 4109, Ausgabe 1989, der nachstehend genannten Häuser - nicht
überschreiten: B.-straße 14 a und Am C. 6 bei Tage 60 dB (A) bei Nacht 45 dB (A)
gemessen und bewertet nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA
Lärm) vom August 1998 mit folgender Festsetzung: - als Tagzeit gilt die Zeit von 06.00
Uhr bis 22.00 Uhr - einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen den
Immissionsrichtwert am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht
mehr als 20 dB (A) überschreiten."
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Nummer 4:
11
„Zur Nachtzeit (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) sind die Hallentore, Hallentüren und Fenster
dauerhaft geschlossen zu halten"
12
Nummer 5: „Auf dem Betriebsgelände im Freien sind in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00
Uhr Be- und Entladevorgänge sowie LKW- und Staplerfahrten sowie Schotter-
entsorgungen nicht zulässig"
13
Als Hinweis enthielt die Baugenehmigung unter Nummer 3:
14
„Die Immissionsprognose Lärm der Vereinigung zur Überwachung technischer Anlagen
e.V......vom 10. April 2007 und die darin aufgeführten Rahmenbedingungen sind
Bestandteil dieser Baugenehmigung. Die unter Nr. 7 der Prognose aufgeführten
Maßnahmen sind einzuhalten."
15
Am 30. Juni 2007 haben die Kläger gegen die Erteilung der Baugenehmigung die
vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie vortragen: Die Beigeladene habe
seit Jahren wiederholt gegen das Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot aufgrund der
Baugenehmigung vom 1. Oktober 2002 verstoßen, indem in der ihrem Grundstück
benachbarten Fertigungs- und Produktionshalle sowohl während der Nachtzeit als auch
an Sonntagen gearbeitet und gesundheitsgefährdender Lärm verursacht worden sei.
Anstatt auf ihre wiederholten Beschwerden zu reagieren, habe der Beklagte nunmehr
die Nachtarbeit genehmigt und damit das jahrelange baurechtswidrige Verhalten der
Beigeladenen belohnt. Dies sei mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren und
verletze sie - die Kläger - in ihren rechtlich geschützten Interessen. Eine Befugnis zur
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Klage ergebe sich für den Kläger jedenfalls aus Art. 2 des Grundgesetzes (GG) vor dem
Hintergrund einer durch die Geräuschbelastung möglichen Gesundheitsgefährdung. Der
Beklagte habe die maßgebenden Richtwerte nach der TA Lärm unzutreffend festgesetzt.
Bei den in Nummer 6.7 der TA Lärm genannten Werte bei Gemengelagen, die der
Beklagte zugrunde gelegt habe, handele es sich nämlich um Maximalwerte und nicht
um Werte, die regelmäßig ohne weiteres festgelegt werden könnten. Ihr Wohnhaus sei
in besonderem Maße schutzbedürftig, weil der Hallenneubau der Beigeladenen und erst
recht der Dreischichtbetrieb erst später hinzu gekommen seien und weil es sich bei dem
metallverarbeitenden Produktionsbetrieb der Beigeladenen typischerweise um einen
immissionsträchtigen Betrieb handele. Die intensive Bearbeitung metallischer Formteile
mit Maschinen verursache lang andauernden, kreischenden und zum Teil
ohrenbetäubenden Lärm. Bei metallverarbeitenden Tätigkeiten entstünden bekannter
Weise Geräusche von 60 dB (A) bis weit über 100 dB (A). Die vom Beklagten zugrunde
gelegten Immissionswerte seien zu hoch angesetzt. Hier seien nicht die nach der TA
Lärm maßgebenden Werte für ein Mischgebiet, sondern die Richtwerte für ein
Allgemeines Wohngebiet zugrunde zu legen. Danach dürften die Immissionen tags 55
dB (A) und nachts 40 dB (A) nicht überschreiten. Die nach dieser Betrachtung
zulässigen Lärmgrenzwerte würden insbesondere dann überschritten, wenn die
Beigeladene das Tor sowie die daneben befindliche Tür offen stehen lasse. Sie würden
häufig aus ihrer Nachtruhe gerissen und könnten dann in der Regel mehrere Stunden
lang nicht mehr einschlafen. Dies führe auf Dauer zu Gesundheitsstörungen. Zusätzlich
sei zu berücksichtigen, dass der Abstand zwischen ihrem Grundstück und dem
Betriebsgrundstück gering sei, so dass sich der Schalldruck infolge fehlender
Schallbarrieren ungehindert ausbreiten könne. Durch die Tallage würden die
Schallimmissionen von den umliegenden Geländeerhöhungen in Richtung ihres
Wohnhauses zurück geworfen. Bemerkenswert sei darüber hinaus, dass die
Produktionsanlagen während der Messungen zur Erstellung des Lärmgutachten still
gestanden hätten, so dass Zweifel an der darin ermittelten Werte angebracht seien.
Diese ergäben sich darüber hinaus auch daraus, dass es sich bei der Vereinigung zur
Überwachung technischer Anlagen e. V. nicht um eine anerkannte Messstelle im Sinne
des § 26 des Bundesimmissionsschutzgesetzes handele. Der Prognose sei auch nicht
zu entnehmen, ob und welche Maschinen im Zeitpunkt der Lärmmessungen am 13. und
21. März 2007 in Betrieb gewesen seien. Der Betriebszustand im Zeitpunkt der
Lärmmessung werde an keiner Stelle angegeben. Dieser habe aber einen erheblichen
Einfluss auf die Lärmemissionen und damit auf die Immissionen an den
Immissionspunkten. Einen typischen oder allgemeinen Arbeitsablauf, wie er vom
Gutachter zugrunde gelegt werde, gebe es im Betrieb der Beigeladenen nicht.
Bekanntlich verursache die Bearbeitung von Stahlblech und Aluminium sehr
unterschiedliche Geräusche. Außerdem mache es einen Unterscheid, ob nur eine oder
alle im Betrieb der Beigeladenen vorhandenen Fräs- und Bohrmaschinen, ob zusätzlich
ein oder alle Gabelstapler in Betreib seien und ob die Maschinen nur zum Teil
ausgelastet seien oder sich in Volllastbetrieb befänden. Deshalb schreibe die TA Lärm
im Anhang unter Ziffer A.3.5 zwingend vor, dass in einem Messbericht zur Ermittlung
von Geräuschimmissionen detailliert die Betriebsweise und die Auslastung der Anlagen
angegeben werden müssten. Das Gutachten sei bereits aus diesen Gründen nicht
plausibel und könne nicht Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein.
Die Kläger beantragen,
17
die der Beigeladenen durch den Beklagten am 23. Mai 2007 erteilte Baugenehmigung
mit dem Az. II/1 00476-03 aufzuheben.
18
Der Beklagte beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
20
Zur Begründung macht er geltend: Die Lärmimmissionsprognose sei im Rahmen des
Baugenehmigungsverfahrens sowohl von der Bezirksregierung B1. , Umweltbehörde
als auch durch ihn auf Plausibilität geprüft und für korrekt befunden worden. Bereits das
frühere Schallschutzgutachten des Dr. L. habe gezeigt, dass die Immissionsrichtwerte
am Wohnhaus der Kläger deutlich unterschritten würden. Durch die Verlegung des
vormals auf dem Gelände befindlichen Freilagers und des Verladeplatzes in den
Hallenbau habe die angrenzende Wohnbebauung bezüglich der Lärmimmissionen eine
erhebliche Entlastung erfahren. Die Lärmimmissionsprognose der VÜA vom 10 April
2007 bestätige die eindeutige Einhaltung und Unterschreitung der zulässigen
Immissionsrichtwerte. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte für Zweifel an dieser Prognose.
Obwohl ein für Juli 2006 von der Bezirksregierung B1. , Umweltverwaltung, bei den
Klägern anberaumter Messtermin zur Klärung der Problematik beigetragen hätte, sei
dieser von den Klägern aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgesagt worden. Bislang
sei von diesen kein erneuter Messtermin angestrebt worden, was nicht nachvollziehbar
sei. Da eine Verletzung materiellen Baurechts nicht vorliege, könnten die Kläger die
Aufhebung der Baugenehmigung nicht verlangen. Die Zulässigkeit des Vorhabens
richte sich nicht nach dem individuellen subjektiven Geräusch- und
Gerechtigkeitsempfinden der Kläger.
21
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
22
Das erkennende Gericht hat den Antrag der Kläger auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung mit Beschluss vom 12. September
2007 - 14 L 527/07 - abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 28.
Januar 2008 - 7 B 1717/07 - zurückgewiesen.
23
Die Berichterstatterin hat am 19. Mai 2008 vor Ort einen Erörterungstermin mit den
Beteiligten durchgeführt. Wegen der näheren Einzelheiten dieses Termins wird auf die
Terminsniederschrift verwiesen.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Verfahrensakte 14 L 527/07 und die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
25
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
26
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
27
Sie ist bereits unzulässig, soweit der Kläger die Aufhebung der der Beigeladenen
erteilten Baugenehmigung vom 23. Mai 2007 begehrt, weil es insoweit an der für eine
Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
erforderlichen Klagebefugnis fehlt. Nach dieser Vorschrift ist die Anfechtungsklage nur
zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten
verletzt zu sein. Ausreichend für die Klagebefugnis ist die Möglichkeit einer
Rechtsverletzung.
28
Vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Auflage 2007, Rdnr.
59 zu § 42 VwGO.
29
Für die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung wird im
Hinblick auf die Grundstücksbezogenheit baurechtlicher Regelungen überwiegend
davon ausgegangen, dass der Begriff des Nachbarn im Sinne des Baurechts nur den
Grundstückseigentümer oder den Inhaber eigentumsähnlicher Rechtspositionen
umfasst.
30
Vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 97 zu § 42 VwGO.
31
Über eine solche Rechtsposition verfügt der Kläger indes nicht, weil er weder
Eigentümer oder Miteigentümer des dem Betriebsgrundstück der Beigeladenen
benachbarten Grundstücks ist, noch eine sonstige eigentumsähnliche Rechtsposition
inne hat. Letztere wird dem Kläger insbesondere nicht schon aufgrund der bestehenden
Ehe mit der Klägerin und der daraus folgenden familienrechtlichen Beziehungen als
Grundstückseigentümerin vermittelt.
32
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 26. Juli 1990 - 4 B 235.89 -,
in: Baurechtssammlung (BRS) 50, Nr. 179.
33
Auch der Umstand, dass der Kläger das im Eigentum seiner Ehefrau stehende
Hausgrundstück mitbewohnt reicht ersichtlich nicht aus, um ein eigentumsgleiches
Recht begründen zu können.
34
Der Kläger ist auch nicht etwa deshalb klagebefugt, weil er sich auf eine
Beeinträchtigung des durch Art. 2 GG geschützten Rechts auf körperliche
Unversehrtheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit beruft, das durch die erteilte
Baugenehmigung verletzt werde. Entgegen der Auffassung des Kläger besteht nämlich
die für die Annahme der Klagebefugnis erforderliche Möglichkeit einer solchen
Rechtsverletzung durch die angefochtene Baugenehmigung nicht. Denn durch die
Auflage Nummer 2 zur erteilten Baugenehmigung wird sichergestellt, dass bezogen auf
das Grundstück, das auch der Kläger bewohnt, die vom Grundstück der Beigeladenen
ausgehenden Geräuschimmissionen bei Tage 60 dB (A) und bei Nacht 45 dB (A) nicht
überschreiten dürfen. Dabei handelt es sich um die Werte, die nach der Ziffer 6.1
Buchstabe c) durch die TA Lärm als normkonkretisierende Verordnung auch zu den
Vorschriften der Baunutzungsverordnung festgelegt werden, die in Mischgebieten
maßgeblich sind. Da nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in Mischgebieten auch
Wohngebäude zulässig sind, ist davon auszugehen, dass die in der TA Lärm für
Mischgebiete enthaltenen oben dargestellten Werte eine allgemeine
Gesundheitsbeeinträchtigung für die Grundstücksnutzung „Wohnen" ausschließen.
35
Demgegenüber ist die Klägerin als Grundstückseigentümerin klagebefugt, weil es
möglich ist, dass diese als unmittelbare Nachbarn des Betriebsgrundstücks der
Beigeladenen, auf das sich die angefochtene Baugenehmigung für den
Dreischichtbetrieb bezieht, zumindest in ihren Rechten als Grundstückseigentümerin
gemäß Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt wird.
36
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die der Beigeladenen durch den Beklagten erteilte
Baugenehmigung vom 23. Mai 2007 (Änderung des Zweischichtbetriebes in einen
37
Dreischichtbetrieb mit Nachtarbeit) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
Rechten, die ihrem Schutz zu dienen bestimmt sind (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Zunächst ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
38
vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juni 1969 - IV C 80.67 -, in: Deutsches Verwaltungsblatt
(DVBl) 1970, 60 und IV C 234.65, in: DVBl 1970, 57 ff; vom 25. Februar 1977 - IV C
22.75 -, in: DVBl 1977, 722 ff = Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerwG
(BVerwGE) 52, 122 ff = BRS 32 Nr. 155; vom 26. September 1991 - 4 C 5/87 -, in:
BVerwGE 89, 69 = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1992, 977 = DVBl
1992, 564 ff,
39
davon auszugehen, dass sich Dritte gegen eine Baugenehmigung nur dann mit
Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen können, wenn die angefochtene Baugenehmigung
rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen
beruht, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind, weil dieser
in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht
betroffen ist.
40
vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 98 ff. zu § 42 m.w.N.
41
Die betreffende Norm muss mithin ein Privatinteresse derart schützen, dass der Träger
eines solchen Interesses die Einhaltung des Rechtssatzes soll verlangen können.
42
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 3 C 3/89 -, in: Neue Juristische Wochenschrift
(NJW) 1994, 1604.
43
Ob dies der Fall ist, ist jeweils durch Auslegung der betroffenen Norm zu ermitteln.
44
Ausgehend von diesen Grundsätzen verstößt die der Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung für den Dreischichtbetrieb nicht gegen Rechte, die dem Schutz der
Klägerin zu dienen bestimmt sind.
45
Die angefochtene Baugenehmigung findet ihre Rechtsgrundlage in § 75 Abs. 1 der
Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Gesetzes vom 12.
Dezember 2006 (BauO NRW). Danach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem
Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegen stehen. Bezogen auf die hier
vorliegende Klage eines Nachbarn kommt nach den zuvor dargelegten Grundsätzen
jedoch nur ein Entgegenstehen sogenannter nachbarschützender Vorschriften in
Betracht. Gegen solche verstößt die erteilte Baugenehmigung nicht. Sie lässt
insbesondere nicht die nach § 15 Abs. 1 BauNVO erforderliche Rücksichtnahme auf die
Klägerin vermissen. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten
baulichen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder
Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet
selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Hinsichtlich des Begriffs der
Belästigung bzw. Störung kann auf den allgemeinen Begriff der schädlichen
Umwelteinwirkungen, § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)
zurückgegriffen werden. Vorliegend sind insbesondere keine schädlichen
Umwelteinwirkungen in Form von Lärm zu befürchten. Zur Beantwortung der Frage,
inwieweit es sich bei Lärm um schädliche Umwelteinwirkungen handelt, kann
46
grundsätzlich die TA Lärm herangezogen werden. Sind also die unter Nr. 6.1TA Lärm
genannten Richtwerte eingehalten, scheiden schädliche Umwelteinwirkungen und
somit eine unzumutbare Belästigung oder Störung der Klägerin aus. Für ein
ausnahmsweises Abweichen von diesem technischen Regelwerk unter dem
Gesichtspunkt des § 15 Abs. 3 BauNVO besteht kein Anlass.
Im vorliegenden Fall ist, da kein Bebauungsplan besteht, das Gebiet, in dem sich das
klägerische Grundstück befindet, nach seiner Schutzwürdigkeit zu bestimmen, Nr. 6.6
TA Lärm. Danach sind Gebiete, für die - wie hier - keine Festsetzungen bestehen, nach
Nummer 6.1 entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen. Wenn des Weiteren -
wie es hier der Fall ist - gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer
Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete
aneinandergrenzen (Gemengelage), können die für die zum Wohnen dienenden
Gebiete geltenden Immissionswerte nach Nr. 6.7 auf einen geeigneten Zwischenwert
der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden,
soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Die
Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete sollen dabei nicht überschritten
werden. Für die Höhe des Zwischenwerts nach Absatz 1 ist die konkrete
Schutzbedürftigkeit des betroffenen Gebietes maßgeblich. Wesentliche Kriterien sind
die Prägung des Einwirkungsgebiets durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits
und durch Gewerbe- und Industriebetriebe andererseits, die Ortsüblichkeit eines
Geräusches und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht
wurde. Hiervon ausgehend hat der Beklagte die Richtwerte in seiner Baugenehmigung
zu Recht an denen des Mischgebietes orientiert.
47
Das erkennende Gericht hat bereits in seinem die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der vorliegenden Klage gegen die angefochtene Baugenehmigung
betreffenden Beschluss vom 12. September 2007 - 14 L 527/07 - ausgeführt:
48
„Bei der Änderung der Hallennutzung von einem Zwei-Schicht-Betrieb der
Metallverarbeitung in einen Drei-Schicht-Betrieb mit Nachtarbeit handelt es sich um ein
genehmigungsbedürftiges Vorhaben im Sinne des § 63 Abs. 1 BauO NRW. Im Hinblick
auf den von den Antragstellern geltend gemachten Abwehranspruch sind hier jedoch
nur solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften von Belang, die auch dem Schutz der
Antragsteller zu dienen bestimmt sind. Sowohl das baurechtliche Gebot der
Rücksichtnahme als auch die Vorschrift des § 22 Abs. 1 des
Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) weisen nachbarschützenden Charakter
auf. Nach der letztgenannten Vorschrift sind immissionsschutzrechtlich nicht
genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche
Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar
sind. Schädliche Umwelteinwirkungen liegen nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1
BImSchG bereits bei Immissionen vor, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind,
erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbei zu führen. Hierzu gehören unter
anderem Schallimmissionen. Es ist bei Anlagen, die - wie hier - keiner
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, Aufgabe der Bauaufsicht, die
Einhaltung der Immissionsschutzvorschriften zu überwachen, da § 22 BImSchG zu den
nach § 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO
NRW) zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehört.
49
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 13. Mai 2002 - 10 B 671/02 - in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2002,
50
1131.
Es lässt sich hier aber nicht feststellen, dass die Genehmigung des Drei- Schicht-
Betriebes mit Nacharbeit in der Form des Bescheides des Antragsgegners vom 23. Mai
2007 die Antragsteller unzumutbaren Lärmeinwirkungen aussetzen wird bzw. aussetzt.
Der in der Nebenbestimmung Nummer 2 festgesetzte Grenzwert von 60 dB (A) für die
Tagzeit und von 45 dB (A) für die Nachzeit erscheint bezogen auf das Hausgrundstück
der Antragsteller jedenfalls bei summarischer Prüfung als sachgerecht. Wenn - wie hier -
gewerblich genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen, können
die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte nach Nr.
6.7 der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998
(GMBl. 1998, 503 ff.) auf einen geeigneten Zwischenwert der für die
aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies
nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist (Satz 1). Die
Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete sollen dabei nicht überschritten
werden (Satz 2). Die hier festgesetzten Werte von 60 dB (A) bei Tage und 45 dB (A) bei
Nacht entsprechen diesen Richtwerten (vgl. Nr. 6.1 Buchst. C der TA Lärm). Dies hat die
damals zuständige 4. Kammer des beschließenden Gerichts bereits in ihrem Beschluss
vom 18. August 2003 - 4 L 1234/03 - in einem Verfahren betreffend den vorläufigen
Rechtsschutzantrag eines anderen Nachbarn des Betriebs des Beigeladenen gegen die
Baugenehmigung vom 1. Oktober 2002 ausgeführt, gegen den Rechtsmittel erfolglos
blieben."
51
Diese Ausführungen hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen
mit Beschluss vom 28. Januar 2008 - 7 B 1717/07 - in dem sich anschließenden
Beschwerdeverfahren mit den folgenden Ausführungen bestätigt:
52
„Der angesetzte Zwischenwert von 45 dB (A) für die Nachtzeit, der dem Richtwert für
Kern-, Dorf- und Mischgebiete entspricht (vgl. Nummer 6.5 der TA Lärm) scheint
keineswegs verfehlt. Die Umgebung des Wohnhauses der Antragsteller ist dadurch
geprägt, dass sich in dem nach Westen schmaler werdenden Streifen zwischen der T.
und den Bahnanlagen im Norden sowie dem Hang zur Alten Burg im Süden die
Wohnbebauung von Osten bis unmittelbar an die kompakte gewerbliche Bebauung auf
dem Betriebsgrundstück... und dem westlich anschließenden Gewerbegelände
heranschiebt. Das Wohnhaus der Antragsteller und das nördlich benachbarte
Wohngrundstück B.-straße 12 sind gleichsam die Spitze des Fingers der
Wohnbebauung, die auf die gewerbliche Nutzung stößt. Davon, dass das Wohnhaus
der Antragsteller „in besonderem Maße schutzbedürftig" sei, wie die Beschwerde meint,
kann angesichts dessen keine Rede sein. Es spricht vielmehr viel dafür, dass die
aneinander stoßenden gewerblichen und Wohnzwecken dienenden Nutzungen sich
jedenfalls an der hier gegebenen Nahtstelle gleichgewichtig gegenüber stehen. Für
eine unter Prioritätsgesichtspunkten zu bejahende deutliche Bevorzugung der
Wohnnutzung liegt kein hinreichender Anhalt vor. Es spricht vielmehr viel dafür, dass
die gewerbliche Nutzung hier - wie in den Tallagen des Siegerlands üblich - bereits seit
längerer Zeit Bestand hat, wie auch die dem Senat vorliegende Karte zur
Innenbereichssatzung der Gemeinde O. aus dem Jahr 1981 erkennen lässt.
Demgegenüber sind die Antragsteller mit ihrem erst 2001 genehmigten Neubau selbst
dicht an das seinerzeit bereits seit langem vorhandene Betriebsgelände der
Beigeladenen herangerückt. Dem von der Beschwerde betonten Umstand, dass -
jedenfalls auf dem Grundstück der Beigeladenen - bislang keine Nachtarbeit
stattgefunden hat, kommt demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Für
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gewerbliche Nutzungen in (faktischen) Gewerbegebieten ist es typisch, dass sie nicht
statisch auf bestimmte Betriebszeiten festgelegt oder gar auf solche nur am Tag
beschränkt sind, vielmehr sind Gewerbegebiete gerade solchen Nutzungen vorhalten,
die sich auch in die Nachtzeit hinein erstrecken."
Auch das Vorbringen der Klägerin, wonach ihr Grundstück einem reinen Wohngebiet
zuzuordnen sei, weshalb auch im Hinblick auf die angrenzende gewerbliche Nutzung
geringere Richtwerte anzusetzen gewesen seien, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Insoweit steht der Klägerin auch nicht ein besonders schützenswertes Interesse zu.
Spätestens seit Erhalt des Bauvorbescheides vom 24. Januar 2001 war ihr bekannt, mit
welchen Immissionsbelastungen sie im Fall der Wohnnutzung des Grundstücks,
nämlich einem Wert von 60 dB (A) tags, der dem Richtwert eines Mischgebiets
entsprach, zu rechnen hatte. Dieser Hinweis wurde in der ihr am 22. Mai 2001 erteilten
Baugenehmigung noch einmal wiederholt. Damit war für die Klägerin ersichtlich, dass
ihr Grundstück nach der nicht zu beanstandenden Betrachtung des Beklagten
keineswegs einem allgemeinen oder reinen Wohngebiet zuzuordnen war. Im übrigen ist
die Klägerin selbst auch durch die Bebauung ihres Grundstückes mit einem Wohnhaus
Richtung Westen näher an das gewerblich genutzte Grundstück des Beigeladenen
herangerückt, so dass sie sich nunmehr hinsichtlich der Immissionswerte nicht allein auf
die sich östlich erstreckende überwiegende Wohnbebauung berufen kann. Dass die
Beigeladene im Jahre 2002 einen Hallenanbau in Richtung Osten errichtete, führt daher
zu keiner anderen Beurteilung, zumal das maßgebende Grundstück bereits zuvor zu
Betriebszwecken genutzt wurde.
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Den danach zutreffend ermittelten Immissionswerten trägt die angefochtene
Baugenehmigung insbesondere dadurch Rechnung, dass nach der Auflage Nummer 2
die durch den Betrieb verursachten Geräuschimmissionen am Haus der Klägerin nachts
den Wert von 45 dB (A) nicht überschreiten dürfen. Auch die Auflage Nummer 4,
wonach zur Nachtzeit die Hallentore, Hallentüren und Fenster dauerhaft geschlossen zu
halten sind und die Nummer 5, nach der auf dem Betriebsgelände im Freien nachts Be-
und Entlagevorgänge sowie LKW- und Staplerfahrten sowie Schotterentsorgungen
(gemeint ist nicht die Schrottentsorgung) nicht zulässig sind, dienen dem Nachbarschutz
der Klägerin vor unzumutbaren Immissionen. Die Baugenehmigung ist insoweit auch in
sich schlüssig, weil es insbesondere ausgehend von dem zugrunde liegenden
Lärmschutzgutachten plausibel erscheint, dass der Beigeladene die Auflagen erfüllen
kann.
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Die von der Klägerin gegen die der Baugenehmigung zugrunde liegende
Lärmschutzprognose über die Lärmimmissionen in der Nachbarschaft der Vereinigung
zur Überwachung technischer Anlagen e.V. vom 10. April 2007 vorgebrachten
Bedenken führen zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin zum Ausdruck
gebracht hat, das Gutachten könne schon deshalb keine Grundlage für die gerichtliche
Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung sein, weil dieses von der
Beigeladenen als von der Baugenehmigung Begünstigten vorgelegt worden sei, stellt
dieser Einwand keinen substantiierten Angriff gegen den Inhalt des Gutachtens dar.
Diese Bedenken hat die Klägerin auch in der Folgezeit nach dem Erörterungstermin
nicht hinreichend substantiiert, so dass die Kammer nicht gehalten ist, diesen weiter
nachzugehen. Sie hat insbesondere keinen Anlass, an den Angaben im Gutachten zu
zweifeln, wonach die Messungen unter allgemeinen Betriebsbedingungen zur Tagzeit
durchgeführt wurden. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, welcher besonders
hohe Immissionswerte verursachende Betriebszustand von dem Gutachter nicht
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berücksichtigt worden ist. Insoweit erschöpfen sich die Ausführungen in allgemeinen
Erwägungen von Abläufen in metallverarbeitenden Betrieben.
Auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat keinen Anlass
gesehen, an dem Inhalt des Gutachtens zu zweifeln. Verwiesen wird insoweit auf Seite
5 des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts, in dem dieses ausführt:
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„Der Einwand der Beschwerde, bei der Messung vom 13. März 2007 seien
Produktionsgeräusche nicht wahrzunehmen gewesen, mag zutreffen, ist aber
unbeachtlich. Bei dieser Messung ging es nicht etwa um die Ermittlung des Pegels der
Produktionsgeräusche, sondern um die Bestimmung der Schalldämmung der
Hallenhülle des Produktions- Gebäudes durch Messung von Knallereignissen mit
Messpunkten inner- halb und außerhalb des Gebäudes (vgl. Abschnitt 4 der
Lärmprognose). Die Differenz zwischen den Auswirkungen der Knallereignisse
innerhalb und außerhalb der Halle kann nur dann sachgerecht gemessen werden, wenn
die Produktionsanlagen im Übrigen nicht in Betrieb sind. Soweit die Antragsteller unter
Bezugnahme auf die von ihnen vorgelegte Stellung- nahme der TÜV Nord Systems vom
24. August 2007 (TÜV-Stellung- nahme) in Zweifel ziehen, dass diese Vorgehensweise
zur Ermittlung der Schalldämmung der Außenhaut des Produktionsgebäudes geeignet
wäre, ist dem der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 10. September 2007 mit
nachvollziehbaren Erwägungen entgegen getreten. Des weiteren ist der Aussage in der
TÜV-Stellungnahme, dass nach den Vorgaben der TA Lärm „im Rahmen der
detaillierten Prognose eine frequenzabhängige Berechung erfolgen sollte", entgegen zu
halten, dass hier nach dem Vor- stehenden gerade keine detaillierte Prognose gemäß
Nr. A.2.3 des Anhangs zur TA Lärm erforderlich gewesen sein dürfte."
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Neue substantiierte Bedenken gegen die Begutachtung hat die Klägerin im
Klageverfahren nicht vorgebracht. In ihrer ergänzenden Klagebegründung vom 8.
August 2008 verweist sie vielmehr vollinhaltlich auf die Stellungnahme des TÜV Nord
vom 24. August 2007. Mit den zuvor zitierten Ausführungen im Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts setzt sich die Klägerin indes nicht auseinander.
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Soweit sie sich darauf beruft, das Gutachten sei nicht plausibel und könne der
Baugenehmigung daher nicht zugrunde gelegt werden, weil der gemessene Innenpegel
von 75 dB (A) um 10 dB (A) unter dem 2002 gutachterlich zugrunde gelegten Pegel von
85 dB (A) liege, hat die Klägerin diesen Einwand im Klageverfahren ebenfalls nicht
weiter konkretisiert. Das Gericht hatte daher allein auf den neuerlichen Hinweis der
Klägerin im Schriftsatz vom 8. August 2008, das erkennende Gericht solle im
vorliegenden Verfahren überprüfen, ob die Lärmquellen richtig erfasst worden seien,
keinen Anlass, diesen nach wie vor unsubstantiierten Bedenken weiter nachzugehen.
Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass selbst eine
Erhöhung der von der Produktionshalle ausgehenden Immissionen, die derzeit bei 29
dB (A) nachts liegen, um 10 dB (A) auch unter Berücksichtigung des
Parkplatzgeschehens ersichtlich nicht zu einer Überschreitung des einschlägigen
Richtwertes von 45 dB (A) führen würden. Darauf hat bereits das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem die Beschwerde
zurückweisenden Beschluss hingewiesen.
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Sofern die Beigeladene keine Sorge dafür tragen sollte, dass die Auflagen durch ihre
Mitarbeiter beachtet und eingehalten werden und dadurch Lärmimmissionen entstehen,
die über die in der Baugenehmigung festgesetzten Richtwerte hinaus gehen, hätte dies
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nicht die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung zur Folge. Bei einem Verstoß gegen
diese könnte die Klägerin vom Beklagten daher nicht die Aufhebung der
Baugenehmigung, sondern allenfalls ein Einschreiten auf der Grundlage des § 61 Abs.
1 BauO NRW verlangen.
Ebenso verhält es sich mit Geräuschen, die nach den Aussagen der Kläger durch
Lastkraftwagen verursacht werden, die schon vor 6.00 Uhr morgens auf das
Betriebsgrundstück fahren. Insoweit regelt Auflage Nummer 5 zur streitigen
Baugenehmigung, dass auf dem Betriebsgelände im Freien in der Zeit von 22.00 Uhr
bis 6.00 Uhr Be- und Entladevorgänge sowie LKW- und Staplerfahrten nicht zulässig
sind. Tatsächliche Verstöße gegen diese Auflage führen nicht zu deren
Rechtswidrigkeit.
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Lediglich ergänzend weist die Kammer - ohne dass dies entscheidungserheblich wäre -
auf Folgendes hin: Wie die Beigeladene im Erörterungstermin vor Ort am 19. Mai 2008
erklärt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wurde inzwischen eine
Belüftungsanlage im Wert von ca. 60.000 EUR in die Betriebshalle eingebaut, die auch
bei hohen Außentemperaturen eine bessere Belüftung sicher stellen soll. Angesichts
dieses Umstandes dürfte zukünftig mit einer weiteren Verbesserung der tatsächlichen
Immissionssituation auf dem Grundstück der Klägerin zu rechnen sein.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kläger tragen jeweils die
Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen,
die nicht erstattungsfähig sind. Da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und
sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass diese
ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Kammer sieht davon ab, die Berufung zuzulassen, weil die dafür nach § 124 Abs. 2
Nr. 3 oder 4 VwGO erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (vgl. § 124 a Abs. 1
Satz 1 VwGO).
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