Urteil des VG Arnsberg vom 05.11.2008

VG Arnsberg: aufschiebende wirkung, einstellung der bauarbeiten, grundstück, überwiegendes interesse, rechtswidrigkeit, wohngebäude, unzumutbarkeit, bauherr, begriff, wohnhaus

Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 L 740/08
Datum:
05.11.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 740/08
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens; die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Streitwert beträgt 2.500,- EUR.
Gründe:
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Der - sinngemäß gestellte - Antrag zu 1. der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihrer unter dem Aktenzeichen 4 K 3337/08 am 16. Oktober
2008 erhobenen Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des
Antragsgegners vom 15. September 2008 zur Errichtung eines Wohngebäudes geringer
Höhe mit bis zu zwei Wohneinheiten auf dem Grundstück Gemarkung F. , Flur 7,
Flurstücke 272 und 273 (H1.--- straße 17, I1. ) anzuordnen,
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hat keinen Erfolg.
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Der Antrag ist zwar zulässig, weil die Klage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung
nach § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) keine aufschiebende Wirkung hat.
In solchen Fällen kann das Verwaltungsgericht gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80 a Abs. 3
Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die aufschiebende Wirkung der Klage
anordnen.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die im Rahmen der §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO
gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten geht zu Lasten der
Antragstellerin aus. Diese hat kein das Interesse des Beigeladenen überwiegendes
Interesse daran, dass die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die dem
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung angeordnet wird. Nach der im vorliegenden
Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung spricht in der Sache Überwiegendes
dafür, dass die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung keine die Antragstellerin
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schützenden Vorschriften des Bauordnungs- oder des Bauplanungsrechts verletzt.
Soweit eine abschließende Klärung der Erfolgsaussichten der erhobenen Klage letztlich
dem Klageverfahren vorbehalten bleiben muss, überwiegt das Interesse des
Beigeladenen, von der ihm erteilten Baugenehmigung auf eigenes Risiko bereits jetzt
Gebrauch zu machen, das Interesse der Antragstellerin, die Bauausführung vorerst zu
verhindern.
Vgl. zu diesem Maßstab: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
(OVG NRW), Beschluss vom 26. August 2005 - 7 B 1158/05 -.
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Ein Verstoß der gemäß § 68 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
(Landesbauordnung - BauO NRW) erteilten und im Hauptsacheverfahren
angefochtenen Baugenehmigung gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche
Vorschriften ist nicht ersichtlich. Die nach § 6 BauO NRW einzuhaltenden Abstände
sind nach den vorliegenden Bauvorlagen zum Grundstück der Antragstellerin hin
beachtet. Die Anordnung der drei vorgesehenen Stellplätze im östlichen Bereich des
Baugrundstücks einschließlich der im südlichen Bereich des Baugrundstücks
genehmigten Zufahrt ist ersichtlich unter Beachtung der nachbarschützenden Regelung
des § 51 Abs. 7 Satz 1 BauO NRW erfolgt; eine unzumutbare Störung der
Antragstellerin ist weder behauptet noch erkennbar. Soweit die Antragstellerin meint, bei
Durchführung des strittigen Bauvorhabens könnte das Baugrundstück auf ihr
Grundstück abrutschen, ist dies nach dem vorliegenden und der Antragstellerin zur
Kenntnis gegebenen Protokoll betreffend die Verdichtung des Baugrundstücks schon in
tatsächlicher Hinsicht nicht zu befürchten. Maßgebend ist zudem, dass ein solches
Abrutschen des Baugrundstücks allenfalls nach Maßgabe des § 3 BauO NRW
(Allgemeine Anforderungen) bzw. nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW („Die
Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des
Nachbargrundstücks dürfen nicht gefährdet werden") zu betrachten wäre; diese
Vorschriften gehören aber gerade nicht zum Prüfungsmaßstab der strittigen
Baugenehmigung, so dass sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren hierauf
schon im Ansatz nicht berufen kann.
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Vgl. Schulte, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen - Landesbauordnung -, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand Juli 2008,,
Rdnr. 31 und 32 zu § 68.
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Der Antrag könnte daher nur Erfolg haben, wenn und soweit ein Verstoß des
Bauvorhabens des Beigeladenen gegen die Antragstellerin schützende Vorschriften
des Bauplanungsrechts gegeben wäre. Dies lässt sich bei summarischer Prüfung der
Sach- und Rechtslage nicht feststellen.
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Die Antragstellerin könnte sich insoweit allenfalls auf das in § 34 Abs. 1 BauGB
verankerte Gebot der Rücksichtnahme berufen, dem nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) unter bestimmten
Voraussetzungen ausnahmsweise nachbarschützender Charakter zukommt. Für die
Annahme eines nachbarschützenden Charakters des baurechtlichen
Rücksichtnahmegebotes kommt es, da es eine objektiv- und subjektivrechtliche Seite
hat, neben der Frage, ob das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die in
seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt, auch darauf an, ob es in
bestimmter Weise auf schutzwürdige Interessen eines bestimmten Kreises Dritter
Rücksicht nimmt. Für einen solchen Verstoß reicht es nicht aus, wenn ein Vorhaben
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sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung in der
Umgebung gebildet wird, mithin (objektiv) rechtswidrig ist. Andernfalls käme dem Gebot
der Rücksichtnahme schlechthin drittschützender Charakter zu. Solches anzunehmen
verbietet sich aber, weil (zumindest im Baurecht) einer Vorschrift drittschützende
Wirkung nur dann zukommen kann, wenn sie einen bestimmten und abgrenzbaren, d. h.
individualisierenden und nicht übermäßig weiteren Kreis der hierdurch Berechtigten
erkennen lässt. Dem (objektivrechtlichen) Gebot der Rücksichtnahme kommt daher
drittschützende Wirkung nur dann zu, soweit in qualifizierter und zugleich
individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten
Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Dies ist in denjenigen Ausnahmefällen
gegeben, in denen - erstens - die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf
wen Rücksicht zu nehmen ist, und - zweitens - eine besondere Schutzwürdigkeit des
Betroffenen anzuerkennen ist. Die Aspekte der Schutzwürdigkeit, der Intensität der
Beeinträchtigung, der Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten
billigerweise zuzumuten oder unzumutbar ist, sind dann gegeneinander abzuwägen.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Februar 1977 - IV C 22.75 -,
juris; Kuschnerus, Das zulässige Bauvorhaben, 6. Auflage (2001), Rdnr. 121; Söfker, in:
Ernst-Zinkahn- Bielenberg, Baugesetzbuch, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand
März 2006, Rdnr. 141 zu § 34.
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Es kann im vorliegenden Verfahren letztlich unbeantwortet bleiben, ob das Vorhaben
des Beigeladenen objektiv gegen Bauplanungsrecht verstößt, weil es sich nicht - wie
von der Antragstellerin angenommen - i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der
näheren Umgebung einfügt, obwohl Durchgreifendes hierfür nach den vorliegenden
Plänen und den vom Antragsgegner vorgelegten Lichtbildern der Umgebungsbebauung
derzeit nicht ersichtlich ist, was nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen zur Folge hat, dass eine Verletzung des
Rücksichtnahmegebotes ausgeschlossen is.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2002 - 7 B 558/02 -, juris (Rdnr. 15 des
Beschlussabdrucks).
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Denn unabhängig von einer dadurch gegebenenfalls bedingten schlichten
Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung - die für sich genommen dem Antrag mangels
einer in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorausgesetzten Verletzung der Antragstellerin in
„eigenen" Rechten noch nicht zum Erfolg verhelfen kann - ist die nach der oben
genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für einen Antragserfolg
erforderliche besondere Schutzwürdigkeit der Antragstellerin derzeit nicht erkennbar.
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Schutz des
Nachbarn insoweit gegebenenfalls bereits vor der Schwelle einsetzt, die durch den
„schweren und unerträglichen" Eingriff in das Eigentum markiert wird. Was dem
Nachbarn als „rücksichtslos" billigerweise nicht zuzumuten ist, ist nicht gleichzusetzen
mit dem Begriff der Unzumutbarkeit, durch den die verfassungsrechtliche Grenze
zwischen Sozialbindung und enteignendem Eingriff bestimmt wird. Das Gebot der
Rücksichtnahme ist vielmehr bereits dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der
Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der
wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist,
überschritten wird.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1985 - 4 C 1982 -, juris; BVerwG, Urteil vom 25.
Februar 1977 - 4 C 22.75 -, a.a.O.
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Dabei ist auf die konkrete Situation vor Ort abzustellen. Von Bedeutung sein können
beispielsweise die topografischen und meteorologischen Verhältnisse, die Lage der
Grundstücke und gegebenenfalls einzelner Grundstücksteile zueinander, die
Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit bestehender Nutzungen, die Interessen des
Bauherrn sowie die Höhe und Lage der vorhandenen und geplanten Baukörper.
Letztlich bedarf es einer Gesamtbewertung sämtlicher einschlägiger Kriterien, um die
Frage der Rücksichtslosigkeit zuverlässig beantworten zu können. Ferner ist zu
beachten, dass das Rücksichtnahmegebot keine allgemeine Härteklausel darstellt,
sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts ist. Im - hier
gegebenen - unbeplanten Innenbereich geht das Rücksichtnahmegebot im Begriff des
Einfügens gemäß § 34 Abs. 1 BauGB auf; das bedeutet, dass das
Rücksichtnahmegebot nur in Bezug auf ein in dieser Vorschrift genanntes Merkmal
verletzt sein kann, mithin nur dann, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach
seiner Art oder seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise oder nach
seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung
einfügt.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 2003 - 10 A 2512/00 -, juris.
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Die Antragstellerin meint, das Bauvorhaben füge sich nach Art und Maß nicht in die
Eigenart der näheren Umgebung ihres Grundstücks ein. Das Bauvorhaben des
Beigeladenen überrage sämtliche vorhandenen Wohngebäude der Umgebung und
wirke hinsichtlich ihres mit einem „Einfamilienhausbungalow" bebauten Grundstücks
geradezu erdrückend. Das Gebäude des Beigeladenen solle unmittelbar vor ihrer
Terrasse errichtet werden. Auf Grund der Höhe des Baukörpers komme es zu einer nicht
mehr hinnehmbaren Verschattung des Terrassen- und Wohnbereichs auf ihrem
Grundstück. Der zu errichtende Baukörper überrage ihr Haus um fünf bis sechs Meter.
Es sei zudem infolge einer Aufschüttung auf dem Baugrundstück zu besorgen, dass das
Baugrundstück auf ihr Grundstück abrutsche.
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Hiermit kann die Antragstellerin nicht gehört werden. Auch sind sonstige Umstände, die
auf einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts
schließen lassen könnten, im vorliegenden Verfahren nicht ersichtlich.
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Mit dem Einwand, das Bauvorhaben der Beigeladenen füge sich nicht in die Eigenart
der näheren Umgebung ein, macht die Antragstellerin die (schlichte) Rechtswidrigkeit
der Baugenehmigungen geltend, die - wie oben dargelegt - ihrem Antrag schon im
Ansatz nicht zum Erfolg verhelfen kann. Auch im Übrigen dringt sie mit ihrem Vorbringen
nicht durch; eine besondere Schutzwürdigkeit der Antragstellerin, die es
ausnahmsweise gebieten würde, einen (hier unterstellten) Verstoß gegen das objektiv-
rechtliche Gebot der Rücksichtnahme zu sanktionieren, ist derzeit mit Blick auf die
tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort, wie sie sich aus den beigezogenen
Verwaltungsakten ergeben, nicht ersichtlich.
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Auszugehen ist dabei davon, dass das nördlich des Baugrundstücks gelegene
Wohnhaus der Antragstellerin, das nach den vorliegenden Bauunterlagen seine
Erschließung über das nördlich ihres Grundstücks liegende Flurstück 166 erfährt und in
seinem östlichen Teil, der nach den vorliegenden Plänen als Wohnzimmer genutzt wird,
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seinerseits lediglich einen Abstand von 2,5 m zum Baugrundstück einhält, während das
baugenehmigte Wohnhaus des Beigeladenen die in der Landesbauordnung geregelten
Abstände einhält. Es ist in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des
Landes Nordrhein-Westfalen geklärt, dass im Falle der Einhaltung der
bauordnungsrechtlichen Abstandflächen grundsätzlich kein Verstoß gegen das
nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme anzunehmen ist. Ein Wohngebäude
kann einem benachbarten Grundstück Licht, Sonne und Luft nehmen, ferner einen
Einblick in das Nachbargrundstück ermöglichen. Diese Belange werden regelmäßig
durch das bauordnungsrechtliche Abstandflächenrecht aufgefangen. Mit § 6 BauO NRW
hat der Gesetzgeber insoweit regelmäßig abschließend festgelegt, welches Maß an
Rücksichtnahme der Bauherr seinen Nachbarn schuldet und wann einem diesem ein
Vorhaben auf dem Nachbargrundstück unzumutbar ist. Unter diesen Gesichtspunkten
lässt sich deshalb - abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall der
Abstandflächenberechnung nach Maßgabe des Vorrangs des Planungsrechts - bei
gewahrten Abstandflächen eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens nicht begründen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 2005 - 10 A 3138/02 - dazu, dass ein
nachbarlicher Anspruch auf ungehinderte Besonnung eines Grundstücks nicht besteht
und die insoweit betroffenen Belange durch die bauordnungsrechtlich zu wahrenden
Abstandflächen „in vollem Umfang" berücksichtigt sind; OVG NRW, Beschluss vom 23.
Juni 1997 - 10 B 1055/97 -, juris (Rdnr. 27 des Beschlussabdrucks); OVG NRW,
Beschluss vom 18. Oktober 1996 - 10 B 2384/96 -, juris (Rdnr. 13 des
Beschlussabdrucks); OVG NRW, Beschluss vom 13. September 1999 - 7 B 1457/99 -,
juris (Rdnr. 5 des Beschlussabdrucks m.w.N.a.d.Rspr.); OVG NRW, Urteil vom 22.
August 2005 - 7 A 806/04 -.
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Die Antragstellerin dringt auch mit ihrem Vorbringen, das Bauvorhaben des
Beigeladenen stelle sich im Einzelfall ihr gegenüber als rücksichtslos dar, im
vorliegenden Verfahren nicht durch. Ein Bauvorhaben kann sich gegenüber der
Nachbarbebauung im Einzelfall als rücksichtslos erweisen, wenn eine städtebauliche
Sondersituation vorliegt, in der - trotz Wahrung des Abstandsrechts - eine „erdrückende
Wirkung" oder eine sonst vom Volumen, von dem Standort oder von den sonstigen
Besonderheiten ausgehende Unzumutbarkeit für den betroffenen Nachbarn
angenommen werden kann,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 2005, a.a.O.,
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was etwa dann der Fall sein kann, wenn das Bauvorhaben durch seine Ausmaße
(Breite und/oder Höhe) und Gestaltung als außergewöhnlich zu qualifizierender
Baukörper den Bewohnern des Nachbargrundstückes den Eindruck des
Eingemauertseins vermittelt. Einer in dieser Weise hervorgerufenen Abriegelung kommt
erdrückende Wirkung zu.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2002 - 7 B 558/02 -, juris.
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Das ist hier nicht der Fall. Aus den der Kammer vorliegenden Unterlagen und
Lichtbildern ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass von dem dem
Grundstück der Antragstellerin zugewandten Teil des geplanten Bauvorhabens des
Beigeladenen eine das Gebot der Rücksichtnahme verletzende „erdrückende" bzw.
„erschlagende" Wirkung ausgeht.
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Dass sich die Höhe des genehmigten Wohngebäudes des Beigeladenen aus Sicht der
Antragstellerin für sie als unzumutbar darstellt, ist letztlich eine Folge des natürlichen
Geländeverlaufs, der vom Baugrundstück zum Grundstück der Antragstellerin hin abfällt;
die sich daraus ergebenen Konsequenzen einer zulässigen Bebauung des
Nachbargrundstücks sind - wenn wie hier die Abstandflächen eingehalten werden -
grundsätzlich hinzunehmen; eine die Antragstellerin in ihren Rechten verletzende
Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung folgt daraus nicht.
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Soweit die Antragstellerin befürchtet, durch die Errichtung des Wohnhauses des
Beigeladenen würden dem Beigeladenen nunmehr Einblickmöglichkeiten -
insbesondere in den Terrassenbereich ihres Grundstücks - ermöglicht, führt dies nicht
auf eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens des Beigeladenen. Es ist in der
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zudem
geklärt, dass es im unbeplanten Innenbereich regelmäßig keinen eigenständigen
Schutz vor Einblicknahme gibt, der subjektive Rechte des Nachbarn begründen könnte.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, juris (Rdnr. 10 des
Beschlussabdrucks).
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Es mag aus Sicht der Antragstellerin verständlich sein, dass sie die nunmehr
baugenehmigte Situation im Vergleich zur bisherigen Situation, die dadurch geprägt
war, dass die südlich gelegenen Grundstücke unbebaut waren, als eine spürbare
Verschlechterung empfindet. Dass der Blick von ihrem Terrassenbereich nunmehr -
nach Erstellung des baugenehmigten Vorhabens des Beigeladenen - lediglich im süd-
westlichen Bereich nicht durch benachbarte oder eigene bauliche Anlagen begrenzt
wird, ist aber maßgeblich nicht auf das Bauvorhaben des Beigeladenen zurückzuführen,
sondern darauf, dass die Antragstellerin - bzw. der ursprüngliche Bauherr - ihr
Grundstück so bebaut hat, dass ein nur nach Süden hin offener Terrassenbereich
entstanden ist. Sie kann aber die der eigenen Bautätigkeit nachfolgende zulässige
Bebauung des Nachbargrundstücks nicht unter Hinweis auf die zwangsläufig mit der
Bebauung einhergehende (weitere) Beschränkung der Sichtmöglichkeiten aus ihrem
Terrassenbereich verhindern, sondern muss die Konsequenzen der letztlich im
Wesentlichen durch die Bebauung des eigenen Grundstücks hervorgerufenen
Beeinträchtigung des Ausblicks von der Terrasse in die Landschaft tragen.
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Der Antrag zu 2., dem Beigeladenen die sofortige Einstellung der Bauarbeiten
aufzugeben, kann aus den vorgenannten Gründen keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die
außergerichtlichen Kosten des notwendig beigeladenen Bauherrn für erstattungsfähig
zu erklären, vgl. § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3
Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Die Kammer orientiert sich für den Antrag zu 1. an
den Vorgaben des sog. Streitwertkataloges der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen (abgedruckt in: BauR 2003, 1883 ff.), wonach für
Nachbarklagen wegen Beeinträchtigung eines Wohngrundstücks ein Streitwert von
1.500, EUR bis 15.000,- EUR anzusetzen ist (Ziffer 7a des Kataloges). Die Kammer
geht hier von einen Streitwert von 5.000,- EUR für das Hauptsacheverfahren aus, der in
Anwendung von Ziffer 12 a des Kataloges wegen der Vorläufigkeit der Regelung zu
halbieren ist.
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