Urteil des VG Arnsberg vom 16.01.2007

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Verwaltungsgericht Arnsberg, 10 L 1000/06
Datum:
16.01.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 L 1000/06
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als
Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Der - sinngemäße - Antrag der Antragsteller,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 23. Oktober 2006 gegen den
Bescheid des Antragsgegners vom 12. Oktober 2006 wiederherzustellen,
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ist als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und
auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Ordnungsverfügung vom 12. Oktober
2006 genügt dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist in
den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO - ein solcher liegt hier vor - das besondere
öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu
begründen. Diese Pflicht soll die Behörde dazu zwingen, sich des Ausnahmecharakters
der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges
einzelfallbezogen sorgfältig zu prüfen. Darüber hinaus wird der Adressat der
Ordnungsverfügung durch das Begründungserfordernis in einer dem Zweck des § 80
Abs. 3 Satz 1 VwGO und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genügenden Weise in
die Lage versetzt, sich mit den Gründen, aus denen - ausnahmsweise - die sofortige
Vollziehung der Maßnahme angeordnet worden ist, auseinander zu setzen. Gemessen
hieran ist gegen die vom Antragsgegner angeordnete sofortige Vollziehung rechtlich
nichts zu erinnern, denn diese genügt dem Begründungserfordernis dadurch, dass er
die nach ihrem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt maßgeblichen Gründe für das
Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses einzelfallbezogen und hinreichend
nachvollziehbar benennt. Dabei berücksichtigt der Antragsgegner in nicht zu
beanstandender Weise die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land
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Nordrhein-Westfalen (OVG NRW)in seinem Beschluss vom 27. August 2004 (19 B
1516/04), wonach bei einem aus der Sicht der Schulaufsichtsbehörde bestehenden
sonderpädagogischen Förderbedarf, der einen (weiteren) Besuch der allgemeinen
Schule ausschließt, auch der nur vorübergehende Besuch der allgemeinen Schule
regelmäßig die beachtliche Gefahr nicht hinnehmbarer Beeinträchtigungen der weiteren
Schulausbildung und der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung des Schülers
begründe und damit die Notwendigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung des §
80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nach sich ziehe. Dementsprechend geht der
Antragsgegner einzelfallbezogen von dem besonderen Förderbedarf des Antragstellers
zu 1. aus und gibt damit zu erkennen, dass er sich des gesetzlich gleichwohl
bestehenden Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung durchaus
bewusst ist und dies in seine Anordnungsentscheidung mit einbezogen hat.
Einzelfallbezogen hat der Antragsgegner dabei ausgeführt, dass nach Abwägung aller
Interessen ein Verbleib des Antragstellers zu 1. an der I. -U. -(I1. -)T2. in M1. nicht mehr
hingenommen werden könne und deshalb ein besonderes öffentliches Interesse an der
sofortigen Vollziehung vorliege, weil der Schüler trotz gegen ihn ergriffener
erzieherischer Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen keine Veränderung seines
Verhaltens zeige, er vielmehr durch seine häufigen Verstöße gegen die Regeln der
Klassen- und Schulgemeinschaft verstoße sowie durch körperliche und verbale
Aggressionen gegenüber Mitschülern und Kollegen häufig nicht nur den eigenen
Lernzuwachs behindere. Es komme dadurch zu einer erheblichen Belastung des
Lernklimas in der Klasse, die in der Form nicht akzeptabel sei. Auch benötige der
Schüler dringend eine intensive schulische Förderung im Bereich der Interaktion und
Kommunikation, im Aufbau von Regelbewusstsein und Reflektionsfähigkeit sowie in der
Akzeptanz der Interessen anderer und der angemessenen Durchsetzung aller
Interessen. Diese Begründung ist aufgrund der vorstehenden Feststellungen zum
Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs im Bereich emotionale und
soziale Entwicklung in sich schlüssig und stimmig. Sie genügt damit dem
Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, eine inhaltliche
Richtigkeitsüberprüfung findet im Rahmen dieser Norm nicht statt.
Die demnach gebotene Abwägung der widerstreitenden Vollzugsinteressen fällt zum
hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu Lasten der Antragsteller
aus, da sich die angefochtene Ordnungsverfügung auch bei bloß summarischer
Überprüfung bereits als offensichtlich rechtmäßig erweist. Darüber hinaus gebietet auch
die rechtmäßigkeitsunabhängige so genannte offene Interessenabwägung anhand
sonstiger Gesichtspunkte (so genannte Folgenbetrachtung) keine andere Entscheidung.
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Zur Begründung verweist das Gericht zunächst zur Vermeidung unnötiger
Wiederholungen analog § 117 Abs. 5 VwGO auf die auch dem Bestimmtheitsgrundsatz
genügende Begründung in dem angefochtenen Bescheid, der es folgt und die auch zum
gegenwärtigen maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bei besonderer
Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsteller im Rahmen dieses einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens aufgrund der umfassenden Erkenntnisgrundlage, wie sich aus
den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ergibt, rechtlich nicht zu beanstanden
ist.
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Darüber hinaus führt das Gericht unter besonderer Berücksichtigung des Vorbringens
der Antragsteller im Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens aus:
Ausgehend von §§ 19 Abs. 1 bis 3, 20 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen (SchulG) vom 15. Februar 2005 (GV.NRW.S. 102), zuletzt geändert durch das
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2. Schulrechtsänderungsgesetz vom 27. Juni 2006 (GV.NRW.S. 278) i. V. m. § 5 Abs. 3
der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die
T2. für Kranke (Ausbildungsordnung gemäß § 52 SchulG [AO-SF]) vom 19. April 2005,
zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Juli 2006 (SGV.NRW.223) ist der
Antragsgegner bei dem Antragsteller zu 1. von einer Erziehungsschwierigkeit im
Rechtssinne ausgegangen. Diese liegt danach vor, wenn (1.) sich ein Schüler der
Erziehung so nachhaltig verschließt oder widersetzt, dass er (2.) im Unterricht nicht oder
nicht hinreichend gefördert werden kann und (3.) die eigene Entwicklung oder die der
Mitschülerinnen und Mitschüler erheblich gestört oder gefährdet ist.
Diese drei Voraussetzungen liegen aufgrund der von dem Antragsgegner
herangezogenen Erkenntnisquellen vor. Insbesondere sind diese Erkenntnisquellen
verwertbar. Insoweit können sich die Antragsteller nicht mit Erfolg darauf berufen, dass
das der Entscheidung des Antragsgegners zugrundegelegte sonderpädagogische
Gutachten vom 24. September 2006 durch befangene Gutachter erstellt worden sei. Bei
Berücksichtigung der konkreten Ausführungen der Antragsteller unter Zugrundelegung
des gesamten Inhalts des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners kann nämlich nicht
davon ausgegangen werden, dass die an der Erstellung des sonderpädagogischen
Gutachtens als Gutachterin der Regelschule beteiligte M. N. , die Klassenlehrerin des
Antragstellers zu 1., aufgrund der besonderen eigenen Interessenlage befangen und
das gesamte Verhalten dieser Lehrerin sowie des Schulleiters der Hauptschule darauf
gerichtet gewesen ist, ohne jegliche Objektivität im Umgang mit dem Schüler lediglich
dafür zu sorgen, den Schüler alsbald "loszuwerden". Aufgrund der gemeinsamen
Feststellungen in dem sonderpädagogischen Gutachten und der Erkenntnisse, die das
Verwaltungsgericht aus dem Verwaltungsvorgang des Antragsgegners gewonnen hat,
kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Lehrerin von der I. -U. -T2. Lippstadt
den Antragsteller zu 1. nicht unbefangen beurteilt hat, weil sie den Schüler lediglich
"loswerden" wollte und bereits mit dem Bruder Q. des Antragstellers zu 1. Probleme
gehabt habe. Denn abgesehen davon, dass die benannten schulischen Probleme des
Bruders Q. ihre Ursache nicht in seiner Beschulung durch die Klassenlehrerin N. ,
sondern in den in der Person des Schülers liegenden psychischen Problemen und
Erziehungsschwierigkeiten ihren Grund gehabt haben, die unter anderem auch zu einer
Familienbetreuung durch das Jugendamt des Kreises T3. geführt haben, indizieren die
Eintragungen und Stellungnahmen auch der übrigen Lehrer der Hauptschule bezüglich
des Antragstellers zu 1., dass die Einschätzungen der Klassenlehrerin N. nicht durch
deren Befangenheit geprägt sind. In der Stellungnahme der abgebenden T2. wegen des
Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen
Förderbedarfs gemäß § 12 AO-SF für den Antragsteller zu 1. sind durch den Schulleiter
Dr. C. eine Vielzahl von Verfehlungen und Auffälligkeiten des Schülers aufgeführt
worden, die nicht lediglich auf Feststellungen der vermeintlich befangenen
Klassenlehrerin beruhen. Einem Bericht etwa der Lehrerin für das Fach Sport A. Q1. ist
zu entnehmen, dass es dem Schüler irrsinnig schwer falle, Niederlagen einzustecken
und er dadurch oft haltlos und aggressiv reagiere. Meistens bleibe es bei verbalen
Attacken, die er in einer Doppelstunde gehäuft auf einzelne Schüler loslasse. Er
beschimpfe sie auf übelste Weise und verschaffe sich damit "Macht". In einigen Fällen
drangsaliere er sie solange, bis sie ihre Kräfte mit ihm messen würden. Dem Schüler
falle es außerordentlich schwer, mit einigen Klassenkameraden auszukommen und sie
so zu akzeptieren, wie sie seien. In einem Protokoll der Klassenkonferenz der I. -U. -T2.
vom 3. Mai 2005, bei der auch Frau L. -Bilke vom Jugendamt T3. zugegen war, sind
eine Reihe von massiven Verfehlungen des Schülers aufgeführt, die schließlich zu
einem schriftlichen Verweis diesem gegenüber geführt haben. Auch ist dem
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zugehörigen Protokoll zu entnehmen, dass Frau L. -C1. vom Jugendamt des Kreises T3.
sich mit der Antragstellerin zu 2. wegen einer Therapie bei einem Kinder- und
Jugendpsychologen in Verbindung gesetzt hat. Zudem belegen die zahlreichen
Klassenbucheinträge für den Antragsteller zu 1., dass die Feststellungen der
Gutachterin M. N. nicht auf deren etwaige Befangenheit zurückzuführen sind, da sich die
bereits über einen längeren Zeitraum hin erstreckenden Verhaltensauffälligkeiten des
Schülers im sozial-emotionalen Bereich mit Provokationen, Beleidigungen und
Drohungen in den Feststellungen verschiedener Lehrkräfte finden.
Auch steht der Verwertbarkeit des sonderpädagogischen Gutachtens vom 24.
September 2006 nicht der Umstand entgegen, dass dieses Gutachten durch den
Schulleiter Dr. C. in Vertretung für die Gutachterin M. N. unterschrieben worden ist. Dass
die Klassenlehrerin an der Erstellung des gemeinsamen Gutachtens teilgenommen hat,
ergibt sich bereits aus dem zugrundegelegten Bericht der Klassenlehrerin, der
Grundlage der Gesamtbegutachtung gewesen ist, sowie aus einem persönlichen
Gespräch der Gutachterin der Sonderschule T2. M2. W. mit Frau N. am 1. September
2006, das ebenfalls in die Gesamtbeurteilung des Schülers in dem
sonderpädagogischen Gutachten eingeflossen ist.
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Auch können sich die Antragsteller hinsichtlich der Verwertbarkeit und der Aussagekraft
des sonderpädagogischen Gutachtens nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die
sonderpädagogische Lehrkraft lediglich ein 30-minütiges Gespräch mit dem
Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 2. geführt habe und es lediglich auf einer
Unterrichtsbeobachtung an zwei Unterrichtstagen beruhe. Tatsächlich liegen dem
gemeinsamen sonderpädagogischen Gutachten als verwendete Informationsquellen ein
Bericht der Klassenlehrerin, ein Gespräch mit der Klassenlehrerin, die
Unterrichtsbeobachtungen, ein Gespräch mit dem Schüler und der Antragstellerin zu 2.
sowie das schulärztliche Gutachten zugrunde. Auf der Basis dieser Erkenntnisse
kommen die Gutachter sodann in sich stimmig und nachvollziehbar zu der
zusammenfassenden Feststellung, dass bei dem Antragsteller zu 1.
sonderpädagogischer Förderbedarf wegen Erziehungsschwierigkeiten bestehe.
Nachvollziehbar wird festgestellt, dass der Schüler bisher in seiner schulischen und
gesellschaftlichen Sozialisation versäumt habe, wesentliche Verhaltensmaßstäbe zu
verinnerlichen, anzuerkennen und entsprechend anzuwenden. Bedingt durch ein
fehlendes Unrechtsbewusstsein und ein falsch entwickeltes Rechtsverständnis fehle
ihm ein angemessenes Regelverständnis als Orientierungshilfe und Maßstab seines
Handelns. Seitens seiner Eltern werde sein Fehlverhalten vielfach entschuldigt,
relativiert oder als unangemessen beurteilt dargestellt. Der Schüler werde daher zu
Unrecht als Opfer von Vorverurteilungen und Stigmatisierung gesehen. Seine
mangelnde Bereitschaft, Verhaltensmaßstäbe anzuerkennen und in sozialen Bezügen
anzuwenden, führe zu schulischen Auffälligkeiten, die sich in regelmäßigen und
andauernden Verstößen gegen allgemeine Schul- und Klassenregeln sowie körperliche
und verbale Aggression gegenüber Mitschülern und Lehrern niederschlage. Aufgrund
der Inkongruenz von Kommunikations- und Interaktionsregeln sowie einer massiven
Respekt- und Distanzlosigkeit gegenüber seinen Mitmenschen belaste er in
erheblichem Maße das soziale Klima seiner Klasse und der T2. . Diese Ausführungen
und die daraus resultierenden Vorschläge für eine künftige schulische Förderung des
Schülers indizieren, dass aufgrund einer verwertbaren Erkenntnisgrundlage eine
hinreichende Auseinandersetzung zur Frage des schulischen Förderbedarfs bezüglich
des Antragstellers zu 1. stattgefunden hat.
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Angesichts der objektiven Feststellungen, wie sie sich aus dem Verwaltungsvorgang
des Antragsgegners ergeben, ist darüber hinaus der Vorwurf der Antragsteller nicht
nachvollziehbar, dass lediglich die Vorgehensweise der T2. das Verhalten des
Antragstellers zu 1. "provoziert" und eine gewisse "kindliche Trotzreaktion"
hervorgerufen habe. Diese Ausführungen sind für das Gericht nicht nachvollziehbar und
lassen eine hochgradig subjektive Sichtweise und eher verharmlosende Darstellung der
Verfehlungen des Antragstellers zu 1. durch die Antragsteller erkennen.
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Auch verstößt die durchaus übliche Benennung von Gutachtern unter Einbeziehung der
abgebenden und einer möglicherweise aufnehmenden Förderschule nicht generell in
grobem Maße gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Die herangezogenen Unterlagen, in
Sonderheit der Bericht der abgebenden Hauptschule sowie das sonderpädagogische
Gutachten bilden für die vorzunehmende sonderpädagogische Beurteilung die
maßgebliche Erkenntnisgrundlage. Die Frage, ob ein Schüler einer
sonderpädagogischen Förderung bedarf, welcher konkrete Förderbedarf besteht und
welche Förderschule der geeignete Förderort ist, beurteilt sich grundsätzlich nach einem
in der T2. gezeigten Lern- und Leistungsverhalten und sonstigem schulischen
Verhalten,
12
vgl. nur: OVG NRW, Beschlüsse vom 13. September 2005 - 19 B 731/05 -, 20. Februar
2004 - 19 B 320/04 - und vom 29. September 2005 - 19 B 1555/05 -, m. w. N.
13
Die Zuziehung außerschulischen Sachverstands, wie Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens oder einen außerschulischen Gutachter ist Fällen der
vorliegenden Art grundsätzlich nicht geboten. Nach ständiger Rechtssprechung des
OVG NRW ist die Beantwortung der Frage, ob ein Schüler einer sonderpädagogischen
Förderung bedarf, durch den Schüler isoliert außerhalb der T2. überprüfende Gutachter
in der Regel - so auch hier - nicht zugänglich.
14
Vgl. nur: OVG NRW, Beschlüsse vom 22. September 2005 - 19 B 1468/05 - und vom 29.
November 2004 - 19 A 3615/04 -, m. w. N.
15
Auch sind die Antragsteller zu 2. und 3. als Eltern in dem durchgeführten Verfahren zur
Ermittlung eines möglichen sonderpädagogischen Förderbedarfs, der Feststellung der
richtigen Förderschwerpunkte und des zutreffenden Förderortes in nicht zu
beanstandender Weise in das Verfahren einbezogen worden. Im Rahmen der
Antragstellung zur Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen
Förderbedarfs durch den Schulleiter der Hauptschule M1. vom 9. Februar 2006 ist in
einem Begleitschreiben an den Antragsgegner unter dem 9. Januar 2006 mitgeteilt
worden, dass die Eltern des Schülers zuvor zu einem Gespräch in der T2. waren, sie
allerdings in diesem Gespräch nicht überzeugt werden konnten, einer Überprüfung
zuzustimmen. Ausweislich des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur Feststellung
des sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 8. Februar 2006 ist die Antragstellung
nach umfänglicher Anhörung der Eltern im Einvernehmen mit diesen erfolgt. Darüber
hinaus hat die Antragstellerin zu 2. in einem Schreiben vom 15. Februar 2006
umfänglich aus Anlass des eingeleiteten Verfahrens zur Feststellung des
sonderpädagogischen Förderbedarfs zu den schulischen Schwierigkeiten ihres Sohnes
O. , des Antragstellers zu 1., Stellung genommen. Damit ist dem Erfordernis des § 12
Abs. 2 AO-SF genügt, wonach die beauftragten Lehrkräfte die Eltern während der
Erstellung des Gutachtens zu einem Gespräch einladen. Auch sind die Antragsteller zu
2. und 3. gemäß § 12 Abs. 5 AO-SF nach Erstellung des sonderpädagogischen
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Gutachtens durch die Schulaufsichtsbehörde als Eltern informiert und über die
beabsichtigte Entscheidung unterrichtet sowie zu einem Gespräch eingeladen worden.
Ausweislich eines entsprechenden Gesprächsprotokolls hat diese Unterredung am 11.
Oktober 2006 mit Vertretern des Antragsgegners und der Antragstellerin zu 2.
stattgefunden. Die Einladung zu diesem Gespräch erfolgte durch den Antragsgegner
unter dem 2. Oktober 2006. Darin ist nicht lediglich die Antragstellerin zu 2., sondern
auch ihr Ehemann, der Antragsteller zu 3., zu dem Gespräch geladen worden.
Hinreichend bestimmt ist darin des Weiteren als Gesprächsgegenstand die mögliche
Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Bestimmung eines
neuen schulischen Förderorts benannt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist
demnach auch der Antragsteller zu 3. durchaus als erziehungsberechtigter Vater
hinreichend in das Verfahren einbezogen worden.
Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides folgt auch nicht aus § 3 Abs. 3 AO-
SF. Danach ist ein Verfahren zur Entscheidung über den sonderpädagogischen
Förderbedarf, Förderschwerpunkte und den richtigen Förderort nach Abschluss der
Klasse 6 nur noch in Ausnahmefällen durchzuführen. Dabei geht der Verordnungsgeber
zwar erkennbar als Regel davon aus, dass selbst bei Vorliegen eines Förderbedarfs im
Sinne des § 4 AO-SF eine entsprechende sonderpädagogische Förderung mit einem
bestimmten Förderschwerpunkt an einem bestimmten Förderort mit zunehmendem Alter
nicht mehr sinnvoll zu betreiben ist. Indes ergibt sich bei systematischer Betrachtung
aus dem Kontext der AO-SF, dass an den atypischen Ausnahmefall nicht generell zu
hohe Anforderungen zu stellen sind. Denn der Verordnungsgeber geht erkennbar nicht
davon aus, dass im Falle des Vorliegens sonderpädagogischen Förderbedarfs allein die
mehrjährige sonderpädagogische Förderung sinnvoll ist und sich dementsprechend
mangels mehrjähriger Förderungsmöglichkeit der späte Beginn sonderpädagogischer
Förderung verbietet. So ist in § 15 Abs. 1 AO-SF mindestens einmal jährlich die
Überprüfung durch die zuständige Klassenkonferenz geboten, ob der festgestellte
sonderpädagogische Förderbedarf und der festgelegte Förderschwerpunkt weiterhin
bestehen und ob der Besuch eines anderen Förderortes angebracht ist. Auch ist in § 17
Abs. 2 AO-SF ein sonderpädagogisches Ermittlungsverfahren gemäß §§ 12 bis 14 AO-
SF sogar vorgesehen, wenn Anhaltspunkte für sonderpädagogischen Förderbedarf
ausnahmsweise erstmals zu Beginn oder während der Zeit der Schulpflicht in der
Sekundarstufe II festgestellt werden. Hiervon ausgehend ist ein Ausnahmetatbestand im
Sinne des § 3 Abs. 3 AO-SF zu bejahen, wenn im konkreten Einzelfall trotz Abschlusses
der Klasse 6 wegen des erheblichen Förderbedarfs eine sonderpädagogische
Förderung im Hinblick auf die Schwere der Behinderung und die zeitlichen
Rahmenbedingungen ausnahmsweise noch sinnvoll ist.
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Gemessen an diesen Maßstäben ist vorliegend von einem Ausnahmefall im
Rechtssinne auszugehen. Denn abgesehen davon, dass der Antrag auf Einleitung
eines Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und zur
Entscheidung über den schulischen Förderort gemäß AO-SF bereits mit Einverständnis
der Antragsteller am 9. Februar 2006, mithin vor Abschluss der Klasse 6, gestellt worden
ist und sich die Antragsteller insoweit zur Begründung einer Falschinterpretation des § 3
Abs. 3 AO-SF nicht allgemein darauf berufen können, dass damit eine Antragstellung
"auf Vorrat" ermöglicht würde, ist die sonderpädagogische Förderung des Antragstellers
zu 1. im Hinblick auf den bei ihm bestehenden Förderbedarf bei besonderer Beachtung
seines Alters und der Jahrgangsstufe, in der er sich befindet, weiterhin in besonderem
Maße notwendig und sinnvoll. Dabei berücksichtigt die Kammer auch, dass nach den
"Richtlinien für die T2. für Erziehungshilfe (Sonderschule) Nordrhein-Westfalen" gemäß
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dem Runderlass des Kultusministers vom 20. Juni 1978 (veröffentlicht in der
Schriftenreihe des Kultusministers "die T2. in Nordrhein-Westfalen" Heft 6051), von
deren Beachtlichkeit auch weiterhin aufgrund ihrer Aufnahme in die bereinigte amtliche
Sammlung der Schulvorschriften (BASS) 2006/2007, 1528, ausgegangen werden kann,
vorrangiges Ziel auch der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und
soziale Entwicklung die Rückführung der Schüler in die allgemeine T2. ist; dieser
Zielsetzung muss durch eine angemessene Berücksichtigung der für die Rückführung
unabdingbaren Lernziele und Lerninhalte Rechnung getragen werden, so dass dem
Unterricht in diesem Typus der Förderschule grundsätzlich die Lehrpläne der dem
Bildungsgang des Schülers entsprechenden Schulstufen und Schulformen
zugrundegelegt werden (vgl. Nr. 1.4.2 des Runderlasses).
Auch geht das Gericht in materieller Hinsicht entgegen der Auffassung der Antragsteller
von dem Vorliegen einer Erziehungsschwierigkeit im Sinne des § 5 Abs. 3 AO-SF aus,
weil sich der Schüler seiner Erziehung in der allgemeinen T2. so nachhaltig verschließt
und widersetzt, dass er im Unterricht nicht oder jedenfalls nicht hinreichend gefördert
werden kann und dadurch insbesondere die eigene Entwicklung, aber auch die
Entwicklung der Mitschülerinnen/Mitschüler erheblich gestört oder jedenfalls gefährdet
ist. Aufgrund des Begründungsschreibens des Schulleiters der Hauptschule der
Gemeinde M1. an den Antragsgegner vom 9. Februar 2006, der Stellungnahme der
abgebenden T2. vom 8. Februar 2006, der verschiedenen pädagogischen Berichte, des
den Antragsteller zu 1. betreffenden Erziehungsheftes, des Protokolls der Niederschrift
der Klassenkonferenz vom 3. Mai 2005, der Übersicht über die Klassenbucheinträge
des Schülers in der Zeit vom 9. September 2005 bis 19. Januar 2006, eines schulischen
Vermerks vom 24. August 2006 bezüglich eines Vorgangs vom 21. August 2006 und
des sonderpädagogischen Gutachtens vom 24. September 2006 gelangt das Gericht zu
dem Ergebnis, dass es sich bei den Verhaltensauffälligkeiten des Antragstellers zu 1.
um eine "Behinderung" im Sinne des § 19 Abs. 1 SchulG, § 4 Ziff. 1 AO-SF handelt, der
nur durch sonderpädagogische Förderung begegnet werden kann, nicht um ein
steuerbares Fehlverhalten, das etwa noch durch erzieherische Einwirkung (§ 53 Abs. 1
und 2 SchulG) oder durch Schulordnungsmaßnahmen (§ 53 Abs. 3 SchulG)
beeinflussbar ist.
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Aufgrund der vorstehenden Erkenntnisquellen steht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass der Antragsteller zu 1. nicht nur als aggressiver und verhaltensauffälliger Schüler
die eigene Entwicklung und die seiner Mitschülerinnen/Mitschüler erheblich stört oder
gefährdet, er sich aufgrund der Ignoranz von Kommunikations- und Interaktionsregeln
sowie einer massiven Respekt- und Distanzlosigkeit gegenüber seinen Mitmenschen, in
erheblichem Maße das soziale Klima in seiner Klasse und in der T2. insgesamt belastet,
sondern er sich auch nachhaltig seiner Erziehung verschließt oder jedenfalls widersetzt
und er deshalb jedenfalls nicht hinreichend schulisch gefördert werden kann. Dass es
sich dabei nicht um ein lediglich vorläufiges, eher situativbedingtes Fehlverhalten des
Schülers handelt, das mit erzieherischen Einwirkungen oder Ordnungsmaßnahmen
beeinflussbar wäre, zeigt der Umstand, dass das Fehlverhalten des Schülers sich
bereits über Jahre hinzieht, er aufgrund der Vorfälle, die Gegenstand der
Klassenkonferenz vom 3. Mai 2005 gewesen sind, bereits ohne nachhaltigen Erfolg mit
einem schriftlichen Verweis nach § 16 ASchO belegt worden ist und sich die Vertreterin
des Jugendamtes Frau L. -C1. mit der Antragstellerin zu 2. bereits zum damaligen
Zeitpunkt wegen einer Therapie bei einem Kinder- und Jugendpsychologen in
Verbindung gesetzt hat.
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Bestätigt wird diese Einschätzung schließlich durch den eingeholten aktuellen
pädagogischen Bericht der Sonderschullehrerin T4. von der I2. -T2. M2. vom 15. Januar
2007. Zum Arbeits- und Sozialverhalten des Antragstellers zu 1. wird darin unter
anderem unter Beschreibung von Beispielen ausgeführt, dass der Antragsteller zu 1.
bestehende Regeln und Vereinbarungen nicht akzeptiert. Bei offensichtlichen
Regelverstößen seinerseits versucht er immer wieder zu diskutieren, um seine eigenen
Interessen durchzusetzen. Durch sein impulsives und oftmals provozierendes Verhalten
gerät er danach häufig in Konflikte. In anschließenden Klärungsgesprächen zeigt er
wenig Einsicht und ist nicht gewillt, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Er
reagiert aufbrausend, fühlt sich ungerecht behandelt und ist letztlich immer beleidigt.
Seine Selbstwahrnehmung steht in großem Kontrast zur Fremdwahrnehmung. Der
Schüler schätzt sich und seine Handlungsweisen als angemessen ein und erwartet
diesbezüglich Akzeptanz und Toleranz. Entsprechen Reaktionen der Lehrer oder
Mitschüler nicht seinem Empfinden, verhält er sich abwehrend. Sein Sozialverhalten
innerhalb der Lerngruppe wird danach als oberflächlich eingeschätzt. Er sucht seine
Mitschüler durch seine vorlaute und provozierende Art zu beeindrucken; er kann soziale
Kontakte nicht intensivieren, da er dazu neigt, Mitschüler zu "verpetzen", um von
eigenen Regelverstößen abzulenken. Zum Lern- und Leistungsverhalten wird
ausgeführt, dass seine bisherigen Leistungen im durchschnittlichen bis
unterdurchschnittlichen Bereich einzuordnen sind, wobei ihm das Fach Mathematik
besondere Probleme bereitet. Auch arbeitet er danach oftmals wenig konzentriert und
oberflächlich, wobei seine Motivation im Allgemeinen gering ist und von seinen eigenen
Interessen abhängt. Als Fazit ist der aktuellen pädagogischen Stellungnahme zu
entnehmen, dass die Schwierigkeiten des Schülers im Bereich Motivation,
Konzentration und Selbsteinschätzung einen strukturierten Schulalltag, konsequente
Grenzsetzung und regelmäßige Verhaltensreflektionen unabdingbar machen. Hiervon
ausgehend ist es danach für die schulische und soziale Entwicklung des Antragstellers
zu 1. wichtig, dass dieser in einer überschaubaren Lerngruppe mit transparenten
Rahmenbedingungen im sozial-emotionalen Bereich lernt.
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Darüber hinaus ergibt die so genannte offene, d. h. von einer Erfolgsaussicht in der
Hauptsache unabhängige Interessenabwägung keine abweichende Entscheidung.
Auch danach überwiegt bei Abwägung der sich gegenüber stehenden
Vollzugsinteressen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der
Regelung in dem angefochtenen Bescheid das private Interesse der Antragsteller daran,
dass der Antragsteller zu 1. vorläufig die Hauptschule M1. oder eine andere
weiterführende allgemeine T2. besuchen darf.
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Die in den vorstehenden Berichten, Stellungnahmen, Protokollen und Gutachten
enthaltenen Feststellungen und Angaben zu massiven Auffälligkeiten des Antragstellers
zu 1. im Unterricht und sonst in der schulischen Situation, die die Antragsteller auch im
Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens jedenfalls nicht substantiiert in
Zweifel gezogen haben, machen deutlich, dass durch sein Verhalten die Lernsituation
der von ihm zuletzt besuchten Hauptschule nachhaltig in einer seinerzeit nicht mehr
hinnehmbaren Weise beeinträchtigt worden ist, ohne dass die T2. dem durch
sonderpädagogische Förderungsmaßnahmen, durch erzieherische Einwirkung oder mit
Schulordnungsmaßnahmen hätte entgegenwirken können. Schon das öffentliche
Interesse daran, einen geordneten und störungsfreien Unterricht und Schulbetrieb im
Interesse der Mitschülerinnen/Mitschüler wieder zu ermöglichen und zu gewährleisten,
erfordert es, die Überweisung des Schülers in eine Förderschule wegen der
Förderschwerpunkte emotionale und soziale Entwicklung sofort und zunächst für eine
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Übergangszeit wirksam werden zu lassen. Dass der Schüler in eine andere
aufnahmebereite und - unter Berücksichtigung der aufgetretenen Probleme und des
möglichen sonderpädagogischen Förderbedarfs wegen Erziehungsschwierigkeiten -
geeignete allgemeine T2. hätte alsbald aufgenommen werden können, haben die
Antragsteller nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dieses
öffentliche Interesse besteht auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt fort.
Es kann auch unter Berücksichtigung der nachhaltigen massiven
Verhaltensauffälligkeiten nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zu 1.
derzeit an einer anderen Hauptschule oder einer sonstigen weiterführenden
allgemeinen T2. hinreichend gefördert werden kann; das Interesse der Antragsteller
daran, durch eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung den Weg zu einer
schulischen Förderung an einer allgemeinen T2. überhaupt freizugeben, ist daher
derzeit als gering zu veranschlagen. Dabei berücksichtigt das Gericht auch, dass durch
den Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides der weitere Bildungsgang des
Schülers nicht auf eine von den Antragstellern nicht gewünschte Schulform auf Dauer
festgelegt wird. Auch insoweit wird auf die vorstehende Richtlinie für die T2. für
Erziehungshilfe (Sonderschule Nordrhein-Westfalens) gemäß dem Runderlass des
Kultusministers vom 20. Juni 1978 verwiesen, wonach vorrangiges Ziel auch der
Förderschule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung die
Rückführung des Schülers in eine allgemeine T2. ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 des
Gerichtskostengesetzes und ist mit 2.500,00 EUR angemessen und ausreichend erfolgt.
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