Urteil des VG Arnsberg vom 24.04.1995

VG Arnsberg (1995, verbindung, wahl, anordnung, prüfung, antrag, person, angabe, sitzung, verwaltungsgericht)

Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 L 787/95
Datum:
24.04.1995
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 L 787/95
Tenor:
1. Die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes werden
abgelehnt. 2. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 4000,00 DM festgesetzt.
Die Anträge mit dem wörtlichen Begehren,
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1. den Antragsgegner zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO
zu verpflichten, die Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters in Vollziehung des
Ratsbeschlusses vom 26. 01. 1995 über die Einführung und Durchführung der neuen
Kommunalverfassung NW von der Tagesordnung des Sitzung des Rates am
28.04.1995 abzusetzen,
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2. die Antragsgegner zu 1 und zu 2. im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123
VwGO zu verpflichten, die Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters in Vollziehung
des Ratsbeschlusses vom 26.01.1995 über die Einführung und Durchführung der neuen
Kommunalverfassung NW aufzuschieben, bis rechtskräftig über den Widerspruch gegen
den Bescheid vom 14.03.1995 entschieden ist, mit dem die Unzulässigkeit des gegen
den Beschluß vom 26.01.1995 gerichteten Bürgerbegehrens festgestellt wurde,
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sind zwar als Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Absatz 1
der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber beide unbegründet.
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Gemäß § 123 Absatz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung entweder ergehen, um
zu verhindern, daß die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder
wesentlich erschwert wird oder aber zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in
Bezug auf eine streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile oder Verhinderung drohender Gewalt oder aus
sonstigen Gründen nötig erscheint. Hierbei hat der Antragsteller in beiden Fällen den
geltend gemachten Anspruch des materiellen Rechts (Anordnungsanspruch) sowie das
Bedürfnis, schon vor der gerichtlichen Entscheidung über diesen Anspruch im
Hauptsacheverfahren eine vorläufige Regelung zu treffen (Anordnungsgrund), glaubhaft
zu machen (vgl. § 123 Absatz 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Absatz 2, 294 der
Zivilprozeßordnung - ZPO -).
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Diese Voraussetzungen liegen hier sowohl bezüglich des Antrages zu 1. als auch
bezüglich des Antrages zu 2 nicht vor.
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Denn es fehlt hinsichtlich beider Anträge an der Glaubhaftmachung eines
entsprechenden Anordnungsanspruches der Antragstellerinnen. Ein
Anordnungsanspruch der Antragstellerinnen auf Absetzung der Wahl eines
hauptamtlichen Bürgermeisters von der Tagesordnung der Ratssitzung am 28. April
1995 (Antrag zu 1.) und Verschiebung einer solchen Wahl bis zum Zeitpunkt einer
rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch vom 14. März 1995 (Antrag zu 2.)
würde voraussetzen, daß von den Antragstellerinnen ein wirksames und insofern
zulässiges Bürgerbegehren mit dem Ziel eines späteren Bürgerentscheides gemäß § 26
Absatz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der
Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV NW S. 666) - GO NW n.F.- eingereicht worden
ist, dessen Verwirklichung durch den beabsichtigten Beschluß des Antragsgegners zu
2. in der Sitzung vom 28. April 1995 durch die Wahl eines hauptamtlichen
Bürgermeisters vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
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An einem derartigen wirksamen und zulässigen Bürgerbegehren gemäß § 26 Absatz 1
GO NW, hinsichtlich dessen die Antragstellerinnen als Vertretungsberechtigte auftreten
könnten, fehlt es indessen im vorliegenden Falle. Zwar haben die Antragstellerinnen mit
Schreiben vom 7. Februar 1995 als vertretungsberechtigte Personen im Sinne von § 26
Absatz 2 GO NW n.F. schriftlich einen von ca. 2.100 Personen unterzeichneten Antrag
(Bügerbegehren) des Inhalts, daß - entgegen der anderslautenden Beschlußfassung
des Antragsgegners zu 2. in seiner Sitzung vom 26. Januar 1995 - in der Stadt xxx, bis
zum 30 September 1999 die kommunale Doppelspitze (ehrenamtlicher Bürgermeister
und Stadtdirektor) fortbestehen bleiben soll. Dieses Bürgerbegehren erweist sich aber
bei der hier allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung bereits in
formeller Hinsicht als unwirksam und insofern unzulässig.
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Dies ergibt sich im einzelnen aus Folgendem:
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Nach der Regelung des § 26 Absatz 4 Satz 1 und 2 GO NW n.F. muß ein
Bürgerbegehren von mindestens 10 v. H. der Bürger bzw. in Gemeinden mit nicht mehr
als 50.000 Einwohnern mit mindestens 4.000 Unterschriften unterzeichnet sein. Nach
der Regelung des § 26 Absatz 4 Satz 4 in Verbindung mit § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW
n.F. gilt dabei, daß solche Eintragungen, welche die Person des jeweiligen
Unterzeichners nach Namen, Vornamen, Tag der Geburt, und Anschrift nicht zweifelsfrei
erkennen lassen, ungültig sind. Hieraus, insbesondere aus der gesetzlich angeordneten
Folge der Ungültigkeit einer Unterzeichnung im Falle des Fehlens einer dieser
Angaben, folgt, daß namentlich die Angabe des Tages der Geburt des jeweiligen
Unterzeichners, die überhaupt erst einen sicheren Schluß darauf zuläßt, daß es sich bei
dem jeweiligen Unterzeichner hinsichtlich desses Alters um einen wahlberechtigten
Bürger im Sinne von § 21 Absatz 2 GO NW n.F. handelt, zu den wenigen zwingenden
Formerfordernissen einer wirksamen Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens gehört.
Dieses gesetzlich zwingend angeordnete Formerfordernis der Angabe des
Geburtstages kann auch nicht - im Sinne einer nachträglichen "Heilung" - dadurch
ersetzt werden, daß im Rahmen der später durchgeführten Prüfling der Angaben durch
die Gemeinde gemäß § 26 Absatz 4 Satz 3 in Verbindung mit § 25 Absatz 4 Satz 3 GO
NW n.F., soweit hinsichtlich bestimmter Unterzeichner die Angabe des Geburtstages
fehlt, nachträglich aufgrund der sonstigen Angaben zur Person durch Abgleichung mit
den Melderegistern festgestellt wird, daß es sich bei diesen Personen auch hinsichtlich
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ihres Alters um zu den Gemeindewahlen wahlberechtigte Bürger im Sinne von § 21
Absatz 2 GO NW n.F. handelt. Denn dem Gesetzeswortlaut des § 26 Absatz 4 in
Verbindung mit § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW n.F. ist jedenfalls bei summarischer
Prüfung mit ausreichender Eindeutigkeit zu entnehmen, daß schon die Eintragung in
dem Bürgerbegehren selbst zweifelsfrei die Person des Unterzeichners unter anderem
auch hinsichtlich seines Alters und der daran geknüpften Bürgereigenschaft gemäß § 21
Absatz 2 GO NW n.F. erkennen lassen muß, mithin also eine mögliche und
gegebenenfalls auch später durchgeführte Feststellung des Vorliegens der
erforderlichen altersmäßigen Voraussetzungen im Rahmen der Prüfung der Angaben
der Unterzeichner durch die Gemeinde hingegen nicht ausreichen soll.
Hiervon ausgehend ist bei summarischer Prüfung im vorliegenden Fall nicht feststellbar,
daß die Antragsteilerinnen als insofern vertretungsberechtigte Personen überhaupt ein
wirksames, formell zulässiges Bürgerbegehren eingereicht haben. Denn ausweislich
der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Unterschriftenlisten haben die
Unterzeichner des hier betroffenen Bürgerbegehrens - was auch vom
Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen bestätigt worden ist - keine Angaben
zu ihren jeweiligen Geburtstagen in den Unterschriftenlisten gemacht. Damit sind
entsprechend den obigen Ausführungen nach der zwingenden gesetzlichen Regelung
des § 26 Absatz 4 Satz 4 in Verbindung mit § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW n.F. die
geleisteten Unterschriften in formeller Hinsicht ungültig, ohne daß es darauf ankommt,
daß der Großteil der jeweiligen Unterzeichner möglicherweise nach der von der
Verwaltung später durchgeführten Prüfung, wie von den Antragstellerinnen vorgetragen,
die altersmäßigen Voraussetzungen von wahlberechtigten Bürgern im Sinne von § 21
Absatz 2 GO NW n.F. erfüllt.
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Nach alledem ist bei summarischer Überprüfung festzustellen, daß mangels der
erforderlichen Anzahl formgültiger Unterzeichnungen gemäß § 26 Absatz 4 in
Verbindung mit § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW n.F. im vorliegenden Fall schon kein
wirksames und formell zulässiges Bürgerbegehren gegeben ist, dessen Verwirklichung
durch den beabsichtigten Beschluß des Antragsgegners zu 2. in der Ratssitzung vom
28. April 1995 vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Fehlt es schon von
daher an der Glaubhaftmachung eines hierauf gegründeten Anordnungsanspruches der
Antragstellerinnen hinsichtlich der beiden von ihnen gestellten Anträge, so kann die
weitere, zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob das hier betroffenen
Bürgerbegehren auch in materieller Hinsicht nach den Ausschlußregelungnen des § 25
Absatz 5 Nr. 1 und 2 GO NW n.F. unzulässig ist, dahingestellt bleiben.
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Die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes waren daher abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO.
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Hinsichtlich des Streitwertes hat die Kammer mangels anderer Anhaltspunkte sowie
angesichts des Umstandes, daß beide Anträge sachlich auf dasselbe Begehren
gerichtet waren, unter Berücksichtigung des Charakters dieses Verfahrens als
Eilverfahren gemäß §§ 20 Absatz 3, 13 Absatz 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes -
GKG - die Hälfte des Auffangstreitwertes (8.000,-- DM) zugrundegelegt.
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