Urteil des VG Arnsberg vom 22.08.2008

VG Arnsberg: psychotherapie, weiterbildung, gleiche zeit, innere medizin, psychiatrie, facharzt, muster, erwerb, anerkennung, assistenzarzt

Verwaltungsgericht Arnsberg, 3 K 2253/06
Datum:
22.08.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 2253/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
1
Der am 6. November 1956 geborene Kläger ist seit November 1986 approbiert. In der
Zeit vom 1. Oktober 1987 bis zum 30. Juni 1988 war er im Rahmen einer
Halbtagsbeschäftigung als Assistenzart in der nervenärztlichen Abteilung des
Krankenhauses F. , M. , tätig. Anschließend war er vom 1. Juli 1988 bis zum 30.
September 1989 ganztags als Assistenzarzt im Psychiatrischen Krankenhaus X.
beschäftigt. Es schlossen sich eine Halbtagsbeschäftigung als Assistenzarzt in der
Abteilung für Psychiatrie des Kreiskrankenhauses M1. in der Zeit vom 1. Oktober bis 31.
Dezember 1989 sowie vom 1. Januar bis 30. Juni 1990 ein Arbeitsverhältnis als
ganztags beschäftigter Assistenzarzt im Westfälischen Fachkrankenhaus für Psychiatrie
I. (I -Klinik) und vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 ein solches an der
Psychosomatischen Klinik Bad O. /T. an. Ferner war der Kläger vom 1. Juli bis 31.
Dezember 1991 ganztags in der Abteilung für klinische Psychiatrie des N -
Krankenhauses, C. , beschäftigt. In der Zeit vom 16. Januar 1992 bis zum 30. Juni 1992
war er im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung X. - in N. tätig und nahm dort
Gutachteraufgaben wahr.
2
Seit dem 18. März 1994 führt der Kläger die Bezeichnung "Praktischer Arzt" und ist
seitdem in eigener Praxis in I1. niedergelassen, wo er ausschließlich auf dem Gebiet
der Psychotherapie tätig ist. Am 12. Juli 1993 wurde ihm von der Beklagten die
Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung "Psychotherapie" erteilt.
3
Einen Antrag des Klägers vom Januar 1995, ihm die Führung der Gebietsbezeichnung
"Psychotherapeutische Medizin" zu gestatten, lehnte die Beklagte ab. Ein hiergegen
gerichtetes Klageverfahren vor der Kammer (3 K 5108/96) blieb ebenso erfolglos (Urteil
vom 7. November 1997) wie ein Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht
Münster (Urteil vom 2. September 1999 - 13 A 5641/97 -), eine
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom
31. Mai 2000 - 3 B 151.99 -) und eine Verfassungsbeschwerde zum
Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 15. Februar 2001 - 1 BvR 1254/00 -).
4
Mit Schreiben vom 28. September 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten u.a. die
Anerkennung der Gebietsbezeichnung "Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie". Zur Begründung trug er vor: Die inhaltlich neue (jetzt klarer als bisher
zwischen tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Ausbildung
unterscheidende) und nicht etwa schlicht eine Weiterentwicklung der bisherigen
Facharztbezeichnung ("Facharzt für Psychotherapeutische Medizin") darstellende
Gebietsbezeichnung sei ihm zuzuerkennen. Er verfüge über beide Ausbildungen,
zudem hätten Psychobiologie und Ethologie keine Bedeutung mehr, jedoch vermehrt
die Innere bzw. Allgemeine Medizin, die in seinem Falle durch seine erste
Weiterbildungsstelle - die Neuropsychiatrie im Krankenhaus F. , M. - besonders
gegeben sei. Qualifikationsbelege lägen in den diversen Verfahrensakten vor.
5
Mit Schreiben vom 4. November 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, bei der
angestrebten Gebietsbezeichnung handele es sich nicht um eine Neuschöpfung,
sondern lediglich um eine Umbenennung der bisherigen Gebietsbezeichnung
"Psychotherapeutische Medizin". Inhaltliche Veränderungen seien nicht vorgenommen
worden. Dass nur eine namentliche Umbenennung, nicht aber eine inhaltliche
Änderung erfolgt sei, werde auch daran deutlich, dass eine spezielle
Übergangsregelung für alle Kammerangehörigen getroffen worden sei, die die bisherige
Facharztbezeichnung "Psychotherapeutische Medizin" besitzen; diese seien berechtigt,
statt der alten Facharztbezeichnung nun diejenige "Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie" zu führen. Diese Spezialregelung schließe eine Anwendbarkeit der
allgemeinen Übergangsbestimmungen (hier: § 20 Abs. 8 der Weiterbildungsordnung der
Ärztekammer X. - vom 9. April 2005 - nachfolgend: WBO 2005 -), auf die sich der Kläger
der Sache nach berufe, aus.
6
Mit Schreiben vom 2. Januar 2006 erhob der Kläger Widerspruch und machte
ergänzend geltend: Obwohl er sich weitergebildet und u.a. viele
Psychotherapiequalifikationen erworben habe, werde ihm mit rechtlich wie moralisch
unhaltbarer Argumentation die Zulassung zur Prüfung zum "Arzt für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie" verwehrt. Diese Gebietsbezeichnung sei unter dem
Blickwinkel der Übergangsbestimmungen als neu anzusehen und in diesem
Zusammenhang sei seine Praxistätigkeit als seit 1994 ausschließlich
psychotherapeutisch Tätiger mit Weiterbildungsbefugnis in mehreren
Psychotherapiebausteinen anzuerkennen.
7
Die daraufhin von der Beklagten beteiligten Prof. Dr. med. I. und Dr. med. J. vertraten in
ihren Stellungnahmen vom 18. März und 5. April 2006 übereinstimmend die Auffassung,
dass mit der Verabschiedung der Fachgebietsbezeichnung "Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie" kein neues Fachgebiet begründet worden sei, sondern die
Bezeichnung lediglich eine Präzisierung der ursprünglichen Fachgebietsbezeichnung
darstelle.
8
Nach entsprechendem Vorstandsbeschluss wies die Beklagte den Widerspruch des
Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2006 - dem Kläger zugestellt am 27.
Mai 2006 - zurück. Zur Begründung nahm sie zum einen der Sache nach auf die
Begründung des Ausgangsbescheides Bezug, zum anderen wurde ausgeführt: Selbst
wenn man annähme, dass die allgemeinen Übergangsbestimmungen des § 20 WBO
2005 auch hinsichtlich eines Gebietes anwendbar seien, dessen Bezeichnung sich
lediglich geändert habe, lägen die Voraussetzungen für eine Zulassung des Klägers zur
9
Prüfung nicht vor. Er sei in den letzten acht Jahren nicht an Weiterbildungsstätten oder
vergleichbaren Einrichtungen i.S.v. § 20 Abs. 8 WBO 2005 tätig gewesen, sondern habe
den ärztlichen Beruf in eigener Praxis ausgeübt. Eine Zulassung seiner Praxis als
Weiterbildungsstätte sei nicht erfolgt. Daran änderten die von dem Kläger erworbenen
Befugnisse für einzelne Psychotherapiebausteine nichts. Tätigkeiten in eigener Praxis
seien zudem gemäß § 36 Abs. 6 des Heilberufsgesetzes nicht auf die Weiterbildung
anrechenbar.
Der Kläger hat bereits vor Zustellung des Widerspruchsbescheides - am 24. Mai 2006 -
Klage erhoben sowie um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit rechtskräftig
gewordenem Beschluss vom 12. Juni 2006 - 9 L 508/06 - lehnte die vormals zuständige
9. Kammer des erkennenden Gerichts den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung ab; wegen der Begründung dieser Entscheidung wird auf die diesbezügliche
Gerichtsakte Bezug genommen.
10
Zur Begründung seiner unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides fortgeführten
Klage vertieft der Kläger sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und macht
ergänzend u.a. geltend: Die Beklagte habe bislang keinen Beleg dafür erbringen
können, dass die neue Gebietsbezeichnung nur eine Neubezeichnung einer bereits
früher vorhandenen sei. Materialien zur Begründung der Änderung gebe es angeblich
nicht. Inhaltliche Unterschiede würden aber schon an den jeweiligen
Gebietsbezeichnungen erkennbar. Habe früher der Schwerpunkt in der Medizin mit
psychotherapeutischen Methoden gelegen, stehe nunmehr die Medizin bezüglich
Körperkrankheiten seelischer Begründung, Auslösung bzw. Aufrechterhaltung im
Vordergrund. Fehlerhaft habe die Beklagte schließlich auch § 10 WBO 2005 nicht
beachtet, obwohl er durch hohe Weiterbildungsqualität belegt habe, dass "die
Grundsätze ... zum Erwerb der vorgeschriebenen ärztlichen Kompetenz ... gewahrt"
seien.
11
Der Kläger beantragt,
12
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14. November 2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2006 zu verpflichten, ihn zur Prüfung zum
Zwecke der Erlangung der Gebietsbezeichnung "Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie zuzulassen.
13
Die Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des
Widerspruchsbescheides und trägt ergänzend vor: Die Sachlage habe sich entgegen
der Sicht des Klägers durch die bloße Umbenennung der Facharztbezeichnung nicht
geändert. Es seien vielmehr lediglich Präzisierungen bezogen auf den Inhalt der
Weiterbildung vorgenommen worden, aber keine neu eingeführte
Weiterbildungsqualifikation geschaffen worden. Das zeige auch ein inhaltlicher
Vergleich der Regelungen zur Gebietsbezeichnung "Psychotherapeutische Medizin" in
der Weiterbildungsordnung 1993 (§ 2 Abs. 1 Nr. 37 i.V.m. Abschnitt I Nr. 37) mit den
nunmehrigen Regelungen der WBO 2005 zur neuen Gebietsbezeichnung. Mithin sei die
vom Kläger reklamierte Übergangsvorschrift des § 20 Abs. 8 WBO 2005 schon nicht
einschlägig. Das folge aber auch - wie sich aus § 20 Abs. 1 WBO 2005 ableiten lasse
16
("die allgemeinen Übergangsbestimmungen gelten, soweit in dem Abschnitt B und C ...
keine speziellen Regelungen getroffen sind") - daraus, dass es eine spezielle
Übergangsregelung in Abschnitt B Nr. 27 WBO 2005 gebe, deren Voraussetzungen der
Kläger jedoch nicht erfülle. Bei der Verabschiedung der WBO 2005 habe sich die
Beklagte an der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer orientiert. Die
Intention der hier maßgeblichen Wortlautänderung lasse sich den Protokollen über den
106. Deutschen Ärztetag im Mai 2003 entnehmen. Sie sei auch entsprechend in der
Öffentlichkeit wahrgenommen worden. So sei in sämtlichen fachspezifischen
Veröffentlichungen von einer Umbenennung und nicht etwa einer wesentlichen
inhaltlichen Änderung die Rede. Schließlich erfülle der Kläger auch nicht die
Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung gemäß § 39 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 des
Heilberufsgesetzes (HeilBerG NRW) i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 WBO 2005. Er habe die
erforderliche Weiterbildungszeit von insgesamt 60 Monaten (Nr. 27 des Abschnitts B) an
einer Weiterbildungsstätte i.S.d. §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 WBO 2005 weder nach den
Regel- noch nach den Übergangsbestimmungen belegen können. Nach § 6 Abs. 1 Satz
2 WBO 2005 zähle die Praxis eines zugelassenen Arztes zwar grundsätzlich zu den
Weiterbildungsstätten; die Zeit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in eigener
Praxis sei aber nach § 36 Abs. 6 HeilBerG NRW nicht auf die Weiterbildungszeit
anrechnungsfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge sowie der Gerichtsakten 3 K 5108/96, 3 K 2126/98 und 9 L
508/06 verwiesen.
17
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene
Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung zur Prüfung zum Zwecke der
Erlangung der Gebietsbezeichnung "Psychosomatische Medizin und Psychotherapie".
19
Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen ergeben sich aus dem Heilberufsgesetz für das
Land Nordrhein-Westfalen (HeilBerG NRW ) vom 9. Mai 2000 (GV.NRW S. 403), zuletzt
geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. November 2007 (GV.NRW S. 572) sowie
der WBO 2005. Nachfolgende Änderungen der WBO 2005 sind zwar im Rahmen einer
Verpflichtungsklage wegen des hieraus folgenden maßgebenden Zeitpunktes der
letzten mündlichen Verhandlung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
grundsätzlich relevant, betreffen die im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen
der WBO 2005 jedoch nicht.
20
Die Kammer geht sowohl in verfahrensmäßiger als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht
von der Wirksamkeit der WBO 2005 aus. Das Gericht ist nicht verpflichtet, ohne Anlass -
gleichsam ungefragt - in die Suche nach Fehlern in der Entstehungsgeschichte einer
untergesetzlichen Norm einzutreten, die allgemein als rechtswirksam angesehen und
gehandhabt wird.
21
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
2. September 1999 - 13 A 5641/97 - m.w.N.
22
Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten, ihn zur Prüfung zur
Erlangung der Gebietsbezeichnung "Psychosomatische Medizin und Psychotherapie"
zuzulassen, da er die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
23
Der Kläger kann einen derartigen Anspruch nicht aus § 12 Abs. 1 Satz WBO 2005 i.V.m.
den die Weiterbildung von Angehörigen der in § 1 des HeilBerG NRW aufgeführten
Kammern, zu denen auch der Kläger als approbierter Arzt gehört (vgl. §§ 1 Satz 1 Nr. 1,
2 Satz 1 HeilBerG NRW), regelnden Vorschriften der §§ 33 ff. HeilBerG NRW herleiten.
24
Gemäß §§ 33 Satz 1, 35 Abs. 1 HeilBerG NRW kann ein Kammerangehöriger neben
seiner Berufsbezeichnung eine weitere (Fachgebiets-)Bezeichnung nur nach
Anerkennung durch die zuständige Kammer erhalten, wenn er die vorgeschriebene
Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen hat. Die Kammer entscheidet über den Antrag
auf Anerkennung aufgrund einer Prüfung, in der Inhalt, Umfang und Ergebnis der
durchlaufenen Weiterbildungsabschnitte nachzuweisen und die erworbenen Kenntnisse
mündlich darzulegen sind (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 HeilBerG NRW). Die Zulassung zur
Prüfung setzt gemäß § 39 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 HeilBerG NRW i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2
WBO 2005 u.a. voraus, dass die ordnungsgemäße Weiterbildung - die sich aus
praktischer Berufstätigkeit und theoretischer Unterweisung zusammensetzt (vgl. § 36
Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 ff. HeilBerG NRW) - durch Zeugnisse nachgewiesen ist. In § 36
Abs. 8 HeilBerG NRW ist geregelt, dass die Kammern das Nähere, insbesondere den
weiteren Inhalt und die Dauer der Weiterbildung in Weiterbildungsordnungen
bestimmen - wie hier in der WBO 2005. Eine diesen Anforderungen entsprechende
Weiterbildung, die für das Gebiet "Psychosomatische Medizin und Psychotherapie" u.a.
in §§ 2 Abs. 3 und 5, 4, 8, 10 ff. i.V.m. Abschnitt B Ziffer 27 WBO 2005 geregelt ist, hat
der Kläger nicht nachgewiesen.
25
Neben dem Erwerb der vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte ist zum Nachweis der
ordnungsgemäßen Weiterbildung im Gebiet "Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie" u.a. eine Weiterbildungszeit von insgesamt 60 Monaten bei einem
Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1
WBO 2005 abzuleisten (S. 117 der WBO 2005 - Abschnitt B Ziffer 27). Obligatorisch ist
eine zwölfmonatige Tätigkeit im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie, von der sechs
Monate im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie abgeleistet
werden können. Auf die ebenfalls zwingend vorgeschriebene zwölfmonatige
Berufspraxis im Gebiet "Innere Medizin und Allgemeinmedizin" können sechs Monate
Beschäftigung im Bereich der unmittelbaren Patientenversorgung angerechnet werden.
Insgesamt können von den 60 Monaten bis zu 24 Monate im ambulanten Bereich
abgeleistet werden. Die praktischen Weiterbildungszeiten sollen im Regelfall ganztägig
- nur in persönlich begründeten Fällen auch in Teilzeit - sowie in hauptberuflicher
Tätigkeit erbracht werden (§ 36 Abs. 4 und 5 HeilBerG NRW); Zeiten unter sechs
Monaten bei Weiterbildungsstätten und bei Weiterbildenden werden nur angerechnet,
wenn sie vorgeschrieben sind. Tätigkeiten in eigener Praxis sind auf die geforderten
Weiterbildungszeiten nicht anrechnungsfähig (§ 36 Abs. 6 HeilBerG NRW). Mit der
Weiterbildung kann zudem nach § 4 Abs. 1 Satz 1 WBO 2005 erst nach der ärztlichen
Approbation begonnen werden.
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Die Erfüllung dieser für die Zulassung zur Prüfung nachzuweisenden Zeiten
einschlägiger beruflicher Tätigkeiten hat der Kläger nicht nachgewiesen. Durch die nach
Erhalt seiner Approbation am 25. November 1986 ausgeübten Ganztagstätigkeiten an
verschiedenen psychiatrischen Fachkrankenhäusern bzw. psychiatrischen Abteilungen
27
von Allgemeinen Krankenhäusern in den Jahren 1988 bis 1991 hat er die erforderliche
Mindestweiterbildungszeit von 60 Monaten nicht erreicht, und zwar auch nicht bei
Berücksichtigung der Halbtagsbeschäftigung im Krankenhaus F. , M. sowie der unter
sechsmonatigen (dreimonatigen) Dienstzeit am Kreiskrankenhaus M1. . Selbst dann
ergäbe sich nur eine Gesamtweiterbildungszeit von 50 Monaten und 15 Tagen, da die
seit März 1994 ausgeübte Tätigkeit des Klägers als niedergelassener praktischer Arzt
und Psychotherapeut gemäß § 36 Abs. 6 HeilBerG NRW bei der Ermittlung der
praktischen Weiterbildungszeiten nicht zu berücksichtigen ist.
Gegen das materielle Erfordernis einer bestimmten zeitlichen Tätigkeit in einem Gebiet
als Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung (hier: nach § 12 Abs. 1 i.V.m. Abschnitt
B Ziffer 27 WBO 2005) bestehen keine Bedenken. Es dient u.a. der Sicherstellung des
Schutzes des Patienten, dass nur ausreichend weitergebildete Bewerber mit
entsprechendem medizinischen Wissen und Fähigkeiten die Gebietsbezeichnung
erlangen bzw. führen dürfen.
28
Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Zulassung zur
Weiterbildungsprüfung in dem von ihm benannten Fachgebiet auch nicht aus der
Übergangsregelung des § 20 Abs. 8 Satz 1 WBO 2005 herleiten. Danach kann u.a.
derjenige Kammerangehörige die Zulassung zur Prüfung beantragen, der bei
Einführung einer neuen Bezeichnung in die Weiterbildungsordnung in dem jeweiligen
Gebiet innerhalb der letzten acht Jahre vor der Einführung mindestens die gleiche Zeit
regelmäßig an Weiterbildungsstätten oder vergleichbaren Einrichtungen tätig war,
welche der jeweiligen Mindestdauer der Weiterbildung entspricht.
29
Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die allgemeine Übergangsregelung des § 20
Abs. 8 Satz 1 WBO 2005 bereits deshalb als Anspruchsgrundlage für das Begehren des
Klägers ausscheidet, weil in Abschnitt B Ziffer 27 WBO 2005 eine spezielle
Übergangsregelung für Kammerangehörige mit der bisherigen Facharztbezeichnung
"Facharzt für Psychotherapeutische Medizin" und nach § 20 Abs. 1 WBO 2005 die
allgemeinen Übergangsbestimmungen (nur) gelten, soweit in den Abschnitten B und C
der WBO 2005 keine speziellen Regelungen getroffen sind. Allerdings könnte das
"soweit" auch so verstanden werden, dass spezielle Übergangsregelungen einer
Berufung auf die allgemeine nur soweit entgegenstehen, als sie Regelungen treffen.
30
Dies kann ebenso offen bleiben wie die weitere Frage, ob die allgemeine
Übergangsregelung des § 20 Abs. 8 Satz 1 WBO 2005 überhaupt Fälle einer bloß
formalen Neueinführung einer Facharztbezeichnung durch Änderung von Begriffen
erfasst, oder nicht vielmehr ausschließlich die einer Neueinführung in materieller
Hinsicht, d.h. die Bestimmung sachlich neuer, bisher nicht geregelter Arztdisziplinen
oder ärztlicher Tätigkeitsfelder.
31
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. November 2000 - 13 A 2267/99 -, MedR 2002, 204 (in
bezug auf eine ähnliche Regelung der Weiterbildungsordnung -"Einführung einer neuen
Arztbezeichnung" - für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 27. September
1994)
32
Die Kammer merkt allerdings an, dass alles für die Annahme der Beklagten spricht, die
Fachgebietsbezeichnung "Psychosomatische Medizin und Psychotherapie" stelle keine
Einführung einer neuen Bezeichnung im vorstehende Sinne dar, sondern nur eine
Umbenennung in Gestalt einer Präzisierung der noch in der zuvor geltenden
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Weiterbildungsordnung vom 30. Januar 1993 verwendeten Bezeichnung
"Psychotherapeutische Medizin" (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 37 WBO a.F. sowie dortige S. 113).
Ganz offensichtlicher Ausgangspunkt der "neuen" Gebietsbezeichnung in der WBO
2005 - wie entsprechender Regelungen in Weiterbildungsordnungen o.ä. von
Ärztekammern anderer Bundesländern - ist die (Muster-)Weiterbildungsordnung der
Bundesärztekammer, wie sie im Mai 2003 vom Deutschen Ärztetag beschlossen wurde;
sie enthält im Hinblick auf die hier maßgebliche Gebietsbezeichnung wortgleiche
Regelungen.
34
Bereits vor 2002 lag dem Deutschen Ärztetag ein entsprechender Antrag auf
Umbenennung vor. Hintergrund war, dass die Bezeichnung des Fachgebiets mit
"Psychotherapeutische Medizin" als unglücklich gewählt empfunden wurde. Mit der
neuen Bezeichnung "Psychosomatische Medizin und Psychotherapie" sollte das
eigenständige wissenschaftliche Paradigma der pathogenen, seelisch-körperlichen
Wechselwirkungen besser zum Ausdruck kommen, zugleich eine leichtere
Identifizierung und Abgrenzung des Fachs als ärztliches Versorgungsgebiet (etwa von
dem des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie) für Patienten und übrige
Arztgruppen möglich werden und schließlich die Terminologie in Approbations- und
Weiterbildungsordnungen vereinheitlicht werden.
35
Vgl. nur: Kettler, Psychosomatische Medizin: "Ureigenste ärztliche Aufgabe", Deutsches
Ärzteblatt 2002, 99, und Dres. med. Calliess und Treichel, Psychiatrie und
Psychotherapie - quo vadis?, NeuroTransmitter, Sonderheft 2-2003, S. 49.
36
Es besteht in der maßgeblichen Fachwelt - soweit ersichtlich - die wenn auch vielleicht
nicht einhellige, so doch zumindest ganz überwiegende Auffassung, dass es sich bei
der vom Kläger erstrebten Gebietsbezeichnung nicht um eine Neueinführung handelt,
sondern lediglich um eine Umbenennung der früheren Gebietsbezeichnung
"Psychotherapeutische Medizin".
37
vgl. die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 14. Juli 2008 eingereichten
fachspezifischen Veröffentlichungen bzw. Schriftwechsel, insbesondere: Kettler und
Dres. med. Callies und Treichel, jeweils a.a.O.; ferner: Deutsche Gesellschaft für
Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie, Stellungnahme von Prof. Dr.
med. Paul L. Janssen vom 29. November 2005 "Formale Änderungen der ärztlichen
Weiterbildungsordnung ab 2005 die P-Fächer betreffend" - abgerufen unter
http://www.roman-krebs.de/index.php?id=nachrichte
n_single_weiterbildung&tx_ttnews%5Btt_news%5D= 581&cHash=1c7ab8bf68.
38
Für die WBO 2005 kann nichts anderes gelten, ist doch der Normgeber der in der
(Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer vom Mai 2003 enthaltenen
Begriffsänderung ohne Abstriche gefolgt.
39
Gegen die Annahme einer Neueinführung einer Gebietsbezeichnung spricht überdies,
dass auch bereits in den inhaltlichen Regelungen zur Weiterbildung zum früheren
"Facharzt für Psychotherapeutische Medizin" (vgl. die WBO 1993) in nicht geringem
Umfang psychosomatische Ausbildungsinhalte vorgeschrieben waren.
40
Dres. med. Callies und Treichel, a.a.O., sprechen deshalb auch von "im Großen und
Ganzen gleich gebliebenen Weiterbildungsinhalten".
41
Nur bei der Annahme einer bloßen Umbenennung ohne wesentliche inhaltliche
Umgestaltung macht es auch Sinn, dass die WBO 2005 in Abschnitt B Ziffer 27 (wie
auch in Weiterbildungsordnungen von Ärztekammern anderer Bundesländer) eine
spezielle Übergangsvorschrift für diejenigen Ärzte erhält, die die bisherige
Gebietsbezeichnung "Facharzt für Psychotherapeutische Medizin" besitzen, und die
ihnen ohne Weiteres die Führung der neuen Facharztbezeichnung gestattet. Wäre
tatsächlich eine inhaltlich wesentlich veränderte - im Wortsinne "neue" -
Facharztbezeichnung eingeführt worden, fehlte für eine solche Umbennungsbefugnis
jede sachliche Begründung.
42
Es spricht danach alles dafür, dass für das hier betroffene Gebiet der ärztlichen Tätigkeit
in der WBO 2005 lediglich ein anderer Begriff als bisher gewählt worden ist, eine im
Sinne der Übergangsvorschrift des § 20 Abs. 8 Satz 1 WBO 2005 neue (Gebiets-
)Bezeichnung aber nicht vorliegt.
43
Die Frage, ob die Fachgebietsbezeichnung "Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie" eine neue Fachgebietsbezeichnung i.S.d. darstellt, kann die Kammer
aber letztlich auch offen lassen. Denn der Kläger hat jedenfalls nicht die nach der Norm
u.a. innerhalb der letzten 8 Jahre vor der Einführung einer neuen Gebietsbezeichnung
erforderliche Zeit regelmäßiger Tätigkeit in dem betreffenden Gebiet "an
Weiterbildungsstätten oder vergleichbaren Einrichtungen" abgeleistet, die der
Mindestdauer der Weiterbildung entspricht, § 20 Abs. 8 Satz 1 WBO 2005 i.V.m.
Abschnitt B Ziffer 27 WBO 2005. Sind nach § 36 Abs. 6 HeilBerG NRW Tätigkeiten in
eigener Praxis nicht auf die erforderliche Weiterbildungszeit anrechenbar, kann im
Zusammenhang mit § 20 Abs. 8 Satz 1 WBO 2005 nichts anderes gelten. Eine andere
Sichtweise würde zu dem befremdlichen und sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnis
führen, dass ein Arzt mit Weiterbildungsbefugnis - wie der Kläger (allerdings nur in
Teilbereichen) - seine eigene "Weiterbildungsstätte" betreiben und seine eigene
Weiterbildung leiten könnte. Deshalb kann in der eigenen Praxis auch keine einer
Weiterbildungsstätte "vergleichbare Einrichtung" gesehen werden. Das folgt aber auch
aus § 10 WBO 2005. Diese Regelung verlangt eine dem regulären Weiterbildungsgang
im Hinblick auf Inhalte und Zeiten gleichwertige Weiterbildung. Eine solche kann für
Zeiten der Tätigkeit in eigener (Allein-)Praxis aber schon deshalb nicht vorliegen, weil §
10 Satz 1 WBO 2005 eine Anrechnung ärztlicher Tätigkeit nur erlaubt, wenn diese
"unter Anleitung" erfolgt.
44
Das gefundene Ergebnis verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere liegt
kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG vor. Die Regelungen des HeilBerG NRW über die
Weiterbildung von Ärzten und der auf dieser Grundlage erlassenen WBO 2005 sind
nicht an Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen, sondern lediglich an Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG. Regelungen über zusätzliche Bezeichnungen eines Arztes sind, da sie die Tätigkeit
im Grundsätzlichen nicht tangieren, solche der Berufsausübung.
45
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2007 - 13 A 2840/08 -, m.w.N.
46
Der Erwerb einer Gebietsbezeichnung im Rahmen einer Weiterbildung von Ärzten kann
mithin durch Gesetz oder "auf Grund eines Gesetzes" - also auch durch autonomes
Satzungsrecht - geregelt werden. Gegen derartige Berufsausübungsregelungen
bestehen verfassungsrechtlich keine Bedenken, soweit vernünftige Erwägungen des
Gemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen, wenn die gewählten Mittel zur
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Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind sowie bei einer
Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn
rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2007, a.a.O.
48
Ausreichende Gemeinwohlbelange sind darin zu sehen, dass Weiterbildungsordnungen
mit vorgesehenen zusätzlichen Bezeichnungen für Ärzte eine größere Erkennbarkeit
und Transparenz der Qualifikation eines Arztes bewirken und damit letztlich dem Schutz
des Patienten dienen, weil dieser etwa mit einer bestimmten Gebiets-, Teilgebiets- oder
Bereichsbezeichnung eine besondere medizinische Qualifikation des Arztes in diesem
Gebiet oder Bereich verbindet. Die hier einschlägigen Normen sind daher geeignet, die
Berufsausübungsfreiheit des einzelnen Arztes wirksam zu beschränken.
49
Soweit der Kläger in den einschlägigen Normenwerken eine Regelung vermisst, die
eine Zulassung zur Prüfung aus Einzelfallgründen erlaubt - so der Kläger sinngemäß in
der mündlichen Verhandlung -, kann das Fehlen einer solchen Regelung seiner
Verpflichtungsklage jedenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Außerdem ist nicht erkennbar,
dass der jeweilige Normgeber zwingend zum Erlass einer Regelung im Sinne des
Klägers verpflichtet wäre.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
51