Urteil des VG Arnsberg vom 13.03.2009

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Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 K 2112/08.A
Datum:
13.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 2112/08.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Tatbestand:
1
Der im Jahr 2004 geborene Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger vom Volk der
Ashkali.
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Im Jahr 2007 wurde auf der Grundlage des § 14 a AsylVfG ein erstes Asylverfahren für
den Kläger eingeleitet. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 13. Februar 2007 lehnte
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag
des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtiger und auf Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) als
offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.2
bis 7 AufenthG nicht vorliegen und drohte dem Kläger unter Bestimmung einer
Ausreisefrist die Abschiebung nach Serbien (Kosovo) oder in einen anderen Staat an, in
den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist.
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Im Juni 2008 beantragte der Kläger unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vom
30. Mai 2008 die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.7 AufenthG.
Zur Begründung machte er geltend, dass er an einem kindlichen Asthma bronchiale
leide, dessen Behandlung im Kosovo nicht gewährleistet sei.
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Mit Bescheid vom 9. Juni 2008 lehnte das Bundesamt u.a. eine Abänderung des
Bescheides vom 13. Februar 2007 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs.2 bis 7
AufenthG ab und führte zur Begründung aus, dass die Erkrankung des Klägers nach
einer Auskunft des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo (DVK) vom 6. Juni 2007 im
Kosovo behandelbar sei.
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Zur Begründung seiner am 24. Juni 2008 erhobenen Klage vertieft der Kläger sein
bisheriges Vorbringen und legt ergänzend eine auf den 11. Februar 2008 datierte
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ärztliche Bescheinigung vor.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge vom 9. Juni 2008 zu der Feststellung zu verpflichten, dass ein
Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.7 S.1 AufenthG vorliegt.
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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den ablehnenden Bescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
nebst Beiakten verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot
nach § 60 Abs.7 S.1 AufenthG vorliegt, so dass ihn der Bescheid des Bundesamtes vom
9. Juni 2008 nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs.5 S.1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
15
Gemäß § 60 Abs.7 S.1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen
anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche und
konkrete Gefahr für Leib oder Leben besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) begründet eine Erkrankung ein
zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot in diesem Sinne, wenn mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich der Gesundheitszustand des
ausreisepflichtigen Ausländers infolge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten im
Heimatland alsbald nach seiner Rückkehr dorthin wesentlich oder gar lebensbedrohlich
verschlechtern wird.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 2. September 1997 - 9 C 40/96 und vom 25. November 1997 -
9 C 58/96 - (jeweils zu § 53 Abs.6 des Ausländergesetzes), jeweils abrufbar in JURIS
17
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn die Erkrankung des Klägers ist im
Kosovo hinreichend behandelbar.
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Nach den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen leidet der Kläger an frühkindlichem
Asthma, das mit häufigen obstruktiven Bronchitiden einhergeht. Die Erkrankung wird
normalerweise durch regelmäßiges Inhalieren und Antibiotika behandelt, bedurfte
aufgrund von mit ihr verbundenen Komplikationen in der Vergangenheit aber auch
schon mehrfach einer intensiven stationären Behandlung.
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Nach der aktuellen Auskunftslage ist davon auszugehen, dass die hiernach zur
Vermeidung einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes
erforderliche Behandlung des Klägers im Kosovo gewährleistet ist.
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Nach der bereits vom Bundesamt angeführten Auskunft des DVK an das
Verwaltungsgericht (VG) Münster vom 6. Juni 2007 ist selbst ein frühkindliches Asthma
der - schwersten - Stufe IV, das u.a. durch ein hyperreagibles Bronchialsyndrom,
chronische Bronchitis und wiederkehrende schwere Entgleisungen gekennzeichnet ist,
im Kosovo behandelbar.
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Die hierzu erforderlichen Medikamente sind im Kosovo verfügbar,
22
vgl. Auskunft des DVK an VG Münster vom 6. Juni 2007
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was im Hinblick auf Antibiotika und Cortisonpräparate, die in den vom Kläger
vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ausdrücklich erwähnt sind, im Übrigen schon
der bisherigen Auskunftslage entsprach.
24
Vgl. dazu Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Loseblattwerk "Serbien und
Montenegro / Kosovo", Nr.9 Gesundheitswesen, Stand Dezember 2005, S.49 und die
dort abgedruckte Essential Drug List S.63 ff.
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Auch die reguläre Behandlung selbst einer frühkindlichen Asthmaerkrankung der
schwersten Stufe ist im Kosovo in jedem größeren Ort möglich,
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vgl. Auskunft des DVK an VG Münster vom 6. Juni 2007
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wobei die in den vorgelegten Bescheinigungen ausdrücklich angesprochenen
Maßnahmen (Inhalationstherapie bzw. Sauerstoffgabe) im Übrigen ebenfalls schon
nach bisheriger Auskunftslage im Kosovo durchführbar waren.
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Vgl. dazu Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Loseblattwerk "Serbien und
Montenegro / Kosovo", Nr.9 Gesundheitswesen, Stand Dezember 2005, S.49 und Stand
Juni 2004, S.36
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Da nunmehr auch eine im Falle von Komplikationen bzw. Entgleisungen etwa
erforderliche Notfallbehandlung in jedem größeren Ort sichergestellt ist,
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vgl. Auskunft des DVK an VG Münster vom 6. Juni 2007
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sind Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankung des Klägers im Kosovo nicht hinreichend
behandelt werden könnte, weder vom Kläger in Auseinandersetzung mit der schon vom
Bundesamt angeführten aktuellen Auskunftslage nachvollziehbar dargelegt worden
noch sonst ersichtlich.
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Ist demnach davon auszugehen, dass für die Erkrankung des Klägers im Kosovo
grundsätzlich ausreichende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, so sind
auch keine Umstände dargetan, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten
ließen, dass der Kläger die zur Verfügung stehende Behandlung im Falle einer
Rückkehr nicht in Anspruch nehmen könnte.
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Die Zugehörigkeit zum Volk der Ashkali bildet kein Hindernis für eine Behandlung, da
im Kosovo alle Volksgruppen unterschiedslos Zugang zur gesundheitlichen Versorgung
haben.
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Vgl. Auskünfte des DVK an VG Saarland vom 12. Januar 2006 und an VG Köln vom 29.
August 2006; vgl. im Übrigen auch Auskunft des DVK an VG Münster vom 6. Juni 2007
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Der Kläger hat auch nicht geltend gemacht, dass im Falle einer gemeinsamen Rückkehr
der Familie, von der mangels dauerhaften Aufenthaltsrechts seiner Eltern und
Geschwister auszugehen ist, die Aufbringung der - schon nicht konkret bezifferten -
Behandlungskosten voraussichtlich aus finanziellen Gründen nicht möglich wäre.
Anhaltspunkte hierfür sind auch sonst nicht ersichtlich, zumal es dem Vater in
Deutschland gelungen ist, eine Arbeitsstelle zu finden, und die Familie über zahlreiche
Verwandte in Deutschland verfügt, die womöglich finanzielle Hilfestellung leisten
könnten.
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Kann mithin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dem
Kläger im Kosovo aufgrund seiner Erkrankung eine konkrete erhebliche Gefahr für Leib
oder Leben droht und scheidet ein individuell bedingtes Abschiebungsverbot nach § 60
Abs.7 S.1 AufenthG demnach aus, so ergibt sich ein Abschiebungsverbot auch nicht
aus seiner Zugehörigkeit zum Volk der Ashkali. Es entspricht gefestigter
obergerichtlicher Rechtsprechung, dass Ashkali im Kosovo keiner extremen
Gefahrenlage ausgesetzt sind, die zur Annahme eines Abschiebungsverbots in
verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs.7 S.1 AufenthG führen kann.
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Vg. etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 5.
Dezember 2005 - 14 A 4317/03.A -
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Da der Kläger Gegenteiliges selbst nicht geltend macht, erübrigen sich insofern weitere
Ausführungen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.
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