Urteil des VG Arnsberg vom 07.04.2008

VG Arnsberg: anschluss, grundstück, stadt, gleichbehandlung im unrecht, abwasserbeseitigung, verfügung, befreiung, kläranlage, landrat, ermächtigung

Verwaltungsgericht Arnsberg, 14 K 1760/07
Datum:
07.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 1760/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, der ihr aufgegeben hat,
ihr Grundstück an die öffentliche Abwasserbeseitigung anzuschließen. Sie ist
Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung X. Flur 14 Flurstück 39 (T. 6), das mit einem
Wohnhaus bebaut ist. Die Entwässerung dieses Grundstücks erfolgt derzeit in der
Weise, dass das häusliche Schmutzwasser nach vorausgegangener Klärung in einer
Dreikammergrube mit Festbettreaktor, Sternzwangsbelüftung und Nachklärbecken in ein
offenes Gewässer (D1. Bach bzw. „L. „) eingeleitet wird. Diese Art der Entwässerung
war zuletzt Gegenstand des wasserrechtlichen Erlaubnisbescheides des Landrats des
Hochsauerlandkreises vom 28. September 2006.
2
Westlich des Grundstücks der Klägerin verläuft eine Landesstraße, der wiederum im
Westen ein Radweg benachbart ist. Im Straßenkörper dieses Radweges befindet sich
seit etlichen Jahren eine Abwasserleitung, die u. a. das Abwasser aus der weiter südlich
gelegenen Ortschaft D. der Stadt N. aufnimmt. Im Herbst 2006 schloss die Stadt N.
mehrere westlich der Landesstraße gelegene Anwesen an diese Leitung an. In diesem
Zusammenhang wurde auch eine Hausanschlussleitung hergestellt, die bis auf das
Grundstück T. 6 führt. Formlosen Aufforderungen des Beklagten, ihr Grundstück an
diese Leitung anzuschließen, kam die Klägerin nicht nach.
3
Mit Verfügung vom 5. April 2007, deren sofortige Vollziehung er anordnete, gab der
Beklagte der Klägerin auf, ihr Grundstück bis zum 15. Mai 2007 an den
Schmutzwasserkanal anzuschließen. Das Niederschlagswasser soll danach wie bisher
versickert bzw. dem Wasserlauf zugeleitet werden. Der Beklagte bezog sich auf
einschlägige Bestimmungen der Entwässerungssatzung der Stadt N. vom 19.
Dezember 2005, die einen Anschluss- und Benutzungszwang normierten, dessen
Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt seien.
4
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Widerspruch. Außerdem begehrte sie bei
dem erkennenden Gericht die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes. Dieser Antrag
blieb in beiden Rechtszügen erfolglos (Beschluss vom 5. Juli 2007 - 14 L 347/07 -,
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen vom 24.
Oktober 2007 - 15 B 1177/07 -).
5
Mit Bescheid vom 20. Juli 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen
seine Verfügung vom 5. April 2007 als unbegründet zurück.
6
Am 15. August 2007 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, zu deren
Begründung sie vorträgt: Die Kleinkläranlage auf ihrem Grundstück genüge den
Anforderungen des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Sie werde seit über
zehn Jahren betrieben, ohne dass es im Rahmen der jährlichen Überprüfungen zu
Beanstandungen gekommen sei. Eine dezentrale Kleinkläranlage sei in ihrer
Reinigungsleistung um 300 % besser als ein städtisches Klärwerk. So sei es
bezeichnend, dass sowohl das Umweltbundesamt als auch die Stadt N. davor warnten,
Gewässer zu nutzen, in welche städtisch geklärte Abwässer geleitet würden. Die
Ansicht des Beklagten, der Schutz des Allgemeinwohls verbiete den Betrieb einer
Kleinkläranlage, sei danach unzutreffend. Dass ihre Kleinkläranlage mit dem Wohl der
Allgemeinheit vereinbar sei, ergebe sich auch aus dem Erlaubnisbescheid der
Wasserbehörde aus dem Jahre 2006. Seit der Einführung des § 18 a WHG sei die
Auffassung überholt, wonach eine zentrale öffentliche Abwassereinrichtung
grundsätzlich dem öffentlichen Interesse entspreche. Im Rahmen einer
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung seien die Kosten für die Abwassererzeuger zu
begrenzen, und zwar unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung, des
spezifischen Wasseranfalls und eines Vergleichs zwischen zentraler und dezentraler
Abwasserbeseitigung. Es sei nicht erkennbar, dass der Beklagte eine derartige
Berechnung angestellt habe. In dieser hätte sich nämlich herausgestellt, dass ihre - der
Klägerin - geschützten privaten Interessen dem öffentlichen Interesse vorzuziehen
seien. Abgesehen von den laufenden Abwasserbeiträgen müsste sie eine
kostenintensive Hebeanlage installieren lassen, wobei ein Kostenaufwand von
mindestens über 25.000,00 Euro entstehen würde. Die Entscheidung des Beklagten sei
auch nicht mit dem Erlaubnisbescheid vom 28. September 2006 vereinbar. Danach sei
ihr die Abwassereinleitung bis zum 30. September 2011 gestattet. Dieser Bescheid
vermittele einen Bestandsschutz, der von der Ordnungsverfügung des Beklagten nicht
berücksichtigt werde und die dadurch rechtswidrig sei. Die Erlaubnis des Landrats
könne auch nicht durch das entgegenstehende Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt
N. rechtsungültig werden. Jener Bescheid sei nämlich nicht mit einer auflösenden
Bedingung versehen worden, sondern er sei zeitlich befristet. Zum Zeitpunkt der
Erteilung der Erlaubnis sei dem Landrat bekannt gewesen, dass in Kürze die
Voraussetzungen für einen Grundstücksanschluss vorliegen würden. Damit sei die
Annahme ausgeschlossen, der Landrat habe seine Entscheidung unter die Bedingung
stellen wollen, dass die Wirkungen des Bescheides mit der Herstellung der öffentlichen
Kanalisation entfallen sollten. Indem der Landrat ihr - der Klägerin - die
Abwasserbeseitigungspflicht auferlegt habe, sei damit der Zwang zum Anschluss an die
gemeindliche Entwässerungsanlage entfallen, die Stadt N. sei in entsprechendem
Umfang von der Abwasserbeseitigungspflicht befreit. Letztlich verstoße die
angefochtene Verfügung gegen den Gleichheitsgrundsatz. Denn benachbarte
Grundstücke, die ledig 130 bzw. 200 Meter von der Kanaltrasse entfernt seien, müssten
nicht angeschlossen werden. Der Beklagte messe mit zweierlei Maß.
7
Die Klägerin beantragt,
8
die Verfügung des Beklagten vom 5. April 2007 und den Widerspruchsbescheid des
Beklagten vom 20. Juli 2007 aufzuheben,
9
h i l f s w e i s e ,
10
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung dieser Bescheide zu der Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung zu verpflichten.
11
Der Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die im Eilrechtschutzverfahren
ergangenen Beschlüsse des erkennenden Gerichts und des Oberverwaltungsgerichts.
14
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien im
Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte 14 L 347/07 sowie der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
15
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16
Der von der Klägerin hauptsächlich gestellte Antrag ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs.
1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) zulässig. In der Sache hat der Antrag
allerdings keinen Erfolg. Denn die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide
des Beklagten nicht rechtswidrig in ihren Rechten verletzt im Sinne von § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat der Klägerin rechtsfehlerfrei aufgegeben, ihr Grundstück
an den Schmutzwasserkanal anzuschließen, der entlang der Landesstraße verläuft.
Hierzu hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 5. Juli 2007 - 14 L 347/07 - Folgendes
ausgeführt:
17
"In materieller Hinsicht bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Verfügung vom 5. April 2007. Nach § 1 Abs. 2 ihrer Entwässerungssatzung vom 19.
Dezember 2005 (ES) betreibt die Stadt N. in ihrem Gebiet die Abwasserbeseitigung als
öffentliche Einrichtung. Hierzu ist sie nach § 8 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das
Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) befugt, zumal sie nach § 53 Abs. 1 des
Landeswassergesetzes (LWG) verpflichtet ist, das auf ihrem Gebiet anfallende
Abwasser zu beseitigen, die hierzu erforderlichen Anlagen herzustellen und diese zu
betreiben. Die Befugnis, eine öffentliche Einrichtung zu errichten, umfasst zugleich die
Ermächtigung, das Benutzungsverhältnis durch Satzung und im Einzelfall durch
Verwaltungsakt zu regeln,
18
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Beschluss
vom 16. Oktober 2002 - 15 B 1355/02 -, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter
(NWVBl) 2003 S. 104 = Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2003 S. 418.
19
Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der streitigen Verfügung sind erfüllt.
Nach § 3 ES ist jeder Eigentümer eines im Gebiet der Stadt N. liegenden Grundstücks
berechtigt, von der Stadt den Anschluss seines Grundstücks an die bestehende
öffentliche Abwasseranlage zu verlangen, sofern die technischen Möglichkeiten, die in §
20
4 ES näher bestimmt werden, erfüllt sind. Nach § 9 Abs. 1 ES ist der
Anschlussberechtigte zugleich verpflichtet, sein Grundstück in Erfüllung der ihn
treffenden Abwasserüberlassungspflicht nach § 53 Abs. 1 c LWG an die öffentliche
Abwasseranlage anzuschließen. Eine Befreiung von dieser Pflicht kommt nach § 10
Abs. 1 ES nur in Betracht, wenn ein besonders begründetes Interesse an einer
anderweitigen Beseitigung oder Verwertung des Schmutzwasser besteht und -
insbesondere durch eine wasserrechtliche Erlaubnis - nachgewiesen werden kann,
dass eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nicht zu besorgen ist;
klarstellend bestimmt § 10 Abs. 2 ES, dass ein besonders begründetes Interesse in
diesem Sinne nicht vorliegt, wenn lediglich Gebühren gespart werden sollen.
Im vorliegenden Fall sind alle diese Merkmale bezüglich des Grundstücks der
Antragstellerin erfüllt. Eine Befreiung nach § 10 Abs. 1 ES kann nicht ausgesprochen
werden. Namentlich ist ein begründetes Interesse an einer anderweitigen
Abwasserbeseitigung nicht deshalb anzuerkennen, weil der Landrat des
Hochsauerlandkreises der Antragstellerin noch am 28. September 2006 die Erlaubnis
erteilt hatte, das auf ihrem Grundstück anfallende häusliche Schmutzwasser nach
Klärung in einen Bach einzuleiten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin enthebt
dieser Bescheid sie nicht ihrer Verpflichtung, ihr Grundstück an den im Herbst 2006
hergestellten Kanal anzuschließen. Die Erlaubnis der Wasserbehörde diente
ausschließlich dazu, eine rechtliche Grundlage für den vorübergehenden Weiterbetrieb
der auf dem Grundstück der Antragstellerin installierten Kleinkläranlage zu schaffen,
nachdem die ursprüngliche Erlaubnis durch Zeitablauf unwirksam geworden war.
Deshalb heißt es unter Nr. 8. „Begründung" des Bescheides ausdrücklich, das
Grundstück der Antragstellerin sei nach dem Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt N.
an den öffentlichen Kanal anzuschließen und die Antragstellerin sei lediglich für die
Übergangszeit bis zur Fertigstellung dieses Anschlusses selbst für eine
ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung verantwortlich. Im Übrigen hatte die
Wasserbehörde der Antragstellerin bereits im April 2006 die Rechtslage eingehend
erläutert und hierbei ausdrücklich auf den Anschluss- und Benutzungszwang nach dem
Ortsrecht der Stadt N. hingewiesen. Unter diesen Umständen konnte die Antragstellerin
nicht ernsthaft annehmen, der Antragsgegner werde angesichts der wasserrechtlichen
Erlaubnis auf den Anschluss des Grundstücks an den neu hergestellten Kanal
verzichten. Ein begründetes Interesse der Antragstellerin an der weiteren Einleitung des
Abwassers in den D1. Bach im Sinne von § 10 Abs. 1 ES ist danach nicht
anzuerkennen.
21
Der vorliegende Sachverhalt weist keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen
könnten, über den Befreiungstatbestand des § 10 Abs. 1 ES hinaus von der
Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs nach § 9 ES abzusehen. Dies
gilt zunächst insoweit, als die Antragstellerin geltend macht, der Anschluss ihres
Grundstücks würde Kosten in Höhe von mehr als 25.000,00 Euro verursachen. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts übersteigen angesichts des
überragenden Belangs des Schutzes des Grundwassers vor weiterer Verunreinigung
und des Schutzes der Gesundheit selbst Anschlusskosten in Höhe von 50.000,00 DM
bei einem Wohnhaus noch nicht ohne weiteres das dem Grundstückseigentümer
zumutbare Maß,
22
vgl. OVG NW, Beschluss vom 24. Januar 2006 - 15 A 5080/05 -, zitiert nach „Juris";
Beschluss vom 5. Juni 2003 - 15 A 1738/03 -, NWVBl 2003 S. 435; Urteil vom 18. Juni
1997 - 22 A 1406/96 -, NWVBl 1998 S. 154, daselbst weitere Hinweise auf
23
unveröffentlichte Urteile aus den Jahren 1990 und 1989.
Ein Absehen vom Anschlusszwang kommt nur in Betracht, wenn mit dem
Anschlussverlangen im Einzelfall die Eigentumsgarantie oder der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt würde. Derartiges liegt indessen nicht schon
dann vor, wenn ein Landwirt das in seinem Betrieb anfallende Abwasser nicht selbst
beseitigen kann und er deshalb gezwungen wird, sein Grundstück an die öffentliche
Kanalisation anzuschließen,
24
vgl. OVG NW, Beschluss vom 12. Februar 1996 - 22 A 4244/95 -, NWVBl 1996 S. 434.
25
Danach erweist sich auch im vorliegenden Fall der Anschluss des Grundstücks an den
öffentlichen Kanal nicht als unzumutbar, zumal der von der Antragstellerin genannte
Kostenbetrag zweifelhaft erscheint. Ausweislich der von dem Antragsgegner
vorgelegten Karten liegt das Grundstück unmittelbar an der Straße „T1. „ während der
Kanal im hier interessierenden Bereich offenbar neben der Straße in einem dort
angelegten Radweg verläuft. Bei diesen örtlichen Gegebenheiten sind selbst unter
Berücksichtigung einer Hebeanlage Anschlusskosten in Höhe von 25.000,00 Euro nicht
ohne Weiteres plausibel. Immerhin spricht die Antragstellerin in ihrer in dem (erledigten)
Verfahren 14 K 923/06 eingereichten Klageschrift vom 11. April 2006 lediglich von
14.000,00 Euro, die ein zentraler Anschluss ihres Grundstücks kosten würde.
26
Soweit die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift und bereits in ihrer Klage vom 11. April
2006 auf die hervorragende Reinigungsleistung ihrer Kleinkläranlage verweist, die mit
einem geringen Aufwand an Kosten noch gesteigert werden könne, rechtfertigt dieser
Gesichtspunkt keinen Verzicht auf den Anschluss des Grundstücks an die öffentliche
Abwasserbeseitigung. Denn unabhängig von der Reinigungsleistung im Einzelfall stellt
bereits die zentralisierte Beseitigung des Schmutzwassers durch die Gemeinde einen
maßgeblichen Gesichtspunkt der Volksgesundheit dar. Denn es erübrigt sich in diesem
Fall, die Funktionsfähigkeit einer Vielzahl von Kleinkläranlagen durch Überwachung
und entsprechende Anordnungen bei Missständen sicher zu stellen. Hierdurch wird die
Sicherheit der Schmutzwasserbeseitigung erhöht, was wiederum der Volksgesundheit
dient,
27
vgl. auch hierzu OVG NW, Beschluss vom 5. Juni 2003 aaO.
28
Die Kammer teilt auch nicht die Erwägungen der Antragstellerin zu § 18 a Abs. 1 Satz 2
des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Namentlich war der Antragsgegner nicht
gehalten, eine - wie die Antragstellerin es nennt - Vergleichsberechnung anzustellen.
Mit § 18 a Abs. 1 Satz 2 WHG wollte der Gesetzgeber den Gemeinden einen Spielraum
für die Optimierung ihrer Entsorgungskonzepte eröffnen, weil dezentrale
Entsorgungseinrichtungen unter Umständen kostensparender sind als zentrale Systeme
mit entsprechend langen Kanalnetzen. Die Vorschrift zwingt die Gemeinden hingegen
nicht, von der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs abzusehen, weil der
Anschlusspflichtige eine eigene dezentrale Entsorgungseinrichtung betreiben möchte,
29
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. Dezember 1997 - 8 B 234.97 -,
Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1998 S. 1222 = Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht (NVwZ) 1998 S. 1080.
30
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin verstößt die angefochtene Verfügung des
31
Antragsgegners nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken des
Eigentums durch die Gesetze bestimmt; zu diesen gehören auch die Vorschriften über
den Anschluss- und Benutzungszwang. Dieser darf zwar ohne eine ausdrückliche
gesetzliche Ermächtigung, die insoweit den Inhalt des Eigentums bestimmt, nicht
angeordnet werden, um unbelastetes Niederschlagswasser der öffentlichen
Abwasserbeseitigung zuzuführen,
vgl. OVG NW, Urteil vom 28. Januar 2003 - 15 A 4751/01 -, Entscheidungen der
Oberverwaltungsgerichte Band 49 S. 79 = NWVBl 2003 S. 380.
32
Der vorliegende Sachverhalt betrifft indessen das auf dem Grundstück der
Antragstellerin anfallende Schmutzwasser. Bei dieser Abwasserart rechtfertigen der
Schutz der Volksgesundheit und der Schutz des Grundwassers ohne Weiteres eine
Beschränkung des Eigentums. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang
Bestandsschutz reklamiert, verkennt sie, dass dieses im öffentlichen Baurecht
wurzelnde Institut nicht auf das Wasserrecht übertragen werden kann. Das Grundwasser
unterliegt durch das Wasserhaushaltsgesetz einer vom Grundstückseigentum
getrennten öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung, wobei dies mit dem Grundgesetz in
Einklang steht,
33
vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -,
Entscheidungen des Bundesverfassungs- gerichts Band 58 S. 300 = DVBl 1982 S. 340
= DÖV 1982 S. 543, „Nassauskiesung".
34
Der von der Antragstellerin schließlich geltend gemachte Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Nach der
Darstellung in der Antragserwiderung und dem von dem Antragsgegner vorgelegten
Grundkartenausschnitt wird im Bereich „T1. „ lediglich ein Grundstück nicht an den
öffentlichen Kanal angeschlossen, weil es rund 400 Meter von der Kanaltrasse entfernt
ist. Diese Besonderheit rechtfertigt ohne Weiteres eine unterschiedliche Behandlung im
Vergleich mit denjenigen Grundstücken, die deutlich näher zur Kanaltrasse gelegen
sind."
35
An dieser Rechtsauffassung hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung des
Sachverhalts und der Rechtslage fest. Auch das Oberverwaltungsgericht hat keine
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide des Beklagten geäußert.
In dem Beschluss vom 24. Oktober 2007 - 15 B 1177/07 - heißt es insoweit:
36
"Dem im Beschwerdeverfahren angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
vom 19. Dezember 2007 (8 B 234/97) sind keine Maßstäbe zu entnehmen, nach denen
die in § 10 der Entwässerungssatzung der Stadt N. vom 19.12.2005 (ES) vorgesehene
Beifreiungsmöglichkeit rechtlich bedenklich wäre.
37
Ein besonders begründetes Interesse für die Befreiung vom Anschlusszwang lässt sich
auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass ihr vor rund 10 Jahren durch die
Anordnung zum Betrieb einer vollbiologischen Kleinkläranlage Kosten entstanden sind.
Das Eigentumsrecht des Grundstückeigentümers, der auf seinem Grundstück eine
private Kleinkläranlage betreibt, ist von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine
Anlage nur solange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden
Befugnis Gebrauch macht, die Abwasserbeseitigung im öffentlichen Interesse in ihre
38
Verantwortung zu übernehmen und den Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen.
Dies gilt auch dann, wenn die Kleinkläranlage einwandfrei arbeiten sollte. Nur in
besonders gelagerten Ausnahmefällen, in denen die Ausübung des Anschluss- und
Benutzungszwangs mit Blick auf Art. 14 GG und das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu
unbilligen Härten führen würde, kann eine Befreiung vom Anschluss- und
Benutzungszwang in Betracht kommen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1997 - 8 B 234/97 -.
39
Nach den vorstehenden Grundsätzen sind schon angesichts der relativ langen
Zeitspanne, während derer die vollbiologische Kläranlage bis zur Anordnung des
Anschluss- und Benutzungszwangs betrieben worden ist, die Voraussetzungen für eine
Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nicht gegeben.
40
Auf die etwaige Vorteilhaftigkeit der Anschlussmöglichkeit für die Antragstellerin kommt
es im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
41
Die Antragstellerin verkennt die rechtliche Bedeutung des Erlaubnisbescheides des
Landrates des Hochsauerlandkreises vom 28. September 2006. Dieser Bescheid regelt
nicht etwa die Abwasserbeseitigungspflicht im Sinne einer Übertragung auf die
Antragstellerin. Vielmehr knüpft er an § 53a LWG NRW und die dort geregelte
Konstellation an, dass die Gemeinde das Abwasser nicht übernehmen kann. Sobald die
Gemeinde das Abwasser übernehmen kann, trifft sie gemäß § 51 Abs. 1 die
Abwasserbeseitigungspflicht und den Nutzungsberechtigten des Grundstücks, auf dem
das Abwasser anfällt, gemäß § 51 Abs. 1 c die Abwasserüberlassungspflicht. Diese
Voraussetzungen sind hier gegeben. Damit hat sich der Erlaubnisbescheid vom 28.
September 2006 erledigt.
42
Der geltend gemachte Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot ist ebenfalls nicht
gegeben. Soweit die Antragstellerin sich darauf beruft, ein jedenfalls mehr als 300 m
vom Kanal entfernt liegendes Grundstück sei von Anschlusszwang befreit worden, ist
darauf hinzuweisen, dass das Grundstück der Antragstellerin nicht mehr als 20 m vom
Kanal entfernt liegt und insoweit keine gleichen Sachverhalte gegeben sind. Sollte die
Antragstellerin geltend machen wollen, die Befreiung hinsichtlich des erstgenannten
Grundstücks sei zu Unrecht erfolgt, so scheiterte die Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG
überdies deshalb, weil ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht von vornherein
nicht bestehen kann."
43
Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht ohne Einschränkungen an.
Im Hinblick auf die weiteren Äußerungen der Klägerin und ihrer Begleiter in der
mündlichen Verhandlung vom heutigen Tage ist lediglich noch zu bemerken: Soweit die
Klägerin dem Beklagten vorhält, er habe sämtliche Grundstücke mit Einzelanschlüssen
versehen und dabei die Möglichkeit außer Acht gelassen, eine Sammeldruckanlage
herzustellen, haben die Vertreter des Beklagten auf das einschlägige Satzungsrecht
verwiesen, wonach normalerweise jedes Grundstück mit einer eigenen Leitung an die
öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden muss. Diese Regelung ist ohne
weiteres von der Ermächtigung des § 9 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-
Westfalen (GO NW) gedeckt, wonach die Gemeinden unter anderem für die öffentliche
Kanalisation einen Anschluss- und Benutzungszwang vorschreiben können. Wie sie
diesen Zwang im Einzelnen ausgestaltet, entscheidet die Gemeinde in Ausübung ihrer
Satzungsgewalt (§ 7 GO NW) in eigener Verantwortung, wobei sie freilich nur das
44
Interesse der Volksgesundheit in den Blick nehmen und keine diesem Interesse
fremden Erwägungen anstellen darf,
vgl. auch insoweit das bereits im Beschluss der Kammer vom 5. Juli 2007 zitierte Urteil
des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2003.
45
Dem Interesse der Volksgesundheit würde indessen eine Satzungsregelung
widersprechen, die es zuließe, eine Vielzahl von Grundstücken leitungsmäßig in der
Weise miteinander zu verbinden, dass letztlich für alle Grundstücke nur eine
Übergabestelle zum öffentlichen Kanal hergestellt wird. Die Ausführungen des in der
mündlichen Verhandlung anwesenden Bediensteten des Beklagten, wonach im Falle
eines Schadens an einer Sammeldruckanlage auf sämtlichen daran angeschlossenen
Grundstücken Wassermissstände aufträten, sind überzeugend. Auf die Frage, wie
wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich eine derartige Störung der Entwässerung sein
könnte, kommt es angesichts der besonderen Bedeutung einer geordneten
Abwasserbeseitigung nicht weiter an.
46
Im Übrigen wird nach der Entwässerungssatzung der Stadt N. ein Anschluss mehrerer
Grundstücke über eine Anschlussleitung ausnahmsweise und nur auf Antrag
zugelassen, den die Klägerin im vorliegenden Fall allerdings gar nicht gestellt hat.
Hierzu hätte sie indessen Gelegenheit gehabt, nachdem ihr die Ruhr-
Wasserwirtschafts-Gesellschaft in F. bereits mit Schreiben vom 5. August 2005 mitgeteilt
hatte, der Anschluss des Grundstücks werde demnächst erfolgen. Diese Information hat
die Klägerin nicht etwa dazu genutzt, der fraglichen Firma bzw. dem Beklagten eine
alternative Entwässerungsmöglichkeit aufzuzeigen. Vielmehr hat sie sogleich mit
Schreiben vom 13. August 2005 jeglichen Anschluss ihres Grundstücks an den
städtischen Kanal kategorisch abgelehnt.
47
Der bereits schriftsätzlich und erneut in der mündlichen Verhandlung gegebene Hinweis
der Klägerin auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Rheinland-Pfalz bietet keine Veranlassung, von der bereits in den Beschlüssen der
Kammer und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vertretenen Rechtsansicht abzuweichen. Insoweit ist es bereits fraglich, ob ein
Beschluss oder ein Urteil mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt überhaupt
existiert. Eine Fundstelle findet sich allein in dem von der Klägerin zitierten
Nachrichtenmagazin; der führenden juristischen Datenbank „juris" ist ein Dokument des
Oberverwaltungsgerichts Koblenz mit dem Aktenzeichen „7 B 11888/99.OVG" nicht
bekannt. Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, welche Rechtsauffassung ein
rheinland-pfälzisches Verwaltungsgericht zu den hier interessierenden Fragen vertritt.
Zur Auslegung des § 9 GO NW und des auf dieser Ermächtigung fußenden
gemeindlichen Satzungsrechts ist allein das Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen berufen. Soweit Herr Assessor T2. in der mündlichen Verhandlung
die Pflicht der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten angesprochen hat, vermag die
Kammer nicht zu erkennen, dass die in Nordrhein-Westfalen geltende Regelung mit den
wechselseitigen Pflichten des Bundes und der Länder zur gegenseitigen
Rücksichtnahme auf die jeweiligen Interessen der anderen unvereinbar wäre. In
Ermangelung eines substantiierten Vortrags hierzu erübrigen sich an dieser Stelle
weitere Ausführungen.
48
Dass die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten auch nicht
deshalb unzumutbar betroffen wird, weil sie - worauf ihr Ehemann in der mündlichen
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Verhandlung nochmals hingewiesen hat - die derzeit betriebene Kläranlage erst im
Zuge von Baumaßnahmen Mitte der 90er Jahre habe herstellen müssen, hat bereits das
Oberverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 24. Oktober 2007 geklärt, indem es
darauf hinweist, dass die vollbiologische Kläranlage während einer relativ langen
Zeitspanne in Betrieb gewesen sei. Auf die Frage der Reinigungsleistung dieser Anlage
kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an; dies hat die Kammer bereits in
ihrem Beschluss vom 5. Juli 2007 ausgeführt. Es kann daher getrost unterstellt werden,
dass das mit Schriftsatz (Telefax) der Klägerin vom 6. Januar 2008 dem Gericht
vorgelegte Zahlenmaterial zutreffend ist. Mangels Erheblichkeit braucht die Kammer
namentlich keinen Beweis darüber zu erheben, welche Reinheitswerte die Kläranlage
der Klägerin erzielt und ob diese möglicherweise günstiger sind als die Reinigung des
Abwassers, die bei der Benutzung der städtischen Kläranlagen erreicht werden kann.
Die im Schriftsatz der Klägerin vom 2. April 2008 enthaltene „Aufklärungsrüge" erweist
sich danach als nicht begründet.
Auch der hilfsweise gestellte Antrag hat keinen Erfolg. Soweit die Klägerin dort von
einer "Ausnahmegenehmigung" spricht, welche ihr zu erteilen sei, meint sie der Sache
nach eine Befreiung vom satzungsmäßigen Anschluss- und Benutzungszwang, der
nach § 10 ES unter den dort bestimmten Voraussetzungen in Betracht kommt, die hier
indessen nicht vorliegen. Auch insoweit kann auf die im Eilrechtsschutzverfahren
ergangenen Entscheidungen der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts Bezug
genommen werden.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Kammer hat keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen, weil die gesetzlichen
Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
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Die Kammer sieht davon ab, dass Klägerrubrum zu ändern. Es kann nämlich nicht
festgestellt werden, dass Herr Rechtsanwalt C. aus C1. Prozessbevollmächtigter der
Klägerin sein soll. Die von der Klägerin selbst unterzeichnete Vollmacht auf Herrn
Assessor T2. versteht sich ausdrücklich als Terminvollmacht, nicht jedoch als
Prozessvollmacht im Sinne des § 67 VwGO. Soweit die Klägerin zuletzt von Herrn Q.
vertreten wurde, ist die Zulassung von Herrn Q. als Rechtsanwalt unanfechtbar
widerrufen worden (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. November 2007 - (B)
102/05 -, zitiert nach „juris"). Dass die Herrn Q. durch Erklärung gegenüber dem Gericht
vom 6. Januar 2008 erteilte Vollmacht für Herrn Rechtsanwalt C. als „Abwickler"
fortwirkt, lässt sich nach der Aktenlage nicht feststellen.
53
54