Urteil des VG Arnsberg vom 06.06.2003

VG Arnsberg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, öffentliches dienstrecht, aufsichtsrat, aufschiebende wirkung, unternehmen, nebentätigkeit, werkstatt, interessenabwägung, vergütung

Verwaltungsgericht Arnsberg, 2 L 656/03
Datum:
06.06.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 656/03
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen
den durch Verfügung vom 17. Februar 2003 für sofort vollziehbar
erklärten Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigungen vom 14. August
2002 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Kammer fasst das Begehren des Antragstellers - ungeachtet dessen, dass
Antragsschrift und Antragsbegründung anwaltlich formuliert sind - unter
Berücksichtigung der Ausführungen im Schriftsatz vom 12. Mai 2003 und im Hinblick
darauf, dass mit Verfügung des Finanzamts M1. vom 17. Februar 2003 ausdrücklich
eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erfolgt ist, entsprechend § 86 Abs. 3 VwGO
dahingehend auf, dass der Antrag (allein) auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigungen
vom 14. August 2002 gerichtet ist.
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Dieser Antrag ist zulässig und begründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht im Falle der Anordnung des
Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eine Abwägung zwischen dem Interesse
des Antragstellers, einstweilen von der Vollziehung des angefochtenen
Verwaltungsakts verschont zu bleiben, und dem Interesse der Behörde am Sofortvollzug
vorzunehmen. Diese Interessenabwägung fällt regelmäßig zu Gunsten der Behörde
aus, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist. Dagegen ist
dem Aussetzungsantrag stattzugeben, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich
rechtswidrig ist. Lässt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche
summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage eine abschließende Beurteilung der
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Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit nicht zu, so hat das Gericht selbst eine von den
Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der widerstreitenden Interessen
vorzunehmen.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist dem Antrag des Antragstellers stattzugeben.
Weder hinsichtlich seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat des Vereins Lebenshilfe e.V. -
Werkstatt für Behinderte, M1. - noch hinsichtlich seiner Beschäftigung im Aufsichtsrat
der C1. GmbH, M1. , lässt sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die
Rechtmäßigkeit des mit Bescheid vom 14. August 2002 erfolgten Widerrufs der insoweit
erteilten Nebentätigkeitsgenehmigungen offensichtlich bejahen oder offensichtlich
verneinen. Jedoch spricht - bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen
überschlägigen Würdigung - einiges dafür, dass beide Tätigkeiten nicht der
Genehmigungspflicht nach dem Beamten- Nebentätigkeitsrecht unterliegen und der
angefochtene Bescheid deswegen einer abschließenden Überprüfung in einem
Klageverfahren wahrscheinlich nicht standhalten wird. Die bei dieser - vorläufigen -
rechtlichen Einschätzung vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten des
Antragstellers aus.
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Bezüglich der vom Antragsteller wahrgenommenen Tätigkeit im Aufsichtsrat des
Vereins Lebenshilfe e.V. - Werkstatt für Behinderte, M1. - spricht einiges dafür, dass eine
Nebentätigkeitsgenehmigung gemäß den §§ 68 ff. des Beamtengesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz - LBG) in Verbindung mit der Verordnung
über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter im Land Nordrhein- Westfalen
(Nebentätigkeitsverordnung - NtV) nicht erforderlich ist. Eine Genehmigungspflicht
gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 3 LBG scheidet aus, da der Antragsteller unter Zugrundelegung
seiner - vom Antragsgegner nicht in Zweifel gezogenen - Angaben keinerlei Vergütung
erhält und weder gewerblich tätig ist noch in einem Gewerbebetrieb mitarbeitet. Des
Weiteren besteht - jedenfalls keine offensichtliche - Genehmigungspflicht nach § 68
Abs. 1 Nr. 4 LBG. Danach bedarf ein Beamter, der - wie hier - nicht zur Übernahme der
Nebentätigkeit nach § 67 LBG verpflichtet ist, der vorherigen Genehmigung zum Eintritt
in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft oder eines in einer anderen Rechtsform
betriebenen Unternehmens, soweit dieses einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Nach
gegenwärtigem Kenntnisstand der Kammer verfolgt der Verein Lebenshilfe e.V. -
Werkstatt für Behinderte, M1. - keinen wirtschaftlichen, sondern einen gemeinnützigen
Zweck. Bei Tätigkeiten innerhalb gemeinnützige Belange fördernden, nicht auf einen
gewerblichen Zweck gerichteten Unternehmen und Vereinigungen ist eine
Nebentätigkeitsgenehmigung nicht erforderlich.
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Vgl. Schmiemann in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder,
Loseblattkommentar, Teil C, Rdnr. 6 zu § 68 LBG; Gesamtkommentar öffentliches
Dienstrecht (GKÖD) / Geis, Loseblattkommentar, Band I, Teil 2 b, Rdnr. 30 zu § 66 des
Bundesbeamtengesetzes (BBG).
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Weiterhin bestehen hinsichtlich der Tätigkeit des Antragstellers im Aufsichtsrat der C1.
GmbH nicht unerhebliche Bedenken gegen eine Genehmigungspflicht.
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Allerdings ist - bei isolierter Betrachtung des § 68 Abs. 1 Nr. 3 LBG - die Tätigkeit
genehmigungspflichtig, weil der Antragsteller hierfür eine Vergütung erhält. Des
Weiteren ergibt sich - allein aus dem gesetzlichen Wortlaut - eine Genehmigungspflicht
nach § 68 Abs. 1 Nr. 4 LBG, weil der Antragsteller im Aufsichtsrat der C1. GmbH tätig ist
und es sich dabei um ein Unternehmen handeln dürfte, welches einen wirtschaftlichen
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Zweck verfolgt.
Indes stellt sich die Frage, ob die allein aus dem Wortlaut abgeleitete
Genehmigungspflicht unter Berücksichtigung der systematischen Zusammenhänge des
Beamten-Nebentätigkeitsrechts uneingeschränkt auch in den Fällen bejaht werden
kann, in denen - wie vorliegend - ein Ratsmitglied allein aufgrund seines kommunalen
Mandats Mitglied des Aufsichtsrates eines kommunalen Unternehmens geworden ist.
Insofern ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 LBG in Verbindung mit §
2 Abs. 4 Nr. 1 Buchstabe a) NtV die Tätigkeit als Mitglied einer kommunalen Vertretung
und ihren Ausschüssen nicht als Nebentätigkeit gilt und daher nicht
genehmigungspflichtig ist. Des Weiteren fällt ins Gewicht, dass die Tätigkeit im
Aufsichtsrat eines kommunalen Unternehmens unter anderem dadurch gekennzeichnet
ist, dass die gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder in
kommunalverfassungsrechtlicher Hinsicht begrenzt ist. So haben die Vertreterinnen und
Vertreter der Gemeinde gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen - GO - in Gesellschaftsorganen die Interessen der Gemeinde zu
verfolgen. Sie sind gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GO an die Beschlüsse des Rats und
seiner Ausschüsse gebunden. Außerdem schreibt § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO u. a. für ein
kommunales Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH einen Gesellschaftsvertrag
vor, der dem Rat Weisungsbefugnisse gegenüber den von ihm bestellten
Aufsichtsratsmitgliedern einräumt. Das Kommunalrecht sieht zur Durchsetzung der
Bindung auch Sanktionen vor. So haben die vom Rat bestellten Vertreter gemäß § 113
Abs. 1 Satz 3 GO auf Beschluss des Rates ihr Amt jederzeit niederzulegen. Im
Innenverhältnis zu den bestellenden Gemeindeorganen kommt den Ratsvertretern keine
wehrfähige Position zu. Hiervon ausgehend spricht vieles dafür, dass das
Aufsichtsratsmitglied in einem kommunalen Unternehmen lediglich als „verlängerter
Arm" des Rates fungiert und sich seine Tätigkeit als bloße Annextätigkeit zum Mandat
darstellt.
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Vgl. v. Stein / Weber, Vereinbarkeit von Richteramt und Mitwirkung in
Gesellschaftsorganen kommunaler Unternehmen, Die öffentliche Verwaltung (DÖV)
2003, 278 (285), die deshalb die Aufsichtsratstätigkeit mit Ausnahme der Tätigkeit als
Aufsichtsratsvorsitzender rechtlich nicht anders einordnen als die Ratstätigkeit selbst.
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Unter Zugrundelegung der aufgezeigten Gesichtspunkte spricht einiges dafür, dass sich
kommunales Mandat und Aufsichtsratstätigkeit in einem kommunalen Unternehmen aus
kommunalverfassungsrechtlichen Gründen nicht trennen lassen. Dem würde
zuwiderlaufen, wenn der Dienstherr über das Nebentätigkeitsrecht mittelbar Einfluss auf
den Umfang der Mandatsausübung erlangen würde. Dadurch würde der Grundsatz,
dass die Tätigkeit als Mitglied einer kommunalen Vertretung und ihrer Ausschüsse der
Genehmigungspflicht entzogen ist ( § 2 Abs. 4 Nr. 1 NtV ), in wesentlicher Beziehung
unterlaufen.
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Nach alledem spricht - bei summarischer Prüfung - einiges dafür, dass die fraglichen
Tätigkeiten des Antragstellers nicht nach § 68 LBG iVm §§ 2 ff NtV
genehmigungspflichtig sind, so dass die weitere Frage, ob der Widerrufsgrund nach §
68 Abs. 4, Abs. 2 LBG gegeben ist, offen bleiben kann.
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Die danach vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers
aus.
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Dies gilt zunächst im Hinblick auf seine Tätigkeit im Aufsichtsrat des Vereins
Lebenshilfe e.V. - Werkstatt für Behinderte, M1. -. Unter Berücksichtigung dessen, dass
die Nebentätigkeit - wie dargelegt - wahrscheinlich nicht genehmigungspflichtig ist und
der Antragsgegner von der Tätigkeit ausweislich eines in der Personalakte enthaltenen
Vermerks vom 11. Juli 2000 seit dem Jahr 2000 Kenntnis hat, ohne insofern wegen
eines eventuellen Interessenkonflikts tätig geworden zu sein, überwiegt das Interesse
des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der Vollziehbarkeit des Widerrufs.
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Nichts anderes gilt im Ergebnis bezüglich seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der
C1. GmbH. Bestehen Zweifel an der Genehmigungspflicht seiner Tätigkeit und ist der
Antragsteller unstreitig beruflich nicht mit der Besteuerung der C1. GmbH befasst -
mithin ein möglicher Interessenkonflikt ausgeschlossen -, fehlt es an hinreichenden
Anhaltspunkten für eine überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse des
Antragsgegners.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergeht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zwei
Nebentätigkeitsgenehmigungen widerrufen worden sind, gemäß §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1
Satz 2 GKG.
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