Urteil des VG Arnsberg vom 29.03.2000

VG Arnsberg: kosovo, amnesty international, staatliche verfolgung, aufschiebende wirkung, montenegro, zugehörigkeit, ausländer, auskunft, gefahr, freiheit

Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 L 393/00.A
Datum:
29.03.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 L 393/00.A
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 12 K 1026/00.A gegen die im Bescheid des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 2. März 2000
enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
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ist nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, hat aber in der
Sache keinen Erfolg. Denn es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet (vgl. §
36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG), die allein die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
rechtfertigen könnten. Das Bundesamt hat in dem angegriffenen Bescheid zutreffend
festgestellt, daß aufgrund der gravierenden Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im
Heimatland der Antragstellerin im Zusammenhang mit der flächendeckenden
Stationierung von KFOR-Truppen im Kosovo für ethnische Albaner offensichtlich nicht
mehr die Gefahr einer Verfolgung durch den serbischen Staat im Sinne von § 51 Abs. 1
des Ausländergesetzes (AuslG) besteht und daß die Sicherheits- und Versorgungslage
im Kosovo keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG begründet. Die Kammer
nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG
Bezug auf die weder rechtlich noch tatsächlich zu beanstandenden Ausführungen in
dem angegriffenen Bescheid, die auch mit der neuen Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
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vgl. Urteil vom 10. Dezember 1999 - 14 A 3768/94.A - und Beschluß vom 10. Dezember
1999 - 13 A 2229/98.A,
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der sich das erkennende Gericht angeschlossen hat, übereinstimmen.
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Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie gehöre der Bevölkerungsgruppe der Roma an,
ergibt sich keine andere Beurteilung. Denn selbst bei unterstellter Glaubhaftigkeit der
oberflächlichen und inhaltsleeren Angaben, bestehen gegen die Ablehnung des
Asylantrages als offensichtlich unbegründet keine Rechtmäßigkeitsbedenken, weil
Roma mit der für den Offensichtlichkeitsmaßstab des § 30 Abs. 1 AsylVfG
aufdrängenden Gewißheit in der Bundesrepublik Jugoslawien nicht landesweit einer
staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Zwar mögen Roma im Kosovo derzeit
zahlreichen Übergriffen der Albaner ausgesetzt sein.
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Vgl. hierzu auch: Gesellschaft für bedrohte Völker, Bericht "Die Lage der Roma und
Aschkali im Kosovo" vom November 1999 und Dokumentation Tillmann-Zülch: "Bis der
letzte Zigeuner das Land verlassen hat"; amnesty international, Auskünfte an das VG
Magdeburg vom 24. September 1999 und an das VG Wiesbaden vom 8. September
1999; UNHCR: Bericht über die Situation ethnischer Minderheiten im Kosovo vom 3.
November 1999 in der Anlage zur Auskunft an den VGH Baden- Württemberg vom 9.
Dezember 1999; Auswärtiges Amt: ad hoc- Lagebericht vom 8. Dezember 1999;
Schweizerische Flüchtlingshilfe: Lagebericht Kosova vom 20. November 1999 in der
Anlage zur Auskunft an das VG Karlsruhe vom 8. Dezember 1999
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Insoweit handelt es sich aber nicht um eine - was jedoch zur Annahme der
Voraussetzungen des Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. des § 51 Abs. 1 AuslG erforderlich wäre
- staatliche Verfolgung der Roma, da die Übergriffe und Vertreibungen durch albanische
Extremisten erfolgen und diese im Kosovo keine staatsähnliche Gewalt ausüben.
Zudem steht den Roma trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Bundesrepublik
Jugoslawien insbesondere in der Teilrepublik Montenegro eine inländische
Fluchtalternative offen. Auch den zitierten neueren Erkenntnissen lassen sich insoweit
keine hinreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß die Roma nunmehr in der
Bundesrepublik Jugoslawien landesweit einer staatlichen Gruppenverfolgung
ausgesetzt sind.
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Der Asylantrag der Antragstellerin ist daher auch bei Berücksichtigung der geltend
gemachten Zugehörigkeit zum Volke der Roma im Hinblick auf das Vorliegen der
Voraussetzungen des Art 16 a Abs. 1 GG und des § 51 Abs. 1 AuslG zu Recht als
offensichtlich unbegründet abgelehnt worden.
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Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung, daß
Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG vorliegen. Daß für ethnische
Albaner in Bezug auf den Kosovo keine Abschiebungshindernisse gegeben sind, ist
bereits oben unter Hinweis auf die hierzu ergangene obergerichtliche Rechtsprechung
dargelegt worden. Ein Abschiebungshindernis ist auch nicht im Zusammenhang mit der
geltend gemachten Zugehörigkeit der Antragstellerin zur Volksgruppe der Roma
festzustellen. Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (erhebliche konkrete
Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit) liegen auch insoweit nicht vor. Denn nach Satz 2
dieser Vorschrift werden Gefahren, denen die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer
angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei Entscheidungen nach § 54 AuslG
berücksichtigt. Fehlt es aber - wie hier - an einer ausdrücklichen Anordnung der
obersten Landesbehörde, so ist aus verfassungsrechtlichen Gründen
Abschiebungsschutz wegen allgemeiner Gefahren zu gewähren, wenn eine solch
extreme Gefahrenlage vorliegt, bei der jeder Ausländer im Falle seiner Abschiebung
gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen
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ausgeliefert würde.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, in:
Neue Zeit- schrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1996, 199.
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Es ist in Anwendung dieser Maßstäbe verfassungsrechtlich derzeit nicht geboten,
wegen der allgemeinen Gefahren Roma aus dem Kosovo Abschiebungsschutz zu
gewähren. Es ist zunächst nicht feststellbar, daß die oben genannten Übergriffe
albanischer Extremisten zu einer landesweiten extremen Gefährdung für Roma führen.
Schon für das Gebiet des Kosovo gilt, daß sich derartige Gewaltmaßnahmen
überwiegend in bestimmten regionalen Brennpunkten ereignet haben,
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Vgl. Ad-hoc-Bericht des Auswärtigen Amtes vom 8. Dezember 1999,
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so daß nicht etwa davon ausgegangen werden kann, alle Angehörigen der genannten
Volksgruppe müßten im gesamten Gebiet des Kosovo mit lebensgefährdenden
Übergriffen rechnen. Da die Regelung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG keine örtlich
begrenzten Aufenthaltsgarantien begründet, ist es der Antragstellerin insofern auch
zumutbar, sich außerhalb gefährdeter Brennpunkte im Kosovo niederzulassen,
gegebenenfalls unter dem Schutz der KFOR-Truppen, oder aber wie zahlreiche andere
Angehörige der betroffenen Gruppen einstweilen den Aufenthalt etwa in Montenegro zu
nehmen.
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Zudem ist es auch aus einem weiteren Grunde verfassungsrechtlich nicht geboten,
Roma aus dem Kosovo wegen allgemeiner Gefahren Abschiebungsschutz zu
gewähren. Zwar sollen nunmehr zwangsweise Rückführungen in den Kosovo im
Frühjahr 2000 erfolgen. Jedoch kommen für derartige Abschiebemaßnahmen nach dem
Erlaß des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. November 1999
(Az.I B5/6.2.1.) nur jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit, die
im Kosovo über Unterbringungsmöglichkeiten verfügen, in Betracht. Zu diesem
Personenkreis zählt die Antragstellerin bei Wahrunterstellung ihrer eigenen jetzigen
Angaben jedoch nicht, so daß es auch von daher verfassungsrechtlich nicht geboten ist,
ihr Abschiebungsschutz wegen allgemeiner Gefahren für Roma im Kosovo zu
gewähren.
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Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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Dieser Beschluß ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
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