Urteil des VG Arnsberg vom 17.12.2007

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Verwaltungsgericht Arnsberg, 8 K 2832/06
Datum:
17.12.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 2832/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger wendet sich gegen die Bestellung eines Zwangsrechts an dem in seinem
Eigentum stehenden, im Bereich der Siedlung „T. I. „ liegenden Grundstück G1 zu
Gunsten der Beigeladenen für eine Abwasserleitung.
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Die Beigeladene betreibt in ihrem Stadtgebiet Kanalisationsnetze für die öffentliche
Abwasserbeseitigung. Sie entschloss sich, die Siedlung „T. I. „, in deren Bereich die
Abwasserentsorgung bislang über Kleinkläranlagen durchgeführt wurde, an das
öffentliche Schmutzwasserkanalsystem anzuschließen und nahm das Projekt in Nr.
1.19.1 ihres Abwasserbeseitigungskonzepts auf. Danach sollte bis zum Jahr 2003 der
Schmutzwasserkanal „A.-----straße / T. I. „ errichtet werden. Dem Konzept wurde seitens
der Bezirksregierung B. die wasserrechtliche Zustimmung erteilt. In den Jahren 2001
und 2002 wurde für das Vorhaben die Detailplanung erstellt. Es wurden eine nördliche
und eine südliche Trasse gefunden. Die beiden Stichkanäle sollten im Bereich „T.
Straße" in den Anschlusskanal „A.-----straße „ zusammengeführt und an den
vorhandenen Sammler in der „A.----- straße „ angeschlossen werden. Die südliche
Trasse der Abwasserleitung sollte im Außenbereich südlich der Grundstücke „T. I. „ mit
den Hausnummern 1, 3, 5, 7, 11 und 13 verlaufen und diese über einen Anschluss im
Freigefälle entwässern. Das Gelände, auf dem die Häuser mit den ungeraden
Hausnummern errichtet sind, fällt nach Süden hin ab. Außerdem befinden sich
sämtliche Hausanschlüsse jeweils auf den südlichen Rückseiten der Häuser. In ihrem
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weiteren Verlauf sollte die südliche Trasse westlich des Flurstücks F1 auf dem
angrenzenden Flurstück F2 in Richtung Norden verschwenken. Die südliche Trasse ist
bis zu einem auf dem Flurstück F2 befindlichen Schachtbauwerk mit der Nr. xxxx fertig
gestellt. Von diesem Schacht ausgehend bedarf es einer Weiterführung der südlichen
Trasse, um auch die Häuser mit den Hausnummern 12, 14, 16 und 18 an das
Abwassernetz anschließen zu können.
Das Flurstück des Klägers verlängert den schmalen, höchstens 4 m breiten privaten
Weg „T. I. „ (Flurstücke F3, F4, F5) in westliche Richtung und wird als
Erschließungsweg genutzt, über den der Kläger Zugang zu seinem weiter südwestlich
gelegenen Hausgrundstück (Parzelle P1) hat. Südlich des klägerischen Grundstücks
liegt das Flurstück F2, das nicht bebaut und lediglich zum Weg hin durch eine lose
Steinmauer eingefasst ist. Östlich des Flurstücks F2 grenzt die Parzelle P2 an, die mit
dem Haus Nr. 13 bebaut und in Richtung zum Flurstück F2 durch einen Jägerzaun
begrenzt ist. An der Grundstücksgrenze befinden sich auf der Parzelle P2 außerdem
Anpflanzungen und eine Garageneinfahrt. Das nördlich des Weges gelegene Flurstück
F6 ist ebenfalls mit einem Wohnhaus (Nr. 12) bebaut. Der Abwasseranschluss dieses
Hauses liegt ebenso wie bei den Nachbarhäusern mit den Nrn. 14, 16 und 18 auf der
Rückseite und weist nach Westen. Sämtliche vorgenannten Abwasserleitungen münden
bisher in eine auf dem Flurstück F7 (Haus Nr. 18) gelegene Kleinkläranlage, in der das
Abwasser gesammelt und gereinigt wird. Nördlich des Weges „T. I. „ und östlich der
Häuser mit den Hausnummern 12, 14, 16 und 18 befinden sich die Flurstücke F8 und
F9. Während es sich bei dem Flurstück F8 um eine Freifläche handelt, befindet sich auf
der Parzelle P3 eine Gewerbehalle, die allerdings mittlerweile - anders als im
vorhergehenden Verwaltungsverfahren - nicht mehr genutzt wird.
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Am 15. April 2004 beantragte die Beigeladene nach § 128 des Landeswassergesetzes
(LWG) bei dem Beklagten die Erteilung eines Zwangsrechts zum Bau und Betrieb sowie
zur Unterhaltung eines Kanalschachtes einschließlich der erforderlichen Leitungen auf
dem Grundstück des Klägers.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 2. November 2004 lehnte der Kläger die
Errichtung eines Schachtes auf seinem Grundstück ab. Er schlug vor, die
Abwasserleitung über die Flurstücke F1 sowie F5 zu führen und das Schachtbauwerk
außerhalb seiner Wegeparzelle zu errichten. Der Beklagte übersandte die Niederschrift
über die mündliche Verhandlung dem Kläger und der Beigeladenen.
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Ausgehend hiervon überarbeitete die Beigeladene ihre Detailplanung, wonach das
Schachtbauwerk nunmehr auf dem Flurstück F2 errichtet werden sollte. Daraufhin
beschränkte die Beigeladene das eingeleitete Zwangsrechtsverfahren mit Schriftsatz
vom 15. Dezember 2004 entsprechend. Mit Schriftsatz vom 7. April 2005 ergänzte die
Beigeladene ihren Antrag erneut und legte dem Beklagten einen Plan vom 6. April 2005
in Bezug auf eine geänderte Leitungsführung vor. Danach soll die Abwasserleitung
ausgehend von dem Schacht Nr. xxxx auf der Parzelle P4 in westliche Richtung schräg
über den Weg des Klägers verlegt werden.
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Der Beklagte gab dem Kläger abschließend mit Schriftsatz vom 26. April 2005
Gelegenheit zur Stellungnahme, wovon der Kläger keinen Gebrauch machte. Daraufhin
verpflichtete der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 14. Juli 2005, auf seiner
Wegeparzelle den Bau, Betrieb und die Unterhaltung eines Schmutzwasserkanals
einschließlich der erforderlichen Hausanschlussleitung sowie das Betreten des
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belasteten Grundbesitzes durch Beauftragte der Beigeladenen zum Zwecke der
Kontrolle und Instandhaltung der Kanäle nach Maßgabe der dem Bescheid beigefügten
Antragsunterlagen der Beigeladenen gemäß der letzten Antragsfassung vom 7. April
2005 zu dulden. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die Duldungspflicht des
Klägers folge aus § 125 Abs. 1 und 2 LWG i.V.m. § 128 LWG. Die gewählte
Trassenführung des Kanals erweise sich nach Prüfung auch im Vergleich zu anderen,
vom Kläger vorgeschlagenen Varianten als zweckmäßig und aus technischer und
wirtschaftlicher Sicht als sinnvoll. Bei einer Verlegung der Kanalleitung durch die
Flurstücke F3, F4, F5 in dem privaten Erschließungsweg „T. I. „ (Variante 1) wäre
aufgrund der geringen Breite des Weges eine Passierbarkeit während der Bauzeit für
die Anwohner und Rettungsdienste unmöglich gewesen. Insbesondere der an diesem
Weg (seinerzeit noch) gelegene Gewerbebetrieb hätte während der Bauzeit nicht
angedient werden können. Da eine Materialzwischenlagerung in der Wegeparzelle
während der Bauzeit wegen der Enge des Weges ausgeschieden wäre, wäre mit einer
Verlängerung der Bauzeit zu rechnen gewesen. Auch in Bezug auf diese
Trassenvariante hätten Zwangsrechtsverfahren durchgeführt werden müssen. Im
Vergleich verursache die Ausführungsvariante auch deshalb geringere Kosten, weil alle
künftigen Nutzer ihre Abwasseranlagen im Freigefälle anschließen könnten. Darüber
hinaus scheide eine Verlegung des Kanals durch die Flurstücke F1 und F5 (Variante 2)
aus. Auch hier wären Zwangsrechtsverfahren durchzuführen. Zudem wäre der Eingriff in
das im fraglichen Bereich als Garten genutzte Grundstück G2 im Vergleich zur
Verlegung des Kanals in der Wegefläche erheblich größer. Aus technischer Sicht sei
die Variante 2 nicht geeignet, weil wegen des beabsichtigten rückwärtigen Anschlusses
der Häuser 12, 14, 16 und 18 eine zweimalige Verschwenkung von nahezu 90 Grad
erforderlich werde. Dies entspreche nicht dem Stand der Technik.
Der Kläger hat am 27. Juli 2006 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung
er geltend macht: Die Inanspruchnahme seines Grundstücks stelle einen
unverhältnismäßigen Eingriff in sein Eigentum dar. Es sei ohne weiteres möglich, den
Kanalanschluss der anzuschließenden Grundstücke zu realisieren, ohne sein
Grundstück in Anspruch zu nehmen. So biete sich die Trasse über die Flurstücke F1
und F5 an. Die Häuser mit den Hausnummern 12, 14, 16 und 18 könnten dann zudem
über die östliche Vorderseite angeschlossen werden (Variante 3). Diese Trasse sei
zweckmäßiger, weil zu erwarten sei, dass auf dem Flurstück F8 in Kürze Reihenhäuser
errichtet würden. Diese könnten dann über dieselbe Abwasserleitung an das öffentliche
Kanalnetz angeschlossen werden. Eine Inanspruchnahme seines Grundstücks sei auch
nicht gerechtfertigt, weil er selbst im Gegensatz z.B. zur Eigentümerin des Flurstücks F1
keine Vorteile von dem Abwasserkanal habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 14. Juli 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Sie führt aus: Die Inanspruchnahme des Flurstücks F1 würde größere Kosten
verursachen, weil es aufgrund seiner Bebauung im Hinblick auf eine eventuelle
Entschädigung als wesentlich höherwertiger einzustufen sei als die Wegeparzelle des
Klägers. Ferner hätte bei den Varianten 2 und 3 ein Stück der Leitung in die Parzelle P5,
die ebenfalls im Privateigentum stehe, verlegt werden müssen.
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Die Berichterstatterin hat am 5. November 2007 Beweis aufgenommen durch
Ortsbesichtigung. Ausdrucke der anlässlich dieses Termins gefertigten Lichtbilder sind
als Anlagen dem über die Beweisaufnahme gefertigten Protokoll beigefügt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens
im Übrigen wird Bezug genommen auf die Verfahrensakte sowie die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Zwangsrechtsbescheid des
Beklagten vom 14. Juli 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 128 Abs. 1 LWG. Nach dieser Vorschrift
können u.a. zugunsten eines Unternehmens der Fortleitung von Wasser oder Abwasser
die Eigentümer und Nutzungsberechtigten der zur Durchführung des Unternehmens
erforderlichen Grundstücke und Gewässer von der zuständigen Behörde verpflichtet
werden, das ober- und unterirdische Durchleiten von Wasser und Abwasser und die
Unterhaltung der Leitungen zu dulden.
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Die Duldungsverfügung ist von dem Beklagten als der hierfür zuständigen unteren
Wasserbehörde (§ 140 Abs. 1 LWG i.V.m. Nr. 23.1.179 der Verordnung zur Regelung
von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des technischen Umweltschutzes - ZustVOtU - vom
14. Juni 1994, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Mai 2006 - GV NRW S. 212 -)
auf Grund eines fehlerfreien Verwaltungsverfahrens, insbesondere nach mündlicher
Verhandlung (§ 143 Abs. 1 Nr. 3 LWG i.V.m. § 67 des Verwaltungsverfahrensgesetzes
für das Land Nordrhein- Westfalen - VwVfG NRW -), erlassen worden. Vor Erlass der
Duldungsverfügung war die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung nicht
erforderlich. Die aufgrund der mündlichen Verhandlung vorgenommene Veränderung
der vorgesehenen Trassenführung und die nachfolgende erneute Ergänzung gemäß
dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 7. April 2005 wich nur geringfügig von dem
anfänglich beantragten und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten
Trassenverlauf ab. Darüber hinaus greift die festgesetzte Trassenführung nunmehr in
geringerem Maße in die Eigentumsrechte des Klägers ein, weil das zunächst
vorgesehene Schachtbauwerk nicht auf dem klägerischen Grundstück realisiert werden
soll. Der Kläger wurde durch Übersendung der Niederschrift über die mündliche
Verhandlung von dem Ergebnis der Erörterungen unterrichtet. Ihm wurde auch mit Blick
auf die von der Beigeladenen vorgelegten geänderten bzw. ergänzten Planunterlagen
jeweils ausreichend Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.
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Die Duldungsverfügung genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit eines
Verwaltungsakts (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Dass im Tenor des Bescheides eine
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Duldungspflicht hinsichtlich einer „erforderlichen Hausanschlussleitung" aufgenommen
worden ist, obwohl eine solche auf dem klägerischen Grundstück nicht (mehr) verlegt
werden soll, steht der Bestimmtheit des Verwaltungsakts nicht entgegen. Denn letztlich
ergibt sich aus dem der angegriffenen Duldungsverfügung als Anlage 17 beigefügten
Lageplan vom 6. April 2005, in dem die Trasse eingezeichnet ist und der Bestandteil
des Bescheides geworden ist, hinreichend eindeutig, in welcher Art und Weise das
Grundstück des Klägers in Anspruch genommen werden soll und dass dies eine
Hausanschlussleitung nicht mehr umfasst.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 128 Abs. 1 LWG, deren Vorliegen das
Ermessen der für die Entscheidung zuständigen Wasserbehörde eröffnen, liegen vor.
Das Vorhaben der Beigeladenen, eine Schmutzwasserleitung zu errichten, ist ein
Unternehmen zur Fortleitung von Abwasser. Die Inanspruchnahme des klägerischen
Grundstücks ist zur Durchführung des Vorhabens im Sinne des § 128 Abs. 1 LWG
erforderlich. Die Erforderlichkeit ist nicht erst dann zu bejahen, wenn der Zugriff auf das
Grundstück zwingend unerlässlich ist, damit das Vorhaben überhaupt realisiert werden
kann. Denn typischerweise sind für das Leiten von Wasser bzw. Abwasser mehrere
Trassenalternativen in Betracht zu ziehen, die jeweils Vor- und Nachteile aufweisen und
deren Verwirklichung technischen sowie finanziellen Aufwand in unterschiedlicher
Höhe verursacht. Die Erforderlichkeit wird daher konkretisiert durch die Kriterien des §
125 Abs. 2 LWG, der gemäß § 128 Abs. 3 LWG sinngemäß gilt. Daher muss die
Inanspruchnahme des Grundstücks, gemessen an den Anforderungen nach § 125 Abs.
2 LWG, für die Durchführung des Vorhabens vernünftig und sinnvoll sein.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
9. November 2006 - 20 A 2136/05 -.
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Nach § 125 Abs. 2 LWG ist dies der Fall, wenn das Vorhaben anders nicht
zweckmäßiger oder nur mit erheblichem Mehraufwand durchgeführt werden kann, der
von dem Unternehmen zu erwartende Nutzen den Schaden der Betroffenen erheblich
übersteigt und das Wohl der Allgemeinheit nicht entgegensteht. Dabei stehen die
Merkmale der Zweckmäßigkeit und des Mehraufwands als unbestimmte Rechtsbe-griffe
in einem Alternativverhältnis, so dass die Befugnis der Behörde, den Eigentümer oder
Nutzungsberechtigten zur Duldung zu verpflichten, eröffnet ist, wenn eine der beiden
uneingeschränkt und anhand objektiver Maßstäbe überprüfbaren Voraussetzungen
erfüllt ist.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2005 - 20 A 157/04 -.
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Danach ist die Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks vernünftig und sinnvoll,
weil eine zweckmäßigere und zugleich ohne erheblichen Mehraufwand
durchzuführende Möglichkeit der Realisierung des Unternehmens nicht besteht.
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Bei der Prüfung der in Betracht kommenden Trassenalternativen ist zunächst auf die
südliche Trasse abzustellen. Denn zum einen ist sie bis zum Schacht Nr. xxxx auf dem
Flurstück F2 bereits in - entsprechend den nachfolgenden Erwägungen - recht- mäßiger
Weise realisiert worden, so dass sie inzwischen bestimmte Zwangspunkte vorgibt. Zum
anderen erweist sich die südliche Trasse im Vergleich zu der vorgeschlagenen Variante
1 durch den Erschließungsweg „T. I. „ auch als zweckmäßiger. Dies beruht zunächst
darauf, dass der Weg aufgrund seiner Enge während der Bauphase des Kanals, wäre er
gemäß der Variante 1 realisiert worden, nicht passierbar gewesen wäre, während
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insoweit bei dem Bau der südlichen Trasse Einschränkungen vermieden werden
konnten. Eine fehlende Zufahrtsmöglichkeit hätte insbesondere für den zum damaligen
Zeitpunkt auf dem Flurstück F9 noch vorhandenen Gewerbebetrieb wirtschaftlich
negative Folgen gehabt. Der Anliegerverkehr wäre behindert und die Zufahrt für
Feuerwehr und Rettungsdienste zeitweise unmöglich geworden. Dadurch wäre auch
der Kläger betroffen gewesen, der über den Erschließungsweg „T. I. „ sein
Hausgrundstück anfährt. Zudem hätte bei einer Realisierung der Variante 1 das
Abwasser von den Häusern „T. I. „ mit den Hausnummern 1, 3, 5, 7, 11 und 13 aufgrund
des Geländegefälles zu dem Abwasserkanal hochgepumpt werden müssen. Dazu
hätten die Anwohner Abwasserhebeanlagen installieren müssen. Diese Art der
Abwasserentsorgung stellt im Vergleich zu dem bei der realisierten südlichen
Trassenalternative möglichen Anschluss im Freigefälle eine technisch aufwändigere
und zudem störungsanfälligere Lösung dar. Die Installation von Abwasserhebeanlagen
wäre darüber hinaus mit zusätzlichem Investitions-, Wartungs- und
Unterhaltungsaufwand für die Anwohner verbunden gewesen, die bei dem rückwärtigen
Anschluss der Hausgrundstücke ebenso vermieden werden konnte wie die zusätzliche
Kosten verursachende Verlegung der Hausanschlüsse von der Rückseite nach vorne
zum Weg „T. I. „. Die Realisierung der Trassenvariante 1 hätte im Vergleich zu der
gewählten südlichen Ausführungsvariante auch deshalb einen größeren
Kostenaufwand bedeutet, weil sich aufgrund der geringen Breite des Weges die Bauzeit
nicht unerheblich verlängert hätte.
Ausgehend hiervon ist es, um die Häuser 12, 14, 16 und 18 an das öffentliche Kanalnetz
anschließen zu können, erforderlich, den südlichen Stichkanal entweder - wie im
Zwangsrechtsbescheid festgesetzt - über das Grundstück des Klägers zu führen oder
ihn - wie vom Kläger vorgeschlagen - über die ebenfalls im Privateigentum stehenden
Flurstücke F1 und F5 zu verlegen. Im Vergleich dieser Möglichkeiten ist die Bewertung
des Beklagten nicht zu beanstanden, dass sich die Inanspruchnahme des klägerischen
Grundstücks als die zweckmäßigere und kostengünstigere Variante anbietet. Der Kläger
kann den Beklagten nicht auf die Inanspruchnahme anderer privater Grundstücke
verweisen. Eine andere Möglichkeit zur Durchführung des Unternehmens im Sinne der
§§ 128 Abs. 1, 125 Abs. 2 LWG besteht nämlich nur dann, wenn sich das Vorhaben
ohne oder mit einem geringeren Eingriff in das Privateigentum verwirklichen ließe, nicht
aber schon dann, wenn es ebenso zweckmäßig und ohne höhere Kosten auf einem
anderen Grundstück durchgeführt werden könnte.
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Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 28. Februar 1991 - 3 A 291/88 -, NJW
1991, 3233 und in diesem Sinne auch OVG NRW, Beschluss vom 8. September 1995 -
20 B 2096/95 -.
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Eine solche Grundstückssituation des Klägers, die die Folgen der Inanspruchnahme
seines Grundstücks als im Verhältnis zur Nutzung der privaten Flurstücke F1 und F5
schwerwiegender bzw. belastender erscheinen lassen könnte, liegt nicht vor. Das
Flurstück des Klägers wird lediglich als Zufahrt zu dessen Hausgrundstück genutzt. Es
ist weder bebaut noch bepflanzt. Bei dem im Privateigentum stehenden Flurstück F5
handelt es sich ebenfalls um ein als Weg genutztes Grundstück ohne Bebauung und
Bepflanzung, so dass dessen potentielle Belastung jedenfalls nicht geringer wäre.
Hinzu tritt, dass auf dem notwendigerweise damit zugleich in Anspruch zu nehmenden
Flurstück F1 ein Einfamilienhaus errichtet ist und in dem Grundstücksbereich, der für
eine Verlegung der Kanalleitung genutzt werden müsste, ein Jägerzaun und
Anpflanzungen vorhanden sind. Damit wäre dort sogar noch ein stärkerer Eingriff als auf
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dem klägerischen Grundstück zu erwarten. Etwas anderes folgt insofern auch nicht aus
dem Vortrag des Klägers, im Gegensatz zu ihm habe die Eigentümerin des
angrenzenden Grundstücks mit der Flurstücksbezeichnung F1 einen unmittelbaren
Vorteil von dem Abwasserkanal. Zwar ist das mit dem Haus Nr. 13 bebaute Flurstück F1
an den südlichen Stichkanal angeschlossen. Jedoch wird diese Eigentümerin ebenso
wenig wie der Kläger von dem ausgehend von Schacht Nr. xxxx noch zu errichtenden
und hier streitigen Teilstück des Abwasserkanals einen Nutzen haben. Denn jenes
Teilstück soll lediglich dem Anschluss der Hausgrundstücke 12, 14, 16 und 18 an das
Abwassernetz dienen.
Der Kanal könnte bei einer Inanspruchnahme der privaten Flurstücke F1 und F5 auch
nicht kostengünstiger verlegt werden als bei einer Nutzung der Wegeparzelle des
Klägers. Denn für das Einbringen des Kanals auf dem Hausgrundstück G2 müssten der
Jägerzaun sowie die Anpflanzungen beseitigt und entschädigt werden. Derartige
Kosten fallen hingegen bei einer Nutzung des klägerischen Grundstücks nicht an. In
diesem Zusammenhang ist auch die Höhe der von der Beigeladenen gemäß §§ 131
Abs. 1, 134 Satz 1 LWG i.V.m. dem Landesenteignungs- und Entschädigungsgesetz
(EEG) jeweils zu zahlenden Entschädigungssumme zu berücksichtigen. Diese bemisst
sich gemäß § 10 Abs. 1 EEG nach dem Verkehrswert des Grundstücks, so dass für die
Inanspruchnahme eines unbebauten Grundstücks eine geringere Entschädigung zu
leisten ist als für die Nutzung eines bebauten Grundstücks.
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Darüber hinaus ist eine Verlegung der Leitung über die Flurstücke F1 und F5 auch aus
abwassertechnischen Gesichtspunkten weniger geeignet als die im
Zwangsrechtsbescheid festgesetzte Trassenführung. Die Variante 2 würde bei dem
beabsichtigten rückwärtigen Anschluss der Häuser mit den genannten geraden
Hausnummern eine zweimalige Verschwenkung der Rohrleitung von nahezu 90 Grad
erforderlich machen. Ähnliches würde dann gelten, wenn - wie vom Kläger im Rahmen
des Ortstermins vorgeschlagen - die Häuser mit den geraden Hausnummern über die
östliche Vorderseite ihrer Grundstücke angeschlossen würden (Variante 3). Denn dies
hätte ebenfalls zumindest eine Erhöhung der Zahl der Verschwenkungen bis zur
rückwärtigen Kläranlage zur Folge. Solche Verschwenkungen sind indes wegen der
Störanfälligkeit problematisch und daher möglichst zu vermeiden. Im Vergleich zu der
beabsichtigten Verlegung des Anschlusskanals westlich der betroffenen Grundstücke
wäre es zudem finanziell aufwändiger, die Kläranlage als Sammelstelle für die
einzelnen Hausanschlüsse über die östliche Vorderseite der Häuser 12, 14, 16 und 18
an das öffentliche Kanalnetz anzuschließen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, die
Variante 3 sei deshalb im Ergebnis als kostensparende Alternative anzusehen, weil in
Kürze mit einer Bautätigkeit auf dem Flurstück F8 zu rechnen sei und die Gebäude nach
der Erstellung an den Kanal angeschlossen werden könnten, kann dem nicht gefolgt
werden. Denn ob auf dem Flurstück F8 jemals Gebäude errichtet werden, ist völlig
unklar. Insoweit hat die Beigeladene mitgeteilt, dass bislang noch keine Bauanträge
oder -voranfragen eingereicht worden sind.
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Der von der Fortleitung des Abwassers durch das klägerische Grundstück zu
erwartende Nutzen übersteigt dessen Schaden auch erheblich. Der durch die neue
Kanalleitung ermöglichte (erstmalige) Anschluss der Siedlung „T. I. „ an das öffentliche
Abwassernetz ist mit Blick darauf, dass die vorhandenen Kleinkläranlagen in diesem
Bereich nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, von
allgemeinem Nutzen. Dies hat auch die Bezirksregierung B. als obere Wasserbehörde
(vgl. § 136 LWG) festgestellt, als sie dem Abwasserbeseitigungskonzept der
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Beigeladenen zustimmte. Dagegen wird der Kläger durch die Leitung, da die durch die
Bauarbeiten entstehenden Schäden wieder beseitigt werden, nur insoweit beschwert,
als sich - allerdings nur ganz kurzfristige und mithin die Bagatellgrenze nicht
überschreitende - Nutzungseinschränkungen in der Zuwegung zu seinem Grundstück
ergeben können. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass das
Grundstück des Klägers lediglich als Weg genutzt wird und wegen der geringen Breite
der Parzelle auch nicht davon auszugehen ist, dass hier zukünftig bauliche Anlagen
errichtet oder Bepflanzungen vorgenommen werden sollen. Die dauerhafte Nutzbarkeit
des Flurstücks als Weg wird durch die Verlegung der Rohrleitung nicht beeinträchtigt.
Das Wohl der Allgemeinheit steht der Fortleitung des Abwassers nicht entgegen,
sondern wird hierdurch vielmehr gefördert.
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Der Beklagte hat das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Auf der Grundlage
des zutreffend ermittelten Sachverhalts ist er, orientiert am Ziel eines angemessenen
Interessenausgleichs, in eine Abwägung eingetreten, in die er - wie aus dem gesamten
Inhalt des angegriffenen Bescheids deutlich wird - die gegenläufigen Belange (wie
Erforderlichkeit des Abwasserkanals aus wasserwirtschaftlicher Sicht, Ökologieschutz
und Kostenminimierung einerseits; andererseits lediglich geringfügige Belastungen und
Einschränkungen des Klägers in der Erstellungsphase des Kanals) einbezogen hat.
Eine andere rechtliche Beurteilung ist insoweit auch nicht mit Blick darauf geboten, dass
der Beklagte sich in dem angegriffenen Bescheid nicht explizit mit der vom Kläger im
Rahmen des Ortstermins vorgeschlagenen Variante 3 auseinandergesetzt hat. Dafür
wäre die Inanspruchnahme der Flurstücke F1 und F5 erforderlich gewesen. Jedenfalls
die Gründe, die dagegen sprechen, auf diese Privatgrundstücke zurückzugreifen - mithin
also auch nicht die Variante 3 zu wählen -, hat der Beklagte der Sache nach fehlerfrei im
Rahmen der Ablehnung von Variante 2 in dem Bescheid aufgeführt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie keinen
Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr.
11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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