Urteil des VG Arnsberg vom 24.04.2009

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Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 K 3289/08
Datum:
24.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 K 3289/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand:
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Die Kläger sind die Eltern der Kinder M. und M1. , die bis Juli 2008 die 2. Klasse der O. -
Schule in N. besuchten und nach einem Umzug der Familie im Schuljahr 2008/2009 die
3. Klasse der B. -Schule M. - Städtische Gemeinschaftsgrundschule besuchen. Die
Kläger stellten am 13. August 2008 Anträge auf Anerkennung von Schülerfahrkosten
durch Ausstellung eines Schülertickets.
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Der Beklagte lehnte mit Bescheiden vom 17. September 2008 die Anträge ab und führte
jeweils aus: Die Kinder besuchten nicht die nächstgelegene Schule, die C. in N. , bei
deren Besuch Schülerfahrkosten nicht entstünden. Daher bestehe auch kein Anspruch
auf Übernahme der Fahrkosten.
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Die Kläger haben am 11. Oktober 2008 Klage erhoben und führen aus: Dem Besuch der
nächstgelegenen Schule stünden schulorganisatorische Gründe entgegen. Ihre beiden
Kinder seien hochbegabt und bedürften einer besonderen Förderung, die an der C. nicht
angeboten werde. In N. gebe es an Grundschulen eine solche Förderungsmöglichkeit
nur an der besuchten B. - Schule. Hochbegabte müssten Schülern mit Lerndefiziten
gleichgestellt werden, denen die Fahrkosten für den Besuch der Sonderschulen
unabhängig von der Entfernung erstattet würden.
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Die Kläger beantragen,
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den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 17. September 2008 zu
verpflichten, die mit dem Besuch der B. -Schule M. verbundenen Fahrkosten ihrer
Kinder M1. und M. im Schuljahr 2008/2009 zu übernehmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf die angegriffenen Bescheide und führt noch ergänzend aus, dass
Fördermaßnahmen für hochbegabte Schüler keine schulorganisatorischen Gründe
darstellten, die dem Besuch der nächstgelegenen Schule entgegenstünden. In § 9
Abs.7 der Schülerfahrkostenverordnung (SchfkVO) sei ausgeführt, dass Schulen mit
einem Angebot besonderer Unterrichtsveranstaltungen sowie mit unterschiedlichen
Kursangeboten keinen Anspruch auf Fahrkostenerstattung begründen. Es werde
bestritten, dass an der besuchten Schule spezielle Kurse für Hochbegabte angeboten
würden. Der Vergleich mit dem Besuch einer Sonderschule sei unzutreffend, denn für
Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf seien anders als bei Hochbegabten
vom Schulträger bestimmte Förderschulen festgelegt worden und für sie gelte die
fahrkostenrechtliche Sonderregelung des § 9 Abs.3 SchfkVO.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der
Verfahrensakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Die zulässige Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs.1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist unbegründet. Die Kläger haben keinen
Anspruch auf Übernahme der Schülerfahrkosten, so dass die Bescheide des Beklagten
nicht rechtswidrig sind und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs.5 Satz
1 VwGO.
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Nach § 97 Abs.1 Satz 1 des Schulgesetzes (SchulG) werden u.a. Schülerinnen und
Schülern der allgemein bildenden Schulen gemäß §§ 11, 14 bis 18 die Kosten erstattet,
die für ihre wirtschaftlichste Beförderung zur Schule und zurück notwendig entstehen.
Die näheren Einzelheiten sind in der Schülerfahrkostenverordnung geregelt (§ 97 Abs.4
SchulG). Nach Maßgabe der Bestimmungen der Schülerfahrkostenverordnung in der
Fassung der Änderung vom 30. April 2007 (GV.NRW 2007, 178) haben die Kläger aber
keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten. Nach § 9 Abs.9 SchfkVO werden bei
Besuch einer anderen als der nächstgelegenen öffentlichen Schule Schülerfahrkosten
nur in der Höhe des Betrages übernommen, der beim Besuch der nächstgelegenen
öffentlichen Schule anfallen würde. Die Kinder der Kläger besuchen nicht die
nächstgelegene Schule, die C. in N. , sondern die B. -Schule in N. -M. . Beim Besuch
der C. würden nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten keine Fahrkosten
anfallen, so dass die Kläger keinen Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten haben.
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Welche Schule für den Schüler die nächstgelegene öffentliche Schule im
schülerfahrkostenrechtlichen Sinne ist, ergibt sich aus § 9 SchfkVO. Nach § 9 Abs.1
SchfkVO ist nächstgelegene Schule die Schule der gewählten Schulform, bei Grund-
und Hauptschulen auch der gewählten Schulart, bei Berufskollegs die Schule mit dem
entsprechenden Bildungsgang sowie bei Gymnasien die Schule mit dem gewählten
bilingualen Bildungsgang, die mit dem geringsten Aufwand an Kosten und einem
zumutbaren Aufwand an Zeit erreicht werden kann und deren Besuch
schulorganisatorische Gründe nicht entgegenstehen.
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Die Kinder der Kläger besuchen die Grundschule und nächstgelegene Schule dieser
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Schulform und dieser Schulart (§ 26 SchulG) ist die C. . Die C. kann mit dem geringsten
Aufwand an Kosten erreicht werden, denn beim Besuch dieser Schule bestünde kein
Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten. Der Weg zu dieser Schule ist ausweislich
des Falk Routenplaners 611 m lang, so dass Fahrkosten nicht aufgrund der
Schulweglänge nach § 5 Abs.2 SchfkVO notwendig entstehen. Anhaltspunkte dafür,
dass der Schulweg besonders gefährlich oder ungeeignet ist, liegen nicht vor und dies
wird auch von den Klägern nicht behauptet.
Dem Besuch der Schule stehen auch keine schulorganisatorischen Gründe entgegen.
Zu den schulorganisatorischen Gründen im Sinne des § 9 Abs.1 SchfkVO sind alle
diejenigen Maßnahmen und Umstände zu rechnen, die von einem Schulträger oder der
Leitung einer Schule im Rahmen der Organisationsbefugnisse zur Regelung des
Schulbesuchs getroffen bzw. verursacht werden. Darauf, wer die schulorganisatorischen
Hinderungsgründe zu vertreten hat, ist nicht abzustellen.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 19. Oktober 2000 - 19 E 113/00 -, abrufbar in Juris: zur Regelung des bis zum 1.
August 2005 gültigen § 9 Abs.6 SchfkVO.
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Solche schulorganisatorischen Gründe sind hier nicht gegeben.
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Nach § 9 Abs.8 SchfkVO stehen zudem schulorganisatorische Gründe im Sinne des
Absatzes 3 (hierbei handelt es sich wohl um ein Redaktionsversehen bei Neufassung
des § 9 SchfkVO, denn gemeint ist offenbar Absatz 1) dem Besuch der nächstgelegenen
Schule auch dann entgegen, wenn ein damit verbundener Schulwechsel nach dem
erreichten Stand der Schullaufbahn die Ausbildung wesentlich beeinträchtigen würde.
Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift insbesondere hinsichtlich der Fremdsprachenfolge
der bisher besuchten Schule und nach Eintritt in die gymnasiale Oberstufe. Erforderlich
ist danach, dass etwaige im Falle eines Schulwechsels drohende wesentliche
Beeinträchtigungen der schulischen Ausbildung ihre Ursache in dem erreichten Stand
der Schullaufbahn haben.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2004 - 19 E 215/04 -, abrufbar in Juris.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Kläger machen selbst nicht geltend,
dass der Stand der Schullaufbahn, den ihre Kinder M1. und M. bis zum Abschluss der 2.
Klasse an der O. -Schule erreicht haben, durch einen Wechsel zur C. , der nach dem
Umzug nächstgelegenen Schule, wesentlich beeinträchtigt wird. Insbesondere ist nichts
dafür dargetan, dass zwischen der O. - Schule und der nächstgelegenen Schule ein
unterschiedliches Ausbildungsniveau besteht und dass die Kinder neben den
„normalen" Umstellungsproblemen bei einem Schulwechsel aufgrund des
unterschiedlichen Lernstandes Probleme an der C. bekommen könnten.
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Die Kläger machen geltend, die B. -Schule müsse besucht werden, weil
Fördermöglichkeiten für Hochbegabte in N. nur an dieser Schule angeboten und somit
die künftigen Ausbildungschancen ihrer Kinder verbessert würden. Dieser Wunsch nach
einem besonderen Ausbildungsangebot rechtfertigt aber die Übernahme der Fahrkosten
nicht. Dies verdeutlicht auch § 9 Abs.7 SchfkVO, wonach u.a. Schulen mit einem
Angebot besonderer Unterrichtsveranstaltungen sowie unterschiedliche Kursangebote
keinen weitergehenden Anspruch auf die Erstattung von Schülerfahrkosten begründen.
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Die unterschiedliche Behandlung eines Hochbegabten im Vergleich zu Schülern mit
sonderpädagogischen Förderbedarf stellt auch keine willkürliche, gegen den
Gleichheitssatz verstoßende Ungleichbehandlung dar. In der Rechtsprechung ist es
insoweit geklärt, dass es keinen verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf
Übernahme der Kosten der Schülerbeförderung gibt und die nach Maßgabe des
Landesrechts gewährte Kostenerstattung im Ermessen des Landesgesetzgebers liegt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. November 2005 - 19 E 808/05 -, abrufbar in Juris.
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Geht es um Leistungen im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, insbesondere um
solche, zu denen der Staat verfassungsrechtlich nicht verpflichtet ist, ist der
Gestaltungsspielraum des Gesetz- und Verordnungsgebers besonders groß. Das
Gericht kann ihm nur dann entgegentreten, wenn für eine von ihm vorgenommene
Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar
sind.
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Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 17. Januar 1979 - 1 BvL 25/77
-, BVerfGE 50, 142 (162).
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Dies ist hier nicht der Fall. Der Verordnungsgeber behandelt Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf und Hochbegabte, die eine allgemein bildende
Schule besuchen, fahrkostenrechtlich im Grundsatz nicht ungleich. Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf erhalten ebenso wie Schüler, die eine allgemein
bildende Schule besuchen, eine Fahrkostenerstattung nur dann, wenn es sich um
notwendige Kosten für die Beförderung handelt und wenn sie die nächstgelegene
Schule (§ 9 Abs.3 SchfkVO) besuchen. Für Schüler mit sonderpädagogischem
Förderbedarf ist das Recht auf freie Wahl der Schule eingeschränkt und die
Schulaufsichtsbehörde entscheidet über die zu besuchende Schule (§ 19 Abs.2
SchulG). Damit liegen schulorganisatorische Gründe für den Besuch dieser
Förderschulen vor und tatsächlich werden regelmäßig die Fahrkosten erstattet, weil
aufgrund der großen Einzugsgebiete der Schulen die Entfernung zwischen Schule und
Wohnort die Fahrkosten nach § 5 Abs.2 SchfkVO notwendig entstehen lässt. Die
Regelung des § 9 Abs.3 SchfkVO trägt dem Umstand Rechnung, dass Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf - anders als etwa Hochbegabte - am Unterricht an
den allgemein bildenden Schulen nicht teilnehmen können. Es gibt somit sachlich
einleuchtende Gründe für § 9 Abs.3 SchfkVO, so dass jedenfalls eine unter Verstoß
gegen Art.3 Abs.1 GG verstoßende willkürliche Bevorzugung der Schüler mit
sonderpädagogischen Förderbedarf gegenüber hochbegabten Schülern nicht gegeben
ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs.1, 159 S.2 VwGO.
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Die Voraussetzungen des § 124a Abs.1 VwGO liegen nicht vor.
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