Urteil des VG Arnsberg vom 06.09.2000

VG Arnsberg: rpg, guinea, universität, politische verfolgung, amnesty international, staatliche verfolgung, bundesamt, anerkennung, auskunft, anhörung

Verwaltungsgericht Arnsberg, 1 K 1393/98.A
Datum:
06.09.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 1393/98.A
Tenor:
Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung aus- ländischer
Flüchtlinge vom 11. März 1998 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberech- tigten
anzuerkennen und festzustellen, daß die Vorausset- zungen des § 51
Abs. 1 des Ausländergesetzes vorliegen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist am 25.Juli 1969 in L. geboren und guineischer Staatsangehöriger. Am 17.
Februar 1998 meldete er sich in I. als Asylsuchender. Bei seiner Anhörung vor dem
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am 25. Februar
1998 erklärte er:
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Er sei seit 1991 an der Universität von L1. für die RPG eingetreten. Wegen dieser
Aktivitäten sei er 1995 von der Universität ausgeschlossen worden. Er habe jedoch
seine politische Arbeit fortgesetzt. Im Januar 1998 habe er sich in L1. um die
Reorganisation der RPG und um Werbung für die Partei gekümmert. Alle Behörden in
dieser Stadt, auch der Rektor der Universität, hätten ihn gekannt. Kurz vor einer
geplanten Veranstaltung mit Studenten habe man ihn verhaftet. Man ihm vorgeworfen,
Unruhe zu stiften und ihn mißhandelt. Nach seiner Verlegung in ein anderes Gefängnis
sei ihm die Flucht gelungen. Die RPG habe seine Flucht nach Deutschland organisiert.
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Mit Bescheid vom 11. März 1998, zugestellt am 20. März 1998, lehnte das Bundesamt
den Asylantrag ab und stellte fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des
Ausländergesetzes (AuslG) sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht
vorliegen. Ferner erließ es eine Abschieberegelung.
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Zur Begründung der am 26. März 1998 bei Gericht eingegangenen Klage vertieft der
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Kläger sein bisheriges Vorbringen. Er erläutert im einzelnen seine Arbeit für die RPG in
Guinea und die behördlichen Reaktionen auf diese Tätigkeiten sowie seine
exilpolitischen Aktivitäten und Publikationen.
Er beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung aus- ländischer Flüchtlinge vom
11. März 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten
anzuerkennen und festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu seinem
Verfolgungsschicksal befragt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte einschl. der in das Verfahren
eingeführten Erkenntnisse über die Lage in Guinea und der von der Beklagten sowie
vom Oberbürgermeister der Stadt T. - Ausländerbehörde - überreichten
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig und auch begründet. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte
einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf die Feststellung, daß in
seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben sind. Der dieses
Begehren ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 11. März 1998 einschl. der in
ihm enthaltenen Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Politisch Verfolgter (Asylberechtigter) im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG) ist derjenige, dem wegen seiner politischen Überzeugung, seiner Religion oder
wegen anderer unverfügbarer persönlicher Merkmale gezielt Rechtsverletzungen
zugefügt werden, die die Menschenwürde verletzen und nach Art und Umfang über das
hinausgehen, was die Bewohner des Verfolgerstaates aufgrund der dort herrschenden
politischen Situation allgemein hinzunehmen haben. Von Bedeutung ist dabei nur eine
staatliche oder dem Staat zurechenbare Verfolgung.
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Das Gericht hat keine durchgreifende Zweifel daran, daß der Kläger vor seiner Ausreise
aus Guinea eine politische Verfolgung in diesem Sinne erlitten hatte, weiterhin von ihr
bedroht war und ihm deshalb die Rückkehr in sein Heimatland nicht zuzumuten ist.
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Der Kläger war seit der Aufnahme seines Soziologiestudiums an der Universität von L1.
im Jahre 1989 in einer der späteren Oppositionspartei RPG nahestehenden Bewegung
tätig. Diese oppositionellen politischen Aktivitäten führten zu der leitenden Funktion des
Klägers im 1993 „legalisierten" Büro der RPG an der genannten Universität. Erste
massive staatliche Reaktionen auf dieses herausgehobene regimekritische Verhalten
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lagen darin, daß der Kläger 1994 an der Absolvierung von Prüfungen an der Universität
gehindert und 1995 von dieser Einrichtung ausgeschlossen wurde, womit zugleich sein
weiterer Bildungsgang beendet wurde. Der Kläger hat sodann von D. aus sein
Engagement in der RPG fortgesetzt und ist in die Leitung der nationalen
Jugendorganisation dieser Partei aufgestiegen. In dieser Funktion war er zu Beginn des
Jahres 1998 maßgeblich an dem Bemühen beteiligt, die Arbeit der RPG in L. und in L1.
mit Blick auf die am Ende jenes Jahres anstehenden Präsidentschaftswahlen zu
reorganisieren und zu intensivieren. Wegen dieser gegen die derzeitigen Machthaber in
Guinea gerichteten politischen Aktivitäten haben ihn staatliche Sicherheitskräfte am 18.
Januar 1998 in L1. verhaftet. Nach seiner am 25. Januar 1998 erfolgten Flucht aus dem
sich anschließenden Gefängnisaufenthalt ist der Kläger nach Deutschland ausgereist,
um der weiterhin bestehenden Gefahr seiner asylerheblichen Verfolgung zu entgehen.
Dieses hier auf die wesentlichen Punkte komprimierte Verfolgungsschicksal steht zur
Überzeugung des Gerichtes fest. Der Kläger hat es bereits bei seiner Anhörung vor dem
Bundesamt im Februar 1998 ausführlich dargelegt, wie aus dem entsprechenden
Protokoll hervorgeht. Er hat es in der heutigen mündlichen Verhandlung auf Befragen
ebenso substantiiert wiederholt. Widersprüche zu seinem früheren Vorbringen haben
sich dabei nicht ergeben. Seine Angaben haben sich - im Gegensatz zu den
Äußerungen der großen Mehrheit der vielen anderen Asylbewerber aus Guinea, die der
Einzelrichter bislang beurteilt hat - vielmehr dadurch ausgezeichnet, daß der Kläger
ohne die geringsten Schwierigkeiten in der Lage war, auf entsprechende Fragen weitere
erklärende Einzelheiten beizusteuern. Insgesamt hat das ruhige und sichere
Erklärungsverhalten des Klägers keinen Anhalt für die sich in anderen Fällen
aufdrängende Vermutung geboten, es werde eine den Tatsachen nicht entsprechende
Geschichte erzählt. Die Sicherheit im Auftreten des Klägers und seine Glaubwürdigkeit
sind beispielhaft etwa in seinem Verhalten deutlich geworden, daß er während des
Dialoges gezeigt hat, der zwischen dem Gericht und seiner Prozeßbevollmächtigten
wegen ihres wiederholten Eingreifens in die Befragung des Klägers durch das Gericht
stattgefunden hat. Die dezente und zugleich ernsthafte Art, in der er versucht hat,
beruhigend auf seine Prozeßbevollmächtigte einzuwirken, hat mit zu dem Eindruck
beigetragen, daß er keinen Anlaß gesehen hat, kontrollierenden und wiederholenden,
teilweise vermeintlich überflüssigen Fragen nach weiteren Einzelheiten und
Erläuterungen auszuweichen oder in anderer Form derartige Versuche abzuwehren,
seine Glaubwürdigkeit zu überprüfen.
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Zu der Einschätzung des Klägers als glaubwürdig tragen ferner verschiedene
Schriftstücke und weitere Unterlagen bei, die er zur Stützung seines Vorbringens
überreicht hat. Zu nennen ist insoweit zunächst der „Bericht über Konsequenzen der
Studentenunruhen in Guinea-D. „ der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte -
Deutsche Sektion e.V. - (IGFM) vom September 1996. Darin wird der Vortrag des
Klägers im wesentlichen bestätigt, daß an der Universität von L1. Studenten aus
politischen Gründen der Erfolg in Examen verweigert wurde. Ferner wird in diesem
Bericht der Kläger als einer von drei Studenten der Universität L1. namentlich benannt,
die sich in politischen Parteien engagiert hatten. Anhaltspunkte dafür, daß diese im
Zusammenhang mit regimekritischen Aktivitäten erfolgte Hervorhebung des Klägers in
dem umfangreichen Bericht, der sich im wesentlichen auf politisch motivierte Unruhen
an den Universitäten von D. und L1. und an weiteren Bildungseinrichtungen in der Zeit
ab 1994 bezieht, zu Unrecht oder lediglich im Hinblick auf ein beabsichtigtes
Asylverfahren erfolgt sein sollte, bestehen nicht. In diesem Zusammenhang ist auch auf
die bei der Anhörung vor dem Bundesamt vom Kläger überreichten Lichtbilder
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hinzuweisen, die seine politischen Aktivitäten in Guinea belegen sollen. Auf zumindest
zweien dieser Fotos ist der Kläger an zentraler Stelle in einer Gruppe von Menschen
hinter einem Spruchband zu sehen, das auf die Organisation der RPG an der Universität
von L1. hinweist. Aufmachung, Inhalt und Zustand dieser Fotos lassen es als plausibel
erscheinen, daß sie bei Veranstaltungen dieser Partei in L1. angefertigt worden sind.
Schließlich ist auf die vom Kläger bereits bei der Anhörung vor dem Bundesamt
überreichte „Declaration" der Zentrale der Exilorganisation der RPG in Deutschland vom
15. August 1996 hinzuweisen, in der ebenfalls der Kläger als einer von drei Studenten
namentlich erwähnt wird, denen der Studienerfolg an der Universität von L1. wegen
ihrer Mitarbeit in einer regimekritischen Studentenorganisation unmöglich gemacht
worden war. Auch der ausführliche, mit dem Namen des Klägers und Erläuterungen
seines Bildungsganges an der Universität von L1. versehene Leserbrief in der in Paris
erscheinenden Zeitschrift „Silatigui" (Ausgabe Juli-August 1994), in dem auf die
Verwirklichung der Demokratie in Guinea eingegangen wird, bildet einen Beleg für das
Engagement in Kreisen der Opposition.
Anders als es in der Begründung des Bescheides vom 11. März 1998 zum Ausdruck
kommt, sieht das Gericht in der Vorlage des mit Vorbehalten versehenen
Zulassungsbescheides der Universität - Gesamthochschule - Q. vom 22. Januar 1997
und des zugehörigen Merkblattes keinen Widerspruch zu den Angaben des Klägers
über seinen Bildungsgang in Guinea, insbesondere zu seinem recht kurz vor Erlaß des
genannten Zulassungsbescheides erfolgten Ausschluß von der Universität L1. . Die
Adressierung dieses den Kläger betreffenden Zulassungsbescheides an den Leiter des
Deutschlandbüros der Exilorganisation der RPG in I. ist zunächst ein weiterer Beleg für
die Verbindung des Klägers zum Führungskreis der Oppositionspartei RPG und fügt
sich in seinen Vortrag ein, die RPG habe sich nach dem Abbruch seines
Hochschulstudiums bemüht, für die Fortsetzung seiner akademischen Ausbildung im
Ausland zu sorgen. Aus den von der Universität Q. stammenden Unterlagen ergibt sich
im übrigen nicht, daß diese Universität bei Erlaß des Zulassungsbescheides von der -
mit dem Vorbringen des Klägers allerdings nicht oder jedenfalls nur schwerlich in
Übereinstimmung zu bringenden - Auffassung ausgegangen ist, er sei damals noch
Student an einer Universität in Guinea gewesen. Zu den Vorbehalten, unter denen der
Zulassungsbescheid nach seinem Inhalt stand, gehörte unter anderem die Vorlage
eines Reisepasses mit gültigem Studienvisum. Diese Anforderung deutet darauf hin,
daß die Universität Q. die Abklärung und Beurteilung des bisherigen Bildungsganges
des Klägers in Guinea der (für die Erteilung des Visums zuständigen) Deutschen
Botschaft in D. hat überlassen wollen. Aus den Ausführungen auf Seite 3 des
beigefügten Merkblattes geht ferner hervor, daß mit dem Zulassungsbescheid
unabhängig von den in ihm enthaltenen ausdrücklichen Vorbehalten keine
Entscheidung darüber verbunden war, ob der Kläger als Studienanfänger in das erste
Fachsemester aufgenommen werden sollte oder ob bereits (im Ausland) erbrachte
Studienleistungen angerechnet würden; hierüber sollte gegebenenfalls auf einen noch
zu stellenden Antrag der zuständige Ausschuß entscheiden.
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Auch die im Laufe des Rechtsstreites überreichten Bescheinigungen verschiedener
Untergliederungen der RPG in Guinea über das Schicksal des Klägers unmittelbar vor
dem Verlassen des Landes tragen zu seiner Einschätzung als glaubwürdig bei. Dies gilt
einmal für das Schreiben des „Secretaire Permanent" der RPG in D. (M. L2. ) vom Mai
1998, in dem die Funktion des Klägers in der Leitung der Jugendorganisation der
Gesamtpartei, seine Aufgaben bei der Intensivierung der Parteiarbeit in Ober-Guinea
und die dadurch verursachte staatliche Verfolgung bestätigt werden. Ebenso gilt dies für
20
die Bescheinigungen der „Section de L1. I" der RPG vom 2. Juli 1998 und der Section
de L. vom 20. Juni 1998, die jeweils konkret auf das Schicksal des Klägers im Januar
1998 eingehen. Wenn auch die Bedeutung derartiger, vielfach „bestellter" Schreiben
grundsätzlich sehr gering einzustufen ist, ist im vorliegenden Fall nicht zu verkennen,
daß sich sowohl die Vorlage dieser Schreiben als auch ihr Inhalt instruktiv in das
geschilderte Verfolgungsschicksal einfügen. Gerade wenn, wie es der Kläger in der
mündlichen Verhandlung dargelegt hat, seine Flucht aus seinem Heimatland
Gegenstand von Beratungen innerhalb der Leitung der RPG in Guinea war, liegt es
nahe, daß diese Partei ihm mit entsprechenden schriftlichen Äußerungen weiterhilft. Bei
dieser Sachlage wäre es eher überraschend gewesen, wenn er derartige Schreiben
nicht beigebracht hätte. Auch die in vielen anderen Fällen Mißtrauen weckende
Datierung entsprechender Dokumente auf Zeitpunkte nach der Ausreise erscheint hier
nicht erstaunlich; es ist ohne weiteres nachvollziehbar, daß der Kläger angesichts
seines persönlichen Hintergrundes weiterhin über gute Kontakte zur Organisation der
RPG in Guinea verfügt.
Die in der mündlichen Verhandlung gezeigten Reaktionen auf die Fragen nach seinem
bei der Anhörung vor dem Bundesamt erwähnten Kontakt mit dem guineischen
Sicherheitsminister und der Partei ARENA tragen ebenfalls dazu bei, den Kläger als
glaubwürdig einzuschätzen. Er hat auch diesen Komplex bereitwillig ausführlich
erläutert. Seine Angaben fügen sich ohne weiteres in die hierzu vorliegenden
Erkenntnisse ein. Dies betrifft die zunächst bestehende Zugehörigkeit der recht kleinen
Partei ARENA zur Opposition, ihre Leitung durch Herrn T1. (L3. bzw. H. ) D1. und die
Übernahme des Amtes des Sicherheitsministers durch ihn kurz vor dem vom Kläger auf
November oder Dezember 1997 datierten Gespräch zwischen beiden (im Oktober bzw.
November 1997).
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Vgl. zu diesem Komplex: Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das Verwaltungsgericht
(VG) Arnsberg vom 22. August 1997 (Nr. 59 der Erkenntnisliste); Institut für Afrika-Kunde
(IfAK), Auskunft an das VG Arnsberg vom 17. Juni 1997 (Nr. 55 der Liste); IfAK, Afrika-
Jahrbuch 1997, Stichwort Guinea (S. 115); AA, Länderaufzeichnung Guinea, Stand: 1.
März 2000, Anlage 2 (Nr. 112 der Liste); amnesty international (ai), Auszug Guinea aus
dem Westafrika-Rundbrief 1998 (Nr. 80 der Liste).
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Der bei der Erläuterung dieser Angaben und der insgesamt vom Kläger gewonnene
Eindruck lassen das von ihm geschilderte Gespräch mit einem hochrangigen Mitglied
der guineischen Staatsführung durchaus als nachvollziehbar erscheinen. - Weitere
Einzelheiten des Vortrages des Klägers stimmen ebenfalls mit den vorhandenen
Erkenntnissen überein; Widersprüche sind nicht festzustellen. Dies gilt etwa für die
Angaben über Verwandte des Oppositionsführers B. D1. .
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Vgl. hierzu etwa ai, Jahresbericht 1992, Stichwort Guinea (S. 185).
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Der Umstand, daß die fluchtauslösenden asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen,
nämlich die Inhaftierung des Klägers und seine Mißhandlungen in der Haft wegen
seiner politischen Aktivitäten für die RPG in L1. im Januar 1998, nicht durch objektiv
nachprüfbare, nicht vom Kläger oder seinen Parteifreunden stammende Unterlagen
abgesichert werden kann, ändert nichts an der Überzeugung, daß das dargelegte
Verfolgungsschicksal zutrifft. Derartige zusätzliche Nachweise sind, sofern die
entsprechenden Vorfälle nicht besonderes, in aller Regel über die nationalen Grenzen
hinausgehendes Aufsehen erregt haben, naturgemäß kaum zu erwarten. In diesem
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Zusammenhang ist noch einmal hervorzuheben, daß der Kläger auch bei der
Schilderung des eigentlichen Verfolgungsgeschehens einen durchaus glaubwürdigen
Eindruck gemacht hat. Er war in der mündlichen Verhandlung ohne Zögern in der Lage,
seine Lebensumstände am Tage der Verhaftung im einzelnen detailliert zu beschreiben.
Auch die Schilderung der Verhöre und Mißhandlungen in der Haft sowie der sonstigen
deutigen Abläufe ist - im Gegensatz zu dem Vortrag vieler anderer Asylbewerber -
anschaulich und, soweit dies von hieraus beurteilt werden kann, lebensnahe gewesen.
Insoweit sei beispielhaft auf die Beschreibung von Demütigungen (Zwang, sich
vollständig zu entkleiden und sich auf den Boden zu legen, warten lassen, Mißhandlung
durch Fußtritte) und auf die Darlegungen zur Verlegung in das allgemeine Gefängnis
von L1. hinzuweisen. Der Kläger hat durch die Art der Wiedergabe glaubhaft gemacht,
daß ihm das dortige enge Zusammenleben mit „gewöhnlichen Kriminellen" eher noch
mehr zu schaffen gemacht hat als seine Behandlung in den ersten beiden Tagen nach
seiner Festnahme.
Weitere Indizien für die Glaubwürdigkeit des Klägers und damit auch für die
Glaubhaftigkeit seiner Angaben über die politische Verfolgung, die er unmittelbar vor
seiner Ausreise erlitten hat, ergeben sich aus den - hier für die Asylgewährung
unmittelbar nicht erheblichen - Nachfluchtaktivitäten während seines Aufenthaltes in
Deutschland. Die intensive und mit der Übernahme von Leitungsfunktionen
verbundenen exilpolitischen Aktivitäten - zu nennen sind die durch den entsprechenden
Vereinsregistereintrag belegte, seit der Gründung im Juni/August 1999 andauernde
Stellung als einer von drei Vorstandsmitgliedern der rechtlich verselbständigten
Untersektion Dortmund der RPG und die durch die diverse Fotos und verschiedene
Schriftstücke substantiierte Mitwirkung an verschiedenen Demonstrationen und
sonstigen Veranstaltungen der Exilorganisation der RPG -, weitere
öffentlichkeitswirksame Handlungen (mit Namen und Wohnort des Klägers
gekennzeichnete Leserbriefe in drei Ausgaben der in Paris erscheinenden Zeitschrift
Jeune Afrique und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14. Juni 2000 - und seine
weiterhin bestehenden Beziehungen zur Führungsspitze der RPG - ein Beleg hierfür ist
die ihm ausgestellte, recht umfangreiche Bescheinigung der Exilorganisation der RPG
in Paris vom 13. März 2000 - bestätigen insgesamt, daß es sich bei dem Kläger um
einen herausgehobenen Oppositionellen aus Guinea handelt.
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Vgl. zur Echtheit eines von derselben Person unterzeich- neten und in der Aufmachung
mit der Bescheinigung vom 13. März 2000 übereinstimmenden Schriftstückes der RPG,
Paris, vom 7. September 1998: AA, Auskunft vom 13. Oktober 1999 an das VG Arnsberg
(Nr. 97 der Erkenntnisliste).
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Der nach alledem vorverfolgt ausgereiste Kläger wäre auch jetzt noch bei einer
Rückkehr nach Guinea vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher. Abgesehen
davon, daß diese Bewertung bei dem im vorliegenden Fall anzuwendenden
Wahrscheinlichkeitsmaßstab schon deshalb gerechtfertigt ist, weil konkrete
Anhaltspunkte für die Sicherheit vor erneuter Verfolgung fehlen, ist insoweit zusätzlich
auf die Gefährdung maßgeblicher Mitarbeiter der RPG hinzuweisen, die in
verschiedenen der in das Verfahren eingeführten Auskünfte deutlich wird.
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Vgl. etwa AA, Auskunft vom 13. Oktober 1999 an das VG Arnsberg (Nr. 97 der Liste);
IfAK, Auskunft vom 1. Februar 2000 an das VG Hamburg (Nr. 109 der Liste).
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Die Regelungen des § 26 a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) stehen der
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Asylberechtigung des Klägers nicht entgegen. Angesichts des insgesamt von ihm
gewonnenen Bildes ist das Gericht auch von der Richtigkeit seiner Angaben über
seinen Reiseweg überzeugt.
Der auf die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG gerichtete Antrag ist angesichts der Asylberechtigung des Klägers
ebenfalls begründet (vgl. § 51 Abs. 2 Nr. 1 AuslG).
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Die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid vom 11. März 1998 ist aufzuheben, weil
der Kläger aufgrund dieser Entscheidung als Asylberechtigter anzuerkennen ist (vgl. §
34 Abs. 1 AsylVfG). Die in dem genannten Bescheid getroffene Feststellung des
Bundesamtes, Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lägen nicht vor, verliert mit
der Aufhebung der Abschiebungsandrohung und der Verpflichtung der Beklagten zur
Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten ihre rechtliche Grundlage und kann
ebenfalls keinen Bestand haben.
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Der Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von
Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG ist bei sinngemäßer Auslegung lediglich
als Hilfsantrag für den Fall des Mißerfolges der Klage hinsichtlich der in erster Linie
erstrebten Anerkennung als Asylberechtigter zu verstehen. Nur in diesem Falle kann die
Abschiebungsandrohung Bestand haben (vgl. § 50 Abs. 3 AuslG) und nur dann kann
der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG eine eigenständige
Bedeutung zukommen. Nach alledem hat die Klage in vollem Umfang Erfolg.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß §
83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
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