Urteil des VG Aachen vom 11.08.2008
VG Aachen: genehmigung, taxe, auflage, vollstreckungsverfahren, fristablauf, zwangsgeld, rückgriff, vollstreckungstitel, androhung, widerruf
Verwaltungsgericht Aachen, 2 M 11/08
Datum:
11.08.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 M 11/08
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag des Vollstreckungsgläubigers,
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gegen den Vollstreckungsschuldner gemäß § 172 VwGO unter Fristsetzung ein
Zwangsgeld bis 10.000,-- EUR anzudrohen, nach fruchtlosem Fristablauf festzusetzen
und erforderlichenfalls zu vollstrecken,
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hat keinen Erfolg.
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Der Antrag beurteilt sich nach § 172 Satz 1 VwGO. Kommt hiernach die Behörde im Fall
des § 113 Abs. 5 VwGO der ihr im "Urteil" auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann
das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein
Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem
Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken.
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Der nach § 130 a VwGO ergangene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2008 - 13 A 8/07 - steht - jedenfalls bei
Anwendung des § 172 Satz 1 VwGO - einem "Urteil" im Sinne dieser Bestimmung (nach
§ 113 Abs. 5 VwGO) gleich,
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vgl. Happ in Eyermann/Fröhler, VwGO, 12. Aufl., § 130 a, Rdnr. 15; ferner Peter Schmidt
in Eyermann/Fröhler, aaO., § 168 Rdnr. 2; Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, VwGO,
2. Aufl., 2006, § 172 Rdnr. 54.
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Der Erfolg eines Vollstreckungsantrags nach § 172 VwGO setzt allerdings nach den
allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Grundsätzen voraus, dass die vom
Vollstreckungsschuldner verlangte Handlung sich - hinreichend bestimmt - aus dem
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Tenor des nach § 113 Abs. 5 VwGO ergangenen "Urteils", welches hier durch den
Beschluss nach § 130 a VwGO ersetzt worden ist, ergibt.
Nach dem Tenor des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2008 - 13 A 8/07 - ist der Vollstreckungsschuldner
verpflichtet, "dem Kläger (hier: Vollstreckungsgläubiger) eine Genehmigung für den
Gelegenheitsverkehr mit einer Taxe zu erteilen."
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Dieser Verpflichtung ist der Vollstreckungsschuldner im Umfang des Tenors mit der
Erteilung der Genehmigung vom 19. Mai 2008 nachgekommen.
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Eine Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners, diese Genehmigung ohne die
nunmehr streitbefangene Auflage 1., die ihrerseits wiederum Bezug nimmt auf den
Erlass des Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 22.12.1994 - Az: II C 4-33-32 -, zu erteilen, kann jedenfalls dem Tenor
des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 30. April 2008 nicht entnommen
werden.
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Zur Konkretisierung der Tragweite eines Vollstreckungstenors, insbesondere zu dessen
Auslegung, kann nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Grundsätzen allenfalls auf
(den hier nicht vorhandenen Tatbestand und) die Entscheidungsgründe des nach § 113
Abs. 5 VwGO ergangenen "Urteils" (im Sinne des § 172 Satz 1 VwGO) zurückgegriffen
werden,
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vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.1984 - 8 C 4.82 -, BVerwGE 70,159 (161) = NVwZ 1985, 412;
OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 20.02.1992 - 10 E 1357/91 -, NVwZ-RR 1992, 518 f.;
VGH Mannheim, Beschluss vom 3. Januar 1991 - 8 S 2901/90 -, NVWZ 91, 1197;
Pietzner in Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2007, § 172
Rdnr. 34.
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Keinesfalls kann im Rahmen eines Vollstreckungsantrags nach § 172 Satz 1 VwGO -
mittelbar - über einen Prozessstoff entschieden werden, der in dem vorangegangenen
Erkenntnisverfahren nicht zumindest Gegenstand der Entscheidungsgründe gewesen
ist.
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Wie sich aus den Gründen des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 30. April
2008 ergibt, hat sich der Senat in seinem Beschluss nicht mit der Frage
auseinandergesetzt, ob der Vollstreckungsschuldner zu verpflichten war, die im Tenor
fixierte Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit einer Taxe ohne die nunmehr
streitbefangene Nebenbestimmung, die sich mit Fragen der Übertragung der aus der
Genehmigung erwachsenen Rechte und Pflichten oder des Betriebs gem. § 2 Abs. 3
PBefG befasst, zu erteilen. Da der Senat diese Frage in seinem Beschluss an keiner
Stelle angesprochen und damit nicht als streitgegenständlich angesehen hat - der OVG-
Beschluss befasst sich nur mit den rechtlichen Konsequenzen des Fehlverhaltens des
(damaligen) Klägers auf das rechtliche Konkurrenzverhältnis zwischen der Versagung
der Genehmigung für den Betrieb einer Taxe einerseits und dem Widerruf des Erlaubnis
zur Fahrgastbefördertung andererseits - , scheidet die Möglichkeit aus, den vom
Vollstreckungsgläubiger nunmehr als "Titel" reklamierten Beschluss nach § 130 a
VwGO, der Grundlage des vorliegenden Vollstreckungsantrags nach § 172 Satz 1
VwGO sein soll, unter Rückgriff auf dessen Entscheidungsgründe im Sinne des Antrags
des Vollstreckungsgläubigers auszulegen.
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An der Gesamtbeurteilung ändert auch nichts der Umstand, dass die streitbefangene
Nebenbestimmung im Verlaufe des Berufungsverfahrens von den Beteiligten
schriftsätzlich - außerhalb des entscheidungserheblichen Streitstoffs im Rahmen von
Vergleichsverhandlungen - thematisiert worden ist. Für die Auslegung des Tenors des
Beschlusses vom 30. April 2008 als Vollstreckungstitel sind allein die zugehörigen
Entscheidungsgründe, nicht hingegen der gesamte Prozessstoff, maßgebend.
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Schließlich folgt die Kammer auch nicht der Auffassung des Vollstreckungsgläubigers,
dass sich die behauptete Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners zur Erteilung der
tenorierten Genehmigung ohne die nunmehr streitbefangene Auflage
"selbstverständlich" aus dem Gesamtzusammenhang ergebe. Ob der
Vollstreckungsgläubiger letztlich einen Anspruch auf eine insoweit "auflagenfreie"
Genehmigung hat, stellt sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand als eine schwierige,
zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage dar, die nicht im Vollstreckungsverfahren
nach § 172 Satz 1 VwGO geklärt werden kann. Unerledigter Prozessstoff aus dem
Erkenntnisverfahren kann auf diese Weise nicht in das Vollstreckungsverfahren
verlagert werden,
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vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 3. Januar 2001, a.a.O..
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG)
in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 und
berücksichtigt den Umstand, dass sich der Vollstreckungsantrag u.a. auf die Androhung
und Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,-- EUR richtet.
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