Urteil des VG Aachen vom 08.04.2009
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Verwaltungsgericht Aachen, 2 L 130/09
Datum:
08.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 130/09
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin
gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. März 2009
wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 8. April 2009
gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 12. März 2009 hat Erfolg.
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Er ist der zulässige Rechtsbehelf, da der Antragsgegner nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung gesondert angeordnet hat.
Bezüglich der Androhung des Zwangsgeldes entfällt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO
i.V.m. § 8 AG VwGO NRW die aufschiebende Wirkung.
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Der Aussetzungsantrag ist auch begründet, weil bei der im Aussetzungsverfahren nach
§ 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen
Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes und dem
Individualinteresse des Betroffenen an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung
vorliegend das Interesse der Antragstellerin überwiegt. Dabei stellt das Gericht auf den
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ab.
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Im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung und auf Grund des
Ergebnisses des Erörterungstermins vom heutigen Tag ist es nach Auffassung der
Kammer wahrscheinlich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf
der Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit zwei Mietwagen nach § 25 Abs.1
des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) derzeit nicht gegeben sind.
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Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 PBefG hat die Genehmigungsbehörde die Genehmigung zu
widerrufen, wenn nicht mehr alle Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 - 3 PBefG
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vorliegen. Der Antragsgegner hat die Genehmigungen widerrufen, weil er in Auswertung
der ihm vorliegenden Erkenntnisse eine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin als
Unternehmerin (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG) angenommen hat. Zur Begründung der
Unzuverlässigkeit hat der Antragsgegner maßgeblich auf das Bestehen eines sog.
Strohmann- bzw. Strohfrauverhältnisses zwischen der Antragstellerin und ihrem
Lebensgefährten - Herrn K. Q. - abgestellt.
Von einem sog. Strohmannverhältnis spricht man im Gewerberecht, wenn jemand (der
Strohmann) zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse als Gewerbetreibender
vorgeschoben wird, das in Frage stehende Gewerbe in Wirklichkeit aber von einem
anderen betrieben wird. Die eine Person gibt nur ihren Namen für den Gewerbebetrieb
her und dient dem wahren Gewerbetreibenden als "Aushängeschild". In der
Rechtsprechung wird der Strohmann auch als jederzeit steuerbare Marionette
bezeichnet, die von dem Hintermann vorgeschoben wird, um zwecks Täuschung des
Rechts- und Wirtschaftsverkehrs die wahren faktisch- wirtschaftlichen Verhältnisse zu
verschleiern, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2003 - 6 C 10/03 -, NVwZ 2004, 103,
m.w.Nw. zur Rspr.; Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand: Mai 2008, §
35 Rz. 71; Heß in Friauf, Kommentar zur Gewerbeordnung, Stand: April 2008, § 35 Rz.
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Auf Grund des von der Antragstellerin in dem Erörterungstermin gewonnenen Eindrucks
geht die Kammer gegenwärtig nicht davon aus, dass sie lediglich als steuerbare
Marionette ihres Lebensgefährten am Mietwagengewerbe teilnimmt. Vielmehr hat die
Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie selbst als Unternehmerin tätig ist bzw.
eigene unternehmerische Tätigkeiten entfaltet. Die Antragstellerin konnte in der
eingehenden Befragung durch das Gericht und die Vertreterin des Antragsgegners zur
Organisation und Entwicklung ihres Mietwagenunternehmens, zu den Einzelheiten des
Betriebsablaufes bzw. dem täglichen Geschäftsablauf, zu den wirtschaftlichen
Grundlagen ihres Unternehmens sowie zu den laufenden Vertragsverhältnissen
detailliert Auskunft geben. Ihren glaubhaften Angaben zufolge hat sie ihre bisherige
Tätigkeit als Einzelhandelskauffrau aufgegeben, um ihrer neuen Tätigkeit im
Personenbeförderungsgewerbe im vollen Umfang nachgehen zu können. Sie fährt nach
ihren Ausführungen selbst 12 - 14 Stunden täglich. Die Antragstellerin hat ferner
glaubhaft dargelegt, dass sie die maßgeblichen Beschäftigungs- sowie
Darlehensverträge selbst und im eigenen Namen abgeschlossen hat. Das
Geschäftskonto wird auf ihren Namen geführt, ohne dass ihr Lebensgefährte über eine
Vollmacht verfügt. Wegen der weiteren von der Antragstellerin dargelegten Einzelheiten
wird Bezug genommen auf das Protokoll des Erörterungstermins vom heutigen Tag.
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Vor diesem Hintergrund geht das Gericht ferner derzeit auch nicht davon aus, dass die
Antragstellerin ihrem Lebensgefährten maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung
einräumt bzw. einem solchen Einfluss ausgesetzt ist. Der gewerberechtliche Grundsatz,
wonach die Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden, gegen dessen eigene Integrität
sonst nichts einzuwenden ist, auch dann verneint werden muss, wenn er Dritten, welche
die für diesen Beruf erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen, einen Einfluss auf die
Führung des Gewerbetriebes einräumt oder auch nur nicht willens oder nicht in der
Lage ist, einen solchen Einfluss auszuschalten, gilt auch im
Personenbeförderungsrecht, vgl. bereits für Ehegatten: BVerwG, Urteil vom 28. Juni
1963 - VII B 56/63 -, Buchholz 442.01 § 13 PBefG 1961 Nr. 5; Fielitz/Grätz,
Personenbeförderungsgesetz, Stand: November 2008, § 13 Rz. 14.
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Allerdings vermag allein die Tatsache, dass der Gewerbetreibende/Unternehmer mit
einem unzuverlässigen Dritten verheiratet ist bzw. mit ihm in einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft lebt, noch nicht die Annahme seiner eigenen Unzuverlässigkeit
rechtfertigen. Vielmehr müssen weitere Tatsachen vorliegen, welche den Schluss
rechtfertigen, dass der unzuverlässige Ehegatte bzw. nichteheliche Lebenspartner auf
die Führung des Betriebs maßgeblich Einfluss nimmt , vgl. BVerwG , Urteil vom 10.
Januar 1996 - 1 B 202/95 -, NVwZ-RR 1996, 650; Marcks in Landmann/Rohmer,
Gewerbeordnung, Stand: Mai 2008, § 35 Rz. 69, 70, m.w.Nw. zur Rspr. und Heß in
Friauf, Kommentar zur Gewerbeordnung, Stand: April 2008, § 35 Rz. 32 ff..
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Ungeachtet der Frage der Zuverlässigkeit des Lebensgefährten - Herrn K. Q. - hat die
Antragstellerin in dem Erörterungstermin - wie oben ausgeführt - glaubhaft gemacht,
dass sie selbst die Pflichten als Unternehmerin wahrnimmt und die Geschicke des
Unternehmens bestimmt. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass auf Grund einer
partnerschaftlichen Verbundenheit grundsätzlich eine Einflussnahme erleichtert wird
und im vorliegenden Fall eine Verknüpfung zu dem von dem Lebensgefährten der
Antragstellerin geführten Unternehmen "J. -M. " besteht, da sich dort ebenfalls der
Betriebssitz des Unternehmens der Antragstellerin (O. Straße) befindet und die
Antragstellerin mit ihrem Unternehmen an die Funkzentrale der Firma "J. -M. "
angeschlossen ist. Auch ist es der Antragstellerin bisher noch nicht vollständig
gelungen, die Selbständigkeit ihres Unternehmens nach außen zu verdeutlichen - etwa
durch einen eigenen Briefkasten an dem Betriebssitz -. Die Kammer hat in dem
Erörterungstermin dennoch nicht den Eindruck gewonnen, dass der Lebensgefährte der
Antragstellerin maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt. Vielmehr hat die
Antragstellerin deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre unternehmerischen
Entscheidung bewusst selbständig getroffen hat bzw. trifft; damit hat sie die von dem
Antragsgegner in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung und in dem
vorliegenden Verfahren dargelegte Unzuverlässigkeit widerlegt. Demgegenüber vermag
der Umstand, dass der Lebensgefährte ebenfalls über das Unternehmen der
Antragstellerin informiert ist und sich - neben der Antragstellerin - persönlich bzw.
zusammen mit seinem Vater gegenüber dem Antragsgegner für die
Genehmigungserteilungen an die Antragstellerin eingesetzt hat, noch nicht die
Annahme einer maßgeblichen Einflussnahme auf die Geschäftsführung der
Antragstellerin begründen. Zu berücksichtigten ist ferner, dass die von dem
Antragsgegner aufgeführten Umständen und Zeugenaussagen im Zusammenhang mit
Vorfall vom 15. August 2008 einen Zeitraum betreffen, in dem die Antragstellerin selbst
noch über keine Genehmigungsurkunde verfügte.
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Der Widerspruch gegen die in der Ordnungsverfügung enthaltene
Zwangsgeldandrohung, die sich auf die Aufforderung zur Rückgabe der
Genehmigungsurkunde bezieht, entfaltet ebenfalls aufschiebende Wirkung. Nachdem
das Gericht die aufschiebende Wirkung gegen die Ordnungsverfügung
wiederhergestellt hat, fehlt es an den tatbestandlichen Vorgaben des § 55 Abs. 1 des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW),
wonach ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung
oder auf Unterlassen gerichtet ist, nur dann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden
kann, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende
Wirkung hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m.
§ 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetztes (GKG) und erfolgt unter Berücksichtigung des
im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Ziffer 47.5
vorgeschlagenen Wertes für eine in einem Hauptsacheverfahren streitige
Mietwagengenehmigung in Höhe 10.000 EUR (pro Fahrzeug), vgl. Streitwertkatalog für
die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004, NVwZ 2004 S. 1327.
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Bei der Berechung des vorliegenden Streitwertes hat das Gericht nach der vorliegenden
Genehmigungsurkunde zwei Mietwagen berücksichtigt. Mit Rücksicht auf den
vorläufigen Charakter dieses Verfahrens erscheint das Antragsinteresse in Höhe der
Hälfte des Wertes ausreichend und angemessen berücksichtigt.
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