Urteil des VG Aachen vom 30.01.2003

VG Aachen: zahnärztliche behandlung, versorgung, prothese, brücke, zahnarzt, beihilfe, zustellung, rechtsmittelbelehrung, vollstreckung, bindungswirkung

Verwaltungsgericht Aachen, 1 K 2081/00
Datum:
30.01.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 2081/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der im Jahre 1957 geborene Kläger steht als Polizeihauptmeister bei der
Bundesgrenzschutzinspektion Köln/Einsatzabschnitt Düren im Dienst der Beklagten. Er
legte dem Grenzschutzpräsidium West mit Schreiben vom 24. September 1998 einen
Heil- und Kostenplan für die Behandlung seiner Ehefrau, N. G. , vom 10. September
1998 vor. Der Heil- und Kostenplan wies die Positionen 504 und 508 der
Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) sowie die Positionen 507 und 521 GOZ auf.
Unter dem 24. September 1998 teilte das Grenzschutzpräsidium dem Kläger mit, dass
die zahnärztliche Behandlung im vorgesehenen Kostenrahmen beihilfefähig sei.
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Nachdem der Kläger dem Grenzschutzpräsidium West den erweiterten Befund- und
Behandlungsplan des Dr. L. vom 11. Januar 1999 zugeleitet hatte, wies ihn dieses mit
Schreiben vom 28. Januar 1999 darauf hin, dass die Gebühren nach Ziffer 507 GOZ
neben den Gebühren nach Ziffern 520, 521 und 522 GOZ sowie die Gebühren nach
Ziffer 508 neben den Gebühren nach Ziffer 504 GOZ nicht beihilfefähig seien.
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Der Kläger beantragte unter dem 7. Juni 1999 die Gewährung einer Beihilfe zu den
Aufwendungen für eine in der Zeit vom 27. Juli 1998 bis 26. April 1999 bei seiner
Ehefrau durchgeführte Zahnbehandlung, für die der Zahnarzt Dr. L. u.a. 6.107,51 DM für
zahnärztliche Leistungen in Rechnung gestellt hatte.
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Das Grenzschutzpräsidium West gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Juni 1999
u.a. für zahnärztliche Leistungen eine Beihilfe in Höhe von 3.758,13 DM (= 70 % des
beihilfefähigen Betrages in Höhe von 5.368,75 DM). Der Bescheid erhielt die
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Anmerkung, dass die Gebührenziffern 508 GOZ und 507 GOZ in Höhe von insgesamt
738,76 DM nicht beihilfefähig seien.
Hiergegen legte der Kläger unter dem 30. Juni 1999 Widerspruch ein, zu dessen
Begründung er auf das Schreiben des Grenzschutzpräsidiums West vom 24. September
1998 verwies. Des Weiteren legte er eine Stellungnahme des behandelnden
Zahnarztes vom 24. September 1999 vor, die auszugsweise wie folgt lautet:
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"... 1.) Zur Kürzung der Gebührenposition 508 in Verbindung mit 504. Im Falle der
Patientin ist die Gebührenziffer 508 neben der Position 504 angesetzt worden, da es
sich nicht um Resilienz, Divergenz oder Stützteleskope zur Versorgung eines
Lückengebisses handelt, sondern um echte Verbindungselemente, die eine
Verankerung der herausnehmbaren Prothese mit der Restbezahnung darstellen. Dies
ist nur durch spezielle Friktionsteleskope zu bewerkstelligen, die dem
herausnehmbaren Teil des Zahnersatzes erst den Halt und die Verbindung zur
Restbezahnung geben und damit ein Herausfallen des Zahnersatzes verhindern. Dies
ist eben nur mit auf Friktion gearbeiteten Teleskopkronen möglich, die in ihrer Friktion,
also Haltekraft durch den Zahnarzt eingestellt werden. Bei Resilienz, Divergenz und
Stützteleskopen ist dies nicht der Fall, hier ist die Position 508 nicht in Ansatz zu setzen,
sehr wohl aber bei speziellen Friktionsteleskopen. Ein vom Zahntechniker in das
Teleskop eingebauter Federstift oder Knopf löst automatisch die Position 508 aus,
gleiches gilt auch für die Friktionsteleskope.
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2.) Zur Kürzung der Gebührenposition 507 neben 521: Der von der Beihilfestelle
angewendete Kommentar stellt nur eine Interpretation der GOZ dar, die jedoch nicht
amtlich ist und nicht von Zahnärzten, also von Kennern der Materie verfasst ist. ... Der in
der Gebührenziffer 507 genannte Begriff Freiendsattel ist immer ein definierter
Prothesenteil, der in Verbindung mit Kronen und Einlagefüllungen keinen Sinn ergibt.
...".
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 1999, zugestellt am 8. Januar 2000, wies
das Grenzschutzpräsidium West den Widerspruch des Klägers zurück und erläuterte,
dass der Ansatz der Gebührenziffer 508 GOZ (Verbindungselemente bei einer
zusammengesetzten Brücke oder Prothese) neben der Ziffer 504 GOZ (Versorgung
eines Lückengebisses durch Brücke oder Prothese; Teleskop- bzw. Konuskrone) nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) nicht möglich sei, da die
Teleskopkrone zugleich als Ankerkrone und Verbindungselement fungiere. Die
Gebührenziffer 507 könne ihrem Wortlaut nach bei Brücken und Prothesen nur für
solche Spannen berücksichtigt werden, die aus Brückengliedern oder Stegen
bestünden, wenn diese durch Kronen oder Inlays miteinander verbunden seien.
Deshalb sei die Abrechnung der Ziffer 507 GOZ neben den Ziffern 520 und 521 nicht
möglich. Dem Widerspruchsbescheid war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt,
wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim
Verwaltungsgericht Köln erhoben werden konnte.
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Der Kläger hat am 11. Februar 2000 beim Verwaltungsgericht Köln - 15 K 1213/00 -
Klage erhoben, das das Verfahren durch Beschluss vom 8. September 2000 an das
erkennende Gericht verwiesen hat. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass er die Klage
fristgemäß erhoben habe. Die im Widerspruchsbescheid erteilte Rechtsmittelbelehrung
sei fehlerhaft, da sein dienstlicher Wohnsitz der "Einsatzabschnitt Düren der
Bundesgrenzschutzinspektion Köln" sei. Im übrigen sei hinsichtlich der von der
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Beklagten als nicht beihilfefähig bezeichneten Positionen deren Auslegung der GOZ
unzutreffend. Dies ergebe sich u.a. aus der Stellungnahme der Zahnärztekammer
Nordrhein vom 11. Februar 2000.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter teilweiser Änderung des Bescheides des Grenzschutzpräsidiums
West vom 16. Juni 1999 und Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 15.
Dezember 1999 zu verpflichten, ihm zu der Rechnung des Dr. L. vom 4. Juni 1999 eine
weitere Beihilfe in Höhe von 264,40 EUR (= 517,13 DM) zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er meint, die Klage sei verfristet. Der Kläger sei Angehöriger des
Bundesgrenzschutzamtes Köln, das allein eine Behörde im Sinne von § 52 Ziffer 4 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - sei; dies ergebe sich aus § 57 Abs. 1 und 2 des
Bundesgrenzschutzgesetzes. Die Bundesgrenzschutzinspektion Köln sei lediglich ein
unselbständiger ausgelagerter Teil des Bundesgrenzschutzamtes Köln; der
Einsatzabschnitt Düren sei wiederum ein unselbständiger ausgelagerter Teil der
Bundesgrenzschutzinspektion Köln.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat die Klage insbesondere fristgemäß erhoben.
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Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO muss die Verpflichtungsklage innerhalb eines
Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides erhoben werden. Die Klagefrist
beginnt nach § 58 Abs. 1 VwGO jedoch nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über
den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der
Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt
worden ist. Ist die Belehrung unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs
innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
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Der Kläger konnte innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO - und damit
bis zum 8. Januar 2001 - Klage erheben, da die vom Grenzschutzpräsidium West im
Widerspruchsbescheid erteilte Rechtsmittelbelehrung unrichtig ist. Das
Grenzschutzpräsidium West hat fehlerhaft ausgeführt, dass die Klage beim
Verwaltungsgericht Köln zu erheben sei. Insoweit kann auf die - den Beteiligten
bekannten - Ausführungen des Verwaltungsgerichts Köln in dem Beschluss vom 8.
September 2000 verwiesen werden, denen sich das erkennende Gericht anschließt,
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vgl. hierzu auch: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. Oktober
1998 - 10 A 11390/98 -, NVwZ-RR 1999, 592 ff.
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der Bescheid des Grenzschutzpräsidiums West vom 16. Juni 1999 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 15. September 1999 sind in dem streitigen Umfang
rechtmäßig. Dem Kläger steht keine weitere Beihilfe zu den geltend gemachten
zahnärztlichen Aufwendungen zu.
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Gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in
Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV) sind bei einer
zahnärztlichen Behandlung die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang
beihilfefähig. Die Angemessenheit der Aufwendungen beurteilt sich nach der GOZ.
Damit setzt die Beihilfefähigkeit grundsätzlich voraus, dass der Zahnarzt die
Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht in
Rechnung gestellt hat. Dies ist hier nicht der Fall.
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Die Beklagte hat es zunächst zu Recht abgelehnt, die Gebührenposition 507 GOZ
neben der Ziffer 521 GOZ als beihilfefähig anzuerkennen. In dem Abschnitt
"Prothetische Leistungen" der GOZ beschreibt die Gebührenposition 507 GOZ folgende
Leistungen: "Versorgung eines Lückengebisses durch eine Brücke oder Prothese:
Verbindung von Kronen oder Einlagefüllungen durch Brückenglieder oder Stege, je zu
überbrückende Spanne oder Freiendsattel". Ziffer 507 GOZ kann nach seinem
eindeutigen Wortlaut bei Brücken und Prothesen nur für solche Spannen berechnet
werden, die aus Brückengliedern oder Stegen bestehen, wenn diese durch Kronen oder
Inlays miteinander verbunden sind. Deshalb kann Ziffer 507 GOZ nicht zusätzlich zu
Ziffer 521 GOZ ("Versorgung eines teilbezahnten Kiefers durch eine
Modellgussprothese mit gegossenen Halte- und Stützelementen einschließlich
Einschleifen der Auflagen") abgerechnet werden,
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so Meurer, Gebührenordnung für Zahnärzte, 2. Aufl., Nr. 507 GOZ, S. 188;
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Denn die (gegossenen) Halte- und Stützelementen einer Modellgussprothese sind
unzweifelhaft keine Kronen oder Einlagefüllungen,
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vgl. hierzu auch: Bundesministerium des Innern, Erlass vom 6. Februar 1998 - Z 4a -
002 810/12 -.
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Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht das Argument des Zahnarztes des Klägers,
der in der Leistungsbeschreibung der Ziffer 507 GOZ ausdrücklich erwähnte
"Freiendsattel" sei "immer ein definierter Prothesenteil, der in der Verbindung mit
Kronen oder Einlagefüllungen keinen Sinn ergebe". Die Bestimmung ist vielmehr
dahingehend zu verstehen, dass die Gebühr je Spanne anzusetzen ist, und der
Freiendsattel als eine Spanne zählt,
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vgl. Meurer, a.a.O.
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Der Zahnarzt durfte des Weiteren neben der Ziffer 504 GOZ ("Versorgung eines
Lückengebisses durch eine Brücke und Prothese: je Pfeilerzahn als Brückenanker oder
Prothesenanker mit einer Teleskopkrone, auch Konuskrone") nicht zusätzlich die Ziffer
508 GOZ ("Versorgung eines Lückengebisses durch eine zusammengesetzte Brücke
oder Prothese, je Verbindungselement. Matrize und Patrize gelten als ein
Verbindungselement") in Ansatz bringen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Die Teleskop- oder Konuskrone besitzt zwei Eigenschaften, sie ist zugleich Ankerkrone
und Verbindungselement. Die Haltefunktion wird durch Reibung ersetzt. Eine
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Teleskopkrone, die nicht zugleich die Funktion eines Verbindungselements erfüllt, ist
demnach nicht denkbar,
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
18. Januar 1995 - 12 A 841/92 - unter Hinweis auf die Ausführungen des
Sachverständigen Dr. S von der Bay. Zahnärztekammer im gerichtlichen Gutachten vom
16. Mai 1990 (Verfahren LG München I-33 0 13371/89).
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Dementsprechend hat sich der Verordnungsgeber dafür entschieden, die Leistung nach
der Ziffer 504 der GOZ mit 1.400 Punkten besonders hoch zu bewerten; sie ist höher
bewertet als die Behandlungsalternative Vollkrone (Nr. 501 GOZ) plus
Verbindungselement (Nr. 508 GOZ) mit 1.300 Punkten. Der Verordnungsgeber wollte
hiermit den höheren zahnärztlichen Aufwand, der u.a. durch die Verbindungsfunktion
der Kronen bedingt ist, abgelten,
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vgl. OVG NRW, a.a.O.; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 - 2 C 10/95 -,
DVBl. 1996, 1150 f.; VG Aachen, Urteil vom 21. September 2000 - 1 K 1064/97 -;
Mildenberger, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand: September 2002,
§ 6 BhV 70.3.
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Eine gesonderte Abrechnung des Verbindungselements ist daher nicht möglich.
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Die Beklagte ist schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes zur Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Gebührenpositionen 507
und 508 GOZ verpflichtet.
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Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte ihm die
streitgegenständlichen Aufwendungen erstatten würde. Das Grenzschutzpräsidium Köln
hat dem Kläger zwar im Anschluss an die Vorlage des Heil- und Kostenplans vom 10.
September 1998 unter dem 24. September 1998 mitgeteilt, dass "die zahnärztliche
Behandlung im vorgesehenen Kostenrahmen erstattungsfähig" sei. Hieraus durfte der
Kläger zunächst folgern, dass auch die Ziffern 507 und 508 GOZ als beihilfefähig
anerkannt würden. Nachdem der Kläger dem Grenzschutzpräsidium West den erheblich
erweiterten Befund- und Behandlungsplan vom 11. Januar 1999 zugeleitet hatte, hatte
dieses ihn jedoch mit Schreiben vom 28. Januar 1999 unter Hinweis auf den Erlass des
Bundesministeriums des Innern vom 6. Februar 1998 - BMI 4a-002 810/02- darauf
aufmerksam gemacht, dass die Gebührenziffern 507 und 508 GOZ nicht beihilfefähig
seien. Der Kläger wusste daher im Zeitpunkt der Durchführung der
streitgegenständlichen zahnärztlichen Maßnahmen am 24. März 1999, dass er mit einer
Erstattung der Gebührenziffern 507 und 508 GOZ nicht rechnen konnte. Das
Grenzschutzpräsidium West war auch berechtigt, die zunächst gegebenen Auskunft zu
korrigieren. Denn der von der Beihilfestelle genehmigte Heil- und Kostenplan entfaltet
grundsätzlich keine Bindungswirkung, sondern ist lediglich eine verfahrensgeleitende
Maßnahme,
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vgl. zur fehlenden Bindungswirkung auch Landessozialgericht Niedersachsen, Urteil
vom 18. Januar 1995 - L 4 Kr 96/93 -.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung.
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