Urteil des VG Aachen vom 23.01.2007
VG Aachen: akteneinsicht, kennzeichen, identifizierung, anhörung, zeugnisverweigerungsrecht, vollmacht, geschwindigkeit, foto, unterrichtung, zugang
Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 3862/04
Datum:
23.01.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 3862/04
Tenor:
Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 23. Januar 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 3.
September 2004 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer vom Beklagten angeordneten
Fahrtenbuchauflage von sechs Monaten für das von ihr gehaltene Fahrzeug mit dem
amtlichen Kennzeichen 000000.
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Am 10. Juni 2003 um 10.06 Uhr wurde mit dem auf den Namen der Klägerin
zugelassenen Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen 000000 auf der
Bundesautobahn - BAB - 3 von G. nach O. in Höhe des Streckenkilometers 325,056 bei
X. (Landkreis L1. ) bei einer Geschwindigkeit von 153 km/h der erforderliche Abstand
von 76 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten. Der Abstand betrug
lediglich 29,4 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes. Toleranzen
wurden zu Gunsten des auf die Klägerin zugelassenen Kraftfahrzeugs berücksichtigt.
Der Verstoß wurde durch eine Videokamera gemessen und aufgezeichnet. Nach
Angaben der Polizeidirektion X1. gab es keine Abstandsverringerung durch Abbremsen
des vorausfahrenden Fahrzeugs oder Einscheren eines anderen Fahrzeugs. Das bei
dem Verkehrsverstoß aufgezeichnete Foto zeigt als Fahrer(in) vermutlich eine weibliche
Person. Ein solcher Verkehrsverstoß ist mit einem Bußgeld von 75.- EUR sowie mit drei
Punkten nach Zif. 5.5 der Anlage 13 zu § 40 Fahrerlaubnis-Verordnung bedroht.
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Der nach den Angaben der Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. am 13. Juni 2003 wegen
dieses Verkehrsverstoßes an die Klägerin abgesandte Anhörungsbogen wurde nicht
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zurückgesandt. Eine Durchschrift dieses Schreibens befindet sich nicht in den Akten
des Beklagten. Mit Schreiben vom 25. Juni 2003 bestellte sich unter Beifügung einer
Vollmacht der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und teilte mit, dass seine Mandantin
sich einstweilen nicht äußern wolle; er bat zunächst um Überlassung der
Ermittlungsakte. Aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen lässt sich nicht
entnehmen, dass dem Prozessbevollmächtigten die beantragte Akteneinsicht gewährt
wurde.
Auf das an den Beklagten als Kreispolizeibehörde gerichtete Ermittlungsersuchen der
Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. vom 30. Juni 2003 erklärte der Beklagte als
Kreispolizeibehörde E. mit Schreiben vom 24. Juli 2003, dass die Ermittlungen bei der
Klägerin erfolglos verlaufen seien. Die Klägerin sei aufgesucht und auch angetroffen
worden. Nach Belehrung und Vorlage des Beweisfotos habe sie von ihrem
Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Aufgrund der schlechten Bildqualität
sei eine eindeutige Identifizierung des Fahrers bzw. der Fahrerin nicht möglich. Ein
Vergleichsfoto liege beim Einwohnermeldeamt der Gemeinde U. nicht vor.
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Mit Schreiben vom 29. Juli 2003 teilte die Verkehrspolizeiinspektion X1. - C. dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren
mangels Täterfeststellung eingestellt worden sei.
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Die Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. gab den Ordnungswidrigkeiten- vorgang an den
Beklagten mit der Bitte ab, in eigener Zuständigkeit die Voraussetzungen der
Verhängung einer Fahrtenbuchauflage zu prüfen. Im Rahmen der Anhörung machte die
Klägerin die Unangemessenheit der Maßnahme geltend. Sie habe bislang keinerlei
Punkte in Flensburg aufzuweisen. Die einmalige Nichtermittlung eines Fahrers
rechtfertige nicht die Verhängung eines Fahrverbots. Im Übrigen scheine die
Bußgeldstelle überhaupt nicht ermittelt, sondern das Verfahren sofort eingestellt zu
haben.
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Mit Ordnungsverfügung vom 23. Januar 2004 legte der Beklagte der Klägerin die
Führung eines Fahrtenbuches für das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen 000000 für
die Dauer von sechs Monaten auf. Sofern dieses Fahrzeug innerhalb der festgesetzten
Frist veräußert werden sollte, gelte die Fahrtenbuchauflage für den dann auf die
Klägerin zugelassenen PKW. Die Führung des Fahrtenbuchs werde auf die Zeit vom 1.
März 2004 bis zum 31. August 2004 festgelegt. Wenn die Ordnungsverfügung am 1.
März 2004 noch nicht bestandskräftig sei, gelte statt der genannten Befristung ein
Zeitraum von sechs Monaten, beginnend mit dem 1. des Monats, der auf den Monat
folge, in dem die Bestandskraft eintrete.
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Die Klägerin erhob Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, ihrem
Prozessbevollmächtigten sei die beantragte Akteneinsicht von der zuständigen
Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. nicht gewährt worden. Nach Durchsicht der Akte und
Erörterung der Angelegenheit mit ihrem Anwalt wäre möglicherweise die
Fahrereigenschaft eingeräumt worden. Stattdessen sei überhaupt nicht ermittelt,
sondern die Akte sofort an den Beklagten weitergeleitet worden. Im Übrigen sei der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt.
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Die Bezirksregierung L. wies mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004 den
Widerspruch als unbegründet zurück. Es habe ausreichende Ermittlungen der
Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. gegeben. Auch sei ihr von den örtlichen
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Polizeibehörden das Lichtbild, das Anhaltspunkte zur Feststellung des Fahrzeugführers
gegeben habe, gezeigt worden. Trotzdem habe sie den Fahrer des Fahrzeugs am 10.
Juni 2003 nicht offenbart. Es sei richtig, dass ihrem Prozessbevollmächtigten die
Bußgeldakte nicht übersandt worden sei. Dies rechtfertige aber noch nicht den Schluss,
dass die Behörden nicht alle erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen ergriffen hätten.
Schließlich sei unter Berücksichtigung der Schwere des Verkehrsverstoßes eine
Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von sechs Monaten
verhältnismäßig.
Die Klägerin hat am 25. September 2004 Klage erhoben. Unter Wiederholung und
Vertiefung ihres bisherigen Sachvortrages hält sie daran fest, dass die Nichtermittlung
des Fahrers im Bußgeldverfahren nicht ihr, sondern den nicht ausreichenden
Ermittlungen der Bußgeldstelle der Autobahnpolizei X1. -C. zuzurechnen sei.
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Sie beantragt,
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die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 23. Januar 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 3. September 2004 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt der Klage unter Bezugnahme auf die angefochtenen Entscheidungen entgegen.
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Mit Schreiben vom 26. April 2005 und 27. April 2005 haben die Beteiligten ihr
Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der
Bezirksregierung L. verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Das Gericht konnte hier ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung
entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einvernehmen erteilt haben, § 101 Abs. 2
VwGO.
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Die angegriffene Ordnungsverfügung des Beklagten vom 23. Januar 2004 und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 3. September 2004 sind
rechtswidrig und waren deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die angeordnete Fahrtenbuchauflage ist § 6 Abs. 1 Nr. 3 des
Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 31 a Abs. 1 Satz 1 der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Nach letztgenannter Vorschrift kann die
Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn
zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches
anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung
gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind hier nicht erfüllt:
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Zwar wurde mit dem von der Klägerin gehaltenen Fahrzeug mit dem amtlichen
Kennzeichen 000000 am 10. Juni 2003 den Verkehrsvorschriften der §§ 24 StVG, 4, 49
Abs. 1 Nr. 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) zuwider gehandelt, indem die
Fahrerin/der Fahrer bei einer Geschwindigkeit von 153 km/h den erforderlichen Abstand
von 76 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht einhielt. Es ist weiter richtig, dass das
Ordnungswidrigkeitenverfahren mit Verfügung vom 29. Juli 2003 eingestellt wurde, weil
der Fahrer des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Begehung der Ordnungswidrigkeit nicht
ermittelt worden war.
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Die Feststellung des Fahrzeugführers nach dieser Zuwiderhandlung war aber zum
Zeitpunkt der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahren (noch) nicht unmöglich im
Rechtssinne. "Unmöglichkeit" im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist anzunehmen,
wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den
Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen
ergriffen hat,
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vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom
23. Februar 1996 - 25 A 4716/95 - und vom 17. Dezember 1998 - 25 A 1358/98 -.
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Insoweit ist die Verfolgungsbehörde grundsätzlich gehalten, wenn die Feststellung des
Fahrzeugführers auf frischer Tat nicht möglich oder nicht tunlich ist, zumindest den
Halter so bald wie möglich von der mit seinem Fahrzeug begangenen
Verkehrsordnungswidrigkeit zu unterrichten. Dies erfordert im Regelfall eine
Unterrichtung des Fahrzeughalters von dem Verkehrsverstoß innerhalb von zwei
Wochen, damit dieser die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch
zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 -,
Buchholz 442.16 § 31 a StVZO, Nr. 5, und Beschluss vom 25. Juni 1987 - 7 B 139.87 -,
Deutsches Autorecht (DAR) 1987, 393.
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Zwar dürfte die Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. diese Zweiwochenfrist nach ihren
Angaben hier zwar eingehalten haben. Auch wenn sich in den Verwaltungsvorgängen
des Beklagten weder eine Durchschrift des Schreibens vom 13. Juni 2003 befindet noch
ein Rücklauf dieses Anhörungsschreibens zu den Akten gelangt ist, so spricht für die
Übersendung eines solchen Anhörungsbogens der Polizeibehörde nach Überzeugung
des Gerichts der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich mit
Schriftsatz vom 25. Juni 2003 unter Vorlage einer Vollmacht bei der
Verkehrspolizeiinspektion X1. - C. für die Klägerin bestellt hat. Ohne Zugang eines
Anhörungsschreibens hätte hierzu keine Veranlassung bestanden.
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Allerdings lässt sich aufgrund des Fehlens dieser Unterlagen für das Gericht nicht
feststellen, dass diesem Informationsschreiben vom 13. Juni 2003 bereits Lichtbilder wie
Bl. 7 der Verwaltungsvorgänge beigefügt waren. Dagegen spricht, dass Bl. 7 der
Verwaltungsvorgänge ausweislich der darauf enthaltenen Daten erst am 26. Juni 2003
ausgedruckt wurde. Dagegen spricht ferner die Reaktion der Klägerin bei der
Vorsprache durch einen Beamten der Kreispolizeibehörde E. . In dem am 24. Juli 2003
darüber gefertigten Bericht des Beamten der Polizeiinspektion Jülich wird betont, dass
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die Klägerin nach Belehrung und Vorlage des Beweisfotos von ihrem
Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte. Dies spricht eher dafür, dass die
Klägerin an diesem Tag erstmals mit diesen Bildern konfrontiert wurde. Weitere
Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung in diesem Punkt sind dem Gericht nicht
möglich, da die Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. dem Beklagten auf eine
entsprechende Nachfrage unter dem 18. März 2004 mitgeteilt hatte, dass außer den
übersandten Blättern des Ordnungswidrigkeitenverfahrens keine weiteren Unterlagen
vorhanden sind.
Nach Überzeugung des Gerichts ist im vorliegenden Einzelfall die Verhängung einer
Fahrtenbuchauflage ausgeschlossen, weil hier im Einzelfall ein Ermittlungsdefizit der
das Ordnungswidrigkeitenverfahren betreibenden Behörde vorliegt, das wesentlich für
die Nichtfeststellung des Fahrzeugführers war. Denn nach Auffassung der Kammer ist
im Hinblick auf die erst am 10. September 2003 ablaufende Verjährungsfrist die
Einstellung am 29. Juli 2003 durch die Verkehrspolizeinspektion X1. -C. vorschnell und
vor Ausschöpfung der auf der Hand liegenden Ermittlungsmöglichkeiten erfolgt. Es sind
aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen auch keine Erwägungen ersichtlich,
weshalb es bei der hier gegebenen Sachlage zum Zeitpunkt der Einstellung des
Ordnungswidrigkeitenverfahrens geboten erschien, von einer weiteren Aufklärung -
etwa durch Gewährung der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragten
Akteneinsicht sowie durch weiteres Zuwarten mit Blick auf die anstehende anwaltliche
Stellungnahme - abzusehen.
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Zwar folgt die Kammer der obergerichtlichen Rechtsprechung,
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vgl. etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 23. August 1996 - 10 S 1867/96 -, NZV 1996,
470 f., und Beschluss vom 1. Oktober 1992 - 10 S 2173/92 - NZV 1993. 47 f.,
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wonach das Unterbleiben der Aktenübersendung im Ordnungswidrigkeitenverfahren
nicht automatisch negativ auf das Verwaltungsverfahren zur Verhängung einer
Fahrtenbuchauflage durchschlägt. Eine Unbeachtlichkeit ist in den Fällen anzunehmen,
in denen dem jeweiligen Halter mit der Anhörung ein Foto des Fahrers beim
Verkehrsverstoß übersandt wurde. Wie in den genannten Entscheidungen zutreffend
ausgeführt wurde, ist dann das Unterbleiben einer beantragten Aktenübersendung
unschädlich, weil die Akten bei einem Geschwindigkeitsverstoß oder auch bei
Nichteinhaltung des Mindestabstands außer dem Lichtbild des Fahrers in der Regel
nichts enthalten, was für die Identifizierung des Fahrers von Bedeutung sein kann. Ist
der Halter schon im Besitz dieses Fotos, kann er auch ohne Akteneinsicht mit seinem
Anwalt abwägen, ob er den Fahrer beim Verkehrsverstoß offenbart oder nicht.
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Hier liegt der Fall indes anders. Hier sind der Klägerin - wie oben dargelegt - die
entsprechenden Lichtbilder mit der Anhörung nicht übersandt worden. Zur Überzeugung
des Gerichts sind sie der Klägerin erstmals durch den sie aufsuchenden Beamten der
Polizeiinspektion Jülich gezeigt worden. Die Ausübung des
Aussageverweigerungsrechts in dieser Situation kann der Klägerin deshalb nicht
entgegengehalten werden. Denn nachdem der Anwalt sich schon mit Schriftsatz vom
25. Juni 2003 gegenüber der Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. bestellt hatte, war der
Klägerin auch das Recht zuzubilligen, sich zunächst mit ihrem Anwalt über das mittels
der Akteneinsicht beizuziehenden Bildmaterial zu besprechen und unter Abwägung der
in Betracht kommenden Aspekte zu beraten, ob sie den Fahrer/die Fahrerin des von ihr
gehaltenen Fahrzeugs bei Begehung des Verkehrsverstoßes offenbaren solle. Genau
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dies hat ihr Prozessbevollmächtigter im Widerspruchsverfahren auch so vorgetragen.
Die Bußgeldstelle der Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. durfte die Aktenübersendung
auch nicht deshalb für entbehrlich halten, weil die Klägerin über die Polizeiinspektion K.
möglicherweise den Abzug der Fotos aus der Ermittlungsakte erhalten hatte, mit dem
sie ihren Anwalt hätte aufsuchen können. Für eine solche Annahme gibt der Akteninhalt
nicht nur keinen Hinweis, sondern diese Polizeidienststelle hatte ausweislich ihres
Schreibens vom 24. Juli 2003 die ihr übersandten Unterlagen nach Erledigung
urschriftlich nach X1. zurückgesandt.
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Schließlich war die Aktenübersendung im Ordnungswidrigkeitenverfahren auch nicht im
Hinblick auf den weiteren Inhalts des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin vom 25. Juni 2003 entbehrlich. Denn dort war nicht generell eine
Aussageverweigerung der Klägerin angekündigt, sondern ausdrücklich vorgetragen, nur
"zurzeit" - das hieß vor Gewährung der Akteneinsicht - keine Angaben zu machen. Für
die Aktenübersendung an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestand bei einer
solchen Sachlage erst recht Veranlassung. Ferner war von der
Verkehrspolizeiinspektion X1. -C. in diesem Rahmen auch zu berücksichtigen, dass
dem Polizeibeamten der Polizeiinspektion K. ausweislich seines Schreibens vom 24.
Juli 2003 auch nach dem Aufsuchen der Klägerin wegen der schlechten Qualität des
Bildes eine eindeutige Identifizierung der Fahrerin nicht möglich war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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