Urteil des VG Aachen vom 27.07.2007
VG Aachen (wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, ehemann, tierhaltung, verfügung, tier, anordnung, eigenes interesse, gutachten, antrag)
Verwaltungsgericht Aachen, 6 L 184/07
Datum:
27.07.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 L 184/07
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e:
1
Der - sinngemäß gestellte - Antrag,
2
die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin vom 24. April 2007
gegen durch Ordnungsverfügung vom 5. April 2007 bestätigte mündliche Anordnungen
des Antragsgegners vom 22. März 2007 wiederherzustellen,
3
ist unzulässig.
4
Soweit der Antrag sich gegen eine durch Ziffer 1 der streitgegenständlichen Verfügung
bestätigte mündliche Anordnung vom 22. März 2007 ("Hiermit bestätige ich meine
mündlichen Anordnungen vom 22.03.2007 wie folgt: 1. Die behördliche Fortnahme der
Tiere [13 Hunde] aus der o. a. Haltung." ...) richtet, ist er unstatthaft.
5
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist
statthaft, wenn in der Hauptsache die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO
die statthafte Klageart ist, der Antragsteller dort also die Aufhebung eines ihn
belastenden Verwaltungsaktes i.S.v. § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)
begehrt.
6
Der Fortnahme der auf dem Grundstück der Antragstellerin und ihres Ehemannes - des
Antragstellers des Parallelverfahrens 6 L 183/07 - vorgefundenen 13 Hunde, 18 Hühner,
acht Hängebauchschweine, fünf Katzen, drei Ziegen, zwei Finken und zwei
Wellensittiche sowie der Fortnahme einer Ratte, einer Schildkröte, eines
Zwerghamsters, eines Ponys und eines Esels (siehe insoweit etwa das "Protokoll über
die Durchsuchung und Sicherstellung von Tieren" auf Blatt 124 der Beiakte I) durch den
Antragsgegner am 22. März 2007 lag jedoch nach dem Inhalt der Akten keine
7
Anordnung der Fortnahme gemäß § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 des
Tierschutzgesetzes (TierSchG) mit Verwaltungsaktcharakter zugrunde. Vielmehr ist der
Antragsgegner auf dieser Rechtsgrundlage im Wege der unmittelbaren Ausführung, also
durch reales Verwaltungshandeln, vorgegangen.
§ 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG regelt bundesrechtlich abschließend die
Gefahrbeseitigung im Wege einer unmittelbaren Ausführung, wenn die
Inanspruchnahme des für den tierschutzwidrigen Zustand Verantwortlichen nicht
möglich oder aber unzweckmäßig ist. Eine unmittelbare Ausführung ist demnach in der
Regel wegen der fehlenden Inanspruchnahme des Ordnungspflichtigen eine
ordnungsrechtliche Maßnahme sui generis ohne Regelungscharakter i.S.d. § 35 VwVfG
und deshalb als Realakt zu qualifizieren. Gegen eine unmittelbare Ausführung bzw. die
Rückgängigmachung ihrer Folgen muss deshalb um Rechtsschutz im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO
nachgesucht werden.
8
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 25. Mai 1998 - 4
E 24/98 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR)
1999, 117; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH B.-W.), Beschluss vom
17. März 2005 - 1 S 381/05 -, juris; Verwaltungsgericht (VG) Aachen, Beschluss vom 30.
März 2007 - 6 L 73/07 -, juris.
9
Auch wenn der Antragsgegner dem Tenor seiner Ordnungsverfügung vom 5. April 2007
die zitierte Wendung vorangestellt hat, in der von "mündlichen Anordnungen vom
22.03.2007" die Rede ist, lässt sich nicht erkennen, dass der Fortnahme der Tiere -
abweichend von der durch § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG vorgegebenen
Regel realen Verwaltungshandelns - ein an die Antragstellerin gerichteter
Verwaltungsakt vorausging, mit dem ihr gegenüber eine Fortnahmeanordnung
ausgesprochen worden wäre.
10
Weder den im zum Eilverfahren 6 L 183/07 vorgelegten Verwaltungsvorgang des
Antragsgegners (dort Blatt 120 bis 122) abgelegten handschriftlichen Notizen über den
Ablauf der Durchsuchung vom 22. März 2007 noch dem "Protokoll über die
Durchsuchung und Sicherstellung von Tieren" und - insbesondere - dem Vermerk des
Antragsgegners vom 5. April 2007 hinsichtlich des Verlaufs der Maßnahme vom 22.
März 2007 (Blatt 171 ff. der Beiakte I zum Verfahren 6 L 183/07) lässt sich der Erlass
eines Verwaltungsaktes gegen die Antragstellerin mit dem vorgenannten Inhalt
entnehmen.
11
Diesen Unterlagen zufolge wurde die Maßnahme auf der Grundlage des
Durchsuchungs- und Sicherstellungsbeschlusses des Amtsgerichts H. vom 20. März
2007 - 3 Gs 123-124/07 - um 11:53 Uhr am Wohnhaus der Antragstellerin und ihres
Ehemannes begonnen, ohne dass die Antragstellerin oder ihr Ehemann zunächst
zugegen gewesen wären. Der Antragsgegner habe die Wohnräume um 12:10 Uhr
betreten und dabei entgegen der Bitte des Ehemannes der Antragstellerin, dem die
Rechtslage telefonisch erklärt worden sei, deren Eintreffen nicht abgewartet. Nach
Ankunft der Antragstellerin gegen 12:40 Uhr sei auch ihr die Rechtslage erläutert und
der Beschluss des Amtsgerichts H. ausgehändigt worden. Der Prozessbevollmächtigte
der Antragstellerin, der den Antragsgegner gegen 12:20 Uhr angerufen habe, sei
gleichfalls von dem Durchsuchungs- und Sicherstellungsbeschluss des Amtsgerichts H.
in Kenntnis gesetzt worden. Der Ehemann der Antragstellerin selbst sei erst nach 13
12
Uhr an Ort und Stelle erschienen.
Dass der Antragsgegner der Antragstellerin gegenüber über einen bloßen Hinweis auf
die Rechtslage hinausgehend einen regelnden Ausspruch über die Fortnahme der Tiere
getätigt hätte, geht somit namentlich aus dem Vermerk vom 5. April 2007 nicht hervor.
Dieser gibt im Hinblick auf die zwischen dem Antragsgegner auf der einen und der
Antragstellerin und ihrem Ehemann auf der anderen Seite im Verlauf der Durchsuchung
geführten Gespräche und der dabei wechselseitig abgegebenen Erklärungen statt
dessen Aufschluss darüber, dass der Antragsgegner mit der Antragstellerin und ihrem
Ehemann über die Abgabe einer Verzichtserklärung im Hinblick auf die
fortgenommenen Tiere verhandelte, die Antragstellerin und ihr Ehemann sich indessen
zu einer solchen Erklärung mit der Begründung nicht bereit fanden, die Tiere gehörten
nicht ihnen, sondern ihrer Tochter T. .
13
Ein anderslautender Befund ergibt sich auch aus dem Inhalt der Ordnungsverfügung
vom 5. April 2007 selbst nicht. Die Formulierung von Ziffer 1 der Verfügung deutet
vielmehr zusätzlich darauf hin, dass der Antragsgegner am 22. März 2007 gegenüber
der Antragstellerin keine Fortnahmeanordnung bekannt gegeben hat. Denn ausweislich
des Wortlauts von Ziffer 1 wird nicht das Ergehen einer derartigen Regelung bestätigt,
sondern eine "behördliche Fortnahme der Tiere", die als solche - wie dargelegt -
regelmäßig einen Realakt ohne Verwaltungsaktcharakter darstellt. In diesem Sinne führt
der Antragsgegner auch in der Begründung des Bescheids aus, er habe sich aufgrund
der gravierenden Mängel in der Tierhaltung der Antragstellerin dafür entschieden, die
Tiere fortzunehmen und anderweitig pfleglich unterzubringen.
14
Allein daraus, dass der Antragsgegner gleichwohl unter Ziffer 4 der Verfügung die
sofortige Vollziehung von Ziffer 1 der Ordnungsverfügung angeordnet hat, lässt sich
demgegenüber nichts Gegenteiliges herleiten. Denn diese Anordnung der sofortigen
Vollziehung geht in Ermangelung eines für sofort vollziehbar erklärbaren
Verwaltungsakts erkennbar ins Leere.
15
Die Lesart, der Antragsgegner habe am 22. März 2007 keine Fortnahmeanordnung
ausgesprochen, wird ferner durch einen Blick in den sonstigen Akteninhalt, zu dem
neben dem Inhalt der Streitakte der Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren 6 L 183/07
nebst diesbezüglich vom Antragsgegner vorgelegtem Verwaltungsvorgang, 6 L 215/05,
6 K 1741/06 und 6 K 6/07 - der Klagen der Antragstellerin und ihres Ehemannes auf
Wiedergestattung der Haltung von Hunden - und des insoweit vom Antragsgegner
übersandten Verwaltungsvorgangs zuzüglich der Bußgeldakte der Staatsanwaltschaft
B. - 603 Js 1581/06 OWi - zu zählen ist, gestützt. So heißt es etwa im Schriftsatz des
Antragsgegners vom 9. Juli 2007 in den Klageverfahren 6 K 1741/06 und 6 K 6/07, "mit
Ordnungsverfügung vom 05.04.2007 (sei) die behördliche Fortnahme von 13 Hunden ...
angeordnet" worden, was dagegen spricht, dass der Antragsgegner eine solche
Rechtsfolge bereits am 22. März 2007 hat setzen wollen. Zudem zeigt etwa der Vermerk
des Antragsgegners über eine Kontrolle der Tierhaltung der Antragstellerin und ihres
Ehemannes vom 16. Januar 2003 (enthalten in der Bußgeldakte der Staatsanwaltschaft
B. - 603 Js 1581/06 OWi -), dass der Antragsgegner mündliche Anordnungen und deren
Inhalt offenbar ausdrücklich zu dokumentieren pflegt. Denn dort wird unter dem Punkt
"Mündliche Anordnung vor Ort" etwa ausgeführt, dass die Hundehaltung am besagten
Tag der Nachprüfung unverzüglich auf acht Hunde beschränkt worden sei. Der
Umstand, dass eine vergleichbare Dokumentation für den 22. März 2007 nicht erfolgt ist,
ist ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass es eine mündliche Fortnahmeanordnung an
16
diesem Tag nicht gegeben hat.
Eine Umdeutung von Ziffer 1 der Verfügung vom 5. April 2007 von einer bloßen
Bestätigung ohne Verwaltungsaktcharakter,
17
vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil
vom 14. Januar 1997 - 10 A 1890/93 -, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter
(NWVBl.) 1997, 306; OVG NRW, Beschluss vom 25. November 1993 - 10 B 360/93 -,
NWVBl. 1994, 154; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6.
Auflage 2001, § 37 Rn. 41,
18
in die Verfügung selbst entsprechend § 47 Abs. 1 VwVfG NRW kommt nicht in Betracht.
19
Gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG NRW kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen
Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der
erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte
erlassen werden können, und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW gilt § 47 Abs. 1 VwVfG NRW nicht, wenn der
Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der
erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen
für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes.
20
Vorliegend widerspräche eine Umdeutung von Ziffer 1 der bestätigenden Verfügung
vom 5. April 2007 in die Verfügung selbst - ungeachtet der Frage, ob ein wie hier
tatsächlich nicht erlassener Verwaltungsakt als "fehlerhafter Verwaltungsakt" i.S.v. § 47
Abs. 1 VwVfG NRW angesehen werden kann - jedenfalls der erkennbaren Absicht des
Antragsgegners. Wie der Wortlaut von Ziffer 1 der Verfügung und die darauf bezogene
Verfügungsbegründung belegen, geht es dem Antragsgegner augenscheinlich um die
Offenlegung der rechtlichen Grundlagen einer in der Vergangenheit liegenden, in
tatsächlicher Hinsicht abgeschlossenen Maßnahme und nicht um die Anordnung dieser
Maßnahme selbst. Es kann nicht angenommen werden, der Antragsgegner wolle der
Antragstellerin in Verkehrung eines eingetretenen tatsächlichen Geschehensablaufs die
Duldung einer behördlichen Maßnahme ansinnen, die er bereits im Wege der
unmittelbaren Ausführung vollzogen hat.
21
Der sich auf Ziffer 1 der Ordnungsverfügung vom 5. April 2007 beziehende Antrag nach
§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist des Weiteren nicht in Anlehnung an die zum Rechtsschutz
gegenüber nichtigen oder nicht wirksam bekannt gegebenen Verwaltungsakten
entwickelten Grundsätze, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage insofern statthaft
sind, mit Blick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles gleichwohl statthaft, weil
ein durch eine Bestätigung verursachter Rechtsschein des Vorhandenseins eines sofort
vollziehbaren Verwaltungsakts durch die Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs auszuräumen wäre.
22
Vgl. dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18. August 1981 - Bs V 8/81 -, Deutsches
Verwaltungsblatt (DVBl.) 1982, 218; VGH B.-W., Beschluss vom 7. Dezember 1990 - 10
S 2446/90 -, NVwZ 1990, 1195, 1196; VG Aachen, Beschluss vom 30. März 2007 - 6 L
73/07 -, juris; für das Hauptsacheverfahren etwa: OVG NRW, Beschluss vom 27.
Februar 1989 - 3 A 645/85 -, NVwZ 1989, 1089; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage
2005, § 42 Rn. 3 ff. und § 113 Rn. 4.
23
Denn mit dem Verfügungstenor "Die behördliche Fortnahme der Tiere (13 Hunde) aus
der o. a. Haltung" bestätigt der Antragsgegner - wie angesprochen - im zugrunde
liegenden Fall lediglich das Erfolgtsein realen Verwaltungshandelns und setzt damit
trotz der beigefügten (gegenstandslosen) Sofortvollzugsanordnung nicht den
Rechtsschein eines sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes, zu dessen Ausräumung es
einen gerichtlichen Ausspruches bedürfte.
24
Im Übrigen fehlte es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis.
25
Das Bestehen eines solchen ist zu verneinen, wenn der Rechtsschutzsuchende sein
Ziel auf einfachere, schnellere und effektivere Weise erreichen kann.
26
Vgl. etwa v. Albedyll, in: Bade/Funke-Kaiser/v. Albedyll, VwGO, 3. Auflage 2005, Vor §§
40 ff. Rn. 25.
27
Unterstellt, die Antragstellerin verfolgt mit ihrem Eilantrag das Ziel der
Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen und der vorläufigen Wiedereinräumung des
(Mit-)Besitzes an den 13 fortgenommenen Hunden, kann sie effektiveren Rechtsschutz
gegenüber der unmittelbaren Ausführung als durch die Beseitigung des Rechtsscheins
einer in Wirklichkeit nicht ergangenen Fortnahmeanordnung über die Rechtsschutzform
des § 123 VwGO im einstweiligen Anordnungsverfahren erlangen, indem sie im
Rahmen eines solchen um die Rückgängigmachung der Folgen der Fortnahme und die
vorläufige Rückgabe der 13 Hunde (auch) an sie nachsucht.
28
Soweit der Antrag sich gegen durch Ziffern 2 und 3 der im Streit befindlichen Verfügung
bestätigte mündliche Anordnungen des Antragsgegners vom 22. März 2007 ("Hiermit
bestätige ich meine mündlichen Anordnungen vom 22.03.2007 wie folgt: ... 2. Die
Kosten für die anderweitige pflegliche Unterbringung der Tiere werden Ihnen auferlegt.
3. Die Kosten einer evtl. notwendigen Heilbehandlung oder Euthanasie der Tiere
werden Ihnen ebenfalls auferlegt.") richtet, ist er ebenfalls unstatthaft. Unabhängig von
der sich auch hier stellenden Frage, ob der Antragsgegner am 22. März 2007 überhaupt
Anordnungen mit dem in Ziffern 2 und 3 bestätigten Inhalt getroffen hat, fehlt es bereits
an einer Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO,
so dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insofern nicht entfallen ist.
29
Ein nach den vorstehenden Ausführungen dem Begehren der Antragstellerin bei
sachgerechter Betrachtung gemäß § 88 VwGO entsprechender Antrag,
30
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, die Folgen der
Fortnahme der 13 Hunde vom 22. März 2007 rückgängig zu machen und die 13
fortgenommenen Hunde vorläufig an sie zurückzugeben,
31
wäre allerdings unbegründet.
32
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Der Antragsteller muss glaubhaft machen, dass ihm ein Anspruch auf die geltend
gemachte Regelung zusteht (Anordnungsanspruch) und das Abwarten einer
gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit schlechthin
unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund), § 123 Abs. 1 und 3
33
VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
34
Das Bestehen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs ist nicht
glaubhaft gemacht.
35
Als ein im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig sicherbarer Anspruch auf
Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen und Rückgabe der Hunde kommt vorliegend
der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht.
36
Der aus den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende öffentlich-
rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass durch hoheitliches Handeln
Rechte oder rechtlich geschützte Interessen des Betroffenen verletzt oder beeinträchtigt
worden sind und der dadurch geschaffene rechtswidrige Zustand beseitigt werden kann.
37
Die Antragstellerin wurde durch die Fortnahme der 13 Hunde am 22. März 2007
indessen nicht in ihren Rechten verletzt, weil die Fortnahme rechtmäßig war.
38
Ermächtigungsgrundlage für die Fortnahme ist § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG.
39
Gemäß § 16 a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung
festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen
Anordnungen. Sie kann insbesondere gemäß § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ein Tier, das
nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen
des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende
Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten
anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG
entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist eine
anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch
die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende
Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern.
40
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG
seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und
verhaltensgerecht unterbringen (Nr. 1), darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer
Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder
Schäden zugefügt werden (Nr. 2), muss über die für eine angemessene Ernährung,
Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und
Fähigkeiten verfügen (Nr. 3).
41
Die Voraussetzungen für eine Fortnahme der 13 Hunde am 22. März 2007 waren
gegeben. Die am Tag der Fortnahme auf dem Grundstück der Antragstellerin
vorgefundenen Tiere waren nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels
Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt, weil sie weder
angemessen gepflegt noch verhaltensgerecht untergebracht waren.
42
Ein Gutachten eines beamteten Tierarztes liegt vor.
43
An das Gutachten des Amtstierarztes, dem bei der Durchführung tierschutzrechtlicher
Vorschriften von Gesetzes wegen eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt
44
ist und dessen Gutachten daher im Rahmen des § 16 a Satz 2 Nr. 2 TierSchG eine
besondere Bedeutung zukommt,
vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschlüsse vom 25. Februar 2005 -
25 ZB 04.1538 -, juris, und vom 17. Mai 2002 - RN 11 K 98.2185 -, juris,
45
sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Ein solches kann je nach Lage des
einzelnen Falles bereits dann vorliegen, wenn der gesetzlich als Sachverständiger
vorgesehene Amtstierarzt - unter Umständen auch in der Form eines Aktenver-merks -
eine Aussage zu einer sein Fachgebiet betreffenden Frage macht. Nicht erforderlich ist,
dass zu jedem fortgenommenen Tier ein Gutachten eines beamteten Tierarztes vorliegt.
46
Vgl. Kluge, in: Kluge, Tierschutzgesetz, 2002, § 16 a Rn. 20; Hirt/Maisack/Moritz,
Tierschutzgesetz, 2003, § 16 a Rn. 15; Thum, Giftspinnen, Schlangen und andere
gefährliche Tiere, Natur und Recht (NuR) 2001, 558, 564; VG Stuttgart, Beschluss vom
19. September 1997 - 4 K 5186/97 -, NuR 1998, 218.
47
Gemessen an diesen Maßstäben liegt ein Gutachten eines beamteten Tierarztes vor.
48
Denn der Amtstierarzt des Antragsgegners hat seine anlässlich der Maßnahme vom 22.
März 2007 gemachten Wahrnehmungen zum einen handschriftlich dokumentiert (siehe
Blatt 120 bis 122 der Beiakte I zum Verfahren 6 L 183/07) und zum anderen in einem
ausführlichen Vermerk vom 5. April 2007 niedergelegt und bewertet und solchermaßen
eine sachverständige Aussage zur Tierhaltung der Antragstellerin und ihres Ehemannes
gemacht. Seine Einschätzung erfolgte auch explizit mit Rücksicht auf eine unmittelbare
Ausführung nach § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG, wodurch sichergestellt war,
dass der beamtete Tierarzt gezielt Feststellungen trifft und sich der Bedeutung und
Tragweite seiner Bewertung bewusst wird.
49
Vgl. zu dieser Anforderung VG Aachen, Urteil vom 25. Oktober 2006 - 6 K 3359/04 -,
juris, und Beschluss vom 30. März 2007 - 6 L 73/07 -, juris.
50
Aus den - durch zahlreiche, auf einer CD-Rom abgespeicherte Lichtbilder (siehe Blatt
158 der Beiakte I zum Verfahren 6 L 183/07) veranschaulichten und ohne Weiteres
nachvollziehbaren - Feststellungen des Amtstierarztes des Antragsgegners ergibt sich
unmittelbar, dass die Tierhaltung der Antragstellerin am 22. März 2007 nicht den
Anforderungen des § 2 Nr. 1 TierSchG entsprach und die fortgenommenen Tiere
dadurch erheblich vernachlässigt waren.
51
Die Tiere waren nicht verhaltensgerecht untergebracht.
52
Ausweislich des Vermerks des Amtstierarztes des Antragsgegners vom 5. April 2007 sei
das Badezimmer, in dem die Rollladen zur Straßenseite heruntergelassen gewesen
seien, für eine Haltung der dort angetroffenen vier Chihuahuas zu dunkel gewesen;
überdies seien die Bedingungen unhygienisch gewesen. Im "Kinderzimmer" hätten zwei
Katzen eingefangen werden können. Als Verletzungsgefahren hätten hier unter
anderem Keramikscherben und leere Futterdosen festgestellt werden können. Die
verschmutzten Futternäpfe und das mit Exkrementen überhäufte Katzenklo hätten
Auskunft über die hygienischen Vernachlässigungen gegeben. Das Trinkwassergefäß
im Durchgangszimmer sei mit verschmutztem Wasser gefüllt, der Futternapf sei
verschmutzt gewesen. Im "Kinderzimmer" hinter dem Durchgangszimmer über dem
53
Torbogen habe die vernagelte offenliegende Balkenlage wegen der vorstehenden
rostigen Nägel eine massive Verletzungsgefahr mit sich gebracht. Die zahllosen
Katzenkothaufen hätten unmissverständlich angezeigt, dass sich die auch freilaufenden
Katzen seit längerem wieder in diesem Zimmer aufhielten. Bei Annäherung seien
mindestens acht Katzen durch das Fenster zum Innenhof über das Dach des
ehemaligen Schweinestalles geflohen. Den Tieren habe in diesem Zimmer nur
schmutziges Trinkwasser zur Verfügung gestanden. Die Katzentoiletten seien mit Kot
überhäuft und schmutzig gewesen. Im Wohnzimmer, wo ebenfalls die Rollladen zur
Straßenseite heruntergelassen gewesen seien, seien die Scheiben des Terrariums
verschmiert gewesen. Im Zwischenzimmer seien zwei Hunde in jeweils einer mittels
einer Decke abgedunkelten Transportbox aufgefunden worden. Den beiden Hunden sei
durch das Abhängen mit einer Decke nicht nur das Tageslicht verwehrt, sondern durch
die dicken Decken auf Dauer auch der lebensnotwendige Gasaustausch unmöglich
gemacht worden. Die Antragstellerin und ihr Ehemann hätten neben möglichen
Verhaltensanomalien infolge Klaustrophobie die Gefahr einer Hypoxie und Vergiftung
durch einen Überhang an Kohlendioxid billigend in Kauf genommen. Im ehemaligen
Schweinestall hätten sich im Zeitpunkt der Begehung drei Hunde aufgehalten. Der Stall
sei nahezu dunkel gewesen. Es habe kaum Lichteinfall durch die insgesamt vier
verschmutzten Seitenfenster gegeben. Der Boden im Hundezwinger sei nass gewesen,
ebenso die Hundehütte. Der Treppenaufgang zum Dachboden sei zentimeterdick mit
Dreck und angetrocknetem Kot behaftet gewesen. Im Keller seien mit Hilfe einer
Taschenlampe schimmelnder Kot und verletzungsgefährdendes Gerümpel aus einem
festgetretenen Bodenbelag aus Kot und Dreck sichtbar geworden. Einige frische
Kothaufen hätten angezeigt, dass auch hier Hunde gehalten worden seien. Im
Nutztierstall hätten sehr schlechte Lichtverhältnisse geherrscht. Durch drei Fenster sei
nur sehr wenig Licht gefallen, da die verbliebenen Scheiben blind gewesen bzw. dunkel
verfärbt gewesen seien. Im Stall habe sich ein Kaninchenkadaver in fortgeschrittener
Verwesung befunden. Der Außenbereich sei teilweise vermüllt gewesen und es hätten
verletzungsgefährdende Gegenstände herumgelegen. Es seien keine Trittsiegel der im
Stall gehaltenen Tiere festzustellen gewesen. Auch auf der Weide hätten sich keine
Anzeichen einer Tierhaltung gefunden. Es sei somit anzunehmen, dass die im Stall
gehaltenen Nutztiere keinen Auslauf erhielten. In einigen Wohnräumen sei der Putz bis
auf die Backsteinwand abgekratzt gewesen. Aufgrund des mehrrilligen Reliefs im Putz
habe auf dauerhaftes, intensives Kratzen der im Haus eingeschlossenen Hunde und
deren verzweifeltes Verhalten geschlossen werden können.
Neben diesen desolaten, nicht verhaltensgerechten Unterbringungsbedingungen lässt
sich dem Vermerk des Amtstiersarztes des Antragsgegners vom 5. April 2007
entnehmen, dass die Antragstellerin die fortgenommenen Tiere nicht angemessen
gepflegt hat.
54
Abgesehen davon, dass es von vornherein zweifelhaft ist, ob eine angemessene Pflege
eines so großen und mannigfaltigen Tierbestandes, wie er auf dem Grundstück der
Antragstellerin am 22. März 2007 festgestellt wurde, überhaupt von zwei Privatpersonen
wie der Antragstellerin und ihrem Ehemann gewährleistet werden kann, ergibt sich dies
daraus, dass der Antragsgegner im Durchgangszimmer eine abgemagerte weibliche
schwarze Katze mit weißen Abzeichen aufnahm, die schwer atmete und einen eitrigen
Nasenausfluss aufwies. Nach den Darlegungen des niedergelassenen Tierarztes vom
26. März 2007 (Blatt 135 der Beiakte I zum Verfahren 6 L 183/07), dem die Katze noch
am 22. März 2007 vorgestellt wurde, habe die Katze sich in einem schlechten
Ernährungszustand befunden. Schon bei der Adspektion sei ein stark angestrengtes
55
Atemgeräusch, verbunden mit pumpenden Atembewegungen festzustellen gewesen.
Bei der weiteren klinischen Untersuchung seien eine Pneumonie, also eine
Lungenentzündung, und eine eitrige Rhinitis, also eine akute oder chronische
Entzündung der Nasenschleimhaut durch infektiöse, allergische und pseudoallergische
Mechanismen, diagnostiziert worden. Wegen des erheblichen Leidens und der
schlechten Prognose sei das Tier euthanasiert worden.
Im "Kinderzimmer" hinter dem Durchgangszimmer über dem Torbogen habe - so der
Amtstierarzt des Antragsgegners - darüber hinaus eine graugetigerte Jungkatze mit
weißen Abzeichen Anzeichen einer chronischen Erkrankung gezeigt. Ihr
Ernährungszustand sei schlecht gewesen, ihr Haarkleid kümmernd und struppig, ihr
Nasenspiegel sei mit eitrigem Ausfluss verklebt gewesen.
56
Die Unterbringung von Hunden in einer mit einer Decke abgedunkelten Transportbox
entspricht wegen der vom Antragsgegner angeführten Gefahren, die mit einer derartigen
Unterbringung verbunden sind, ebenfalls nicht einer angemessenen Pflege, auch wenn
diese Unterbringung nur für die Zeit einer etwa einstündigen Abwesenheit erfolgen
sollte, wie die Antragstellerin behauptet.
57
Schließlich hätten nach den Feststellungen des Amtstierarztes des Antragsgegners von
den acht Hängebauchschweinen sieben ein schütteres Borstenkleid gehabt, zwei Eber
seien in einem schlechten, drei in einem mäßigen bis schlechten und drei in einem
mäßigen Ernährungszustand gewesen.
58
Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt es bereits aus tatsächlichen Gründen
nicht, von der Einschätzung des beamteten Tierarztes des Antragsgegners
abzuweichen.
59
Soweit die Antragstellerin vorträgt und mit Schriftsatz vom 13. Juli 2007 zum Verfahren 6
L 183/07 wiederholt, bei den Katern, die sich bei der Durchsuchung auf dem Anwesen
aufgehalten hätten, könne es sich nur um wildlebende Katzen oder Katzen aus der
Nachbarschaft handeln und bei der angeblich schwer erkrankten Katze handele es sich
um eine Wildkatze, die ihr nicht gehöre, steht dem entgegen, dass der Antragsgegner im
Schriftsatz vom 22. Mai 2007 substantiiert ausführt, die schwer erkrankte Katze sei keine
Wildkatze gewesen, sondern eine europäische Hauskatze. Im Übrigen fragt sich, wie
eine Wildkatze in das Durchgangszimmer des Hauses der Antragstellerin gelangt sein
soll und warum die Antragstellerin die von ihr selbst offenbar als erkrankt erkannte Katze
nicht in tierärztliche Behandlung überstellte.
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Nicht nachvollziehbar ist ferner, weshalb ein Trinkwassergefäß mit verschmutztem
Wasser und ein verschmutzter Futternapf in einem verschlossenen, nicht genutzten
Abstellraum abgestellt worden sein sollten. Das Gleiche gilt für den Vortrag der
Antragstellerin, die aufgefundene schmutzige Katzentoilette sei nicht für die Tiere
bestimmt gewesen. Zudem fand der Antragsgegner nach seinem Vermerk vom 5. April
2007 das verschmutzte Trinkwassergefäß und den verschmutzten Futternapf im
Durchgangszimmer und die mit Kot überhäuften und schmutzigen Katzentoiletten im
"Kinderzimmer" hinter dem Durchgangszimmer über dem Torbogen vor.
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Dem Einwand der Antragstellerin, die in dem weiteren Nutzstall befindlichen Tiere seien
dort nur vorübergehend wegen des einsetzenden Regens untergebracht gewesen, ist
der Antragsgegner gleichfalls substantiiert entgegen getreten. In seinem Schriftsatz vom
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22. Mai 2007 weist er darauf hin, dass ausweislich des Vermerks vom 5. April 2007 im
Außenbereich keine Trittsiegel der im Stall gehaltenen Tiere festzustellen gewesen
seien und sich auch auf der Weide keine Anzeichen einer Tierhaltung gefunden hätten.
Die pauschale Bemerkung der Antragstellerin im Schriftsatz vom 13. Juli 2007 zum
Verfahren 6 L 183/07, bei genauem Hinsehen seien die vorhandenen Trittsiegel zu
erkennen gewesen, vermag die Ausführungen des Antragsgegners nicht zu entkräften.
Die Vermutung der Antragstellerin, der im Stall gefundene Kaninchenkadaver sei
offenbar von einem der Hunde ausgebuddelt worden, obwohl das Tier mindestens
einen Meter tief vergraben worden sei, erscheint weder wahrscheinlich noch glaubhaft.
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Anlass, den Einlassungen der Antragstellerin Glauben zu schenken, besteht darüber
hinaus auch deswegen nicht, weil die am 22. März 2007 vom Antragsgegner
festgestellten Haltungsumstände im Wesentlichen den fortgesetzten tierschutzwidrigen
Zuständen entsprechen, die dazu geführt haben, dass der Antragsgegner der
Antragstellerin - wie auch zugleich ihrem Ehemann - die Haltung von Tieren jeglicher
Art mit zwischenzeitlich bestandskräftiger Ordnungsverfügung vom 16. März 2005
untersagte. Im Beschluss vom 7. Juni 2005 - 6 L 215/05 - bestätigte das Gericht diese
Untersagung als evident rechtmäßig, weil die Antragstellerin und ihr Ehemann
jedenfalls im Zeitraum vom 11. September 2002 bis zum 22. Februar 2005 wiederholt
und auch grob gegen die Tierhalterpflichten aus § 2 TierSchG verstießen und dadurch
den von ihnen gehaltenen Tieren erhebliche Leiden zufügten. Vor diesem Hintergrund
und in Anbetracht der weiteren Feststellungen des Antragsgegners anlässlich der Vor-
Ort-Überprüfung vom 22. Februar 2006, bei der 31 Hunde - einige davon in schlechtem
Ernährungs- und Pflegezustand -, fünf Bartagamen, zwei Leopardgeckos, zwei
Schildechsen, zwei Goldhamster, fünf Kaninchen, zwei Meerschweinchen, eine
Rabenkrähe und zwei Katzen auf dem Grundstück der Antragstellerin angetroffen
wurden, liegt die Annahme nahe, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann sich von
den Untersagungsverfügungen vom 16. März 2005 und von dem gerichtlichen
Beschluss vom 7. Juni 2005 nicht haben beeindrucken lassen und ihre
(tierschutzrechtswidrige) Tierhaltung fortgeführt haben.
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Da das Gutachten des beamteten Tierarztes des Antragsgegners unmittelbar die
Einschätzung trägt, dass die am 22. März 2007 auf dem Grundstück der Antragstellerin
vorgefundenen Tiere mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich
vernachlässigt waren, kann dahin gestellt bleiben, ob das Vorliegen der
Voraussetzungen des § 16 a Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 TierSchG nicht bereits deswegen
zu vermuten ist, weil die Antragstellerin der Untersagungsverfügung vom 16. März 2005
zuwiderhandelte, ohne dass der Antragsgegner ihr die Tierhaltung wiedergestattet hätte.
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Der Antragsgegner durfte die Tiere der Antragstellerin als deren (Mit-)Halterin
fortnehmen.
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Für die Tierhaltereigenschaft ist entscheidend das tatsächliche, umfassende
Obsorgeverhältnis gegenüber einem Tier. Dementsprechend ist als Tierhalter
grundsätzlich derjenige anzusehen, der an der Haltung des Tieres ein eigenes Interesse
und eine - auch mittelbare - grundsätzlich nicht nur vorübergehende Besitzerstellung
und die Befugnis hat, über Betreuung und Existenz des Tieres zu entscheiden.
Abzustellen ist mithin darauf, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht, wer
aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und wer das wirtschaftliche
Verlustrisiko trägt. Die vorgenannten Kriterien müssen nicht alle kumulativ vorliegen, um
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die Tierhaltereigenschaft einer Person zu begründen. Vielmehr handelt es sich bei
sämtlichen Gesichtspunkten um Indizien, deren Einschlägigkeit anhand der besonderen
Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu überprüfen ist und die erforderlichenfalls
gegeneinander abzuwägen sind.
Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 19. Januar 1988 - VI ZR 188/87 -, Neue
Juristische Wochenschrift- Rechtsprechungsreport (NJW-RR) 1988, 655 mit weiteren
Nachweisen; Oberlandesgericht (OLG) Köln, Urteil vom 12. Februar 1999 - 19 U 118/98
-, NJW-RR 1999, 155; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juli 1997 - 22 U 6/97 -, juris;
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 8. Juli 2004 - 7 U 146/03 -, juris.
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Die Eigentümerstellung an dem Tier ist insofern ohne Belang. Im Rahmen der §§ 2, 16 a
Satz 2 Nr. 2 TierSchG geht es darum, wer für die tierschutzwidrigen Verhältnisse
verantwortlich ist.
69
Vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Juni 2006 - 25 ZB 05.1507 -, juris, und Urteil vom 17.
Dezember 1992 - 25 B 90.2906 -, juris; VG München, Urteil vom 11. Januar 2006 - M 18
K 04.4483 -, juris.
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Nach diesen Grundsätzen war die Antragstellerin Mithalterin der am 22. März 2007
fortgenommenen Tiere und damit auch der 13 Hunde, von denen sie vorträgt, sie
stünden im Eigentum ihrer Tochter T. . Denn nach den Umständen des Einzelfalles
standen die Tiere auch in ihrem tatsächlichen Obsorgeverhältnis und wurden von ihr im
eigenen Interesse gehalten. Gerade was die Hundehaltung anbelangt, wird dieses
Interesse dadurch dokumentiert, dass die Antragstellerin beim Antragsgegner unter dem
24. Mai 2006 die Wiedergestattung der Hundehaltung beantragte, dass sie - wie aus
ihrem Schriftsatz vom 12. April 2005 im Verfahren 6 L 215/05 und einem Schreiben
eines Vorsitzenden eines Ausbildungswarts eines Hundesportvereins an den
Antragsgegner vom 16. März 2007 hervorgeht - seit vielen Jahren Hundesport betreibt
und dass sie bereits in der Vergangenheit eine Vielzahl von Hunden gehalten hat. Es ist
auch davon auszugehen, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann für die Kosten der
Haltung der fortgenommenen Tiere aufkamen und das wirtschaftliche Verlustrisiko
trugen.
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Dass Frau T. I. die Kosten insbesondere der Hundehaltung getragen hätte und auch im
Übrigen für deren Haltung verantwortlich gewesen wäre, hat die Antragstellerin nicht
vorgetragen. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Frau T. I. selbst erklärte am 26. März
2007 gegenüber dem Antragsgegner vielmehr, sie habe mit der Tierhaltung ihrer Eltern
bis auf die Haltung zweier Französischer Bulldoggen nichts zu tun. Auch gegenüber
dem Ordnungsamt des Bürgermeisters der Stadt H. hatte sie am 23. März 2007
angegeben, sie habe die Aussage, mehrere Hunde auf dem Grundstück ihrer Eltern
würden von ihr gehalten, in der Vergangenheit lediglich gemacht, um insbesondere ihrer
Mutter in Streitigkeiten mit dem Veterinäramt zu helfen.
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Das Gericht sieht keine Veranlassung, an diesen Äußerungen der Frau T. I. zu zweifeln.
Ohnehin ist nicht zu ersehen, wie Frau T. I. faktisch und finanziell in der Lage gewesen
sein sollte, eine Haltung derart vieler Tiere auf dem Anwesen ihrer Eltern, das sie nach
ihren Angaben seit ihrem 18. Lebensjahr nicht mehr bewohnt, zu bewältigen, zumal sie
sich nach der Aussage einer Nachbarin der Antragstellerin nur höchstens einmal in der
Woche kurz bei ihren Eltern aufhalte.
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Endlich ist nach dem oben Gesagten die vorgebliche Eigentümerstellung der Frau T. I.
an den Tieren für die Tierhaltereigenschaft der Antragstellerin ohnehin ohne Bedeutung.
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Davon abgesehen ist das Vorbringen der Antragstellerin, ihre Tochter sei Eigentümerin
der Tiere, auch unglaubhaft.
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Der von der Antragsschrift in Bezug genommene "Pacht- und Kaufvertrag" vom 1. April
2005 und der "Zusatz" vom 22. Februar 2006 sind bereits aufgrund ihres unmittelbaren
zeitlichen Zusammenhanges mit den Ordnungsverfügungen des Antragsgegners vom
16. März 2005 und der Vor-Ort-Überprüfung vom 22. Februar 2006 als Versuch
anzusehen, das Tierhaltungsverbot zu umgehen. Dafür sprechen auch die bereits
wiedergegebenen Äußerungen der Frau T. I. gegenüber Behördenvertretern vom 23.
März 2007 und vom 26. März 2007 hinsichtlich der Tierhaltung ihrer Eltern. Außer der
Motivation einer Umgehung des Haltungsverbots ist zudem kein plausibler Grund für
den Abschluss derartiger Vereinbarungen erkennbar. Eine solche Motivation lassen
auch die vorgelegten Auszüge aus zwei "Rasse-Echtheitszertifikaten" erkennen. Denn
diesen zufolge erwarben die Antragstellerin und ihr Ehemann selbst am 29. November
2005 das Eigentum an jeweils einem Schäferhund und übertrugen das Eigentum am
Folgetag ohne sichtbaren Grund auf ihre Tochter T. .
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Diese Gesamtumstände rechtfertigen die Annahme, dass Frau T. I. als "Strohfrau"
gegenüber den Behörden auftreten sollte, um ihren Eltern die (derzeit illegale)
Fortsetzung der Tierhaltung zu ermöglichen.
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Vgl. zur Figur des "Strohmannes" im Gewerberecht etwa Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG), Urteil vom 14. Juli 2003 - 6 C 10.03 -, NVwZ 2004, 103.
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Ein weiteres Indiz für den Versuch der Konstruktion eines "Strohfrauverhältnisses" durch
die Antragstellerin ist die Tatsache, dass im Vorbringen der Antragstellerin und ihres
Ehemannes im am 4. April 2005 anhängig gemachten Eilverfahren 6 L 215/05 von
einem "Pacht- und Kaufvertrag" vom 1. April 2005 und einer Halterstellung ihrer Tochter
noch keine Rede war. Vielmehr trugen die Antragstellerin und ihr Ehemann im dortigen
Schriftsatz vom 10. Mai 2005 lediglich vor, dass die Französischen Bulldoggen ihrer
Tochter T. gehörten. Und obwohl das Gericht im Beschluss vom 7. Juni 2005 (dort S. 5)
ohne Weiteres von einer (Mit-)Halterschaft der Antragstellerin mit der Begründung
ausging, sie und ihr Ehemann hätten die Tiere seit Jahren in ihrer Obhut gehabt und in
eigener Verantwortung gehalten und gepflegt, verwahrte sie sich nicht gegen diese
Feststellung, sondern nahm ihre zunächst erhobene Beschwerde unter dem 20. Juni
2005 zurück.
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Dass die Fortnahme vom 22. März 2007 i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerhaft
gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich.
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Letzten Endes scheitert ein Folgenbeseitigungsanspruch aber nicht nur an der
Rechtmäßigkeit der Fortnahme, sondern auch daran, dass ein
Folgenbeseitigungsanspruch allein auf die Wiederherstellung des durch einen
rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten ursprünglich rechtmäßigen Zustandes
gerichtet ist,
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vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2003 - 2 C 35.02 -, juris und Urteil vom 21.
September 2000 - 2 C 5.99 -, juris,
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sich ein ursprünglich rechtmäßiger Zustand durch eine Wiedereinräumung des (Mit-
)Besitzes der Tiere an die Antragstellerin aus der gegenwärtigen Sicht jedoch von
vornherein nicht wiederherstellen lässt.
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Denn zum einen ist der Antragstellerin die Haltung von Tieren jeglicher Art
bestandskräftig untersagt. Ihren Antrag auf Wiedergestattung der Hundehaltung lehnte
der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. August 2006 ab. Über die nach erfolglosem
Widerspruch erhobene Klage 6 K 1741/06 ist noch nicht entschieden. Zum anderen
besteht nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kein Grund zu der Annahme, die
Antragstellerin werde die Tierhalterpflichten des § 2 TierSchG in Zukunft erfüllen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 des
Gerichtskostengesetzes (GKG) in der Fassung des
Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004. Im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes ist der Streitwert auf die Hälfte des Streitwerts der Hauptsache
anzusetzen, als den das Gericht mangels anderweitiger Anhaltspunkte aus der
derzeitigen Sicht den Regelstreitwert von 5.000,- EUR ansieht.
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