Urteil des VG Aachen vom 12.07.2010

VG Aachen (öffentliche sicherheit, kläger, höhe, fahrzeug, ersatzvornahme, gefahr, sicherheit, vwvg, verwaltungsgebühr, versetzung)

Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 805/08
Datum:
12.07.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 805/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Am 14. Februar 2008 wurden Polizeibeamte des Beklagten um 19.20 wegen einer
Verkehrsbehinderung zum I.-----platz in E. gerufen. Auf dem dortigen Parkplatz stellten
sie fest, dass der Pkw des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen so dicht links neben
dem Pkw der Zeugen N. geparkt war, dass es den Zeugen unmöglich war, ihren Pkw
rückwärts aus der Parktasche herauszufahren. Da der Kläger telefonisch nicht zu
erreichen war, ließen die Polizeibeamten den Pkw des Klägers um 19.45 Uhr durch ein
Abschleppunternehmen versetzen, um den Zeugen das Herausfahren aus der
Parktasche zu ermöglichen.
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Mit Anhörungsschreiben vom 20. Februar 2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass
er beabsichtige, für den Polizeieinsatz eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 90,00 EUR
zu erheben und die Erstattung der Kosten der Versetzung in Höhe von 119,00 EUR zu
fordern.
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Mit Bescheiden vom 18. März 2008 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Kosten der
Versetzung in Höhe von 119,00 EUR zu erstatten, und setzte eine Verwaltungsgebühr
in Höhe von 90,00 EUR gegen den Kläger fest.
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Der Kläger hat am 17. April 2008 Klage erhoben.
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Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig und macht geltend, dass eine
Verkehrsbehinderung nicht vorgelegen habe. Zwar hätten die Fahrzeuge dicht
nebeneinander gestanden, jedoch hätte das Fahrzeug der Zeugen nach hinten
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zurückgesetzt werden können. Mit dem Zurücksetzen des Fahrzeugs der Zeugen,
gegebenenfalls unter Einklappen der Außenspiegel und mit Einweisung, hätte ein
milderes Mittel zur Verfügung gestanden. In dem Versetzungsvorgang durch das
Abschleppunternehmen habe gerade ein höheres Risiko der Beschädigung der
Fahrzeuge bestanden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
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den Leistungsbescheid und den Gebührenbescheid des Beklagten vom 18. März 2008
aufzuheben .
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Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält die Klage für unbegründet und vertritt die Auffassung, dass das Versetzen des
klägerischen Pkws rechtmäßig gewesen sei. Das Fahrzeug sei so dicht am Fahrzeug
der Zeugen abgestellt worden, dass es für diese nicht möglich gewesen sei, aus der
Parktasche herauszufahren, ohne eines der beiden Fahrzeuge zu beschädigen. Ein
Versuch der Einsatzleitstelle, den Kläger telefonisch zu erreichen, sei erfolglos
gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 87 a Abs. 2 und 3,
101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 18. März 2008 sind rechtmäßig und
verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Dem Beklagten steht der mit Leistungsbescheid geltend gemachte Anspruch auf
Erstattung der für die Versetzung des Fahrzeuges des Klägers entstandenen Kosten in
Höhe von 119,00 EUR gegen den Kläger zu (dazu unter a.). Ebenso sind die mit dem
Gebührenbescheid erhobenen Verwaltungsgebühren in Höhe von 90,00 EUR rechtlich
nicht zu beanstanden (dazu unter b.).
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a. Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Erstattung der an das Abschleppunternehmen
für die Versetzung des Fahrzeugs des Klägers vom Beklagten verauslagten Kosten ist §
11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungs-gesetz
(KostO NRW) i.V.m. § 77 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 50 Abs. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 des
Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW).
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Nach den vorgenannten Vorschriften kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen
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treffen, um eine im Einzelfall bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit
abzuwehren. Die Polizei kann insbesondere einen Dritten auf Kosten des Betroffenen
mit der Vornahme einer zur Gefahrenabwehr erforderlichen Handlung beauftragen oder
auf Kosten des Betroffenen die Handlung selbst ausführen, wenn dieser seine
Verpflichtung zu der entsprechenden Handlung nicht erfüllt. Bei der angeordneten
Versetzungsmaßnahme handelt es sich um eine Ersatzvornahme im Sinne der
vorgenannten Vorschriften.
Die in §§ 8 Abs. 1, 50 Abs. 2 PolG NRW als Voraussetzung für das polizeiliche
Eingreifen vorgesehene gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestand
vorliegend. Die öffentliche Sicherheit umfasst neben dem Schutz von Leib und Leben
die öffentliche Rechtsordnung schlechthin. Eine Gefahr bzw. Störung liegt daher bereits
dann vor, wenn gegen öffentlich-rechtliche - hier straßenverkehrsrechtliche -
Vorschriften verstoßen wird. Im Zeitpunkt des Einschreitens des Beklagten lag ein
Verstoß gegen § 1 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor, der bestimmt, dass
jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt,
gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt
wird. Der Kläger hatte seinen Pkw so dicht neben dem Fahrzeug der Zeugen N.
abgestellt, dass es diesen unmöglich war, ihr Fahrzeug aus der Parktasche
herauszufahren. Dies ergibt sich aus den dienstlichen Äußerungen der mit dem Einsatz
befassten Polizeibeamten und den von diesen gefertigten Lichtbildern. Die Einlassung,
der Kläger habe seinen Pkw ordnungsgemäß abgestellt und die Zeugen N. hätten ihr
Fahrzeug dann daneben geparkt, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im
Erörterungstermin fallen gelassen.
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Damit lag ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO und somit eine konkrete Gefahr für die
öffentliche Sicherheit vor, die den Beklagten zum Einschreiten berechtigte.
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Die Ersatzvornahme diente dem Zweck, den rechtswidrigen Zustand zu beenden und
an Stelle des ortsabwesenden Fahrzeugführers dessen Verpflichtung, das Fahrzeug
unverzüglich zu entfernen, zu erfüllen. Weil der Beklagte wegen des Vorliegens einer
gegenwärtigen Gefahr zulässigerweise im Sofortvollzug tätig geworden ist (§ 50 Abs. 2
PolG NRW), bedurfte es keiner Androhung der Ersatzvornahme (§ 56 Abs. 1 Satz 3
PolG NRW).
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Die Versetzungsanordnung verstieß auch nicht gegen den aus dem Verfassungsrecht
(Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) folgenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er
in § 2 PolG NRW seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat. Die angeordnete
Abschleppmaßnahme war geeignet, den Verstoß gegen die angegebene
Verkehrsvorschrift und damit die bereits eingetretene und noch andauernde Störung zu
beseitigen. Die Maßnahme, die sich ohnehin auf ein bloßes Versetzen des Fahrzeuges
des Klägers beschränkte, war auch erforderlich, da andere, den Kläger weniger
beeinträchtigende, gleichermaßen effektive Mittel zur Gefahrenabwehr nicht zur
Verfügung standen.
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Als milderes Mittel kommt regelmäßig die Benachrichtigung des Fahrzeugführers, um
diesem Gelegenheit zu geben, das Fahrzeug freiwillig zu versetzen, jedenfalls dann
nicht in Betracht, wenn der Fahrzeugführer - wie hier - nicht sofort greifbar und eine
sofortige Entfernung des Fahrzeuges damit ungewiss ist,
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vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Februar 2002 -3 B 149.01-, NJW 2002, 2122, und
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vom 6. Juli 1983 -7 B 182.82-, DVBl. 1983, 1066, 1067; OVG NRW, Urteile vom 24.
März 1998 -5 A 183/96-, NJW 1998, 2465, und vom 16. Februar 1982 -4 A 78/81-, NJW
1982, 2277, 2278. Vorliegend ist nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten
zudem ein Versuch, zunächst den Kläger telefonisch zu erreichen, erfolglos geblieben.
Anders als der Kläger meint, kam auch ein Zurücksetzen des Pkws der Zeugen N. nicht
in Betracht, da dies nach Einschätzung der vor Ort eingesetzten Polizeibeamten nicht
ohne die Gefahr der Beschädigung der Fahrzeuge möglich war. Eine andere
Beurteilung ergibt sich weder anhand der vor der Durchführung der
Versetzungsmaßnahme gefertigten Lichtbilder, welche zum Einen den geringen
Abstand zwischen den Fahrzeugen zeigen, zum Anderen aber auch den Schluss nahe
legen, dass der (kürzere) Pkw des Klägers von hinten an das (längere) Fahrzeug der
Zeugen heran gesetzt worden sein muss, noch aufgrund dessen, dass schließlich ein
Versetzen des klägerischen Pkws ohne Beschädigung der Fahrzeuge möglich war. Es
leuchtet ohne weiteres ein, dass eine aufgrund Zuparkens eines Fahrzeuges durch ein
anderes Fahrzeug eingetretene Verkehrsbehinderung am ehesten durch Wegfahren
bzw. - wie vorliegend - ersatzweise durch das Versetzen des zuparkenden Fahrzeugs
beendet werden kann.
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Die Anordnung der Ersatzvornahme war auch angemessen. Sie hat keine Nachteile zur
Folge, die zu dem angestrebten Erfolg außer Verhältnis stehen. Sie belastet den Kläger
lediglich mit Kosten in Höhe von 119,00 EUR. Die Größenordnung dieses zu zahlenden
Geldbetrages bleibt im Rahmen der üblichen Unterhaltungskosten eines Kraftfahrzeugs.
Schon deshalb stehen die Nachteile zu dem mit der Maßnahme erstrebten Zweck in
keinem offensichtlichen Missverhältnis.
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Allerdings rechtfertigt das Vorliegen eines bloßen Verkehrsverstoßes ohne das
Hinzutreten weiterer Umstände nicht ohne weiteres das Vorgehen im
Verwaltungszwang. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist das
Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Fahrzeuges aber jedenfalls dann, wenn
es, wie vorliegend zu einer konkreten Verkehrsbehinderung gekommen ist.
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Da die Anordnung der Versetzungsmaßnahme schließlich auch keine Ermessensfehler
aufweist, ist die Ersatzvornahme rechtmäßig durchgeführt worden. Der Kläger ist daher
auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 KostO NRW i.V.m. § 77 Abs. 1 VwVG
NRW i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 50 Abs. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 PolG NRW zur Zahlung der
Kosten der Maßnahme verpflichtet.
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b. Auch der angefochtene Gebührenbescheid mit der Festsetzung einer
Verwaltungsgebühr in Höhe von 90,00 EUR erweist sich als rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage für die angefochtene Gebührenerhebung ist § 7 a Abs. 1 Nr. 7 KostO
NRW i.V.m. § 77 Abs. 2 VwVG NRW. Danach ist für - rechtmäßige - Amtshandlungen im
Zusammenhang mit dem Abschleppen eines zugelassenen Kraftfahrzeuges im Wege
der Ersatzvornahme eine Gebühr von 25,-- EUR bis 150,-- EUR zu erheben.
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Die Gebührenerhebung ist nach Grund und Höhe rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die ihr zugrundeliegende Abschleppmaßnahme erweist sich - wie zuvor unter a. im
Einzelnen dargelegt - als rechtmäßig.
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Auch die Höhe der erhobenen Verwaltungsgebühr begegnet mit Blick auf den von dem
Beklagten in der Begründung des Bescheides angeführten Zeit- und Personalaufwand
keinen Bedenken. Sie bewegt sich mit 90,00 EUR im mittleren Bereich des zulässigen
Gebührenrahmens. Dafür, dass bei der Bemessung dieses Gebührensatzes andere
Kosten als die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Abschleppen von
Kraftfahrzeugen im Wege der Ersatzvornahme bei durchschnittlichem
Verwaltungsaufwand entstehen (vgl. § 77 Abs. 3 Satz 2 VwVG NRW), Berücksichtigung
gefunden haben, ist weder etwas vorgetragen noch aufgrund sonstiger Umstände
ersichtlich. Schließlich steht die vom Beklagten erhobene Gebühr auch in keinem
Missverhältnis zu der von ihm erbrachten Leistung und erweist sich daher auch als
verhältnismäßig.
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Die Klage ist daher nach allem in vollem Umfang abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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