Urteil des VG Aachen vom 19.01.2010

VG Aachen (höhe, härte, stille reserven, ergebnis, gesetz, bemessungsgrundlage, geschäftstätigkeit, gewerbesteuer, teilerlass, ertrag)

Verwaltungsgericht Aachen, 3 K 965/09
Datum:
19.01.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 965/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie begehrt
einen Teilerlass des Kammerbeitrages für das Jahr 2006 in Höhe von 132.600,00 EUR.
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Mit Wirkung vom 29. September 2006 veräußerte der niederländische Mutterkonzern der
Klägerin seine Halbleiter-Sparte "Q. T. " an eine Investorengruppe zu mehr als 80 % und
beendete seine operativen Aktivitäten in dieser Sparte. Dazu gehörten in Deutschland
die Organgesellschaften Q. T. GmbH mit zwei Betrieben in I. und einem Betrieb in C.
sowie die Q. T. E. AG in E. und die ehemalige Zweigniederlassung Q. GmbH
Unternehmensbereich T. mit Betrieben in I. und N. . Die Klägerin erzielte aus der
Veräußerung der Sparte T. ein außerordentliches Ergebnis (nach Gewerbesteuer) von
253,6 Millionen Euro. Insgesamt betrug der Gewerbeertrag des Organkreises 2006 etwa
461 Millionen Euro.
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Mit Bescheid vom 10. Februar 2006 erfolgte eine vorläufige Veranlagung der Klägerin
durch die Beklagte für das Jahr 2006 in Höhe von 10.000,00 EUR. Mit Beitragsbescheid
vom 6. Februar 2009 erfolgte die endgültige Beitragsfestsetzung für das Jahr 2006 in
Höhe von 243.544,52 EUR. Als Bemessungsgrundlage wurde ein Gewerbeertrag 2006
in Höhe von 83.084.317,60 EUR (= Zerlegungsanteil für den IHK-Bezirk B. ) und ein
Hebesatz von 0,290 % zugrunde gelegt. Dieser Beitragsbescheid ist bestandskräftig
geworden.
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Bereits mit Schreiben vom 6. März 2009 hatte die Klägerin vorsorglich einen Antrag auf
Teilerlass des Kammerbeitrags 2006 in Höhe von 143.000,00 EUR gestellt. Zur
Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Veräußerung der
Sparte T. und dem sich daraus ergebenden Ertrag um ein einmaliges Ereignis
gehandelt habe.
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Unter dem 2. April 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Antrag auf
Teilerlass nicht entsprochen werden könne. Eine unbillige Härte liege nicht vor. Nach §
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7 GewStG gehörten Gewinne aus Veräußerungsgeschäften im Falle der Klägerin zum
Ertrag. Deshalb sei dieser Gewinn in die Festsetzung der Gewerbesteuer eingeflossen
und auch bei der Bemessung des Kammerbeitrags zu berücksichtigen.
Nachdem die Klägerin hiergegen "Widerspruch" eingelegt hatte, teilte die Beklagte der
Klägerin mit Schreiben vom 27. April 2009 mit, dass das Widerspruchsverfahren
abgeschafft sei; diesem Schreiben ist eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.
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Die Klägerin hat am 29. Mai 2009 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im
Wesentlichen aus: Die Beklagte lege in ihrer Beitragsordnung zur Bemessung des
Beitrages einen rein linearen Zusammenhang zum Gewerbeertrag fest. Dies führe zu
einer Verletzung des Äquivalenzprinzips. Insbesondere widerspreche das Fehlen
jedweder degressiven Komponenten bei der Festlegung der Umlage dem Ersten
Gossenschen Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Auch sei darauf hinzuweisen,
dass es bei den verschiedenen Kammern einen sehr unterschiedlichen Beitragssatz
gebe. Dies entspreche möglicherweise nicht dem Gleichheitsgebot. Im Rahmen der
Erlassvorschrift des § 18 der Beitragsordnung sei eine Prüfung des einzelnen Falls
erforderlich. Ohne eine solche Prüfung und den damit verbundenen Vergleich mit den
Bemessungsgrundlagen des Durchschnitts der Kammermitglieder im IHK-Bezirk B. sei
ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gegeben. Die Erlassvorschrift werde
von Beklagtenseite ermessensfehlerhaft auf die Fälle persönlicher Härte beschränkt.
Auch wenn die Höhe des Gewerbeertrages in der Regel ein zutreffendes Bild von der
finanziellen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens wiedergebe, werde die
vorgeschriebene gleichmäßige Behandlung aller Kammerzugehörigen verletzt, wenn
dieser Zusammenhang in der Praxis schematisch dazu benutzt werde, das Vorliegen
einer unbilligen Härte im Sinne von § 18 der Beitragsordnung zu verneinen und als
Begründung auf die Festsetzung durch das Finanzamt zu verweisen. Dieser Hinweis sei
prinzipiell untauglich für die Beurteilung der Frage, ob ein Härte vorliege, da diese
wegen der schematischen Umsetzung der durch das zuständige Finanzamt
festgesetzten Bemessungsgrundlage ja gerade erst eintrete. Für die Beantwortung der
Frage, ob - wie im Falle der Klägerin - eine sachliche Härte vorliege, gebe dieses
Vorgehen erkennbar nichts her. Dazu sei auf die Komponente der gewerbesteuerlichen
Bemessungsgrundlage des jeweiligen Erhebungszeitraums abzustellen. Diese setze
sich grundsätzlich aus den Erträgen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (betriebliches
Ergebnis) und aus dem Finanzergebnis zusammen. Außerordentliche Ergebnisse
einschließlich der Ergebnisse aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen und
Geschäftsaktivitäten würden grundsätzlich einer dieser Kategorien zugeordnet,
allerdings mit Ausnahme von derart außergewöhnlichen Ergebnissen, für die wegen der
gebotenen Transparenz des Jahresabschlusses eine gesonderte Ausweisung
vorgeschrieben sei (§ 277 Abs. 4 HGB). Zu dieser Kategorie gehöre das
außerordentliche Ergebnis aus der Veräußerung der Sparte T. , das qualitativ und
quantitativ weit über die vorgenannten - im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb auftretenden
- Veräußerungsergebnisse hinausgehe. Wegen der Regelungen in § 277 Abs. 4 HGB
sei auch der Nachweis entsprechender Vorgänge im Rahmen der Prüfung eines
Erlassantrags unschwer möglich und führe nicht zu einer unangemessenen
administrativen Belastung seitens der Beklagten, zumal das Erlassverfahren kein
Massenverfahren sei. Die Erhebung der Umlage auf ein außerordentliches Ergebnis
i.S.v. § 277 Abs. 4 HGB führe ersichtlich zu einer ungleichmäßigen Behandlung der
Klägerin im Vergleich zum Durchschnitt der übrigen Kammerzugehörigen, weil derartige
Vorgänge bei der Mehrheit der Kammermitglieder selten seien. Ferner wachse der
Kammer in derartigen außerordentlichen Veräußerungsfällen eine additionelle
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Bemessungsgrundlage zu, da an einen anderen Unternehmensträger veräußerte
Betriebe ihre Leistungskraft prinzipiell nicht verlören. Die Kammer könne daher von
einer fortgesetzten Beitragsleistung dieser Betriebe ausgehen und erhalte zusätzlich die
volle Umlage auf das außerordentliche Verkaufsergebnis. Dieses offensichtlich
unangemessene Ergebnis sei durch einen rechtsfehlerfreien Gebrauch der
Erlassvorschrift des § 18 der Beitragsordnung vermeidbar und daher herbeizuführen. Im
Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sich eine Verletzung des Äquivalenzprinzips aus
der völligen Beitragsfreiheit großer Teile der Mitglieder ergebe. So hätten nach der
Gewerbesteuerstatistik 2004 61 % der Gewerbesteuerpflichtigen einen
Steuermessbetrag von Null und würden somit zu den Kammerbeiträgen maximal mit
dem Grundbetrag herangezogen.
Die Klägerin beantragt,
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den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 2. April 2009 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, der Klägerin antragsgemäß den Kammerbeitrag für das Jahr
2006 in einer Höhe von 132.600,00 EUR zu erlassen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Ablehnung des Erlassantrages sei zu Recht erfolgt. Die Klägerin berufe sich nicht
auf eine persönliche Härte. Eine unbillige Härte aus sachlichen Gründen sei ebenfalls
nicht erkennbar. Die gesetzliche Verknüpfung zwischen Gewerbeertrag und
Kammerumlage sei vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt und könne im
Erlassverfahren nicht überprüft werden. Einwendungen gegen die Höhe des
festgesetzten Gewerbeertrages seien ausschließlich gegenüber den Finanzbehörden
geltend zu machen. Im Übrigen werde die Richtigkeit der Ertragsfestsetzung durch das
Finanzamt von der Klägerin nicht bestritten. Wenn sie vortrage, die Einbeziehung des
vollen Ertrages in die Umlageberechnung sei verfassungswidrig, so handele es sich um
einen Einwand gegen den Ausgangsbescheid. Dieser sei jedoch in Bestandskraft
erwachsen und daher nicht mehr angreifbar. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund
die Bemessung der Beitragsforderung nach dem Gewerbeertrag im Falle der Klägerin
unbillig sein sollte. Eine Ungleichbehandlung sei schon deshalb ausgeschlossen, weil
nach den genannten Bestimmungen alle Mitglieder, die einen gleich hohen
Gewerbeertrag erzielt hätten, in gleicher Weise zum Beitrag herangezogen würden.
Eine Ungleichbehandlung könne auch nicht damit begründet werden, dass es sich bei
der Veräußerung von Betriebsteilen um einen einmaligen Vorgang handele, der im
Vergleich zum Durchschnitt der Kammerzugehörigen nur selten anfalle. Die Art des
gewerblichen Vorgangs, aus dem ein Gewerbeertrag entstanden sei, bleibe nach dem
erkennbaren Willen des Gesetzgebers im Regelfall nämlich ohne Bedeutung. Die
Anwendung des Äquivalenzprinzips führe zu keinem anderen Ergebnis. Es sei insoweit
nicht zu beanstanden, dass die Beitragshöhe an die Gewerbesteuer anknüpfe.
Insbesondere seien keine Gesichtspunkte erkennbar, wonach ab einer bestimmten
Ertragshöhe der regelmäßige Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskraft und dem
mittelbaren Vorteil aus der Kammerzugehörigkeit entfalle. Die Verschiedenheit der
Beitragslast zwischen Kammerzugehörigen mit unterschiedlichem Gewerbeertrag biete
keinen Nachweis dafür, da es an einem entsprechenden Zusammenhang fehle. Dies
trage vielmehr dem Gedanken der Solidargemeinschaft Rechnung. Bei dem so
genannten Ersten Gossenschen Gesetz handele es sich nicht um eine
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Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich um eine volkswirtschaftliche Hypothese. Aus dieser
könnten sich keine Zweifel an der Wahrung des Äquivalenzprinzips ergeben. Die
Angemessenheit des IHK-Beitrages hänge gerade nicht von einem messbaren Vorteil
für ein einzelnes Unternehmen ab. Der Verweis der Klägerin auf die unterschiedlichen
Umlagesätze verschiedener Industrie- und Handelskammern gehe in der Sache fehl.
Nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Selbstverwaltung biete das IHK-Gesetz
Spielräume für regionale Unterschiede. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung bestehe
insoweit nicht. Der Beklagten wachse bei außerordentlichen Veräußerungsfällen auch
keine additionelle Bemessungsgrundlage zu. Veräußerungsgewinne beruhten im
Wesentlichen auf stillen Reserven sowie dem Firmenwert des verkauften
Unternehmens. Auf der Erwerberseite sei der Firmenwert zu aktivieren und gemäß § 7
Abs. 1 EStG über 15 Jahre abzuschreiben. Mittelfristig sei der Vorgang insoweit in der
Regel steuer- und beitragsneutral. Insgesamt seien somit bereits die tatbestandlichen
Voraussetzungen des Erlasses nicht erfüllt. Unabhängig davon sei auch das Ermessen
ordnungsgemäß ausgeübt worden. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf
Null, wonach ein Erlass unabdingbar sei, seien von Seiten der Klägerin jedenfalls nicht
vorgetragen worden.
In dem am 25. August 2009 vor dem Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermin
hat die Klägerin klargestellt, dass der Beitragsbescheid vom 6. Februar 2009 selbst
nicht Streitgegenstand ist und es ausschließlich um den begehrten Teilerlass gehe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 2.
April 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in Ihren Rechten (vgl. § 113
Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Die Klägerin hat
keinen Anspruch auf den begehrten Teilerlass des Kammerbeitrages für das Jahr 2006.
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Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 der Beitragsordnung (BO) der Beklagten können Beiträge auf
Antrag im Falle einer unbilligen Härte ganz oder teilweise erlassen werden. Im Interesse
einer gleichmäßigen Behandlung aller Kammerzugehöriger ist an den Begriff der
unbilligen Härte ein strenger Maßstab anzulegen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 BO).
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Die Erhebung
eines Beitrags auf der Grundlage des sich aus der Veräußerung der Sparte "Q. T. " im
Jahr 2006 ergebenden Gewerbeertrags führt auf Seiten der Klägerin nicht zu einer
sachlichen Unbilligkeit. Eine persönliche Unbilligkeit wird von der Klägerin ohnehin
nicht geltend gemacht und scheidet auch erkennbar aus.
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Die Erhebung eines IHK-Beitrags ist vor allem dann (sachlich) unbillig, wenn sie im
Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes bzw. der Beitragssatzung
nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Bei der sachlichen
Billigkeitsprüfung müssen grundsätzlich solche Erwägungen unbeachtet bleiben, die
der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Eine Billigkeitsmaßnahme
darf unter gar keinen Umständen, selbst nicht unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten, dazu führen, die generelle Gültigkeitsanordnung des den
Beitragsanspruch begründenden Gesetzes (der Satzung) zu unterlaufen.
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Vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Oktober 1994 - X R 104/92 - (juris);
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. April 2001 - 11 A 11224/00
- (juris).
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Daraus folgt für den vorliegenden Fall: Das IHK-Gesetz und die auf ihm beruhende
Beitragsordnung (vgl. §§ 4, 7 BO) i.V.m. der Wirtschaftssatzung der Beklagten
bestimmen, dass der vom Finanzamt im Gewerbesteuermessbescheid festgesetzte
Gewerbeertrag Bemessungsgrundlage für die festzusetzende Umlage ist. Diese
satzungsmäßige Verknüpfung ist im Erlassverfahren nicht zu überprüfen.
Einwendungen gegen die Höhe des Gewerbeertrags sind in erster Linie in dem dafür
vorgesehenen Verfahren vor dem Finanzgericht geltend zu machen. Solche
Einwendungen werden von der Klägerin im Übrigen ausdrücklich nicht geltend
gemacht. Es ist also davon auszugehen, dass die Veräußerung der Halbleiter-Sparte im
Jahr 2006, aus denen die Klägerin den festgesetzten Gewerbeertrag erzielt hat, nach
dem Steuerrecht als normale gewerbliche Tätigkeit gilt und der Ertrag ebenso der
Gewerbesteuer und damit der Beitragsfestsetzung unterliegt wie die Erträge aus anderer
Geschäftstätigkeit.
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Warum diese Verknüpfung der Beitragsbemessung mit dem Gewerbeertrag gerade in
dem Einzelfall der Klägerin unbillig sein soll, ist nicht ersichtlich. Dass die Höhe des
Beitrages die Unbilligkeit begründen könnte, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil
nach den genannten Bestimmungen alle Mitglieder, die einen gleich hohen
Gewerbeertrag erzielt haben, den gleichen Beitrag zu zahlen haben. Ebenso ist die Art
des gewerblichen Vorganges, aus dem der Gewerbeertrag entstanden ist, für das
Erlassverfahren grundsätzlich ohne Bedeutung. Das IHK-Gesetz und die Satzungen der
Beklagten unterscheiden weder für die Mitgliedschaft noch für die Beitragspflicht nach
der Art des betriebenen Gewerbes, sondern knüpfen daran an, ob die natürlichen oder
juristischen Personen zur Gewerbesteuer veranlagt sind. Sofern ein Gewerbeertrag in
gleicher Höhe erzielt wird, ist auch der Beitrag in gleicher Höhe zu zahlen.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. April 2001, a.a.O..
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Eine sachliche Unbilligkeit ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der sich aus
der Veräußerung der Halbleiter-Sparte ergebende Ertrag nach § 277 Abs. 4 des
Handelsgesetzbuchs (HGB) als "außergewöhnlicher Ertrag" im Jahresabschluss
gesondert auszuweisen war. Die Regelung des § 277 Abs. 4 HGB dient dem Schutz der
Adressaten des Jahresabschlusses. Im Unterschied zum Ergebnis der gewöhnlichen
Geschäftstätigkeit entstammen die in dieser Vorschrift genannten außergewöhnlichen
Erträge Sondereffekten (hier: Veräußerung eines ganzen Geschäftszweiges), die im
Vorfeld in aller Regel nicht vorhersehbar waren und die auch für die Zukunft nicht
kalkulierbar sind. Gerade aber die zukünftige Ertragsentwicklung des Unternehmens ist
von besonderem Interesse für den Adressaten des Jahresabschlusses, den die in
Aussicht stehenden Reinerträge, z.B. als Entscheidungsgrundlage für einen Anteilskauf
oder -verkauf, stärker interessieren dürften als bereits realisierte Erträge.
Außerordentliche Erträge müssen deshalb von den Ergebnissen aus der gewöhnlichen
Geschäftstätigkeit sorgsam getrennt werden.
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Vgl. Reiner/Haußer, in: Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl. (2008), Rn. 35 zu §
277 HGB.
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§ 277 Abs. 4 HGB dient daher dem Schutz der Adressaten des Jahresabschlusses,
enthält aber keine Aussage dazu, wie die außergewöhnlichen Erträge steuer- oder
beitragsrechtlich zu beurteilen sind. Insbesondere lässt sich weder der Beitragsordnung
der Beklagten noch der gesetzlichen Regelung in § 3 Abs. 3 IHKG entnehmen, dass die
Erhebung von Beiträgen auf solche außergewöhnlichen Erträge dem Zweck der
Beitragserhebung widerspricht. Für die Leistungskraft des Kammermitglieds in dem
streitigen Beitragsjahr ist es vielmehr unerheblich, ob der Gewerbeertrag aus der
gewöhnlichen Geschäftstätigkeit oder aus Sondereffekten resultiert. Daher kann auch
keine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Kammermitgliedern ohne
außergewöhnliche Erträge i.S.v. § 277 Abs. 4 HGB festgestellt werden. Im Übrigen ist
darauf hinzuweisen, dass infolge der Veräußerung der Halbleiter-Sparte durch die
Klägerin stille Reserven aufgelöst worden sind, die letztlich wiederum aus der
gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens resultierten. Von daher ist es nicht
unbillig, die Klägerin für diese Erträge zu Beiträgen heranzuziehen.
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Soweit die Klägerin schließlich noch geltend macht, durch die rein lineare
Beitragsbemessung (ohne Deckelung) werde gegen das "1. Gossensche Gesetz" und
damit letztlich gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen, handelt es sich um einen
unmittelbar gegen die Beitragsfestsetzung gerichteten Einwand, mit dem die Klägerin im
Erlassverfahren nicht gehört werden kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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