Urteil des VG Aachen vom 29.07.2004

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Verwaltungsgericht Aachen, 6 L 167/04.A
Datum:
29.07.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 L 167/04.A
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des
Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Der Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner gemäß § 123 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufzugeben, es zu unterlassen, ihn abzuschieben
oder sonst aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einzuleiten, ist unbegründet.
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Sofern der Antragsteller bzw. dessen Prozessbevollmächtigter geltend machen wollen,
das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden:
Bundesamt) habe in dem mit der Klage angegriffenen Ablehnungsbescheid vom 28.
Januar 2004 zu Unrecht die Durchführung eines weiteren Folgeverfahrens abgelehnt
und habe eine Abschiebungsandrohung mit dem Zielland Pakistan nicht erlassen
dürfen, weil der Antragsteller als Asylberechtigter anerkannt werden müsse und ein
Abschiebungshindernis gemäß § 51 Abs. 1 AuslG in seiner Person bestehe, steht einer
Berücksichtigung ihres Vorbringens im vorliegenden Verfahren § 123 Abs. 5 VwGO
entgegen. Ist -wie im Fall des Klägers- im Zusammenhang mit einer Asylentscheidung
eine Abschiebungsandrohung ergangen, so ist um Eilrechtsschutz prinzipiell gemäß §
80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 Satz l der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung
mit §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 Satz l des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) nachzusuchen.
Die damit auch für den Kläger nach dem Erlass des Ablehnungsbescheids vom 28.
Januar 2004 insoweit gegebene Möglichkeit des Eilrechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5
VwGO sperrt in diesem Umfang die Möglichkeit des Eilrechtsschutz nach § 123 Abs. 5
VwGO. Dass der Antragsteller faktisch einen Eilrechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO
nicht mehr erreichen kann, weil er die Antragsfrist von einer Woche -über die er
ordnungsgemäß belehrt worden ist- längst überschritten hat -die Klage ist bereits am 9.
Februar 2004 erhoben worden-, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. § 123 Abs.
5 VwGO entfaltet eine Sperrwirkung auch dann, wenn der Eilrechtsschutz gemäß § 80
Abs. 5 VwGO nur fristgebunden zur Verfügung gestellt wird.
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Der damit alleine entscheidende -weil nicht wegen § 123 Abs. 5 VwGO im vorliegenden
Verfahren auszuklammernde- Problemkreis, ob sich ein das Antragsbegehren tragender
Anordnungsanspruch daraus ergibt, dass das Bundesamt die in früheren Verfahren
getroffene Feststellung zum Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 53
AuslG hätte aufgreifen müssen, weil entgegen der Wertung des Bundesamtes dem
Antragsteller doch ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 AuslG zur Seite steht, das
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durch einstweilige Anordnung zu sichern ist, weil bei einer Abschiebung des
Antragstellers nach Pakistan ein irreparabler Schaden eintreten würde, ist zu verneinen.
Einen Abschiebungsschutzanspruch nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 9 EMRK
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-vgl. zum Schutzumfang des Kerns der Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2000 - BVerwG 9 C 34.99 - BVerwGE 111,
223 (229 f.)-
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hat der Antragsteller nicht konkret bezogen auf seine Person substantiiert vorgetragen,
und zwar auch nicht, nachdem seinem Anwalt die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2004 -1 C 9.03-, das zu dem Fall eines
iranischen Asylantragstellers ergangen ist, übermittelt worden war.
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Ebensowenig hat er substantiiert vorgetragen, dass ihm bei einer Rückkehr nach
Pakistan -entgegen der Wertung des erkennenden Gerichts in dem im Verfahren 6 K
2387/02 ergangenen Urteil- doch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG zusteht.
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Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang erneut geltend macht, dass er
überall in Pakistan damit rechnen muss, dass sein Übertritt zum Christentum dort
bekannt ist, hat er keinerlei neue Argumente vorgetragen, die geeignet sein könnten,
diese Frage anders als in dem genannten Urteil der Kammer zu bewerten.
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Aber auch soweit er sich zur Begründung eines Abschiebungshindernisses nach § 53
Abs. 6 Satz 1 AuslG erneut auf die Bedrohung seines Lebens durch enge Verwandte
(Vater, Bruder) beruft, fehlt es an konkreten und nachvollziehbaren Angaben, die
nunmehr seinen Anspruch begründen könnten. Der Antragsteller hat zwar in diesem
Punkt sein Vorbringen gegenüber dem genannten Klageverfahren dadurch erweitert,
dass er ergänzend vorträgt, er fühle sich selbst in Deutschland durch seine Familie
bedroht. Die schlüssige Begründung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6
Satz 1 AuslG ist damit aber nicht erfolgt. Nimmt man seinen Vortrag in diesem Punkt
ernst, entfällt die Annahme eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG wegen der Bedrohung durch seine Familie schon aus Rechtsgründen deshalb,
weil er nach seiner neuesten Einlassung hierzu auch in Deutschland nicht sicherer als
in Pakistan lebt. Vor allem aber fehlt es auch unter Berücksichtigung dieser neuesten
Einlassung an nachprüfbaren Fakten, die belegen, dass seine Familie ihn tatsächlich
mit einer solchen Entschlossenheit finden und umbringen will, dass mit hoher
Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass er bei einer Rückkehr nach Pakistan von
seiner Familie getötet würde. Die in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung zu
dem Begriff der "Blutrache" entwickelten Anforderungen an die Konkretheit der
Lebensgefahr für den Antragsteller bei einer Rückkehr in sein Heimatland,
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vgl. hierzu z.B. das Urteil des erkennenden Gerichts vom 9. Juni 2004 -6 K 554/04.A-,
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füllt der Vortrag des Antragstellers bei Weitem nicht aus, sodass auch insoweit kein
Anlass besteht, die Gefährdung des Antragstellers durch seine Familie jetzt anders als
im genannten Kammerurteil vom 11. November 2003 zu beurteilen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. l VwGO und § 83 b Absatz l AsylVfG.
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