Urteil des VG Aachen vom 10.02.2010

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Verwaltungsgericht Aachen, 7 K 1535/08
Datum:
10.02.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1535/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollsteckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
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Der Kläger begehrt die (erneute) Auszahlung der Betriebsprämie für das Wirtschaftsjahr
2006 in Höhe von 6.298,01 EUR, die der Beklagte auf Antrag vom 9. Mai 2006 mit
Bescheid vom 4. Mai 2007 bewilligt hatte. Der Zahlungsbetrag wurde Anfang Januar
2007 aufgrund der Pfändung und Überweisung der Betriebsprämienforderung der
Pfandgläubigerin des Klägers, Frau E. Q. , ausgezahlt.
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Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Unter der Prozessregisternummer des Amtsgerichts E1. 00221/93 wurden am 12.
Januar 2001 unter dem Aktenzeichen 8 M 4350/01 sowie am 19. Januar 2006 unter dem
Aktenzeichen 35 M 106/06 jeweils zugunsten der Gläubigerin des Klägers, Frau E. Q. ,
ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, und zwar jeweils wegen des
Zahlungsanspruchs aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts B. vom 4. Mai 1993
- 1 O 625/92 -. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 19. Januar 2006 betraf
u.a. die Ansprüche des Klägers auf Zahlung der Betriebsprämien für das Jahr 2005 und
die Folgejahre bis zur Tilgung der Forderung in Höhe von 52.420,17 EUR zuzüglich der
Nebenforderungen.
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Nachdem der Beklagte dem Kläger unter dem 18. Juni 2006 eine Aufstellung der
aufgelaufenen Extensivierungsprämienansprüche hatte zukommen lassen, teilte der
Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2006 mit, dass gemäß Urteil des Landgerichts B.
vom 30. Mai 1997 - 9 O 621/93 - auf die Forderung der Frau E. Q. in Höhe von 52.420,17
EUR ein Betrag von 57.000,- DM (29.193,64 EUR) gezahlt worden sei. In Höhe diese
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Betrages könne der Beklagte daher nicht mehr mit befreiender Wirkung an Frau E. Q.
leisten. Die vollsteckbare Ausfertigung des Urteils des Landgerichts B. vom 30. Mai
1997 sei von der damaligen Prozessgegnerin mittlerweile ausgehändigt worden. Gegen
den fortbestehenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss werde man vorgehen,
soweit dieser ungeachtet der erfolgten Zahlungen in voller Höhe aufrecht erhalten
werde. Der Beklagte erwiderte am 6. Juni 2006, die zugunsten der Gläubigerin E. Q.
erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 25. Juli 2001 und vom 19.
Januar 2006 gälten nach der gesetzlichen Regelung selbst, wenn sie zu Unrecht
erlassen worden seien, zu seinen Gunsten solange fort, bis sie aufgehoben worden
seien und die Aufhebung zu seiner Kenntnis gelangt sei. Dies sei bislang nicht der Fall.
Ob und inwieweit die Vollstreckungsforderung der Pfandgläubigerin durch Zahlungen
Dritter erloschen sei, könne vom Beklagten nicht nachvollzogen werden.
Mit Beschluss vom 30. November 2006 - 26 W 11/06 - gewährte das Oberlandesgericht
L. in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts B. vom 5. September 2006 - 11 O
454/06 - dem Kläger als Antragsteller des beabsichtigten Antrags auf uneingeschränkte
Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts B. vom
4. Mai 1993 - 1 O 625/92 Prozesskostenhilfe. Nach Einschätzung des
Oberlandesgerichts L. hat der Antrag Aussicht auf Erfolg, weil der Vollstreckungstitel
nicht hinreichend bestimmt. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Gegenvorstellung
der Pfandgläubigerin wurde mit Beschluss vom 28. Dezember 2006 verworfen. Der
Prozessbevollmächtigte der Pfandgläubigerin teilte dem Beklagten daraufhin mit
Faxschreiben vom 5. Januar 2007 (Eingang: 13Uhr42) mit, dass er mit Post vom
gleichen Tag den Vollstreckungstitel, das Urteil des Landgerichts B. vom 4. Mai 1993 - 1
O 625/92 -, an den Prozessbevollmächtigten des Klägers herausgegeben habe. Damit
seien die beim Beklagten anhängigen Vollstreckungsmaßnahmen gegenstandslos. Der
Vollstreckungstitel gelangte per Einschreiben und Rückschein mit einem
Begleitschreiben des Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin vom 5. Januar 2007 an
den Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Zustelldatum ist nicht bekannt.
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Nach Erlass des Bewilligungsbescheides des Beklagten vom 4. Mai 2007 legte der
Kläger am 30. Mai 2007 mit der Begründung Widerspruch ein, die Auszahlung der - der
Höhe nach nicht beanstandeten - Betriebsprämie für das Wirtschaftsjahr 2006 sei zu
Unrecht an die Pfandgläubigerin, Frau E. Q. , erfolgt. Der Beklagte habe insoweit nicht
mehr mit befreiender Wirkung leisten können, da die Zwangsvollstreckung nach
Rückgabe des Vollstreckungstitels an den Kläger nicht mehr möglich gewesen sei.
Aufgrund des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Pfandgläubigerin habe der
Beklagte auch Kenntnis von der Titelherausgabe gehabt.
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Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 14.
August 2008 als unbegründet zurück. Er habe mit befreiender Wirkung an die
Gläubigerin leisten können, weil er im Zeitpunkt der Auszahlung noch keine Kenntnis
von der Titelherausgabe gehabt habe. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der
Gläubigerin sei erst am 8. Januar 2007 eingegangen und habe bei der Auszahlung
schon aus arbeitstechnischen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können. Der
Auszahlungsvorgang sei zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen.
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Am 17. Juli 2008 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.
Der Beklagte habe bereits am 5. Januar 2007 Kenntnis von der Herausgabe des
Vollstreckungstitels gehabt, zu diesem Zeitpunkt habe selbst eine automatisierte
Auszahlung, die zudem auch erst am 10. Januar 2007 erfolgt sei, noch verhindert
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werden können. Etwaige Defizite und Verzögerungen im Arbeitsablauf des Hauses des
Beklagten seien ihm nicht anzulasten. Der Beklagte sei aufgrund des vorangegangenen
Schriftwechsels auch nicht völlig unvorbereitet gewesen, sondern habe mit der
Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses rechnen müssen. Im
Übrigen habe der vom Beklagten im Widerspruchsbescheid in Bezug genommene
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25. Juli 2001 - 8 M 4350/01 - die
Betriebsprämienansprüche des Klägers nicht erfasst.
Der Kläger, der zunächst die erneute Auszahlung der Betriebsprämie für das
Wirtschaftsjahr 2006 an sich begehrt hat, beantragt zuletzt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Mai 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2008 zu verurteilen, in Entsprechung des
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses - 35 M 3493/08 (richtig: 35 M 3493/09) - vom
24. September 2009 den Betrag von 6.298,01 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2001 an Herrn T. F. in W. ,
zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Leistung an die Pfandgläubigerin sei wirksam. Sie sie, anders als noch im
Widerspruchsbescheid angegeben, aufgrund des Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses vom 19. Januar 2006 - 8 M 106/06 - erfolgt, der die
Betriebsprämienansprüche des Klägers erfasse. Der Beklagte habe das Schreiben des
Prozessbevollmächtigten der Pfandgläubigerin über die Titelherausgabe im
zuständigen Arbeitsbereich des Förderreferats erst am Montag, dem 8. Januar 2007,
erhalten. Dort habe es zunächst zugeordnet und bewertet werden müssen. Die Prüfung,
Bearbeitung und Freigabe der Pfändungsfälle für die Auszahlungsdatei sei jedoch
schon am Freitag, dem 5. Januar 2007 abgeschlossen worden, was dem Arbeitsbereich
Auszahlung am 8. Januar 2007 mitgeteilt worden sei. Die eine Vielzahl von
Auszahlungsfällen betreffende Auszahlungsdatei sei am 9. Januar 2007 erstellt worden
und noch am selben Tag mit Fälligkeit 10. Januar 2007 an die Bundeskasse in Trier
weitergeleitet worden, von wo aus die Auszahlung des Gesamtbetrages von etwa
4.000.000,- EUR am 11. Januar 2007 umgesetzt worden sei. Die letzte, wegen der
Vielzahl der mit betroffenen Fälle aber nur theoretische Möglichkeit, die Auszahlung der
klägerischen Betriebsprämie an die Pfandgläubigerin zu stoppen, habe damit am 9.
Januar 2007 bestanden. Dass die Relevanz des Schreibens vom 5. Januar 2007 zu
diesem Zeitpunkt schon zutreffend habe bewertet werden können, sei jedoch nicht
ersichtlich.
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Die Betriebsprämienansprüche des Klägers gegen den Beklagten sind mit Beschluss
des Amtsgerichts E1. vom 24. September 2009 - 35 M 3493/08 - sowie durch Beschluss
des Amtsgerichts E1. vom 2. November 2009 - 35 M 3610/09 - erneut gepfändet und
überwiesen worden.
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Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der
öffentlichen Sitzung vom 10. Februar 2010 hingewiesen.
16
Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin
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übertragen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsvorgänge (6 Bände)
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die nach sachdienlicher Klageänderung - vgl. § 91 Abs. 1 VwGO - zulässige
(Leistungs)Klage ist nicht begründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf (erneute) Auszahlung der mit
Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2007 bewilligten Betriebsprämie für das
Wirtschaftsjahr 2006 in Höhe von 6.298,01 EUR an den Pfandgläubiger aus dem
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts E1. vom 24. September
2009 - 35 M 3493/09 -, Herrn T. F. . Er muss die am 9./10./11. Januar 2007 auf der
Grundlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 19. Januar 2006 - 35 M
106/06 - erfolgte Auszahlung der Betriebsprämie für das Wirtschaftjahr 2006 an seine
vormalige Pfandgläubigerin, Frau E. Q. , gegen sich gelten lassen. Der
Zahlungsanspruch aus dem Bewilligungsbescheid vom 4. Mai 2007 ist mit der Leistung
erloschen und die Vollstreckungsforderung insoweit erfüllt.
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Der Beklagte kann sich für die Leistung an die Pfandgläubigerin auf die Schutzwirkung
des § 836 Abs. 2 ZPO berufen.
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Nach § 836 Abs. 2 ZPO gilt der Überweisungsbeschluss zugunsten des Drittschuldners
dem Schuldner gegenüber solange als rechtsbeständig, bis er aufgehoben wird und die
Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt ist.
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Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflage 2009, § 836, Rn. 4.
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Die Unterstellung nach § 836 Abs. 2 ZPO endet grundsätzlich erst dann, wenn der
Drittschuldner sichere Kenntnis von der Aufhebung des Überweisungsbeschlusses
erhält, wobei insoweit eine formlose Mitteilung ausreicht. Bis zu diesem Zeitpunkt kann
der Drittschuldner mit dem Schuldner gegenüber befreiender Wirkung an den
Pfandgläubiger leisten. Kenntnis nur von der Aufhebung der Pfändung reicht insoweit
nicht aus.
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Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflage 2009, § 836, Rn. 4;
Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 30. Auflage 2009, § 836, Rn. 10 und 11.
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Die Schutzwirkung des § 836 Abs. 2 ZPO entfällt darüber hinaus jedoch aus Gründen
von Treu- und Glauben auch ohne Aufhebung des Überweisungsbeschlusses, wenn
der Drittschuldner aufgrund der Kenntnis einer der Zulässigkeit der
Zwangsvollstreckung bzw. der Wirksamkeit der Pfändung und/oder Überweisung
entgegenstehenden, klaren Rechtslage entweder von Anfang an nicht gutgläubig war
oder wenn ein solcher guter Glaube nachträglich entfallen ist.
27
Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflage 2009, § 836, Rn. 4.
28
Eine solche Sachlage ist etwa dann anzunehmen, wenn das Prozessgericht die
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Zwangsvollstreckung einstweilen einstellt oder wenn eine gerichtliche Rangänderung
erfolgt (und der Drittschuldner hiervon sichere Kenntnis erlangt).
Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflage 2009, § 836, Rn. 4.
30
Nichts anderes kann auch für den Fall gelten, dass der Pfandgläubiger gemäß § 843
Satz 1 ZPO auf die durch die Pfändung und Überweisung erworbenen Rechte wirksam
verzichtet. Mit dem Verzicht erlöschen die Rechte aus dem Vollstreckungstitel. Eine
förmliche Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist entbehrlich.
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Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflage 2009, § 843, Rn. 5.
32
Gemessen hieran war die Schutzwirkung des § 836 Abs. 2 ZPO zugunsten des
Beklagten im Zeitpunkt der Auszahlung der Betriebsprämie für das Wirtschaftsjahr 2006
an die vormalige Pfandgläubigerin des Klägers noch nicht entfallen. Da der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts E1. vom 19. Januar 2006 - 35 M 106/06 -
nie ausdrücklich aufgehoben wurde, scheidet insoweit eine Kenntnis des Beklagten von
vorneherein aus.
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Der Beklagte ist auch weder aufgrund des Schreibens des Klägers vom 25. Juni 2006
noch aufgrund des, Prozesskostenhilfe für den antragstellenden Kläger bewilligenden
Beschlusses des Oberlandesgerichts L. vom 30. November 2006 noch infolge der
schriftlichen Mitteilung der Gläubigerin vom 5. Januar 2007, der Vollstreckungstitel sei
an den Kläger zurückgesandt worden, im oben genannten Sinne bösgläubig geworden.
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Auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt das am 5. Januar 2007 per Einschreiben und
Rückschein versandte Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Pfandgläubigerin
und der anliegende Vollstreckungstitel dem Prozessbevollmächtigten des Klägers
zugestellt wurde, kommt es im Ergebnis ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob die
bloße Ankündigung des Schuldners, gegen einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss vorgehen zu wollen und eine entsprechende Vorabbewilligung
von Prozesskostenhilfe überhaupt der weiteren Zwangsvollstreckung
entgegenstehende Tatsachen im oben genannten Sinne sein können. Insoweit fehlte es
nämlich entweder an der Kenntnis des Beklagten insgesamt überhaupt oder aber an der
Kenntnis einer der weiteren Vollstreckung aus dem Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss entgegenstehenden, klaren Rechtslage.
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Der Beklagte hat weder von dem Prozesskostenhilfeantrag des Klägers bezüglich eines
beabsichtigten Antrags auf uneingeschränkte Unzulässigerklärung der
Zwangsvollstreckung noch von der stattgebenden Prozesskostenhilfeentscheidung des
Oberlandesgerichts L. eine Kenntnis erlangt. In dem Schreiben vom 25. Juni 2006 hatte
der Kläger nur ankündigen lassen, er wolle gegen den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss insoweit vorgehen, als er trotz anderweiter Erfüllung der
Vollstreckungsforderung in Höhe von 29.143, 64 EUR in voller Höhe aufrecht erhalten
werde. Dass der Vollstreckung bei einer Umsetzung der klägerischen Absicht in Bezug
auf die Restforderung in Höhe von 23.276,53 EUR ebenfalls Hinderungsgründe
entgegenstehen könnten, war diesem Schreiben gerade nicht zu entnehmen. Trotz
entsprechender Aufforderung des Beklagten in dem Schreiben vom 6. Juni 2006 hat der
Kläger den Beklagten über sein Vorgehen gegen die weitere Zwangsvollstreckung aus
Vollstreckungstitel vom 4. Mai 1993 auch nicht auf dem Laufenden gehalten.
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Auch die Mitteilung der Pfandgläubigern vom 5. Januar 2007 von der Herausgabe des
Vollstreckungstitels an den Kläger hat dem Beklagten keine sichere Kenntnis von der
weiteren Vollstreckung entgegenstehenden Gründen vermittelt.
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Allerdings ist die Übersendung des Vollstreckungstitels in Zusammenschau mit dem
Begleitschreiben vom 5. Januar 2007 an den Schuldner als Verzicht der
Pfandgläubigerin im Sinne des § 843 Satz 1 ZPO zu werten.
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Nach dieser Vorschrift kann der Pfandgläubiger auf die durch Pfändung und - wie hier -
Überweisung zur Einziehung erworbenen Rechte unbeschadet seines Anspruchs
verzichten. Die Verzichtsleistung erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit durch eine
dem Schuldner im Parteibetrieb zuzustellende und daher grundsätzlich schriftlich
abzugebende Erklärung, die auch dem Drittschuldner zuzustellen ist, vgl. § 843 Sätze 2
und 3 ZPO. Der Verzicht wird schon, aber auch erst im Zeitpunkt der Zustellung an den
Schuldner wirksam. Die - hier ohnehin unterbliebene - Zustellung an den Drittschuldner
allein lässt die Wirksamkeit der Pfändung unberührt mit der Folge, dass der
Drittschuldner bis zu seiner (sicheren) Kenntnis vom Wirksamwerden des Verzichts den
Schutz des § 836 Abs. 2 ZPO genießt.
39
Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflage 2009, § 843, Rn. 5.
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Der Beklagte hatte weder im Zeitpunkt der Veranlassung der Auszahlung der
Betriebsprämie für das Wirtschaftsjahr 2006 am 9. Januar 2007 durch Übermittlung der
Auszahlungsdatei an die Bundeskasse in Trier noch im Zeitpunkt der tatsächlichen
Auszahlung am 11. Januar 2007 durch die Bundeskasse eine sichere Kenntnis davon,
dass der ihm mit Faxschreiben vom 5. Januar 2007 nur angekündigte Verzicht der
Pfandgläubigerin auf die Pfändung tatsächlich (schon) wirksam geworden ist. Für eine
sichere Kenntnis des Wirksamwerdens hätte es der Mitteillung des Klägers oder seines
Prozessbevollmächtigten über die erfolgte Zustellung des Verzichts bedurft. Auf die von
den Beteiligten aufgeworfene Frage, zu wessen Lasten Verzögerungen im Arbeitsablauf
des Beklagten gehen oder die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die dezentral
organisierte Auszahlung vom Beklagten beeinflusst werden, kommt es bei dieser
Sachlage nicht an.
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Kann der Kläger nach alledem schon nicht die erneute Auszahlung der Betriebsprämie
für das Jahr 2006 verlangen, ist auch für die noch beantragte Aufhebung des
Bewilligungsbescheides des Beklagten vom 4. Mai 2007 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 13. August 2008 kein Raum. Dem Kläger fehlte im
Übrigen insoweit auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
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Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere dann, wenn die Klage für den Kläger
nutzlos ist, weil sie ihm offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile
bringen kann.
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Vgl. z.B: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, Vorb. § 40, Rn. 30ff., 38.
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So liegt der Fall hier. Die begehrte Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 4. Mai
2007 bringt dem Kläger, der dessen Rechtswidrigkeit im Übrigen auch gar nicht
behauptet, nicht nur offensichtlich keinen Vorteil, sondern erkennbar sogar einen nicht
gewollten Nachteil. Die Stattgabe des Anfechtungsbehrens hätte nämlich zwingend die
Abweisung des Leistungsbegehrens zur Folge, weil der Bewilligungsbescheid den
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Rechtsgrund für die begehrte Leistung (Auszahlung) darstellt. Aus diesem Grund ist
gerade dessen Fortbestand und nicht seine Aufhebung Bedingung für einen Erfolg des
Leistungsbegehren. Soweit in der Anlage zum Bewilligungsbescheid mitgeteilt wird,
dass die Auszahlung der Prämie an die Pfandgläubigerin erfolgt, ist dies nicht Teil des
Regelungsgehalts des Bewilligungsbescheides. Es handelt sich vielmehr um einen
bloßen Hinweis auf die im Zusammenhang mit dem Leistungsbegehren stehenden
Auszahlungsmodalitäten.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Nebenentscheidungen im Übrigen folgen aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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