Urteil des VG Aachen vom 29.04.2008

VG Aachen: bebauungsplan, treu und glauben, stadt, einkaufszentrum, öffentliches recht, aufschiebende wirkung, satzung, anwohner, luftreinhaltung, parkplatz

Verwaltungsgericht Aachen, 3 L 487/08
Datum:
29.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 L 487/08
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag mit dem Inhalt,
2
1. die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (3 K 2188/08) gegen die der
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 13. März 2008 zur Errichtung eines
Fachmarktzentrums einschließlich gastronomischer Betriebe sowie eines Parkplatzes
anzuordnen,
3
2. den Antragsgegner zu verpflichten, der Beigeladenen durch eine sofort vollziehbare
Bauordnungsverfügung die Stilllegung der Arbeiten zur Errichtung eines
Fachmarktzentrums einschließlich gastronomischer Betriebe sowie eines Parkplatzes
aufzugeben,
4
hat keinen Erfolg.
5
Der Antrag ist allerdings nicht schon unzulässig.
6
Seine Statthaftigkeit als Eilantrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen
Baugenehmigung folgt aus § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) in
Verbindung mit §§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 80 a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 und 80 Abs. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
7
Eine Verwirkung des Nachbareilantrags kommt - anders als der Antragsgegner und die
Beigeladene meinen - nicht in Betracht.
8
Die Verwirkung von Nachbarrechtsbehelfen setzt voraus, dass der Bauherr aufgrund
9
eines bestimmten Verhaltens des Nachbarn darauf vertrauen durfte, dieser werde das
Widerspruchsrecht nach so langer Zeit nicht mehr ausüben. Eine Verwirkung des
verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts innerhalb eines kürzeren Zeitraums als der -
für die Antragstellerin zu beachtenden - Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO kommt nur in
Betracht, wenn sich aus besonderen Umständen nach Treu und Glauben eine Pflicht
des Nachbarn erkennen lässt, innerhalb eines kürzeren Zeitraums abschließend zu
prüfen, ob er sich gegen die Baugenehmigung wenden will. Daran fehlt es hier. Die
Antragstellerin hat das Vorhaben gegenüber der beigeladenen Bauherrin weder
ausdrücklich noch konkludent gebilligt. Offenbar hat sie zunächst den Ausgang der von
einem anderen Anwohner der August-Thyssen- Straße angestrengten
Rechtsschutzverfahren abgewartet. Als diese Verfahren letztlich einvernehmlich
beigelegt werden konnten, hat sie sich entschlossen - teilweise unter Bezugnahme auf
den Vortrag des anderen Anwohners - gegen das Vorhaben aus eigenem (Nachbar-)
Recht vorzugehen. Ein widersprüchliches bzw. treuwidriges Verhalten im Rechtssinne
ist darin nicht zu erblicken.
Vgl. zur Verwirkung der Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben:
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991,
1182.
10
Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin besteht fort. Die während des
Gerichtsverfahrens und des Verfahrens zur Bebauungsplanergänzung von der
Beigeladenen - auf eigenes Risiko - fortgesetzte und inzwischen offenbar weitgehend
abgeschlossene Bautätigkeit zur Errichtung des Fachmarktzentrums und des
zugehörigen Parkplatzes ändert daran nichts. Die geltend gemachte nachbarliche
Beeinträchtigung liegt nämlich nicht zuletzt in der Nutzung dieses Vorhabens, die schon
für sich genommen einen zulässigen Gegenstand des einstweiligen
Nachbarrechtsschutzes bilden kann.
11
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 13. Juli 1995 - 11 B 1543/95 -, juris.
12
Der zulässige Antrag ist aber unbegründet.
13
Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO gebotenen Abwägung der
gegenläufigen Vollziehungsinteressen überwiegt das Interesse an der sofortigen
Vollziehung der erteilten Baugenehmigung. Das gegenläufige Aufschub- oder
Aussetzungsinteresse der antragstellenden Nachbarin kann sich demgegenüber nicht
durchsetzen, weil ihre in der Hauptsache erhobene Nachbarklage (3 K 2188/08) keinen
Erfolg verspricht.
14
Die mit dem Antragsvorbringen behauptete Verletzung in öffentlich-rechtlichen
Nachbarrechten vermag das Gericht bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen
Prüfung nicht festzustellen.
15
Die angegriffene Baugenehmigung verstößt nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage
nicht gegen nachbarschützendes Bauplanungsrecht. Ein Abwehranspruch gegen das
zugelassene Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der Gebietswahrung steht der
Antragstellerin nicht zu.
16
Der sogenannte Gebietsbewahrungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken
17
das Recht, sich gegen Vorhaben zur Wehr zu setzen, die in dem Gebiet hinsichtlich der
Art der baulichen Nutzung nicht zulässig sind. Der Anspruch beruht auf der
drittschützenden Wirkung, die eine Baugebietsfestsetzung in einem Bebauungsplan
bzw. § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit den Baugebietsvorschriften der
Baunutzungsverordnung (BauNVO) gegenüber den Eigentümern aller Grundstücke im
Baugebiet haben.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, NJW 1994, 1546.
18
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines in der Innenstadt von F. auf der nördlichen
Seite der August-Thyssen-Straße gelegenen Hausgrundstücks. Das aufstehende
Wohnhaus und die sich westlich bzw. östlich anschließende Umgebungsbebauung sind
nach den aktuellen und früheren Festsetzungen, aber auch faktisch als Allgemeines
Wohngebiet (WA) nach § 4 BauNVO einzuordnen. Mit ihrem Vorhaben setzt die
Beigeladene dieser Wohnnutzung an der August-Thyssen- Straße ein
"Fachmarktzentrum einschließlich gastronomischer Betriebe sowie einen Parkplatzes"
entgegen und nimmt dafür eine Industriebrache in Anspruch, die unmittelbar an das
Hintergelände und die Ruhebereiche der an der August-Thyssen- Straße gelegenen
Hausgrundstücke anschließt.
19
Angesichts dieser regelungsbedürftigen städtebaulichen Situation hängt das Bestehen
eines nachbarlichen Gebietswahrungs- bzw. Abwehranspruchs der Antragstellerin
maßgeblich von der durch die Beteiligten zu Recht in den Mittelpunkt gestellten (Vor-)
Frage ab, ob die für das Fachmarktzentrum erteilte Baugenehmigung vom 13. März
2008 auf einem Bebauungsplan beruht, der den Nutzungskonflikt sachgerecht
ausgleicht, mithin Wirksamkeit besitzt.
20
Diese Frage ist nach Auffassung der Kammer nunmehr zu bejahen. Dabei ist die
gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob der aktuelle Bebauungsplan
offensichtlich unwirksam ist. Ergeben sich dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte, ist
im - hier gegebenen - Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die einem
Dritten erteilte Baugenehmigung von der Wirksamkeit des Bebauungsplanes
auszugehen.
21
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - 7 B 2193/06 -, juris.
22
Die aktuelle Satzung über den Bebauungsplan Nr. 269 "Langwahn" lässt - anders als
die ursprüngliche Satzung - keine durchgreifenden formellen und/oder materiellen
Mängel erkennen.
23
Der Erlass dieser Satzung ist zu Recht auf die Rechtsgrundlage in § 214 Abs. 4 BauGB
gestützt.
24
Nach dem in dieser Vorschrift geregelten "ergänzenden Verfahren" sind grundsätzlich
alle beachtlichen Satzungsmängel behebbar. Ausgenommen sind nur
Nachbesserungen, die geeignet sind, das planerische Gesamtkonzept in Frage zu
stellen. Das ergänzende Verfahren bietet keine Handhabe dafür, die Planung in ihren
Grundzügen zu modifizieren. Die Identität des Bebauungsplans darf nicht angetastet
werden. Behebbar sind dabei neben Verfahrens- und Formfehlern auch materielle
Mängel. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Juni 2007 - 7 D 59/06.NE, juris.
25
Die wesentliche Bedeutung des ergänzenden Verfahrens besteht darin, dass in diesem
nicht alle Sachfragen neu behandelt werden müssen. Das ergänzende Verfahren kann
sich inhaltlich auf die punktuelle Nachbesserung einer ansonsten fehlerfreien Planung
beschränken. Nur diese punktuelle Nachbesserung ist Gegenstand des ergänzenden
Verfahrens. Im Übrigen wirken der ursprüngliche Satzungsbeschluss und das
ursprüngliche Verfahren grundsätzlich weiter.
26
Vgl. zur Vorgängervorschrift in § 215a BauGB: BVerwG, Beschluss v. 20. Mai 2003 - 4
BN 57.02 -, juris.
27
Gemessen an diesen Maßstäben unterliegt die Durchführung des ergänzenden
Verfahrens keinen Bedenken. Der strittige Bebauungsplan litt in seiner ursprünglichen
Fassung an einem zur offensichtlichen Unwirksamkeit führenden Abwägungsdefizit
(betreffend den von der Zu- und Abfahrt über den Parkplatz Jahnstraße verursachten
Verkehrslärm). Dies ergibt sich aus den Gründen des vom zuständigen
Normenkontrollsenat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
ergangenen Eilbeschlusses vom 28. Juli 2008 - 7 B 496/08.NE -. Der Mangel konnte im
ergänzenden Verfahren behoben werden, weil die Fehlerhebung das planerische
Gesamtkonzept erkennbar nicht in Frage stellte.
28
Des Weiteren kann ein Bebauungsplan im Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB - wie
hier geschehen - mit Rückwirkung in Kraft gesetzt werden.
29
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 2008 - 4 BN 15.08 -, juris.
30
Angesichts des im Mittelpunkt der vorgenannten Eilentscheidung stehenden
Abwägungsmangels bzw. Unwirksamkeitsgrunds, wonach das der Planung zu Grunde
gelegte schalltechnische Gutachten eine (für das Vorhaben untergeordnete) weitere
Zufahrt über den bereits bestehenden Parkplatz Jahnstraße nicht in seine
Lärmprognose einbezogen hatte, musste es sich geradezu aufdrängen, dass die
planende Kommune ihre städtebaulichen Vorstellungen nicht allein deswegen aufgibt,
sondern nach Fehlerkorrektur durch neues Satzungsrecht bekräftigt. Daher ist ein
etwaiges Vertrauen der Anwohner in den Fortbestand der ungültigen Norm nicht
schutzwürdig und die Rückwirkung des angegriffenen Bebauungsplanes
verfassungsrechtlich unbedenklich.
31
Vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des rückwirkenden Satzungserlasses: OVG
NRW, Urteil vom 20. April 2007 - 7 D 83/06.NE -, juris.
32
Angesichts der Unwirksamkeit der ursprünglichen Satzung zielt das Verfahren nach §
214 Abs. 4 BauGB auf den wirksamen Erlass des gesamten bauplanungsrechtlichen
Regelungswerks ab.
33
Der als Einheit zu verstehende aktuelle Bebauungsplan setzt in einem
Blockinnenbereich ein Sondergebiet "Einkaufszentrum" mit einer maximalen
Verkaufsfläche von 6.000 qm fest. Ferner sind ca. 350 neue Stellplätze im Plangebiet
vorgesehen. Die vorhandene Wohnbebauung an der August-Thyssen-Straße, die das
Plangebiet als Blockrandbebauung in südlicher Richtung abschließt, ist entsprechend
den Festsetzungen im Vorgängerplan als Allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Die
verkehrliche Anbindung des geplanten Fachmarktzentrums soll nach den Vorgaben des
Bebauungsplans über die Straße Langwahn (L 238) im Osten des Plangebiets und
34
südwestlich über die August-Thyssen-Straße erfolgen.
Formelle Mängel, die zur Unwirksamkeit dieses Planes führen, sind nicht ersichtlich.
35
Der aktuelle Bebauungsplan ist vom Rat der Stadt F. am 10. Dezember 2008 formell
ordnungsgemäß nach § 10 BauGB als Satzung beschlossen worden, nachdem der
Aufstellungsbeschluss gefasst und öffentlich bekannt gemacht sowie die öffentliche
Auslegung vom 8. September 2008 bis 10. Oktober 2008 durchgeführt worden war.
Nach Ausfertigung durch den Bürgermeister und Bekanntmachungsanordnung durch
den Ersten Technischen Beigeordneten ist der Plan gemäß § 10 BauGB i.V.m. § 2 Abs.
3 und 4 Abs. 1 Buchstabe a) der Bekanntmachungsverordnung im Amtsblatt der Stadt F.
am 13. Januar 2009 öffentlich bekannt gemacht und mit Rückwirkung zum 18. Januar
2007 in Kraft gesetzt worden.
36
Die Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren ist nicht zu beanstanden. Der dagegen
von der Antragstellerin gerichtete Einwand der Unvollständigkeit der ausgelegten
Planunterlagen ist unbegründet.
37
Zwar trifft es zu, dass die dem angegriffenen Plan zugrunde liegenden Pläne, die
Gegenstand der einmonatigen Offenlegung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB gewesen
sind, an der Kreuzung August-Thyssen-Straße/Langwahn/Marienstraße keinen
Kreisverkehr darstellen, obwohl die für die Planung erstellte Lärmprognose vom
Bestehen eines Kreisverkehrs ausgeht. Eine Unvollständigkeit der ausgelegten
Planunterlagen liegt damit aber nicht vor. Es ist nämlich grundsätzlich Sache der
planenden Kommune zu entscheiden, ob sie eine spezielle Maßnahme des
Straßenbaus bzw. der Verkehrsführung zum Gegenstand des Bauleitplanverfahrens
macht oder eben nicht. Entscheidet sie sich dagegen und beschränkt sie sich - wie hier
geschehen - im Sinne "planerischer Zurückhaltung" auf die Festsetzung von Flächen für
den öffentlichen Straßenverkehr, ist dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein
Ausnahmefall, in dem die Verwirklichung der außerhalb des Planverfahrens stehenden
Maßnahme unrealistisch erscheint, liegt erkennbar nicht vor. Insoweit genügt ein
Hinweis darauf, dass der betreffende Kreisverkehr bereits errichtet und in Betrieb
genommen worden ist.
38
Ohne Erfolg macht die Antragstellerin mit Blick auf die Feinstaubbelastung einen
"schwerwiegende Verfahrensfehler" geltend und trägt dazu vor: Die der Planergänzung
zugrunde gelegte, unter dem ungenauen Datum im November 2008 vorgelegte
Plausibilitätsprüfung der Unterlagen zur Feinstaubproblematik im Bebauungsplan 269
der B. (B. -Verkehrs-Ingenieur-Sozietät GmbH) sei für die Planergänzung schon aus
verfahrensrechtlichen Gründen untauglich, weil diese Plausibilitätsprüfung erst nach der
Auslegung, die in der Zeit vom 8. September 2008 bis zum 10. Oktober 2008
stattgefunden habe, bei der Stadt F. eingereicht worden sei. Diese Prüfung habe
nämlich zu den notwendigen Ermittlungs- und Planungsunterlagen gehört, die der
Bekanntmachung und somit der Öffentlichkeitsbeteiligung habe zugänglich gemacht
werden müssen.
39
Das Vorbringen greift nicht durch; ein Verfahrensfehler liegt nicht vor.
40
Zwar legt der im Rahmen der Offenlegung zugänglich gemachte Umweltbericht vom 21.
August 2008 die Luftbelastung nur durch einen kurzen Hinweis dar ("Nähe des
Plangebiets zu den Straßen B 264 und der L 238"). Auch sind die gutachterlichen
41
Stellungnahmen zur Frage der Luftreinhaltung erst in den endgültigen Umweltbericht
eingeflossen, und zwar als Reaktion der Plangeberin auf die zuvor von Bürgern
geäußerte Besorgnis über die Zunahme von Luftschadstoffen. Maßgeblich ist jedoch,
dass die hier vorgenommene ergänzende Änderung des Umweltberichts nach der
Offenlegung verfahrensrechtlich unbedenklich ist.
Die vom Antragsvorbringen der Sache nach in Bezug genommene Rechtsfolge, wonach
bei Änderungen oder Ergänzungen nach der Offenlegung "erneut auszulegen und
Stellungnahmen erneut einzuholen sind" gilt nach der Neuregelung in § 4a Abs. 3
BauGB lediglich für den Planentwurf, nicht aber für den hier in Rede stehenden
Umweltbericht als Teil der Planbegründung.
42
Vgl. Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 3. Aufl. 2004, Rn. 704.
43
Im Übrigen wären - hier einmal unterstellte - Unvollständigkeiten des Umweltberichts für
die Wirksamkeit des Planes unbeachtlich, falls sie sich auf unwesentliche Punkte
beziehen, vgl. § 214 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 3 BauGB.
44
Schließlich ist der Behauptung der Antragstellerin, der Umweltbericht sei mit Blick auf
die Hochwasserproblematik unvollständig und damit unter Verstoß gegen
Verfahrensrecht ergangen, nicht zu folgen. Zur Begründung genügt ein Hinweis auf
Seite 6 unten des maßgeblichen Umweltberichts vom 26. November 2008.
45
Der angegriffene Bebauungsplan ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
46
Die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderliche städtebauliche Rechtfertigung der
Planung des Einkaufszentrums als solcher unterliegt keinen Bedenken. Sie ergibt sich
aus der Planbegründung, die in Ziffer 3 folgendermaßen lautet: "Ziel und Zweck des
Bebauungsplanes Die Stadt F. hat entsprechend ihrer Stadtstruktur ein Zentrenkonzept
in der Entwicklung und geht gezielt mit der Steuerung ihrer Einzelhandelsentwicklung
um. (…) Zusätzlich betreibt die Stadt F. eine Strategie der planungsrechtlichen
Anpassung, um die städtebauliche Steuerung der Einzelhandelsentwicklung zu
unterstützen. In Gewerbe- und Industriegebieten werden zentren- und
nahversorgungsrelevante Einzelhandelssortimente sowie zentrenrelevante
Dienstleistungen ausgeschlossen, um städtebaulich ungewollten Entwicklungen
vorzubeugen. (…) In diesem Zusammenhang werden mit der Aufstellung des
Bebauungsplanes folgende städtebauliche Ziele für diesen zentralen Standort verfolgt:
47
Neuordnung der Brachflächen des ehemaligen X-Betriebsgeländes und Einbindung
einer zukunftsfähigen Nutzung in die bestehende Stadtstruktur Abrundung und
Aufwertung der Innenstadt Perspektiven für großflächige Einzelhandelsanbieter zur
Ergänzung des stationären Einzelhandels Komplettierung des Geschäftsangebotes der
Innenstadt und Stärkung der "Einkaufsstadt F. " Fortführung des Plätze-,
Wegekonzeptes zur Attraktivitätssteigerung der Geschäftslagen Verbesserung der
Verbindung zwischen dem Infrastrukturgürtel im Westen (Schulen, Schwimmhalle,
Eishalle) und der Innenstadt
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Geplant ist die Ausweisung eines Sondergebietes mit der Zweckbestimmung
"Großflächiger Einzelhandel: ein Einkaufszentrum" zur Vorbereitung einer Ansiedlung
eines Einkaufs- und Freizeitzentrums mit Schwerpunkt in den Segmenten des
qualifizierten Lebensmittelbereiches sowie Bekleidung mit ergänzenden Nutzungen aus
49
dem Bereich Fitness / Wellness / Beauty. (…) Die geplante Nutzungsänderung des
ehemaligen X-Betriebsgeländes macht die Aufstellung des Bebauungsplanes und eine
Änderung des Flachennutzungsplanes erforderlich."
Was im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der
jeweiligen Konzeption der Kommune. Welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt, liegt
in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik"
zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Hierzu gehört
auch die Entscheidung, in welchem Umfang sie Gebietsteile zur Unterbringung von
großflächigem Einzelhandel zur Verfügung stellt. Nicht erforderlich im Sinne des § 1
Abs. 3 BauGB sind nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption
entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die
Planungsinstrumente des BauGB nicht bestimmt sind.
50
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 NB 15.99 -, juris.
51
Gemessen daran fehlt hier jeder Ansatz für einen Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB.
52
Der angegriffene Bebauungsplan wahrt auch die Anforderungen des Abwägungsgebots
nach § 1 Abs. 7 BauGB. Die für seine Abwägung relevanten Belange, mithin das
Abwägungsmaterial, hat der Rat im Zuge des (ergänzenden) Verfahrens sachgerecht
ermittelt und bewertet, vgl. § 2 Abs. 3 BauGB. Auch die hieran anknüpfende Gewichtung
der gegenläufigen Belange ist nicht zu beanstanden.
53
Das von der Antragstellerin geltend gemachte Abwägungsdefizit hinsichtlich der
Auswirkungen auf die Zentren- und Einzelhandelsstruktur im Stadtgebiet F. liegt nicht
vor. Die Plangeberin hat die Funktion der Stadt F. als Einzelhandelsstandort in den
Blick genommen und dazu den konkreten Bestand der Einzelhandelsnutzungen sowie
potenzielle Erweiterungen und zu erwartende Entwicklungen in der Innenstadt ermittelt,
bewertet und abgewogen. In der Planbegründung (Ziffer 3) heißt es dazu:
54
"Zur Optimierung der Einzelhandelsstruktur und als Voraussetzung zur Ansiedlung von
großflächigem Einzelhandel hat die Stadt F. im Jahr 2003 eine
Einzelhandelsuntersuchung erstellen lassen (CIMA-Stadtmarketing, Bonn). Ziel des
Gutachtens war es u. a. vor dem Hintergrund der Standort- sowie der Angebots- und
Wettbewerbssituation, die Tragfähigkeit und die Auswirkungen entsprechender
Ansiedlungen aufzuzeigen. Dabei kommt dieses Gutachten zum Schluss, dass der
Standortbereich "Langwahn" absatzwirtschaftlich gute Bedingungen zur Etablierung von
Fachmärkten mit komplementärem innerstädtischen Kernsortimenten biete. Durch eine
Projektentwicklung am Langwahn könne langfristig ein nachhaltiger innerstädtischer
Einzelhandelsstandort geschaffen werden. Zur Sicherung des Einkaufsstandortes F.
Innenstadt gehören neben dem Ausbaukonzept der innerstädtischen Straßen- und
Platzfolgen und neben dem stationären kleinteiligen Einzelhandel auch die
Angebotssegmente, die sich auf der großen Fläche präsentieren. Hierzu müssen
Standorte ausgewiesen werden."
55
Ein - hier allein entscheidungserheblicher - offensichtlicher Verstoß gegen die
angemessene Berücksichtigung der Belange des Einzelhandelsgewerbes unter den
von der Antragstellerin betonten Gesichtspunkten des Beeinträchtigungsverbots
und/oder des Integrationsgebots ist nicht zu erkennen.
56
Im Vorgängerplan gegebene offensichtliche Rechtsfehler bei einzelnen
Planfestsetzungen sind im aktuellen Plan beseitigt.
57
So ist die ursprünglich "gebietsbezogen" und damit unzulässig vorgenommene
Verkaufsflächenbegrenzung in Ziffer 1.1 der geänderten textlichen Festsetzungen zum
Bebauungsplanes Nr. 269 durch die allein zulässige "vorhabenbezogene"
Verkaufsflächenbegrenzung ("für ein Einkaufszentrum") ersetzt worden. Innerhalb
dieses einen Vorhabens bzw. Betriebes wird die Zulässigkeit der einzelnen zentren-
und nahversorgungsrelevanten Sortimente bestimmt.
58
Vgl. zur Problematik: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 3. April 2008 - 4
CN 3.07 -, NVwZ 2008, 902.
59
Die bisherigen textlichen Festsetzungen zur Parkplatznutzung (Ziffer 4.2), die einer
hinreichenden Rechtsgrundlage entbehrten, sind gestrichen und sollen nach dem
nachrichtlich angefügten Hinweis zum Immissionschutz auf der Ebene der
Vorhabenzulassung berücksichtigt werden. Es bestehen keine durchgreifenden
Bedenken, wenn die planende Kommune von einer abschließenden
Konfliktbewältigung im Bebauungsplan Abstand nimmt und - wie hier beabsichtigt - die
Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des
Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sicherstellt.
60
Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 8. November 2006 - 4 BN 32.06 -, juris.
61
Die vom angegriffenen Bebauungsplan vorgenommene Festsetzung eines
Sondergebiets (für ein Einkaufszentrum, vgl. § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) unmittelbar
neben der Festsetzung eines (von der Antragstellerin bewohnten) Allgemeinen
Wohngebiets nach § 4 BauNVO begründet keine offensichtliche Unwirksamkeit des
Planes, weil auch sie abwägungsgerecht ist.
62
Ohne Erfolg bleiben die in diesem Zusammenhang erhobenen Nachbareinwendungen
der Antragstellerin, die geltend macht: Ihr Hausgrundstück solle zwischen der
immissionsintensiven, insbesondere mit starken Lärmbelastungen verbundenen
Parkplatz- und Stellfläche des Fachmarktzentrums und dem durch das Einkaufszentrum
angezogenen Straßenverkehr "eingezwängt" werden. Derartige Beeinträchtigungen
seien mit dem bauplanungsrechtlichen Charakter der bestehenden Wohnlage als
Allgemeines Wohngebiet unvereinbar und rücksichtslos.
63
Dieser Vortrag zielt der Sache nach darauf ab, es sei mit der Abwägungsdirektive des §
50 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) nicht vereinbar, direkt neben
einem Allgemeinen Wohngebiet ein Sondergebiet für ein Einkaufszentrum zu planen.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen
die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass
schädliche Umwelteinwirkungen (…) auf die ausschließlich oder überwiegend dem
Wohnen dienenden Gebiete (…), so weit wie möglich vermieden werden. Dem mit
dieser Regelung begründeten sog. Trennungsgrundsatz ist indes kein Verbot in dem
Sinne zu entnehmen, gewerbliche Nutzung und Wohnnutzung dürften nie
nebeneinander liegend geplant werden.
64
Es lässt sich daraus auch keine Planungsschranke in dem Sinne entnehmen, eine
Gemeinde dürfe es schon nicht zum Gegenstand ihrer abwägenden Entscheidung
65
machen, neben einem gewerblich geprägten Sondergebiet ein Wohngebiet
festzusetzen. Vielmehr ist § 50 BImSchG eine der Abwägung unterliegende
Planungsdirektive, die der Gemeinde vorgibt, bei der Planung einer neu anzulegenden,
einer Wohnbebauung benachbarten gewerblichen Gebietsnutzung die besondere
Schutzbedürftigkeit der Wohnbebauung in die Abwägung einzustellen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. November 1992 - 4 NB 41. 92 -, juris.
66
Verlangt ist von der planenden Kommune allerdings, dass sie durch die Art und Weise
der planerischen Festsetzungen den künftigen Konflikt auflösen und damit vermeiden
muss. Diese Anforderung ist vorliegend als erfüllt anzusehen mit der Folge, dass die
Festsetzung der beiden Gebietsarten Allgemeines Wohngebiet und Sondergebiet
"Einkaufszentrum" unter Berücksichtigung der konkreten Betroffenheit vorliegend nicht
als abwägungsfehlerhaft anzusehen ist.
67
Die von der geplanten Einzelhandelsnutzung ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen
sind in nicht zu beanstandender Weise ermittelt und bewertet worden.
68
Der ursprüngliche Abwägungsmangel, wonach der Plangeber die mit der (zusätzlichen)
westlichen Anbindung des Fachmarktzentrums über den Parkplatz an der Jahnstraße
verbundenen Lärmbeeinträchtigungen für die dortige Wohnbebauung der August-
Thyssen-Straße mangels gutachterlicher Aussage weder ermittelt noch bewertet hatte,
ist behoben. Der aktuelle Plan verzichtet auf diese durch ein "Geh- und Fahrrecht (GF)"
festgesetzte Anbindung. Relevante Lärmschutzbelange der Anwohner in der Wohnlage
werden insoweit nicht länger aufgeworfen.
69
Der Rat der Stadt F. hat gestützt auf schalltechnische Berechnungen (Gutachten SI - E
06/004/01 der Schall- und Wärmemessstelle GmbH vom 6. Januar 2006 sowie
Ergänzungsgutachten vom 22. August 2008 SI - E 08/235/08) und unter
Berücksichtigung der Bebauung an der August-Thyssen-Straße als Allgemeines
Wohngebiet (vgl. auch hierzu Nr. 5.1.1 der Bebauungsplanbegründung) detaillierte
Festsetzungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen in den
Bebauungsplan aufgenommen, vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB. Zum aktiven Lärmschutz
heißt es unter Ziffer 4 der textlichen Festsetzungen u.a.:
70
"4.2 Zur akustischen Abgrenzung der Stellplätze gegenüber der Nachbarbebauung
einschließlich der dazugehörenden Gartenzonen als schutzwürdige Freiräume sind
entlang der nördlichen, nordöstlichen und südlichen Grenze des Sondergebietes
Einfriedungswände als Lärmschutzwände zu errichten. (…) Gefordert wird mindestens
ein bewertetes Schalldämmaß erf. Rw = 15 dB und eine Höhe H = 2,0 m in Bezug zum
anstehenden Geländeniveau."
71
Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die vorgesehenen
Lärmschutzwände nicht in der Lage sind, die ihnen im Schallschutzgutachten
zugedachte Funktion der Lärmabschirmung gegenüber der benachbarten Wohnnutzung
zu erfüllen.
72
Ferner bestimmt Ziffer 4.3 der textlichen Festsetzungen:
73
"4.3 Innerhalb des Sondergebietes SO dürfen nur Gewerbebetriebe angesiedelt werden,
deren Emissionsverhalten auf folgende immissionswirksame, flächenbezogene
74
Schalleistungspegel LWA" begrenzt wird (…).
a) Plangebietsfläche FSP-1 Tagzeit: zul. LWA" = 60 dB(A) Nachtzeit: zul. LWA" = 50
dB(A) b) Plangebietsfläche FSP-2 Tagzeit: zul. LWA" = 57 dB(A) Nachtzeit: zul. LWA" =
40 dB(A) c) Plangebietsfläche FSP-3 Tagzeit: zul. LWA" = 54 dB(A) Nachtzeit: zul.
LWA" = 40 dB(A) d) Plangebietsfläche FSP-4 Tagzeit: zul. LWA" = 50 dB(A) Nachtzeit:
zul. LWA" = 40 dB(A)"
75
Der damit festgesetzte "flächenbezogene Schalleistungspegel" (FSP) steuert die von
einem Flächenelement emittierte Schalleistung, indem dieser (Betriebs-)Fläche ein
Kontingent an den zulässigen Gesamtimmissionen für das Schutzobjekt (u.a. die
Wohnlage an der August-Thyssen-Straße ) zugewiesen wird. Der FSP ist ein zulässiger
Maßstab für das Emissionsverhalten eines Betriebes oder einer Anlage, welcher als
Eigenschaft im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 2 BauNVO in einem Bebauungsplan festgesetzt
werden kann. Denn auch er ist ein auf das emittierende Betriebsgrundstück bezogener
Schalleistungspegel.
76
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 1998 - 4 NB 3.97 - juris.
77
Seine Festsetzung empfiehlt sich gerade dann, wenn - wie hier - die emittierten
Schallpegel, die von der Gesamtheit aller in einem Bereich zulässigen Anlagen
ausgehen, den nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionsrichtwert an den
nächstgelegenen Schutzobjekten (vorhandene Wohnbebauung) nicht überschreiten
soll. Vgl. Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 3. Aufl. 2004, Rn. 358.
78
Zu Recht hat sich die Plangeberin bei der satzungsmäßigen Verankerung der
Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes daran orientiert, dass der hier im Vordergrund
stehende Wert der Lärmimmissionen an den betroffenen Wohnhäusern der August-
Thyssen-Straße den für Allgemeine Wohngebiete nach DIN 18005 und TA Lärm 98
einschlägigen Tagwert von 55 dB(A) nicht übersteigt. Anhaltspunkte für ein
Abwägungsdefizit sind nicht ersichtlich. Es kommt hinzu, dass der angegriffene Plan
gerade kein Baugebiet mit breitem Nutzungsspektrum (Beispiel: Gewerbegebiet)
festgesetzt, sondern ein Sondergebiete für ein Einkaufszentrum. Die schalltechnische
Erfassung der Planung birgt daher kein hohes Prognoserisiko, wenn diese - wie hier
geschehen - schlüssig und nachvollziehbar anhand der einschlägigen Bewertungs- und
Ermittlungsvorgaben (DIN 18005, TA Lärm 98, 16. BImSchV, Parkplatzlärmstudie des
Bayerischen Landesamtes für Umwelt) erfolgt.
79
Vgl. ausführlich zu den lärmtechnischen Regelwerken und ihrer Anwendung:
Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 3. Aufl. 2004, Rnrn. 289 ff.
80
Eine fehlerhafte Ermittlung und Bewertung der Anwohnerbelange mit Blick auf den
Lärm, den vom Bebauungsplan zugelassene Vorhaben und Anlagen verursachen, ist
nicht ersichtlich. Für das rechtliche Gewicht dieser Belange ist im Übrigen auch von
Bedeutung, dass ein brachgefallener Industriestandort im (Rand-) Bereich einer
Innenstadt für jeden Anwohner als ein städtebaulicher Missstand erkennbar ist, der
städteplanerischer Maßnahmen erwarten lässt. Dementsprechend konnten die
Bewohner der August-Thyssen-Straße nicht darauf vertrauen, dass die hinter ihren
Grundstücken sich anschließende Brache auf Dauer baulich ungenutzt bleibt. Vielmehr
war für sie mit einer Nutzung zu rechnen, die - wie die nunmehr geplante - mit Bebauung
und Verkehrsaufkommen verbunden ist.
81
Des Weiteren sind die Lärmimmissionen des Straßenverkehrs abwägungsgerecht
berücksichtigt. Ermittlungs- und/oder Bewertungsfehler sind nicht gegeben mit der
Folge, dass eine offensichtliche Unwirksamkeit des Bebauungsplanes auch insoweit
ausscheidet.
82
Das Plangebiet liegt in einem innerstädtischen Bereich, in dem bereits eine hohe
Immissionsbelastung durch Kraftfahrzeugverkehr anzutreffen ist. Infolge der Planung ist
auch - jedenfalls vom Ansatz her - mit einer Zunahme dieser Emittenten und damit auch
der in der Nachbarschaft auftretenden Immissionen zu rechnen, nämlich zum einen mit
Lärmimmissionen, zum anderen auch mit Immissionen von Luftschadstoffen. Die
diesbezüglichen planbedingten Folgen hat die Stadt F. rechtsfehlerfrei ermittelt und
bewertet sowie im Rahmen ihrer eigenverantwortlich vorzunehmenden abwägenden
Gewichtung in nicht zu beanstandender Weise als den Anwohnern im Allgemeinen
Wohngebiet der August-Thyssen-Straße als zumutbar angesehen.
83
Zur sachgerechten Abschätzung der durch den Straßenverkehr hervorgerufenen
Lärmimmissionen bedurfte es zunächst einer Ermittlung des aktuell gegebenen
Verkehrsaufkommens und einer Prognose des planbedingt zu erwartenden Zuwachses.
84
Ausweislich der von der Plangeberin in Auftrag gegebenen Verkehrsuntersuchung der I
Verkehrstechnik GmbH vom Juli 2006 und des schalltechnischen Gutachtens SI - E
06/004/01 der Schall- und Wärmemessstelle GmbH vom 6. Januar 2006 sowie seiner
Ergänzung vom 22. August 2008 SI - E 08/235/08 sind sowohl die gegenwärtigen als
auch die zukünftigen Verkehre sowie ihre zu erwartende Verteilung auf die hier in Rede
stehenden Straßen Langwahn und August-Thyssen-Straße nachvollziehbar dargelegt.
Die prognostizierte Verteilung des zusätzlichen Verkehrsaufkommens ist ebenfalls nicht
zu beanstanden. Insgesamt ist mit einer planbedingten Zusatzbelastung an
Verkehrsaufkommen zur Tagzeit von 3.040 PKW und 24 LKW zu rechnen (S. 2 des
letztgenannten Gutachtens). Gegen die Berechnung der Werte der
straßenverkehrsbedingten Lärmimmissionen aus den genannten Verkehrszuwächsen
anhand von Berechnungen nach der RLS-90 bestehen keine Bedenken.
85
Insbesondere hat der Schallschutzgutachter plausibel ausgeführt, dass die Lärmwerte
im Bereich der August-Thyssen-Straße trotz eines erhöhten Verkehrsaufkommens auf
gleichem Niveau bleiben bzw. sogar fallen. So ist beispielsweise an den fünf
Aufpunkten der Hausgrundstücke August-Thyssen-Straße X bzw. Y, welche die
Lärmeinwirkung auf das dazwischen aufstehende Wohnhaus der Antragstellerin
(August-Thyssen-Straße Z) wiedergeben, mit einer Reduzierung des Verkehrslärms in
der Größenordnung von 0,7 bis 1,7 dB (A) am Tag zu rechnen. Dieser Umstand hat, wie
der Gutachter plausibel ausführt, seinen Grund darin, dass aus dem Wegfall der
Ampelanlage und der (inzwischen umgesetzten) Einrichtung eines Kreisverkehrs an der
Kreuzung Langwahn / August-Thyssen-Straße / Marienstraße eine Minderbelastung von
bis zu 3 dB (A) resultiert.
86
Hinsichtlich marginaler Erhöhungen der Lärmbelastungen in anderen Bereichen der
August-Thyssen-Straße ist zu beachten, dass diese sich unterhalb der
Wahrnehmbarkeitsschwelle bewegen, wenn es sich bezogen auf einen rechnerisch
ermittelten Dauerschallpegel um Pegelunterschiede von 1 bis 2 dB (A) handelt.
87
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. August 2007 - 7 D 806.NE -, juris.
88
Zu Recht hat sich die planende Kommune damit jedoch nicht begnügt, sondern zur
Beurteilung der Zumutbarkeit von erhöhten Lärmimmissionen auch die jeweilige
Vorbelastung in Rechnung gestellt, und zwar auf der Grundlage der vorgenannten
schalltechnischen Gutachten. Dieses Erfordernis gerechter Abwägung gilt auch und
gerade, wenn die Vorbelastung - wie hier - bereits (deutlich) oberhalb der
Orientierungswerte der DIN 18005 liegt, mithin den hier nur interessierenden Tagwert für
allgemeine Wohngebiete von 55 dB (A) übersteigt. Allerdings ist anerkannt, dass es mit
dem Gebot gerechter Abwägung vereinbar sein kann, selbst neue Wohngebäude an der
lärmzugewandten Seite des Gebiets auch deutlich über den Orientierungswerten
liegenden Außenpegeln auszusetzen, wenn im Inneren der Gebäude durch die
Anordnung der Räume und die Verwendung schallschützender Außenbauteile
angemessener Lärmschutz gewährleistet wird.
89
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2007 - 4 CN 2.06 -, NVwZ 2007, 831.
90
Erst recht ist es den Anwohnern öffentlicher Straßen, die bereits deutlich über den
Orientierungswerten der DIN 18005 liegenden Außenpegeln des Straßenverkehrslärms
ausgesetzt sind, grundsätzlich zuzumuten, marginale Erhöhungen dieser Außenpegel
hinzunehmen, die unterhalb der Schwelle der Wahrnehmbarkeit liegen.
91
Allerdings können auch marginale Lärmerhöhungen dann unzumutbar sein, wenn die
Lärmvorbelastung ihrerseits bereits von so hoher Intensität ist, dass sie sich dem Grad
der Gesundheitsgefährdung nähert oder diesen gar erreicht; mithin wenn sie sich der
Grenze nähert, bei der verfassungsrechtliche Schutzanforderungen greifen. Der Staat ist
nämlich verpflichtet, durch sein Verhalten nicht die Gesundheit des Einzelnen zu
verletzen. Demgemäß dürfen zusätzliche Lärmbeeinträchtigungen nicht zu einer
Gesamtbelastung führen, die eine Gesundheitsgefährdung darstellt.
92
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2001 - 4 A 13.99 -, juris.
93
Wo die Grenze exakt verläuft, bei der verfassungsrechtliche Schutzanforderungen
greifen und die Schwelle zur Gesundheitsgefahr erreicht bzw. überschritten wird, ist
allerdings höchstrichterlich bislang nicht abschließend geklärt und dürfte auch
schwerlich mit einem bestimmten dB (A)-Wert allgemeingültig zu umschreiben sein.
Vielmehr ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass die
Bewertung zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle nicht
schematisch von der Erreichung bestimmter Immissionsgrenzwerte abhängig gemacht
werden darf. Vielmehr lässt sich die Grenze nur aufgrund wertender Betrachtung des
Einzelfalls ziehen, wobei auch die Gebietsart und die Lärmvorbelastung eine
wesentliche Rolle spielen.
94
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 1999 - 11 A 4.98 -, NVwZ 2000, 567.
95
Es ist daher in Übereinstimmung mit der vorliegenden jüngeren höchstrichterlichen
Rechtsprechung davon auszugehen, dass der aus grundrechtlicher Sicht kritische Wert
in Wohngebieten weiterhin bei einer Gesamtbelastung oberhalb der Werte von 70 dB
(A) tags und 60 dB (A) nachts beginnt,
96
vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2005 - 4 A 5.04 -, juris,
97
und dass für Gebiete, die - auch - dem Wohnen dienen, die verfassungsrechtliche
Zumutbarkeitsschwelle bei Mittelungspegeln von 70 bis 75 dB (A) tags zu ziehen ist.
98
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, juris.
99
Hiervon ausgehend hat der Plangeber dann, wenn sich die bestehende Belastung
bereits im vorgenannten kritischen Bereich - Lärmimmissionen von mehr als 70 dB (A) in
der hier nur interessierenden Tagzeit - bewegt, im Hinblick auf den gebotenen Schutz
vor Gesundheitsgefahren abwägend zu prüfen, ob Erhöhungen überhaupt
hingenommen werden können, auch wenn sie in der Relation zur bereits gegebenen
Vorbelastung an sich nur marginal sind, bzw. ob sie jedenfalls dann noch als zumutbar
gewertet werden können, wenn zugleich die Auswirkungen in gewissem Umfang
kompensiert werden.
100
Nach Maßgabe dieser Kriterien ist die wertende Gewichtung der Stadt F. , die (Lärm-
)Immissionen des hier prognostizierten Zusatzverkehrs als zumutbar einzuordnen,
rechtlich nicht zu beanstanden. Das Schallschutzgutachten zeigt plausibel auf, dass
entlang der August-Thyssen-Straße die kritischen Toleranzwerte nicht erreicht werden.
Für die Straßen Langwahn und Marienstraße, die weniger schutzwürdig sind, weil sie
nicht allein dem Wohnen dienen, gilt nichts Abweichendes. Die dort an zwei Stellen
errechneten Lärmpegel von 70,0 dB (A) bzw. 70,8 dB (A) in der Tagzeit liegen am
untersten Rand des Spektrums von 70 bis 75 dB (A), in dem sich nach der angeführten
höchstrichterlichen Rechtsprechung die Schwelle zur Gesundheitsgefahr bewegt.
101
Aus der von der Antragstellerin ins Feld geführten Luftschadstoffproblematik lässt sich
ein Abwägungsfehler, der zur offensichtlichen Unwirksamkeit des angegriffenen
Bebauungsplanes führt, nicht herleiten. Der Einwand, aus Gründen der Luftreinhaltung
sei das vom Fachmarktzentrum zusätzlich angezogene Verkehrsaufkommen
unzulässig, greift nicht durch.
102
Die Einhaltung der (ehrgeizigen) Grenzwerte zur Luftreinhaltung, die sich aus den
Europäischen Luftqualitätsrichtlinien (96/62/EG bzw. 1999/30/EG) und der zu ihrer
Umsetzung ergangenen 22. BImSchV ergeben,
103
vgl. Zweiundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-
schutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft - 22.
BImSchV-),
104
ist gerade keine zwingende Rechtmäßigkeitvoraussetzung für
Planungsentscheidungen. Die durch das Europäische Gemeinschaftsrecht den
Mitgliedstaaten gewährte Freiheit der Wahl zwischen den zur Einhaltung der
Grenzwerte geeigneten Mitteln, die auch durch die Regelungen des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes und der 22. BImSchV nicht beschränkt wird, gilt auch
insoweit und schließt eine Verpflichtung im Rahmen von Planungsentscheidungen aus,
die Einhaltung der Grenzwerte vorhabenbezogen zu garantieren.
105
Vgl. dazu im Zusammenhang mit der straßenrechtlichen Planfeststellung: BVerwG,
Urteil vom 26. Mai 2004 - 9 A 6.03 - NVwZ 2004, 1237 (1238/1239).
106
Der 22. BImSchV liegt eine gebiets- bzw. ballungsraumbezogene Betrachtung
zugrunde. Sind die maßgeblichen Grenzwerte überschritten, so bestimmen sich die
107
Konsequenzen grundsätzlich nach § 47 Abs. 1 des Bundes- Immissionsschutzgesetzes
(BImSchG). Nach dieser Vorschrift ist ein Luftreinhalteplan aufzustellen, der die
erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftverunreinigungen
festlegt (vgl. auch § 11 Abs. 3 der 22. BImSchV). Steht mit Hilfe der Luftreinhalteplanung
ein Regelungssystem zur Verfügung, mit dem die Einhaltung der Grenzwerte
sichergestellt werden kann, so ist es dem Planungsträger in der Regel unbenommen,
die Problembewältigung diesem Verfahren zu überlassen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2004 - 9 A 6.03 - NVwZ 2004, 1237 (1239).
108
Nur auf diese eigenständige Luftreinhalteplanung, nicht etwa auf nachbarliche
Abwehransprüche gegen Planungen und Vorhaben, bezieht sich im Übrigen auch das
von der Antragstellerin in Bezug genommene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften in der Rechtssache "Janecek". Dort bejaht der Gerichtshof ein
klagefähiges Individualrecht des von Feinstaubpartikel-lmmissionen Betroffenen, von
der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats die Aufstellung eines "Aktionsplans" zur
Luftreinhaltung zu verlangen.
109
Vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008, Rs. C-237/07, "Janecek/Freistaat Bayern", EuZW
2008, 573.
110
Aus dem Vorstehenden folgt allerdings nicht, dass die Belange der Anwohner, von der
Zunahme luftverunreinigender Stoffe verschont zu bleiben, bei der Aufstellung von
Bebauungsplänen irrelevant wären. Vielmehr folgt aus dem planungsrechtlichen
Abwägungsgebot, dass der Planungsträger grundsätzlich die durch die
Planungsentscheidung geschaffenen oder ihr sonst zurechenbaren Konflikte zu
bewältigen hat und einer Lösung zuführen muss. Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juli
1994 - 4 NB 25.94 - NVwZ-RR 1995, 130 (131).
111
Der Belang der "Einhaltung der bestmöglichen Luftqualität" bei raumbedeutsamen
Planungen und Maßnahmen wird daher auch in § 50 Satz 2 BImSchG (vgl. auch Art. 9
S. 2 der Richtlinie 96/62/EG) benannt und durch § 1 Nr. 7 Buchst h) BauGB als
Abwägungsbelang für die Bauleitplanung übernommen.
112
Indes besitzen die Belange der Luftreinhaltung vorliegend kein relevantes Gewicht. Dies
zeigen die "Screening-Rechnung für Luftschadstoffe" des Landesamts für Natur, Umwelt
und Verbraucherschutz (LANUV) und - darauf aufbauend - die Plausibilitätsprüfung des
Ingenieurbüros B. vom November 2008 zur Frage der Einhaltung der Werte der 22.
BimschV. Die dortige Analyse der Vorbelastung (Ist-Zustand) ergibt unauffällige Werte:
113
Gleiches gilt für den Prognose-Zustand, dessen Werte der Luftschadstoffkonzentration
deutlich auf der "sicheren Seite" liegen:
114
Es ist weder von der Antragstellerin substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich,
dass die Einschätzungen der Gutachter in signifikanter Weise fehlerbehaftet sein
könnten.
115
Die Belange des Hochwasserschutzes sind von der Plangeberin unter Einbeziehung
der erhobenen Stellungnahmen, insbesondere derjenigen des Wasserverbandes Eifel-
Rur mit Schreiben vom 4. November 2008, ermittelt und bewertet worden. In der
endgültigen Planbegründung (Teil B: Umweltbericht) heißt es dazu unter Ziffer 2.2:
116
"Im Geltungsbereich des Bebauungsplans 269 sind keine Oberflächengewässer und
Wasserschutzzonen vorhanden. Das Plangebiet reicht in den (ursprünglichen)
natürlichen Überschwemmungsbereich der Inde hinein. Das gesetzliche
Überschwemmungsgebiet umfasst den ausgebauten Abschnitt der Inde, die nördlich
des Plangebietes und der Tennisplatze verläuft. Es wurde durch Verordnung der
Bezirksregierung Köln 1998 auf Basis des hundertjährigen Hochwasserereignisses
festgesetzt. Das Plangebiet liegt weder im festgesetzten Überschwemmungsgebiet noch
in den hochwassergefährdeten Bereichen oder den rückgewinnbaren Räumen gemäß
dem Landeswassergesetz NRW (LWG). Nach dem Hochwasseraktionsplan Inde / Vicht
ist die Innenstadt von F. bis zu einem 200-jährigen Hochwasserereignis hochwasserfrei.
Im Falle eines Extremhochwassers und beim Versagen von
Hochwasserschutzeinrichtungen wird jedoch annähernd der gesamte südliche Teil der
Innenstadt und damit auch das Plangebiet überflutet. Diese Flächen wurden wegen des
besonders hohen volkswirtschaftlichen Schadenspotentials in bebauten Bereichen in
die Kartendarstellung aufgenommen. Als mögliche Maßnahmen zum Schutz dieser
Überflutungsflächen beim Auftreten eines Extremhochwassers sind Sandsackbarrieren
und mobile Schutzelemente in der F. Innenstadt vorgesehen."
117
Ein zur Unwirksamkeit des Planes führendes Ermittlungs- oder Bewertungsdefizit ist
auch insoweit nicht ersichtlich. Für die Annahme der Antragstellerin, es griffen
Planungsverbote nach § 31 b Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 des Wasserhaushalts- gesetzes
ein, fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten.
118
Des Weiteren erscheint auch die planerische Bewältigung der Altlasten- Problematik,
die sich bei der Überplanung einer Industriebrache aufdrängen muss,
abwägungsgerecht. Im Rahmen der gebotenen summarischen Überrüfung entnimmt die
Kammer dies den Ausführungen der endgültigen Planbegründung (Teil B:
Umweltbericht) unter Ziffer 5.8, die keine Defizite erkennen lassen: " Altlasten Da es
sich bei der Fläche des ehemaligen Geländes um einen Altstandort handelt, auf dem
über viele Jahrzehnte hinweg eine Kokerei betrieben wurde, wird sie unter Nr.
5103/0140 im Altlastenkataster geführt. Im Rahmen einer Gefährdungsabschätzung
wurden im zentralen Bereich des Plangebietes im Wesentlichen drei
Belastungsschwerpunkte festgestellt, die eine Sanierung des Grundstückes erforderlich
machen. Durch den zwischen dem Investor und der Stadt F. abgeschlossenen
städtebaulichen Vertrag ist sichergestellt, dass vor Aufnahme der planmäßigen Nutzung
die Bodenbelastung saniert wird. Diese Fläche wird entsprechend § 9 Abs. 5 Nr. 3
BauGB als "Flächen, deren Boden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet
sind", im Bebauungsplan gekennzeichnet. Da die Sanierung dieser Altlastenfläche
"außerhalb des Bebauungsplanverfahrens" geregelt ist, kann der Bebauungsplan nach
Maßgabe des Punktes 2.1.4 des gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums für
Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport u. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MBI. NRW. S. 582) über die "Berücksichtigung
von Flächen mit Bodenbelastungen, insbesondere Altlasten, bei der Bauleitplanung und
im Baugenehmigungsverfahren (Altlastenerlass)" vom 14.03.2005 als Satzung
beschlossen und in Kraft gesetzt werden, auch wenn zum heutigen Zeitpunkt die
Sanierung des Grundstückes noch nicht abschließend durchgeführt wurde. (...) Der
Kindergarten liegt ebenfalls im Bereich des Altstandortes "ehemalige Drahtfabrik".
Aufgrund der sensiblen Nutzung wurden auf dem Kindergartengrundstück bereits im
Jahr 1991 Bodenuntersuchungen durchgeführt. Diese Untersuchungen belegen, dass
insbesondere die für die Nutzung als Kinderspielplatz relevanten obersten
119
Bodenschichten (direkter Kontakt oder orale Aufnahme von Boden durch spielende
Kleinkinder) nicht belastet sind, so dass sich hier kein weiterer Handlungsbedarf ergibt.
"
Nach alledem ist von der Wirksamkeit des aktuellen Bebaungsplanes Nr. 269
"Langwahn" auszugehen. Die darin enthaltenen Festsetzungen hat die angegriffene
Baugenehmigung vom 13. März 2008 übernommen. Bedenken gegen die Vereinbarkeit
der Baugenehmigung als solcher mit bauplanungsrechtlichen und/oder
bauordnungsrechtlichen Vorschriften, die auch dem Schutz der antragstellenden
Nachbarin dienen, greifen im Ergebnis nicht durch.
120
Die Rüge, der Beigeladene habe im Zuge der Bauarbeiten geschützen Baumbestand
beseitigt, ist schon deshalb unerheblich, weil insoweit keine einklagbare Position des
öffentlichen Nachbarrechts (subjektiv-öffentliches Recht) ersichtlich ist. Insbesondere
besteht insoweit kein Anhalt für eine nachbarschützende Zielrichtung des angegriffenen
Bebauungsplanes Nr. 269 "Langwahn".
121
Der Verzicht der Beigeladenen auf eine Zu- und Abfahrt bzw. 15 Stellplätze betreffend
den südwestlichen Bereich des Vorhabengrundstücks (August-Thyssen- Straße - Ecke
Jahnstraße), der nach Auffassung der Kammer in diesem Bereich zu einer unklaren
Genehmigungslage und damit zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung führt,
122
Vgl. Beschluss der Kammer vom 20. August 2008 - 3 L 242 /08 - und
Beschwerdebeschluss des OVG NRW vom 27. Oktober 2008 - 7 B1368/08 - Seite 3 ff.,
123
betrifft schon wegen der Entfernung des auf der östlichen Seite der August-Thyssen-
Straße gelegenen Hausgrundstücks der Antragstellerin diese nicht in ihren
Nachbarrechten.
124
Schließlich rechtfertigen Unklarheiten hinsichtlich der Frage, ob die vom Lärmgutachter
geforderte Beschränkung der Ladenöffnungszeiten im Fachmarktzentrum auf die Zeit
von 7.00 Uhr - 21.30 Uhr allein durch die Bezugnahme auf das betreffende
Lärmgutachten in einer Weise zum Gegenstand der Baugenehmigung geworden ist, die
dem Gebot der Bestimmtheit entspricht und die bei Verstößen eine Vollstreckung gegen
den Baugenehmigungsinhaber zulässt, nicht die beantragte Aussetzung der
Baugenehmigung. Falls diese Frage im Hauptsacheverfahren zu Gunsten der
Antragstellerin zu verneinen ist, könnte dieser Mangel durch eine entsprechende
Klarstellung der beklagten Genehmigungsbehörde ohne Weiteres beseitigt werden mit
der Folge, dass dieser Gesichtspunkt dem Aufschubinteresse der Antragstellerin
gegenüber dem gegenläufigen Vollziehungsinterese der Beigeladenen derzeit kein
überwiegendes Gewicht verleiht.
125
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da die
Beigeladene sich durch Stellung eines Antrages einem Kostenrisiko ausgesetzt hat,
entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu
erklären.
126
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 des
Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Wert berücksichtigt den Nachbarstreit in der
Hauptsache mit 10.000,- EUR und halbiert diesen Wert wegen des vorläufigen
Charakters des hier vorliegenden Eilverfahrens.
127