Urteil des VG Aachen vom 19.02.2009

VG Aachen: uvg, vaterschaft, anschrift, schwangerschaft, behörde, lebenserfahrung, zusammenwirken, zivilprozessordnung, vollstreckbarkeit, auskunftserteilung

Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 46/07
Datum:
19.02.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 46/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die am 11. Oktober 1973 geborene Klägerin ist ledig und Mutter des am 6. März 2002
geborenen Kindes O. . Am 17. Oktober 2006 stellte sie einen schriftlichen Antrag auf
Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind und gab ausweislich einer
Verhandlungsniederschrift zur Antragstellung an, dass sie zum Kindesvater keinerlei
Angaben machen könne. Sie mit dem Kindesvater zwei Monate zusammen gewesen
und könne sich nach vier Jahren nicht mehr an dessen Namen erinnern. Damals habe
sie noch bei ihrer Mutter gewohnt. Der Kindesvater habe damals bei Freunden gewohnt,
die sie nicht kenne; ebenso habe sie deren Anschrift nicht gekannt. Nach
Bekanntwerden der Schwangerschaft habe der Kindesvater sie vor die Wahl gestellt,
sich zwischen ihm und dem Kind zu entscheiden. Nach der Entscheidung für das Kind
habe er den Kontakt abgebrochen. In ihrer schriftlichen Antragsbegründung vom 16.
Oktober 2006 führte die Klägerin aus, dass sie sich bereits unmittelbar nach der Geburt
ihrer Tochter und ferner vor zweieinhalb Jahren ohne Erfolg um Unterhaltsvorschuss
bemüht habe. Sie sei jetzt von der ARGE angehalten worden, ihren Antrag mit
Nachdruck zu verfolgen.
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Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 lehnte der Beklagte die Gewährung von
Unterhaltsvorschussleistungen ab. Ein Anspruch bestehe gemäß § 1 Abs. 3 des
Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) nicht, da die Klägerin die erforderlichen Auskünfte
zur Ermittlung des Kindesvaters bzw. Feststellung der Vaterschaft nicht erteile.
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Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung L. mit
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Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2006 - zugestellt am 15. Dezember 2006 -
zurück. Der Anspruch sei nach § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen, da die Klägerin trotz
Aufforderung des Jugendamtes an der Feststellung der tatsächlichen Fakten, die für die
Entscheidung über ihren Antrag erforderlich seien, nicht in dem erforderlichen Umfang
mitgewirkt habe. Die in § 1 Abs. 3 UVG festgelegten Mitwirkungspflichten umfassen alle
Auskünfte zur Durchführung des Gesetzes, Ermittlung des Aufenthalts des anderen
Elternteils und Feststellung der Vaterschaft. Nur ausnahmsweise könne die
Mitwirkungspflicht bzw. Auskunftserteilungspflicht entfallen, wenn im Einzelfall
besondere und unerträgliche Auswirkungen nachvollziehbar vorgetragen würden. Dies
sei der Fall, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unerträglichen Konfliktsituation
auf Seiten des Auskunftspflichtigen bestünden. Eine derartige Ausnahmesituation sei
jedoch von der Klägerin nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Die
Ausführungen der Klägerin seien nicht überzeugend. Diese ließen vielmehr den
Schluss zu, dass die Klägerin den Namen oder Anschrift des Kindesvaters kenne, diese
Angaben aber verschweige. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass der Name des
Kindesvaters unbekannt bleibe, wenn eine Partnerschaft zwei Monate bestehe
Die Klägerin hat am 14. Januar 2007 Klage erhoben und ergänzend ausgeführt, dass
sie ihre Mitwirkung nicht verweigere. Ihr sei jedoch die Benennung des Namens des
Kindesvaters oder dessen Anschrift nicht möglich.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. Oktober 2006 und des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 13. Dezember 2006 zu
verpflichten, ihr für ihre Tochter O. Alten Unterhaltsvorschussleistungen für den Zeitraum
vom 17. Oktober 2006 (Antragstellung) bis zum 31. Dezember 2006 (Ende des Monats,
in dem der Widerspruchsbescheid erging) zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf die streitgegenständlichen Bescheide.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgänge.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Anspruch auf
Unterhaltsvorschussleistungen geltend macht, denn die Klägerin ist klagebefugt i.S. von
§ 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Zwar steht gemäß § 1 Abs. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) dem jeweiligen
Kind der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu. Das Gericht geht jedoch davon aus,
dass auch die Klägerin als der Elternteil, bei dem das Kind lebt, bzw. als gesetzliche
Vertreterin des Kindes, den Anspruch gerichtlich im eigenen Namen geltend machen
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kann. Dieses Recht der Klägerin kann aus der Vorschrift des § 9 Abs. 1 UVG abgeleitet
werden, die ein eigenständiges Antragsrecht des oben genannten Elternteils bzw. des
gesetzlichen Vertreters vorsieht, vgl. auch Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 23. September 1999 - 16 A 461/91 -,
NWVBl 2000 S. 99, m.w.Nw. zur Rspr. und Helmbrecht, UVG, 5. Auflg. 2004, § 9 Rz. 3.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
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Der angefochtene Versagungsbescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2006 und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 13. Dezember 2006 sind
rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und 5
VwGO. Der Klägerin steht für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 17. Oktober
2006 (Antragstellung) bis zum 31. Dezember 2006 (Ende des Monats in dem der
Widerspruchsbescheid erlassen wurde) kein Anspruch auf Gewährung von
Unterhaltsvorschussleistungen nach § 1 UVG für ihre Tochter O. zu.
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Der Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen ist nach § 1 Abs. 3 UVG
ausgeschlossen. Danach besteht ein Anspruch nach dem Unterhaltsvorschussgesetz
u.a. dann nicht, wenn der in § 1 Abs. 2 Nr. 2 UVG bezeichnete Elternteil sich weigert, die
Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei
der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthaltes des anderen Elternteils
mitzuwirken. Zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes erforderlich sind alle
Auskünfte über Tatsachen, die zur Feststellung des Anspruchs auf Unterhaltsleistungen
oder zur Geltendmachung des nach § 7 UVG kraft Gesetzes auf die öffentliche Hand
übergehenden Unterhaltsanspruchs des Kindes benötigt werden. Die öffentliche Hand
ist insbesondere zur Durchsetzung eines nach § 7 UVG übergegangenen
Unterhaltsanspruches des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil auf die Mitwirkung
und Auskünfte des Elternteils, bei dem das Kind lebt, angewiesen. Eine Weigerung im
Sinne der Vorschrift ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gegeben, wenn der
genannte Elternteil es an der Bereitschaft hat fehlen lassen, im Zusammenwirken mit
der Behörde das ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um zur Feststellung der
Vaterschaft und des Aufenthalts des Kindesvaters nach seinen Kräften beizutragen, in
dem er etwa Einzelheiten verschweigt, die bei rechtzeitiger Mitteilung möglicherweise
zu einer Ermittlung des Kindesvaters hätte führen können. Der Gesetzgeber ist insoweit
von einer gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit dieses Elternteils ausgegangen. Dies
setzt voraus, dass der Elternteil das ihm Mögliche und Zumutbare zur Feststellung der
Vaterschaft und des Aufenthalts des Kindesvaters beiträgt und Auskunftsbegehren der
Behörde erschöpfend beantwortet, um jedenfalls dieser die ggfs. erforderlichen
Ermittlungen zu erleichtern, vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 9. September 1996 - 8 A
1647/93 - und OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 1993 - 8 A 3347/91 -, FamRZ 1994 S.
1213.
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Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und den vorliegenden
Verwaltungsvorgängen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin sich
im oben dargelegten Sinne geweigert hat, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen bzw.
an der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des Kindesvaters mitzuwirken.
Dabei ist vorab festzuhalten, dass es nicht um eine Bewertung des von der Klägerin
dargelegten Verhaltens als unvorsichtig oder gedankenlos geht bzw. ob das Verhalten
der heutigen Lebenserfahrung entspricht, denn eine derartige Beurteilung ist nicht
Gegenstand des § 1 Abs. 3 UVG. Das Gericht hält jedoch die Angaben der Klägerin zur
Vaterschaft des Kindes nicht für glaubhaft. Vielmehr hat das Gericht nach der
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eingehenden Befragung der Klägerin den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin
vorhandenes Wissen oder Erkenntnisse zur Person des Kindesvaters sowie über die
näheren Umstände ihrer Bekanntschaft und Beziehung zum Kindesvater zurückhält. Die
Angaben der Klägerin zu der Person des Kindesvaters, des Kennenlernens und der
anschließenden Treffen sind äußerst spärlich und oberflächlich gehalten. Die Klägerin
hat weder von sich aus noch auf die eingehenden Nachfragen bzw. Hilfestellungen des
Gerichts konkrete Einzelheiten zur Vaterschaft des Kindes geschildert. Ihr kann insoweit
nicht geglaubt werden, dass sie sich an die näheren Einzelheiten zu ihrer damaligen
Beziehung mit dem Kindesvater nicht erinnern kann. Nach ihren eigenen Angaben in
der mündlichen Verhandlung will die Klägerin den Kindesvater in einer Diskothek
kennengelernt und danach noch mehrfach getroffen haben. Ihren Angaben gegenüber
dem Beklagten im Oktober 2006 zufolge, will sie mit dem Kindesvater sogar zwei
Monate zusammen gewesen sein. Ferner gab die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung an, dass sie den Kindesvater nach der Feststellung der Schwangerschaft
noch zwei Mal getroffen habe, einmal auf einem Parkplatz in F. , um ihm die
Schwangerschaft mitzuteilen und das letzte Mal in einem Café, um ihm das
Ultraschallbild zu zeigen. Nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen
Eindruck geht das Gericht davon aus, dass es sich insbesondere bei diesen beiden
letzten Treffen um Ereignisse gehandelt hat, die sich der Klägerin besonders eingeprägt
haben müssen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass sich die
Klägerin an keine konkreten Einzelheiten zu dem Kindesvater, den weiteren Treffen mit
dem Kindesvater oder dem Ort der Kindeszeugung erinnern kann. Vielmehr hat das
Gericht in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin
keine näheren Angaben mehr zu dem Kindesvater machen will und auch gezielte
Nachfragen abwehrt, weil sie mit dem Kindesvater - so ausdrücklich - "nichts mehr zu
tun haben wollte und will". So hat die Klägerin mehrfach auf Nachfragen des Gerichts
zum Kindesvater gar nicht oder nur nach längerem Zögern geantwortet. Ihren Angaben
zufolge hat sie aus diesem Grund damals auch die Handynummer des Kindesvaters
gelöscht und nichts zur Feststellung der Vaterschaft unternommen. Schließlich
bestehen Ungereimtheiten zu ihren Angaben bei der Antragstellung im Oktober 2006.
Danach habe sie damals noch bei ihrer Mutter gewohnt und sie habe den Kindesvater
immer dort getroffen. In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin jedoch auf
Nachfrage an, dass sie sich mit dem Kindesvater immer "unterwegs" getroffen habe, d.h.
in Restaurants oder Cafés. Diese widersprüchlichen Angaben konnte die Klägerin auch
auf Vorhalt nicht auflösen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin eine Auskunftserteilung über den Kindesvater
auf Grund einer Konfliktlage bzw. wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Gründe
nicht zumutbar war bzw. ist, vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 1989 - 5 B
197/88 -, Buchholz 436.45 UVG Nr. 1, Urteil vom 21. November 1991 - 5 C 13/87 -,
DVBl. 1992, 638; OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 1993 - 8 A 3347/91 -, FamRZ 1994,
1213; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 1992 - 6 S 634/90 -, juris¸
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sind nicht ersichtlich. Derartige Gründe hat die Klägerin auch auf Nachfrage nicht
dargelegt.
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Nach alledem war die Klage auch ohne, dass sich nach der mündlichen Verhandlung
feststellen lässt, aus welchen Gründen die Klägerin Kenntnisse oder Wissen zurückhält
oder wer der tatsächliche Kindesvater ist, abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung
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über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung (ZPO).