Urteil des VG Aachen vom 24.03.2009

VG Aachen: kostenbeitrag, form, zustellung, auflage, einkünfte, nettoeinkommen, klagefrist, datum, beschränkung, anfechtungsklage

Verwaltungsgericht Aachen, 2 K 1073/06
Datum:
24.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 1073/06
Tenor:
Der Kostenbeitragsbescheid des Beklagten vom 22. März 2006
betreffend das Kind F. M. und der Widerspruchsbescheid vom 5. Mai
2006 werden für den Zeitraum 1. April bis zum 30. Juni 2006
aufgehoben, soweit der erhobene Kostenbeitrag über die Höhe des
Kindergeldes von 154.- EUR monatlich hinausgeht. Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander
aufgehoben.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger ist der Vater der am 9. April 1990 und 24. Januar 1993 geborenen Kinder
M1. und F. , für die der Beklagte seit dem 22. Oktober 2003 Hilfe zur Erziehung in Form
der Heimerziehung nach § 34 des Sozialgesetzbuches (SGB) - Achtes Buch (VIII)
erbringt. Die Kindesmutter - Frau E. M. - ist 1994 verstorben. Das Kind F. leidet an einer
Muskelerkrankung, die mehrere ärztliche Untersuchungen und krankengymnastische
Behandlungen im Jahr erfordert. Der Kläger ist seit dem 1. April 2004 als
Außendienstmitarbeiter bei einer Handelsgesellschaft angestellt.
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Der Beklagte erhält seit dem 1. November 2003 das Kindergeld für die beiden Kinder in
Höhe von 154.- EUR pro Kind im Wege der Abzweigung nach § 74 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Ebenfalls werden die Halbwaisenrenten der Kinder
ab dem 1. Dezember 2003 an den Beklagten überwiesen. Der Kläger wurde von dem
Beklagten ab dem 22. Oktober 2003 bis zum 31. März 2006 zu keinem Kostenbeitrag
bzw. zu einem Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes herangezogen. Mit Schreiben
vom 1. März 2006 wies der Beklagte den Kläger - unter Beifügung eines Merkblattes -
auf die zum 1. Oktober 2005 eingetretene Neuregelung der Kostenbeiträge für stationäre
und vollstationäre Leistungen und die zum 1. April 2006 durchzuführende
Neuberechnung des Kostenbeitrages hin. Wegen der erst im Januar 2006
eingegangenen Gehaltsbescheinigung des Klägers für das Jahr 2005 verzichtete der
Beklagte auf erneute Vorlage von Einkommensunterlagen. Mit Schreiben vom 3. März
2006 gab der Beklagte dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu der
Neuberechnung des Kostenbeitrages.
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Mit gesonderten Kostenbeitragsbescheiden vom 22. März 2006 zog der Beklagte den
Kläger ab dem 1. April 2006 für das Kind M1. (Az.: 51/12513609-2734) zu einem
Kostenbeitrag in Höhe von 165.- EUR und für das Kind F. (Az.: 51/12513609-2735) in
Höhe von 275.- EUR heran. Nach Abzug des Kindergeldes errechnete der Beklagte
einen monatlich zu zahlenden Betrag für das Kind M1. in Höhe von 11.- EUR und für
das Kind F. in Höhe von 121.- EUR. Die Berechnung auf Grund der Übergangsregelung
für Altfälle ergab des weiteren für den Übergangszeitraum vom 1. April 2006 bis zum 30.
September 2006 einen monatlichen Zahlbetrag für das Kind M1. in Höhe von 5,50 EUR
und für das Kind F. in Höhe von 60,50 EUR. Bei der Berechnung legte der Beklagte ein
monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.295,12 EUR zu Grunde. Als Einkommen
des Klägers berücksichtigte der Beklagte zudem das monatliche Kindergeld in Höhe
von 154.- EUR und errechnete ein zu berücksichtigendes Einkommen von 1.449,12
EUR monatlich. Nach Abzug einer Pauschale von 25 % (362,28 EUR) zur Abgeltung
der Belastungen des Klägers nach § 93 Abs. 3 SGB VIII errechnete der Beklagte ein
maßgebliches Einkommen von 1.086,84 EUR, welches er nach der
Kostenbeitragstabelle (Anlage zu § 1 der Kostenbeitragsverordnung - KostenbeitragsV -
) der Einkommensgruppe 5 zuordnete. Zur Ermittlung des Kostenbeitrages stufte er das
Kind M1. in die Beitragsstufe 2 / Spalte 3 (zweite Person) und das Kind F. in die
Beitragsstufe 1 / Spalte 2 (erste Person) der Kostenbeitragstabelle ein.
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Mit am 24. April 2006 eingegangenem Schreiben vom 19. April 2006 erhob der Kläger
Widerspruch gegen den Kostenbeitragsbescheid für das Kind F. (Aktenzeichen
51/12513609-2735). Er machte geltend, dass sein Nettogehalt lediglich 1.023.-EUR in
Form eines Grundgehaltes betrage. Als Belastungen seien zudem die dem Beklagten
bekannten Schuldverpflichtungen (293.- EUR - 593.- EUR monatlich), seine beruflichen
Aufwendungen für Telefon, Internet, Kleidung (273,33 EUR monatlich), die
Aufwendungen für sein selbstgenutztes Eigenheim (monatliche Abzahlung zuzüglich
Strom, Wasser, Heizung, Abgaben - insgesamt 585,30 EUR), die Rücklage für einen
überfälligen Zahnersatz (100.- EUR monatlich) und die durch die monatlichen Kontakte
mit den Kindern entstehenden Fahrtkosten (252.- EUR monatlich) zu berücksichtigen.
Nachweise für die geltend gemachten Belastungen fügte der Kläger nicht bei.
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Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2006 den Widerspruch des
Klägers gegen den Kostenbeitragsbescheid für das Kind F. zurück. Eine förmliche
Zustellung des Widerspruchsbescheides durch den Beklagten erfolgte nicht. Das
Nettoeinkommen sei nach der Einkommensbescheinigung des Arbeitgebers für das
Jahr 2005 berechnet worden. Die Belastungen des Klägers seien bereits mit dem Abzug
von 25 % berücksichtigt worden. Darüber hinaus komme ein weiterer Abzug von
Belastungen nicht in Betracht, da der Kläger bereits keine Nachweise erbracht habe.
Die geltend gemachten beruflichen Aufwendungen könnten nach den
einkommensteuerrechtlichen Regelungen nur in Höhe von 20.- EUR berücksichtigt
werden. Unterkunftskosten seien bereits in der Kostenbeitragstabelle enthalten. Bei den
wegen der Besuchskontakte entstehenden Fahrkosten handele es sich nicht um
Belastungen i.S. des § 93 Abs. 3 SGB VIII.
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Der Kläger hat am 19. Juni 2006 mit Schreiben vom 16. Mai 2006 Klage gegen beide
Kostenbeitragsbescheide erhoben. Der Widerspruchsbescheid sei mit Poststempel vom
19. Mai 2006 am 22. Mai 2006 bei ihm eingegangen. Er leiste bereits einen
wesentlichen Beitrag durch Abzweigung des Kindergeldes und der Halbwaisenrente an
den Beklagten. Darüber hinaus könne er nicht zu einem weiteren Kostenbeitrag
herangezogen werden. Zum einen sei bereits sein Einkommen falsch berechnet.
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Sonderzahlungen und Provisionen seien kein fester Bestandteil seines Einkommens
und dürften nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen nahm der Kläger Bezug auf die
bereits mit dem Widerspruch geltend gemachten Belastungen und ergänzte, dass
insbesondere die im Zusammenhang mit den Kontakten zu den Kindern entstehenden
Fahrtkosten zu berücksichtigen seien. Er nehme neben den Besuchsterminen auch
schulische und mit seinem Sohn auch medizinisch veranlasste Termine in größerem
Umfang wahr. Der Kläger legte eine Gehaltsbescheinigung seines Arbeitgebers für die
Jahre 2006 und 2007 vor.
Der Kläger beantragt,
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die Heranziehungsbescheide des Beklagten vom 22. März 2006 betr. F. und M1. sowie
den Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist darauf, dass der Kläger lediglich gegen den Kostenbeitragsbescheid für das
Kind F. Widerspruch erhoben habe. Ein Widerspruch gegen den Beitragsbescheid für
das Kind M1. liege ihm nicht vor. Hinsichtlich der geltend gemachten Belastungen des
Klägers wiederholt und vertieft der Beklagte seine bisherigen Ausführungen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte und der hierzu überreichten Verwaltungsvorgänge des
Beklagten.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist zulässig, soweit sie sich gegen den Heranziehungsbescheid betreffend
das Kind F. richtet. Im Übrigen ist die Klage mangels Durchführung eines
Widerspruchsverfahrens unzulässig. Nach § 68 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) i.V.m. § 6 des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 26. März 1960 in der bis zum 31. Oktober 2007 gültigen
Fassung (AG VwGO NRW a.F.) war zum damaligen Zeitpunkt vor Erhebung einer
Anfechtungsklage ein Vorverfahren durchzuführen. Der Kläger hat jedoch gegen den
Heranziehungsbescheid betreffend das Kind M1. keinen Widerspruch erhoben. Das in
den Verwaltungsvorgängen befindliche Widerspruchsschreiben vom 19. April 2006
bezieht sich lediglich auf den Heranziehungsbescheid für das Kind F. , dessen
Aktenzeichen allein aufgeführt ist. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen hat, dass er seiner Erinnerung nach zwei gleichlautende Schreiben in
einem Internetcafé verfasst und in einem Umschlag abgesandt habe, lassen sich diese
Angaben nicht nachvollziehen. Bei dem vorliegenden Widerspruch handelt es sich
nämlich um ein handschriftlich verfasstes Schreiben, welches sich mit dem
dazugehörigen Briefumschlag in dem Verwaltungsvorgang des Kindes F. befindet. Ein
weiteres Widerspruchsschreiben ist in den Verwaltungsvorgängen der Kinder F. oder
M1. nicht enthalten. Nach Einsicht in das vorliegende Widerspruchsschreiben räumte
auch der Kläger ein, dass ihm ein Fehler unterlaufen sein könnte.
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Die Klage gegen den Heranziehungsbescheid betreffend das Kind F. ist im Übrigen
nicht wegen Versäumung der Klagefrist von einem Monat nach § 74 Abs. 1 VwGO
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unzulässig, da die Klagefrist mangels der nach § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderlichen
Zustellung des Widerspruchsbescheids nicht in Gang gesetzt worden ist. Die Frage, ob
der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 5. Mai 2006 dem Kläger seinen Angaben
entsprechend erst am 22. Mai 2006 zugegangen ist - insoweit besteht bereits ein
Widerspruch zu dem Datum, unter dem die Klageschrift verfasst worden ist (16. Mai
2006) - oder nachweislich zu einem früheren Zeitpunkt zugegangen ist, kann
dahinstehen, da die Heilung eines Zustellungsmangels nach § 8 des
Landeszustellungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LZG NRW) vorliegend
nicht in Betracht kommt. Der Wille des Beklagten zu einer förmlichen Zustellung bei der
Übersendung des Widerspruchsbescheides lässt sich nämlich weder dem
Widerspruchsbescheid noch dem Verwaltungsvorgang entnehmen. Vielmehr ist der
Widerspruchsbescheid bewusst formlos übermittelt worden. Der fehlende
Zustellungswille stellt jedoch keinen Zustellungsmangel i.S. des § 8 LZG NRW dar, da
die Vorschrift den Willen der Behörde, eine Zustellung vorzunehmen, voraussetzt,
vgl. auch Sadler, VwVG/VwZG, 6. Auflage 2006, § 8 VwZG Rz. 20 m.w.Nw. zur Rspr.;
Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 8. Auflage 2008, § 8 VwZG Rz. 1; zu § 189 ZPO ebenso:
BGH, Beschluss vom 26. November 2002 - VI ZB 41/02 - , NJW 2003, 1192.
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Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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Der angefochtene Kostenbeitragsbescheid vom 22. März 2006 betreffend das Kind F.
und der Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2006 sind für den streitgegenständlichen
Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2006 rechtswidrig und verletzen den Klägern in
seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO, soweit der erhobene Kostenbeitrag über die Höhe
des von dem Beklagten abgezweigten Kindergeldes von 154.- EUR hinausgeht.
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Streitgegenständlich ist nach Auffassung der Kammer der Heranziehungszeitraum vom
1. April 2006 (Beginn der Heranziehung) bis zum Ende des Monats der Klageerhebung
(hier: 30. Juni 2006). Grundsätzlich schließt der Widerspruchsbescheid den
maßgeblichen Zeitraum ab, da Gegenstand der Anfechtungsklage der
Heranziehungsbescheid in Form des Widerspruchsbescheides ist. Vor dem
Hintergrund, dass ab dem 1. November 2007 ein Widerspruchsverfahren gemäß § 6
Abs. 1 AG VwGO NRW nicht mehr durchzuführen ist, hält die Kammer eine einheitliche
Beschränkung des streitgegenständlichen Zeitraumes auf das Ende des Monats der
Klageerhebung für sachgerecht, soweit nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt die
Beitragserhebung beendet worden ist. Dies gilt aus Sicht der Kammer auch in Fällen, in
denen wie vorliegend mit dem Heranziehungsbescheid ein Kostenbeitrag ab einem
bestimmten Zeitpunkt und ohne eine zeitliche Beschränkung erhoben wird und damit
über den Zeitpunkt der Klageerhebung hinausgeht. Eine Ausdehnung des
streitgegenständlichen Zeitraums etwa bis zu dem Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung, würde eine stetige Kontrolle der Voraussetzungen für eine
Beitragserhebung - etwa die jeweiligen Einkommensverhältnisse, Fortdauer der
Hilfegewährung, etc. - während des Klageverfahrens erfordern, die dem Gericht - anders
als der betroffenen Behörde - nur unter erschwerten Umständen möglich ist.
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Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu einem Kostenbeitrag ist § 92
Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII i.V.m. § 91 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VIII. Danach sind Elternteile zu den
Kosten der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung nach § 34 SGB VIII aus
ihrem Einkommen heranzuziehen. Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines
Kostenbeitrages, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird. Der Umfang der
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Heranziehung bestimmt sich nach § 94 SGB VIII und richtet sich nach dem gemäß § 93
SGB VIII zu berechnenden Einkommen des Beitragspflichtigen unter Berücksichtigung
weiterer gleichrangiger Unterhaltspflichten, § 94 Abs. 2 SGB VIII. Die Festsetzung des
Kostenbeitrages erfolgt auf Grund der nach § 94 Abs. 5 SGB VIII erlassenen
Kostenbeitragsverordnung vom 1. Oktober 2005 (BGBl. 2005, 2907) - KostenbeitragsV -,
die nach Einkommensgruppen gestaffelte Pauschalbeträge bestimmt.
Bereits die Ermittlung des monatlichen Einkommens durch den Beklagten nach § 93
SGB VIII in Höhe von 1.449,12 EUR begegnet rechtlichen Bedenken. Zum einen ist zu
Gunsten des Klägers auf Grund der dem Gericht vorgelegten Gehaltsbescheinigung für
das Jahr 2006 von einem Nettoeinkommen 1.235,35 EUR auszugehen. Zum anderen
handelt es sich bei dem Kindergeld in Höhe von 154.- EUR vorliegend nicht um
Einkommen des Klägers, da der Kläger das Kindergeld wegen der Abzweigung nach §
74 Abs.1 EStG durch den Beklagten seit dem 1. November 2003 nicht mehr erhält. Zum
Einkommen gehören nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII alle Einkünfte in Geld und
Geldeswert mit Ausnahme der dort aufgeführten Einkünfte. Voraussetzung ist jedoch,
dass die Einkünfte dem Betroffenen auch tatsächlich zufließen, d.h. tatsächlich
wirtschaftlich verfügbar sind (sog. "bereite Mittel"),
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vgl. etwa Mann in Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Auflage 2007, § 93 Rz.3 und
Stähr in Hauck, SGB VIII, Stand: Januar 2009, § 93 Rz.8, m.w.Nw. zur Rspr..
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Das Kindergeld steht jedoch dem Kläger nicht mehr wirtschaftlich zur Verfügung und ist
folglich bei der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen.
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Nach Abzug des Pauschalbetrages von 25% gemäß § 93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII in
Höhe von 308,84 EUR ergibt sich ein für die Beitragsberechnung maßgebliches
Einkommen des Klägers in Höhe von 926,51 EUR, welches mangels zu
berücksichtigender Unterhaltspflichtiger der Einkommensgruppe 3 zuzuordnen ist.
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Entgegen der Annahme des Beklagten ergibt sich sodann der Beitrag für das hier
jüngere Kind F. nicht aus der Beitragsstufe 1/Spalte 2 (hier: 185.- EUR), sondern aus der
Beitragstufe 2/Spalte 3. Gemäß § 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KostenbeitragsV folgt die Höhe
des Kostenbeitrages in Fällen, in denen der Kostenbeitragspflichtige für eine Person
herangezogen wird, aus der Spalte 2 und in Fällen, in denen der
Kostenbeitragspflichtige für mehrere Personen herangezogen wird, für die zweite
Person aus Spalte 3. Der Vorschrift kann insoweit nicht entnommen werden, wie in
Fällen, in denen - wie vorliegend - minderjährige Geschwisterkinder zeitgleich
vollstationär untergebracht werden, zu verfahren ist. In diesen Fällen ist es aus Sicht der
Kammer sachgerecht, die Beitragsstufen nach dem Alter der Kinder zu wählen, und
zwar für das ältere Kind die Spalte 2 und für das jüngere Kind die Spalte 3. Etwas
anderes ergibt sich entgegen den Hinweisen der Vertreterin des Beklagten in der
mündlichen Verhandlung auch nicht aus den Gemeinsamen Empfehlungen für die
Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB der Arbeitsgemeinschaft der
Jugendämter der Länder (Stand: 1.1.2008). Dort ist nunmehr ebenfalls unter Ziffer
18.8.1.1. (Rangfolge bei minderjährigen Geschwistern bei zeitgleicher Unterbringung)
die Empfehlung vorgesehen, dass sich der Kostenbeitrag für den ältesten jungen
Menschen aus Spalte 2 und für den zweiten jungen Menschen aus Spalte 3 ergibt.
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Der Kostenbeitrag beträgt nach der Spalte 3 der Kostenbeitragsverordnung 50.- EUR.
Da dieser Betrag jedoch niedriger ist als das Kindergeld, welches der Beklagte bereits
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im Wege der Abzweigung erhält, ist der Kostenbeitrag gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB
VIII i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3 KostenbeitragsV auf die Höhe des Kindergeldes festzusetzen,
welches der Beklagte bereits erhält. Dies gilt auch im Hinblick auf die
Übergangsregelung für Altfälle gemäß § 8 Abs. 1 KostenbeitragsV i.V.m. - der
zwischenzeitlich aufgehobenen - Vorschrift des § 97 b SGB VIII, da der Kostenbeitrag
des Klägers bereits zuvor lediglich in Höhe des Kindergeldes erhoben worden ist.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die von dem Kläger geltend gemachten
Belastungen einen über den Abzug von 25 % hinausgehende Berücksichtigung nach §
93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII rechtfertigen. Danach können Belastungen, die höher sind als
der pauschale Abzug, abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe
angemessen sind, die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen
und der Beitragspflichtige die Belastungen nachweist (§ 93 Abs. 3 Satz 5 SGB VIII). Der
Kläger hat bereits nach den obigen Ausführungen keinen über das Kindergeld
hinausgehenden Beitrag zu leisten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 2, § 188 VwGO und erscheint der
Kammer mit Blick auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens, die Beitragshöhe der
angefochtenen Bescheide und des zu berücksichtigenden Zeitraumes angemessen.
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