Urteil des VG Aachen vom 20.08.2007

VG Aachen: ersatzvornahme, urne, vwvg, härte, gefahr, erlass, androhung, leiche, rechtsgrundlage, verwaltungsakt

Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 1554/06
Datum:
20.08.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 1554/06
Tenor:
Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 14. Juli 2006 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises Aachen vom 2.
Oktober 2006 wird aufgehoben, soweit vom Kläger ein Betrag von mehr
als EUR 477,53 gefordert wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 5/17, der Beklagte zu
12/17.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 14. Juli 2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises Aachen vom 2. Oktober 2006 wird
aufgehoben, soweit vom Kläger ein Betrag von mehr als EUR 477,53 gefordert wird.
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Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 5/17, der Beklagte zu 12/17.
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Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d:
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Der Kläger, der noch zwei Schwestern hat, ist der Sohn des am 11. Dezember 2005
verstorbenen Herrn X. X1. . Er wendet sich gegen die Inanspruchnahme für die Kosten
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der Bestattung seines Vaters in Höhe von 1.757,53 EUR. Am 13. Dezember 2005
benachrichtigte das Krankenhaus T. das Ordnungsamt des Beklagten vom Tode des
Herrn X. X1. und teilte gleichzeitig mit, dass Angehörige sich bislang nicht gemeldet
hätten. Das Ordnungsamt werde gebeten, den Verstorbenen abzuholen und eventuell
die Beerdigung zu veranlassen. Der Beklagte beauftragte den Bestattungsunternehmer
C. , T. , den Verstorbenen vom Krankenhaus abzuholen. Am 13. Dezember 2005
nachmittags hatten der Kläger und seine Schwestern Kontakt mit dem Ordnungsamt. Am
15. Dezember 2005 wurden Unterlagen zur Vorlage beim Sozialamt an die Schwestern
des Klägers ausgehändigt. Am 15. Dezember 2005 fand ein weiteres Telefonat mit dem
Kläger statt, bei dem ausweislich des angefertigten Vermerks eine Beratung wegen der
Beerdigungskosten und -arten stattfand. Der Kläger sei auch auf die Möglichkeit der
Inanspruchnahme durch Leistungsbescheid hingewiesen worden. Es sei angeregt
worden, dass der Kläger sich mit dem Beerdigungsinstitut in Verbindung setzen solle.
Am 16. Dezember 2005 teilte ein Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens gegenüber
dem Ordnungsamt mit, der Kläger habe mitgeteilt, er werde sich nicht mehr um die
Bestattung seines Vaters kümmern. Er und seine Schwestern beabsichtigten, am 19.
Dezember 2005 das Erbe auszuschlagen. Ausweislich des angefertigten Vermerks hat
der Kläger dies anlässlich eines Telefonats vom selben Tage dem Beklagten
gegenüber bestätigt. Daraufhin informierte der Beklagte das Bestattungsinstitut und
vereinbarte, dass die Beerdigung des Herrn X. mit dem Ordnungsamt abgewickelt
werden solle. Mit Leistungsbescheid vom 19. Dezember 2005 forderte der Beklagte vom
Kläger die Kosten der im Wege der Ersatzvornahme erfolgten Bestattung in Höhe von
insgesamt 1.181,45 EUR. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus den Kosten des
Bestattungsunternehmers inkl. Mehrwertsteuer in Höhe von EUR 699,85, der Ein-
äscherungsgebühr in Höhe von EUR 276,- und der Verwaltungsgebühr in Höhe von
EUR 200,- EUR sowie Kosten der Postzustellungsurkunde in Höhe von EUR 5,60.
Nachdem der Kläger sich am 20. Dezember 2005 gegenüber dem Beklagten bereit
erklärt hatte, doch für die Bestattung seines Vaters sorgen zu wollen und die Kosten zu
übernehmen, wurde ihm die Aufhebung des Leistungsbescheides in Aussicht gestellt.
Ein Termin zur Vorsprache beim Ordnungsamt wurde für den 20. oder 21. Dezember
2005 vereinbart. Am 22. Dezember 2005 legte der Kläger Wider- spruch mit der
Begründung ein, er habe das Erbe ausgeschlagen und sei daher zivilrechtlich nicht
verpflichtet, dem Leistungsbescheid nachzukommen. Mit Gebüh- renbescheid vom 24.
April 2006 forderte die Friedhofsverwaltung vom Ordnungsamt des Beklagten für die
Beisetzung des Herrn X. X2. auf dem Friedhof C1. in eine anonyme Urnengrabstelle am
17. Januar 2006 Gebühren in Höhe von insgesamt EUR 1.280,-. Am 14. Juli 2006 hob
der Beklagte den Leistungsbescheid vom 19. Dezember 2005 auf und wies darauf hin,
dass ein neuer Leistungsbescheid ergehe, in den die Friedhofsgebühren als Kosten der
Ersatzvornahme eingestellt würden. Unter dem 14. Juli 2006 erging ein entsprechender
Leistungsbescheid. Abzüglich des noch vorhandenen Taschengeldes des Verstorbenen
in Höhe von EUR 703,92 verblieb eine offene Forderung in Höhe von EUR 1.757,53.
Der Kläger legte hiergegen am 8. August 2006 Widerspruch ein und begründete diesen
wie folgt: Zu keinem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für eine Ersatzvornahme
vorgelegen, da die Kinder des Verstorbenen namentlich bekannt gewesen seien. Man
habe aber keine Gelegenheit gehabt, das Beerdigungsinstitut selbst auszuwählen. Die
Stadt sei außerdem ihrer Pflicht nicht nachgekommen, den Termin der Beerdigung
mitzuteilen. Der Landrat des Kreises Aachen wies den Widerspruch des Klägers mit
Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2006 zurück. Am 6. November 2006 hat der
Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, der Beklagte habe sich bereits zum Zeitpunkt des
ersten Telefonats am 13. Dezember 2005 dafür entschieden gehabt, das
Beerdigungsinstitut C. zu beauftragen. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Gefahrenlage
aber noch nicht bestanden. Die Achttagesfrist des § 13 BestG NRW sei erst am 19.
Dezember 2005 abgelaufen, so dass noch ausreichend Zeit für den Erlass einer
vorgeschalteten Aufforderung mit Androhung des Zwangsmittels gegeben gewesen sei.
Am 13. Dezember 2005 habe er sich auch nicht geweigert, für die Beerdigung seines
Vaters zu sorgen. Er habe auch in den folgenden Tagen dieserhalb mehrmals Kontakt
mit dem Beerdigungsinstitut gehabt. Man habe dann auch verabsäumt, ihm und seinen
Schwestern den Termin der Beisetzung mitzuteilen, so dass sie nicht die Möglichkeit
gehabt hätten, darüber zu entscheiden, ob sie trotz des nachhaltig und tiefgreifend
gestörten Verhältnisses ihrem Vater die letzte Ehre erweisen wollten. Ungeachtet
dessen läge aber jedenfalls eine unbillige Härte im Sinne des § 14 Abs. 2 KostO vor.
Der Kläger habe seinen Vater das letzte Mal 1991 gesehen. Die endgültige Abkehr vom
Vater sei der Endpunkt einer langjährigen Entwicklung gewesen, die von Gewalt und
seelischen Grausamkeiten geprägt gewesen sei. Die Gewalttätigkeit des Vaters
gegenüber engsten Familienangehörigen habe zur Scheidung der Ehe seiner Eltern
geführt. Der Vater habe zu Alkoholexzessen geneigt und sei dann massiv handgreiflich
und ausfallend geworden. Er habe auch mit Gegenständen um sich geworfen. Ihn selbst
habe der Vater in das heiße Dampfbad eines zu Inhalationszwecken verwendeten
Kessels gedrückt. Zwischen 1983 und 1989 sei der Kläger arbeitslos gewesen und
habe damals keinerlei ideelle oder materielle Unterstützung durch den Vater erlebt. In
den Jahren 1989 bis 1991 habe er gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin in
einer Mietwohnung des Vaters im einstigen Familienwohnhaus gewohnt. Diese
Wohnung habe er gekündigt und es sei dann neben Hetztiraden und Beleidigungen zu
einem längeren Rechtsstreit und zu einem tätlichen Angriff seines Vaters auf seine
frühere Lebensgefährtin gekommen. Diese sei durch die gesamte Situation so
mitgenommen gewesen, dass sie in der Folgezeit zwei Suizidversuche unternommen
habe.
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides des
Landrates des Kreises Aachen vom 2. Oktober 2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er beruft sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
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Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der
öffentlichen Sitzung vom 20. August 2007 verwiesen.
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Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin
übertragen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Leistungsbescheid des Beklagten vom
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14. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises
Aachen vom 2. Oktober 2006 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide
rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte durfte dem
Grunde nach von dem Kläger die notwendigen Kosten für die im Wege der
Ersatzvornahme vom Beklagten durchgeführte Einäscherung seines verstorbenen
Vaters, Herrn X. X2. , im Wege des Erlasses eines Leistungsbescheides fordern. Soweit
die Kosten für die Bereitstellung des anonymen Urnenreihengrabes und die Gebühr für
die Beisetzung der Urne betroffen sind, lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für
einen Sofortvollzug im Wege der Ersatzvornahme nicht vor. Rechtsgrundlage für den die
Bestattungskosten des Vaters des Klägers von diesem fordernden Leistungsbescheid
ist die Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das
Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW), wonach - nach näherer Bestimmung einer
Kostenordnung (KostO NRW) - von dem Pflichtigen Kosten (Gebühren und Auslagen)
erhoben werden. Zu den Auslagen gehören nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 KostO NRW
auch die Beträge, die u.a. bei der Ersatzvornahme an Beauftragte und an Hilfspersonen
zu zahlen sind, sowie Kosten, die der Vollzugsbehörde durch die Ersatzvornahme
entstanden sind. Der Beklagte hat - als Ordnungs- und Vollzugsbehörde - die gesamte
Bestattung des verstorbenen Vaters des Klägers im Wege der Ersatzvornahme durch
einen Bestatter ausführen lassen, ohne den Kläger zuvor mit einem Verwaltungsaktes
zur Erfüllung seiner Bestattungspflicht aufzufordern. Die tatbestandlichen
Voraussetzungen der §§ 55 Abs. 2, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 5 und 64 Satz 2 VwVG
NRW für die Ersatzvornahme im sog. Sofortvollzug nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW lagen
jedoch nur hinsichtlich der Veranlassung der Einäscherung vor. Die Vorgaben für die
Ersatzvornahme der Bestattung als solche waren allerdings erfüllt. Nach § 59 Abs. 1
VwVG NRW kann die Vollzugsbehörde auf Kosten des Betroffenen die Handlung selbst
ausführen oder einen anderen mit der Ausführung beauftragen, wenn die Verpflichtung,
eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist
(vertretbare Handlung), nicht erfüllt wird. Der Kläger war als volljähriges Kind nach § 8
Abs. 1 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen des Landes Nordrhein-
Westfalen (BestG NRW) grundsätzlich zur Bestattung seines Vaters verpflichtet.
Vorrangige Verwandte des Verstorbenen gibt es nicht. Die öffentlich-rechtliche
Bestattungspflicht des Klägers ist auch nicht wegen der Ausschlagung des Erbes am
19. Dezember 2005 entfallen.
Vgl. etwa: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW),
Beschluss vom 31. Juli 2006 - 19 E 371/95 - und Urteil vom 10. Mai 1996 - 19 A 4684/95
- sowie Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (NdsOVG), Beschluss vom 21.
November 1996 - 8 PA 118/06 -, alle recherchiert. in juris.
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Der Kläger ist seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen. Dass es mit den beiden
Schwestern des Klägers weitere gleichrangig bestattungspflichtige Angehörige im
Sinne des § 8 Abs. 1 BestG NRW gibt, steht der ausschließlichen Inanspruchnahme des
Klägers nicht entgegen. Der Beklagte hat das ihm zustehende Auswahlermessen bei
der Heranziehung des Klägers zur Kostenerstattung sachgerecht ausgeübt. Er hat sich,
wie sich aus dem Vorlageschreiben an die Widerspruchsbehörde und dem
Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises Aachen vom 2. Oktober 2006 ergibt
von der Leistungsfähigkeit des Klägers leiten lassen. Die Schwestern des Klägers
hatten bereits im Vorfeld substantiiert geltend gemacht, sie seien zur Aufbringung der
Kosten der Bestattung finanziell nicht imstande. Eine anteilige Heranziehung der
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grundsätzlich gleichermaßen bestattungspflichtigen Geschwister zur Kostenerstattung
war bei dieser Sachlage nicht geboten. Soweit die Einäscherung der Leiche betroffen
ist, bedurfte es auch nicht des vorherigen Erlasses eines die Bestattungspflicht unter
Fristsetzung einfordernden Verwaltungsaktes. Auch die vorherige Androhung der
Ersatzvornahme war entbehrlich. Nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW kann
Verwaltungszwang - ausnahmsweise und abweichend von der Grundregel des § 55
Abs. 1 VwVG NRW (sog. gestrecktes Verfahren) - ohne vorausgehenden
Verwaltungsakt angewendet werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr
notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt.
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann nach § 63 Abs. 1 Satz 5 VwVG NRW von der
Androhung des Zwangmittels abgesehen werden und dessen Festsetzung - vgl. § 64
Satz 2 VwVG NRW - entfällt. Hinsichtlich der Veranlassung der Einäscherung der
Leiche am 16. Dezember 2005 fehlte es insbesondere nicht an der tatbestandlichen
Vorgabe der gegenwärtigen Gefahr. Eine gegenwärtige Gefahr ist eine Sachlage, bei
der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der
diese Einwirkung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgehend
bevorsteht. Eine solche gegenwärtige Gefahr lag im Zeitpunkt der endgültigen
Beauftragung des Bestattungsunternehmens im Laufe des Freitags, dem 16. Dezember
2005, vor. Der Kläger hatte - und dies hat er im Klageverfahren auch nicht bestritten - an
diesem 16. Dezember 2005 wie auch eine seiner Schwestern sowohl gegenüber dem
bis dahin vorläufig befassten Bestattungsunternehmen als auch gegenüber der
Ordnungsbehörde des Beklagten erklärt, er werde sich nicht (mehr) um die Bestattung
seines Vaters kümmern. Da die Achttagesfrist des § 13 Abs. 4 BestG NRW bereits am
nächsten Werktag, nämlich am Montag, dem 19. Dezember 2005 endete, war die
unmittelbare Veranlassung der beabsichtigten Einäscherung aus hygienischen und
gesundheitlichen Gründen besonders eilbedürftig und dringend geboten. Innerhalb
dieser Frist müssen Erdbestattungen durchgeführt werden. Im Rückschluss aus dieser
Vorschrift, die in engem sachlichem Zusammenhang mit der in § 7 Abs. 3 Satz 1 BestG
enthaltenen Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass von Toten keine
Gesundheitsgefahr ausgeht, steht, ergibt sich zwingend, dass auch Einäscherungen
spätestens in diesem Zeitpunkt durchgeführt oder aber jedenfalls endgültig in die Wege
geleitet sein müssen. Es gilt nämlich in jedem Fall zu verhindern, dass im Falle der
Untätigkeit der Bestattungspflichtigen diese Frist überschritten wird. Bei dieser Sachlage
sind die geltend gemachten Kosten des Bestattungsunternehmens für Sarg,
Bestattungskleid, Bestattungsgarnitur, Desinfektion, Behandlung, Einbettung und
Überführung des Verstorbenen sowie die Kosten für die Erledigung der Formalitäten
sowie die Kremationsgebühren einschließlich des amtsärztlichen Attestes in Höhe von
insgesamt EUR 975,85 zutreffend in den Leistungsbescheid eingestellt worden.
Dasselbe gilt für die Verwaltungsgebühr in Höhe von EUR 200,-. Sie findet ihre
Rechtsgrundlage in § 7a Ziff. 11 KostO NRW und hält sich der Höhe nach innerhalb des
dort ausgewiesenen Rahmens von EUR 25,- bis EUR 300,-. Auch die Kosten der
Postzustellungsurkunde durften als Auslagen in Rechnung gestellt werden. Zutreffend
hat der Beklagte hiervon das noch vorhandene Guthaben des Verstorbenen in Höhe
von EUR 703,92 in Abzug gebracht. Die o.a. gegenwärtige Gefahr endete jedoch mit der
Einäscherung der Leiche und der Aufnahme der Asche in eine Urne.
Vgl. hierzu Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (NdsOVG), a.a.O.
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Von der Bestattungspflicht nach § 8 Abs. 1 BestG NRW ist zwar auch die anschließende
Beisetzung der Urne erfasst, insoweit lag aber eine die gegenwärtige Gefahr
begründende Sachlage nicht (mehr) vor. Eine Frist für die Beisetzung der Urne sieht das
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Landesrecht nicht - auch nicht in § 15 BestG - ausdrücklich vor. Es kann dahin stehen,
ob und inwieweit etwa das Gebot der Totenwürde eine zeitnahe Beisetzung auch der
Urne fordert, eine besondere Eilbedürftigkeit für die Beisetzung der Urne ist nämlich
jedenfalls nicht gegeben. Es besteht gerade auch unter hygienischen und
gesundheitlichen Gesichtspunkten regelmäßig ausreichend Zeit und Gelegenheit den
vorrangig Bestattungspflichtigen nach erfolgter Einäscherung durch Verwaltungsakt
unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung der Ersatzvornahme
aufzugeben, die Beisetzung innerhalb einer angemessenen Frist selbst vornehmen zu
lassen. Diese Einschätzung wird vorliegend auch durch den tatsächlichen Ablauf der
Ereignisse bestätigt. Die Beisetzung der Urne des verstorbenen Vaters des Klägers
erfolgte erst etwa einen Monat nach der einheitlichen Beauftragung des
Bestattungsunternehmens. Dass die Vergabe eines solchen einheitlichen, sowohl die
Einäscherung als auch die Beisetzung der Urne umfassenden Bestattungsauftrages für
den Beklagten ggf. weniger aufwändig ist, befreit ihn nicht von der Einhaltung der
zwingenden Vollstreckungsbestimmungen. Hiergegen kann auch nicht erfolgreich
eingewandt werden, der Erlass eines gesonderten Bescheides hinsichtlich der
Beisetzung der Urne sei wegen der endgültigen Weigerung des Bestattungspflichtigen,
die Beerdigungskosten zu übernehmen, überflüssig. Dass der Bestattungspflichtige
auch die Beisetzung der Urne nicht selbst vornehmen lassen will, ist nämlich nicht in
jedem Fall anzunehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass er aus Kostengründen oder
aus anderen Motiven heraus - etwa aufgrund eines Sinneswandels - beschließt, seiner
Bestattungspflicht nunmehr zumindest teilweise nachzukommen. Ungeachtet des
Umstandes, dass es sich grundsätzlich wohl um Kosten der Ersatzvornahme handeln
kann, war der Beklagte daher nicht berechtigt die Kosten für die Bereitstellung des
anonymen Urnenreihengrabes sowie die Gebühr für die Beisetzung der Urne in den
angefochtenen Leistungsbescheid einzustellen.
Für die Geltendmachung der Kosten der Ersatzvornahme als Auslagen im Sinne von §
77 Abs. 1 VwVG NRW i.V.. § 11 abs. 2 Satz 2 Nr. 7 KostO NRW gilt die Vorschrift des §
11 Abs. 2 Satz 1 KostO, wonach diese Auslagen vom Pflichtigen zu erstatten sind und
der Vollzugsbehörde bei der Anforderung solcher Auslagen im Grundsatz kein
Ermessen zusteht. Eine Ausnahme von der Pflicht zur Erhebung der Kosten ist jedoch in
§ 14 Abs. 2 KostO vorgesehen, wonach die Vollzugsbehörde von der Berechnung und
Beitreibung der Gebühren und Auslagen u.a. dann ganz oder teilweise absehen kann,
wenn nach Begleichung der Hauptschuld die Beitreibung der Kosten für den Schuldner
eine unbillige Härte bedeuten würde. Das ist bei dem Kläger jedoch nicht der Fall, mit
der Folge, dass der Beklagte das ihm durch § 14 Abs. 2 KostO NRW eröffnete
Ermessen nicht auszuüben brauchte. Nach den vom Kläger bis zum Erlass des
Widerspruchsbescheides geltend gemachten Gründen ist eine unbillige Härte seiner
Inanspruchnahme nicht festzustellen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er zwar nach
seinem Vortrag mündlich gegenüber dem Sachbearbeiter des Beklagten vor Erlass des
ersten Leistungsbescheides auf eine lange und irreversible Zerrüttung seines
Verhältnisses zum Vater aufmerksam gemacht und auch geschildert. Er hat diesen
Umstand jedoch später in den folgenden Widerspruchsverfahren nicht - auch nicht
andeutungsweise - erneut aufgegriffen. Er hat im Gegenteil, nachdem er sich im ersten
Widerspruchsschreiben allein darauf berufen hatte, er sei zivilrechtlich nach
Ausschlagung des Erbes nicht mehr verpflichtet, dem Leistungsbescheid
nachzukommen, im zweiten Widerspruchsschreiben - mit dem Festhalten an der
Annahme einer unbilligen Härte nicht in Einklang zu bringen - ausdrücklich erklärt, die
Voraussetzungen für eine Ersatzvornahme hätten deshalb nicht vorgelegen, weil er und
seine namentlich bekannten Geschwister, die auch verpflichtet gewesen seien, die
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Beerdigung vorzunehmen, keine Möglichkeit gehabt hätten, das Beerdigungsinstitut
selbst auszuwählen. Daran schloss sich noch der explizite Vorwurf an, die Stadt habe
es verabsäumt, ihm Termin der Beerdigung mitzuteilen. Wiewohl das Gericht keinen
Anlass hat, am Wahrheitsgehalt der Angaben in der Klageschrift zu zweifeln, der Vater
des Klägers habe zu Alkoholexzessen geneigt und sei auch gegenüber dem Kläger
gewalttätig geworden, ergibt sich jedoch aus dem materiellen Recht, dass als unbillige
Härte nur ein Sachverhalt gewertet werden kann, auf den der Betroffene sich schon im
Verwaltungsverfahren, d.h. bis zum Erlass des Widerspruchsverfahrens, berufen hat.
Umstände, die der Betroffene nicht als gravierend genug empfunden hat, um sie im
Verwaltungsverfahren als der Kostentragungspflicht entgegenstehend geltend zu
machen, begründen für sich auch keine unbillige Härte.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Mai 1996 - 19 A 4684/95 -.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.
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Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708
Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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