Urteil des VG Aachen vom 28.04.2004

VG Aachen: qualifikation, berufsausbildung, berufliche tätigkeit, berufliche erfahrung, abschlussprüfung, vorverfahren, kaufmann, berufserfahrung, meisterprüfung, vollstreckung

Verwaltungsgericht Aachen, 5 K 234/07
Datum:
28.04.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 234/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Die Zuziehung des Bevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren
wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund
des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der im Mai 1977 geborene Kläger studierte in der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis zum 30.
September 2005 Germanistik an der S. B. ohne Abschluss. Nach seinen Angaben ist er
seit dem 1. Februar 2001 in der Finanzdienstleistung gewerblich tätig.
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Am 23. März 2006 beantragte der Kläger die Förderung einer beruflichen
Aufstiegsfortbildung. Er beabsichtigte, in der Zeit von Januar 2006 bis November 2006
die Ausbildung zum "Fachberater für Finanzdienstleistung" bei der H. Q. AG & Co.KG
mit Sitz in C. zu absolvieren. In der Zeit von November 2006 bis September 2007 sollte
sich hieran die Ausbildung zum "Fachwirt für Finanzberatung" bei derselben Ausbilderin
anschließen. Für beide Ausbildungslehrgänge gab der Kläger ein gebuchtes
Stundenvolumen von jeweils 340 Stunden einschließlich jeweils 196 Präsenzstunden
an. An Lehrgangsgebühren fielen insgesamt 3.790,00 EUR an.
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Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 9. August 2006 ab. In der
Begründung hieß es, die Fortbildung zum Fachwirt für Finanzberatung erfülle nicht die
gesetzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz
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(AFBG). Die Fortbildungsmaßnahme des Klägers setze nicht eine abgeschlossene
Berufsausbildung voraus. Nach der vorgelegten Zulassungsbescheinigung der IHK L.
seien nur die Voraussetzungen für eine Zulassung zum Fachberater für
Finanzdienstleistung, nicht aber für den Fachwirt für Finanzberatung erfüllt. Auch fehle
es an der erforderlichen sechsjährigen Erwerbstätigkeit vor Beginn der Maßnahme.
Der Kläger erhob am 16. August 2006 Widerspruch und legte zugleich eine Bestätigung
der IHK L. des Inhalts vor, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Fortbildung zum
Fachwirt für Finanzberatung voraussichtlich erfüllen werde, weil bis zum Frühjahr 2007
eine entsprechende Berufspraxis vorliege. Der Kläger führte aus, er begehre die
Förderung einer Maßnahme in Teilzeitform bestehend aus zwei Maßnahmeabschnitten,
die eine Vorbereitung auf die eigenständige Fortbildung zum Fachberater für
Finanzdienstleistungen als Grundlagenteil und ergänzend als Vorbereitung auf die
Fachwirtprüfung als Vertiefungsteil beinhalte. Die gesamte Maßnahme umfasse 680
Unterrichtsstunden. Für das vom Kläger angestrebte Fortbildungsziel würden
bundesweit Schulungen angeboten. Die Beklagte könne nicht argumentieren, dass es
sich bei der Fortbildung zum Fachberater für Finanzdienstleistungen und bei derjenigen
zum Fachwirt für Finanzberatung um zwei isoliert zu betrachtende Fortbildungen
handele. Vielmehr stelle sich die Fortbildungsmaßnahme zwingend als einheitliche
Maßnahme mit dem Fortbildungsziel Fachwirt für Finanzberatung dar. Der Fachberater
sei nur ein Maßnahmeabschnitt zur Erreichung dieses Fortbildungsziels. Das Bestehen
der Fachberaterprüfung führe wegen der Deckungsgleichheit von Teilen der
Prüfungsinhalte zur Befreiung vom Grundlagenteil der Fachwirtprüfung. Es handele sich
insoweit um eine Fortbildungsmaßnahme aus mehreren Abschnitten im Sinne des § 6
Abs. 1 AFBG. Die Fortbildung zum Fachwirt sei durch die Möglichkeit der Abschichtung
der Prüfungsleistung durch Teilprüfungen vergleichbar mit der Meisterprüfung im
Handwerk. Die Meisterprüfung sei wie die Fachwirtprüfung in Abschnitte aufgeteilt. Die
Fortbildungsmaßnahme des Klägers erfülle auch die Voraussetzung des § 2 Abs. 3
AFBG. Sie umfasse nämlich die erforderliche Anzahl von Unterrichtsstunden.
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Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 8.
März 2007 mit der Begründung zurück, die Fortbildungsmaßnahme des Klägers sei
auch dann nicht förderungsfähig, wenn auf die weitergehende Qualifikation des
Fachwirts abgestellt werde. Der Kläger habe nämlich nicht die gesetzlichen
Zulassungsvoraussetzungen für diese Prüfung bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen
Antragstellung erfüllt.
6
Der Kläger hat am 14. März 2007 Klage erhoben. Er macht über sein Vorbringen im
Verwaltungsverfahren hinaus geltend, seine Fortbildung bestehe aus zwei
Maßnahmeabschnitten. Die kombinierte Fortbildung habe auch die gesetzlich
geforderte berufliche Qualifikation zur Voraussetzung. Die Fortbildung zum Fachwirt für
Finanzberatung setze u.a. nämlich eine mindestens sechsjährige Berufstätigkeit voraus.
Seinem Anspruch stehe auch nicht entgegen, dass er bisher noch nicht zur Prüfung zum
Finanzwirt zugelassen worden sei, weil er noch nicht den Mindestzeitraum
einschlägiger Berufstätigkeit erfüllt habe. Nach der Kommentierung zu § 9 Satz 3 AFBG
reiche es nämlich aus, wenn der Teilnehmer die Voraussetzungen für die Zulassung zur
Prüfung bis zum Abschluss des Vorbereitungslehrgangs erfüllt habe.
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Der Kläger beantragt,
8
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. August 2006 und des
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Widerspruchsbescheides vom 8. März 2007 zu verpflichten, dem Kläger
Aufstiegsfortbildungsförderung für seine Ausbildung zum Fachberater für
Finanzdienstleistungen und zum Fachwirt für Finanzberatung zu bewilligen, sowie
festzustellen, dass die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren
notwendig war.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie macht über ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden hinaus geltend, aus
dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG folge, dass die Teilnahme
an Fortbildungsmaßnahmen nur dann förderungsfähig sei, wenn diese eine berufliche
Qualifikation voraussetzten. Der Begriff der Fortbildungsmaßnahmen umfasse aber
auch die die Prüfung vorbereitende Fortbildungszeit. Dem Kläger werde die
Zulassungsvoraussetzung für die Fortbildungsmaßnahme "Fachwirt für Finanzberatung"
aber erst für das Frühjahr 2007 bescheinigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges ergänzend Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u ng s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
15
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 9. August 2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 8. März 2007 ist rechtmäßig, § 113 Abs. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Förderung seiner Fortbildungsmaßnahme gemäß §
2 AFBG. Seine Fortbildungsmaßnahme erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen
des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG.
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Das Gericht kann vor diesem Hintergrund offen lassen, ob es sich bei der von dem
Kläger durchgeführten Fortbildung zum Fachwirt für Finanzberatung um eine
Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 AFBG handelt, die aus zwei selbstständigen
Abschnitten im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 4 AFBG besteht, und die Maßnahme damit
zugleich aufgrund des zusammenzurechnenden Stundenvolumens für beide Abschnitte
die Fördervoraussetzungen nach § 2 Abs. 3 AFBG erfüllt. Denn hierauf kommt es nicht
mehr an.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG ist förderungsfähig die Teilnahme an solchen
Fortbildungsmaßnahmen, die einen Abschluss in einem nach § 25 des
Berufsbildungsgesetzes oder nach § 25 der Handwerksordnung anerkannten
Ausbildungsberuf, einen vergleichbaren bundes- oder landesrechtlich geregelten
Berufsabschluss oder einen sonstigen Nachweis über eine entsprechende berufliche
Qualifikation voraussetzen.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Maßgebliche Rechtsvorschriften für die
Fortbildungsmaßnahme des Klägers sind die "Besonderen Rechtsvorschriften für die
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IHK-Weiterbildungsprüfung Fachberater/Fachberaterin für Finanzdienstleistungen" und
die "Besonderen Rechtsvorschriften für die IHK- Weiterbildungsprüfung Fachwirt für
Finanzberatung/Fachwirtin für Finanzberatung" der IHK L. . Die Anwendung dieser
Bestimmungen ergibt sich aus der örtlichen Zuständigkeit der Industrie- und
Handelskammer zu L. für die Anmeldung des Klägers zur Fortbildung. Der Kläger hat
sich bei der IHK L. zur Prüfung angemeldet. Diese hat in der Anlage zum Formblatt B -
Bestätigung der Zulassungsvoraussetzungen - als die für die Abnahme der
Fortbildungsprüfung zulässige Stelle bestätigt, dass der Kläger die dort zu erfüllenden
Voraussetzungen für die Zulassung zur angestrebten Fortbildungsprüfung gemäß § 2
der Fortbildungsordnung voraussichtlich erfüllen wird. Außerdem hat der Kläger
inzwischen die Prüfungen zum Fachberater und Fachwirt bei der IHK L. abgelegt.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Rechtsvorschriften der IHK L. für die IHK-
Weiterbildungsprüfung Fachwirt für Finanzberatung/Fachwirtin für Finanzberatung ist
zur Prüfung "Fachwirt für Finanzberatung" zuzulassen, wer 1. eine mit Erfolg abgelegte
Abschlussprüfung zum Bankkaufmann, Versicherungskaufmann oder Kaufmann in der
Grundstücks- und Wohnungswirtschaft oder eine mit Erfolg abgelegte
Fortbildungsprüfung zum Fachberater für Finanzdienstleistungen und danach eine
mindestens zweijährige Berufspraxis oder 2. eine mit Erfolg abgelegte
Abschlussprüfung in einem sonstigen anerkannten kaufmännischen oder verwaltenden
Ausbildungsberuf und danach eine mindestens dreijährige Berufspraxis oder 3. eine
mindestens sechsjährige Berufspraxis nachweist.
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Zur Prüfung zum Fachberater für Finanzdienstleistungen ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der
Besonderen Rechtsvorschriften der IHK L. für die IHK-Weiterbildungsprüfung
Fachberater/Fachberaterin für Finanzdienstleistungen zuzulassen, wer 1. eine mit Erfolg
abgelegte Abschlussprüfung zum Bankkaufmann, Kaufmann in der Grundstücks- und
Wohnungswirtschaft oder Versicherungskaufmann und eine mindestens sechsmonatige
berufliche Praxis oder 2. eine mit Erfolg abgelegte Abschlussprüfung in einem sonstigen
anerkannten kaufmännischen oder verwaltenden Ausbildungsberuf und eine
mindestens zwölfmonatige berufliche Praxis oder 3. eine mit Erfolg abgelegte
Abschlussprüfung in einem sonstigen anerkannten Ausbildungsberuf oder einen
wirtschaftsbezogenen Schulabschluss und eine mindestens achtzehnmonatige
berufliche Praxis oder 4. eine mindestens vierjährige berufliche Praxis, davon 2 Jahre
im Bereich der Finanzdienstleistungen, nachweist.
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Danach ergibt sich, dass die Fortbildung zum Fachwirt für Finanzberatung auch
derjenige absolvieren kann, der über keinen anerkannten Ausbildungsberuf und auch
keine vergleichbare berufliche Qualifikation im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFBG
verfügt. Zugelassen wird nämlich u.a. derjenige, der die Prüfung zum Fachberater für
Finanzdienstleistungen erfolgreich abgelegt hat und zwei Jahre berufliche Praxis
nachweist. Zur Prüfung zum Fachberater für Finanzdienstleistungen wird aber bereits
derjenige Bewerber zugelassen, der (lediglich) einen wirtschaftsbezogenen
Schulabschluss und eine mindestens achzehnmonatige berufliche Praxis nachweist.
Damit wird u.a. derjenige zur Fachwirtprüfung zugelassen, der über keinen anerkannten
Ausbildungsberuf verfügt und lediglich dreieinhalb Jahre Berufspraxis nachweist.
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Ein wirtschaftsbezogener Schulabschluss ist nicht gleichzusetzen mit einem
Berufsabschluss und auch nicht mit einem solchen vergleichbar. Auf den
Schulabschluss folgt vielmehr erst eine (erste) Berufsausbildung. Ein
wirtschaftsbezogener Schulabschluss wird etwa an der sog. höheren Handelsschule
24
vermittelt. Hier erwerben die Schüler in einem zweijährigen Bildungsgang neben
beruflichen Kenntnissen die Fachhochschulreife (schulischer Teil), vgl § 1 Abs. 2 APO-
BK, § 2 Abs. 2 Anlage C.
Zu den Anforderungen an eine vergleichbare berufliche Qualifikation hat das
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
25
vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 2006 - 2 A 3597/05 -,
26
Folgendes ausgeführt:
27
"Eine berufliche Qualifikation entspricht aber nur dann einer Berufsausbildung nach §
25 BBiG, § 25 HandwO oder sonstigem Bundes- oder Landesrecht, wenn sie
Fähigkeiten vermittelt, die von ihrem Gewicht und Umfang her mit den Fähigkeiten
vergleichbar sind, die im Rahmen einer geordneten Berufsausbildung nach den
genannten Vorschriften verlangt werden. Nach dem in § 1 Abs. 2 BBiG normierten
allgemeinen Rechtsgrundsatz hat die Berufsausbildung eine breit angelegte berufliche
Grundbildung und die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit
notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten
Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen
Berufserfahrungen zu ermöglichen. Als Ausbildungszeit für einen solchen geordneten
Ausbildungsgang in den hier in erster Linie in Frage kommenden kaufmännischen
Berufen ist jeweils eine Zeit von drei Jahren vorgeschrieben .... Unter diesen
Voraussetzungen vermitteln diese Ausbildungen die zur Berufsausübung erforderlichen
Fähigkeiten und schließen mit einer Prüfung ab, in der der Erwerb ausreichender
fachlicher Fertigkeiten, Kenntnisse und Berufserfahrungen nachzuweisen sind ....
Hiervon ausgehend kann eine entsprechende berufliche Qualifikation ... erst dann
angenommen werden, wenn eine berufliche Tätigkeit sich auf einen Zeitraum erstreckt,
der den Erwerb der für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit
notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie der erforderlichen
Berufserfahrung gewährleistet."
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Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
29
Die Annahme einer "entsprechenden beruflichen Qualifikation" erfordert hiernach neben
- unter Umständen bereits schulisch angelegten - besonderen Kenntnissen substantielle
Fertigkeiten und erhebliche praktische Erfahrungen.
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Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2003 11 K 4588/01 -, juris.
31
Die Gesetzesbegründung zum AFBG nennt als Beispielsfall einer entsprechenden
beruflichen Qualifikation eine praktische Berufstätigkeit von entsprechender Dauer oder
eine Berufsausbildung im Ausland,
32
vgl. BT-Drs. 13/3698 s. 14.
33
Ein Anhaltspunkt für die Frage, ab welchem Zeitraum beruflicher Tätigkeit angenommen
werden kann, dass der Bewerber über die für die Ausübung einer qualifizierten
beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse und die
erforderliche Berufserfahrung verfügt, ist § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Besonderen
Rechtsvorschriften der IHK L. für die IHK-Weiterbildungsprüfung Fachwirt für
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Finanzberatung zu entnehmen. Dort wird eine mindestens sechsjährige Berufspraxis
verlangt. Auch die in § 45 Abs. 2 Satz 1 BBiG in der ab dem 1. April 2005 geltenden
Fassung zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers, dass zur
Ausbildungsabschlussprüfung auch zuzulassen ist, wer nachweist, dass er mindestens
das Eineinhalbfache der Zeit, die als Ausbildungszeit vorgeschrieben ist, in dem Beruf
tätig gewesen ist, in dem er die Prüfung ablegen will, zeigt, dass nach der Auffassung
des Gesetzgebers eine qualifizierte Berufsausbildung als Prüfungsvoraussetzung durch
eine entsprechende Berufstätigkeit nur dann ersetzt werden kann, wenn diese
Berufstätigkeit deutlich länger gedauert hat als der für die Ausbildung benötigte
Zeitraum.
Diesen Anforderungen werden die oben zitierten Zulassungsvoraussetzungen für die
Prüfung zum Fachwirt für Finanzberatung nicht gerecht. Ein (wirtschaftsbezogener)
Schulabschluss stellt auch in Verbindung mit einer dreieinhalbjährigen beruflichen
Praxis keine Qualifikation dar, die mit einer Berufsausbildung von in der Regel drei
Jahren oder einer Berufspraxis von sechs Jahren zu vergleichen ist. Eine derart kurze
berufliche Erfahrung, die gerade keiner Anleitung und Überprüfung wie bei einer
Ausbildung unterliegt, entspricht erkennbar nicht der Qualifikation, die im Rahmen einer
mehrjährigen Berufsausbildung, die zur eigenständigen Ausübung der Tätigkeit
befähigen soll, vermittelt wird.
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Vgl. VG Düsseldorf, a.a.O.
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Setzt die Maßnahme des Klägers aber nicht zwingend eine berufliche Qualifikation
voraus, so dient sie nicht der beruflichen Fortbildung. Sie baut nicht wie für eine solche
Fortbildung typisch auf ein festes Gerüst beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und
Erfahrungen auf, sondern kann für den Teilnehmer unter Umständen erstmals berufliche
Kenntnisse und Fertigkeiten - wie eine Berufsausbildung - vermitteln, d.h. ausbilden.
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Nach Vorstehendem kann offen bleiben, ob auch aufgrund der weit gefassten
Bestimmung des § 2 Abs. 2 der Besonderen Rechtsvorschriften der IHK L. für die IHK-
Weiterbildungsprüfung Fachwirt für Finanzberatung die Anforderungen des § 2 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AFBG nicht erfüllt sind. Hiernach kann abweichend von Absatz 1 zur
Prüfung auch zugelassen werden, wer durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere
Weise glaubhaft macht, dass er Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben hat,
die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigen. Damit wird der Prüfungsstelle - unter
Verzicht auf ein konkret umrissenes Anforderungsprofil - ein Entscheidungsspielraum für
die Zulassung von Bewerbern im Einzelfall eingeräumt. Ob die aufgrund dieser
Bestimmung erfolgte Zulassung eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine
entsprechende Qualifikation voraussetzte, dürfte aufgrund der weit gefassten
Zulassungsmöglichkeit nach § 2 Absatz 2 der Besonderen Rechtsvorschriften nicht
mehr feststellbar sein.
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Der Kläger kann schließlich nicht geltend machen, der Gesetzgeber habe ausweislich
der Begründung des Gesetzentwurfs zum AFBG beabsichtigt, gerade auch eine der hier
in Rede stehenden Ausbildung vergleichbare Ausbildung zum Fachwirt zu fördern.
Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ist dem Gesetzgeber jedenfalls die
Umsetzung dieser Absicht in die Gestalt des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes
nicht in vollem Umfang gelungen. Denn durch die Formulierung des
Tatbestandsmerkmals "entsprechende berufliche Qualifikation" in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 AFBG hat er die Förderungsfähigkeit einer Maßnahme an diese entsprechend hohe
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Anforderung geknüpft. Hieran sind sowohl die Beklagte als vollziehende Behörde als
auch das erkennende Gericht gebunden. Der zitierte eindeutige Wortlaut des fraglichen
Tatbestandsmerkmals lässt nicht eine Auslegung in dem Sinne zu, dass auch eine
solche Maßnahme zu fördern ist, deren Zulassungsvoraussetzungen nicht der
Qualifikation entsprechen, welche durch eine Berufsausbildung vermittelt wird.
Der Kläger kann sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung auch nicht auf ein
Sitzungsprotokoll des regelmäßig tagenden Gremiums der Obersten Bundes- und
Landesbehörden für Aufstiegsförderung (OBLAFBG) vom 26./27. April 2006 berufen.
Unabhängig von der Frage, inwieweit der von diesem Gremium vorgenommenen
Auslegung des Gesetzes eine Bindungswirkung für den vorliegenden Fall zukommen
könnte, gibt das Protokoll bereits inhaltlich nichts für die Rechtsauffassung des Klägers
her. So heißt es unter Ziffer 2. "Fortbildung zum Finanzfachwirt" u.a. lediglich, dass eine
Förderung möglich sei, wenn die Fortbildungsmaßnahme nach ihren
Zugangsvoraussetzungen das objektiv erforderliche Niveau des § 2 AFBG erfülle, was
in der Regel der Fall sei. Ob die Maßnahme dieses Niveau erfüllt, richtet sich aber nach
den jeweils einschlägigen Zulassungsbestimmungen der IHK. Dass es nach Auffassung
des genannten Gremiums gerade nicht ausreicht, wenn Personen ohne
abgeschlossene Berufsausbildung, die eine kurzzeitige Berufstätigkeit (2 bis 4 Jahre)
nachweisen, gleichwertig zugelassen werden, und damit die Maßnahme
"Erstausbildungscharakter" hat, ist dem Protokoll unter Ziffer 1. "Fortbildung zum
Fachberater..." zu entnehmen. Aufgrund dieser Ausführungen muss davon
ausgegangen werden, dass das OBLAFBG auch eine Förderung der Ausbildung zum
Finanzfachwirt nicht als förderungsfähig betrachtet, wenn auch hierzu schon zugelassen
wird, wer lediglich eine kurzzeitige Berufstätigkeit von dreieinhalb Jahren nachweist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung.
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Die Zuziehung des Bevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren war gemäß §
162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil es dem Kläger angesichts der
rechtlichen Schwierigkeiten des Falles nicht zuzumuten war, das Verfahren ohne
rechtlichen Beistand zu betreiben.
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