Urteil des VG Aachen vom 13.10.2004

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Verwaltungsgericht Aachen, 8 L 911/04
Datum:
13.10.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 L 911/04
Tenor:
1. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung seines Widerspruchs vom 17. August 2004 gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 14. Juli 2004 wird
abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 2.500,00 festgesetzt.
G r ü n d e:
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1. Der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17. Juli 2004 hat keinen Erfolg.
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Soweit sich der Antragsteller gegen die Versagung der Verlängerung seiner
Aufenthaltserlaubnis wendet, ist sein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar zulässig,
jedoch unbegründet. Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der
sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes und dem
Individualinteresse des Betroffenen an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung
überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners; die Ablehnung der Verlängerung
der Aufenthaltserlaubnis ist offensichtlich rechtmäßig.
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Der Antragsteller, der nach seinen Angaben beabsichtigt, als Artist erwerbstätig werden
zu wollen, hat keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 10
Abs. 1 und 2 des Ausländergesetzes (AuslG) i.V.m. § 5 Nr. 9 der
Arbeitsaufenthalteverordnung (AAV). Danach kann Künstlern und Artisten eine
Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der unselbständigen Erwerbstätigkeit erteilt werden.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis liegen nicht
vor, denn der Antagsteller ist nicht mehr als Artist beschäftigt. Er arbeitet seit November
2003 nicht mehr bei der Firma F. -D. in T. und er ist auch nicht bei einem anderem
Zirkus unter Vertrag. Soweit der Antragsteller eine mit "Engagementsvertrag"
überschriebene schriftliche Äußerung des Zirkus G. aus I. vom 20. August 2004
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vorgelegt hat, handelt es sich erkennbar um eine bloße Absichtserklärung, den
Antragsteller bis zum 31. Dezember 2004 einstellen zu wollen für den Fall, dass eine
Arbeitsgenehmigung erteilt wird. Die dem Antragsteller zuletzt erteilte
Arbeitsgenehmigung ist jedoch am 31. Dezember 2003 abgelaufen. Eine neue
Arbeitserlaubnis wurde bislang nicht erteilt. Der Antragsteller kann sich - bezogen auf
den maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis -
auch nicht auf ein europarechtliches Aufenthaltsrecht im Sinne der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs (EuGH),
vgl. Urteil vom 2. März 1999 - Rs. C-3416/96 (El-Yassini)- InfAuslR 1999, 218ff.
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berufen. Der EuGH hat zu der Vorschrift des Art. 40 Abs. 1 des
Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und
dem Königreich Marokko vom 26. April 1979 (KoopAbkEWG-MR) - jetzt Art. 64 des
Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den
Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedsstaaten und dem Königreich Marokko
(EMA) - entschieden, dass die Mitgliedstaaten die Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis trotz Wegfalls des ursprünglichen Grundes für die Gewährung des
Aufenthaltsrechts dann nicht versagen dürfen, wenn dem Betroffenen von dem
Aufnahmemitgliedstaat in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende
Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen worden sind. Dies sei dann der Fall,
wenn die dem Betroffenen vom Mitgliedstaat gewährte Aufenthaltserlaubnis kürzer als
die Arbeitserlaubnis wäre und der Mitgliedstaat vor Ablauf der Arbeitserlaubnis eine
Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt hätte, ohne dies mit Gründen des
Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich Gründen der
öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit rechtfertigen zu können. Der
Antragsteller war im Zeitpunkt des Ablaufs der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis
am 31. Dezember 2003 nicht im Besitz einer über diesen Zeitpunkt hinaus gültigen
Arbeitserlaubnis.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung vom 17. Juli 2004 enthaltenen
Abschiebungsandrohung ist ebenfalls zulässig, da nach der Regelung des § 80 Abs. 2
Satz 2 VwGO i.V.m. § 8 AGVwGO NRW der Widerspruch gegen die
Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
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Der Aussetzungsantrag ist jedoch auch unbegründet, weil bei der im
Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung
zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen
Verwaltungsaktes und dem Individualinteresse des Betroffenen an einem einstweiligen
Aufschub der Vollziehung vorliegend das Vollzugsinteresse des Antragsgegners
überwiegt; die Abschiebungsandrohung ist offensichtlich rechtmäßig.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach §§ 50 Abs. 1,
49 Abs. 1 AuslG sind gegeben. Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig, weil er
keine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung (mehr) besitzt und im Übrigen kein die
Vollziehbarkeit hemmender Tatbestand vorliegt, § 42 Abs. 1 und 2 AuslG. Die
Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ergibt sich aus der Regelung des § 42 Abs. 2 Satz 2
AuslG. Danach ist die Ausreisepflicht vollziehbar, wenn die Versagung der
Aufenthaltsgenehmigung vollziehbar ist. Dies ist vorliegend der Fall, weil dem
Widerspruch gegen die Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß §
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72 Abs. 1 AuslG keine aufschiebende Wirkung zukommt und sie auch im vorliegenden
Verfahren der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (s.o.) keinen Erfolg
hatten. Die gesetzte Ausreisefrist ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes in Höhe der Hälfte des
gesetzlichen Auffangwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes (GKG). Im Hinblick auf den einstweiligen Charakter des
vorliegenden Verfahrens erscheint das Antragsinteresse ausreichend und angemessen
berücksichtigt.
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