Urteil des VG Aachen vom 20.08.2009

VG Aachen (bbg, amt, verwendung, versetzung, kläger, verfügung, psychischer zustand, diabetes mellitus, tätigkeit, vorschrift)

Verwaltungsgericht Aachen, 1 K 1446/07
Datum:
20.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 1446/07
Tenor:
Der Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 19. November 2007 wird
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Der 59-jährige Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 30. November 2007 als Realschullehrer im Dienst des
Beklagten. Im Jahr 2006 war ihm wegen Störung eines geordneten Schulbetriebs und
Schulfriedens die Führung der Dienstgeschäfte verboten worden, wogegen er sich mit
gerichtlichen Verfahren (1 L 621/06 und 1 K 1654/06 - VG Aachen) zur Wehr gesetzt
hatte. Die Verfahren endeten nach seiner Versetzung von der Abendrealschule B. an
die Abendrealschule . Die hiergegen unter dem Aktenzeichen 1 K 456/07 - VG Aachen
erhobene Klage endete mit der streitgegenständlichen Versetzung in den Ruhestand.
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Auf der Grundlage eines amtsärztlichen Gutachtens vom 27. Juli 2007 hörte die
Bezirksregierung Köln den Kläger zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand
wegen Dienstunfähigkeit an. Der amtsärztlichen Einschätzung, wonach der Kläger
dienstunfähig war, lag ein nervenfachärztliches Gutachten der Ärztin für Neurologie und
Psychiatrie Dr. med. M.-L. I. vom 9. Juli 2007 zugrunde. Darin gelangte die Fachärztin
auf der Grundlage einer ausführlichen neurologischen, psychiatrischen sowie
testpsychologischen Untersuchung des Klägers zu der Beurteilung, dass unter
Berücksichtigung der gehäuften Vorfälle in der Schule sowie der somatischen
Einschränkungen durch schwer einstellbare Diabetes mellitus, labilem Hypertonus und
LWS-Prolaps eine Unterrichtstätigkeit von psychiatrischem Fachgebiet aus nicht mehr
möglich sei. Offensichtlich sei es zu einer Persönlichkeitsakzentuierung nach der
Ehescheidung mit gehäuften Konflikten am Arbeitsplatz gekommen, die ihren Ausdruck
in einem impulsiven und verbal aggressiven Verhalten Vorgesetzten und Schülern
gegenüber fänden. Der Kläger sehe keinen Anlass, sein Verhalten zu ändern, er neige
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zur Selbstüberschätzung mit der Folge eines zunehmenden Realitätsverlustes.
Psychotherapeutische Maßnahmen seien nicht Erfolg versprechend, da keine
Behandlungseinsicht bestehe. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Kläger für
eine Unterrichtstätigkeit dienstunfähig sei, für eine anderweitige Verwendung im
Landesdienst im unterrichtsfreien Bereich wie der Schulverwaltung bestehe dagegen
volle Dienstfähigkeit. Das amtsärztliche Gutachten folgte diesen Feststellungen ohne
Einschränkungen.
Der Kläger erhob Einwendungen, mit denen er die Richtigkeit der ärztlichen
Feststellungen in Zweifel zog.
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Mit Verfügung vom 19. November 2007 versetzte die Bezirksregierung Köln den Kläger
mit Ablauf des 30. November 2007 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Sie
führte aus, dass sein psychischer Zustand eine Unterrichtstätigkeit nicht mehr zulasse
und Dienstfähigkeit für eine andere Verwendung ebenfalls nicht vorliege.
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Der Kläger hat am 17. Dezember 2007 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er
die Ausführungen aus dem Anhörungsverfahren und beantragt,
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den Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 19. November 2007 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
9
Zur Begründung verweist er auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Streitakten der Verfahren 1 L 621/06, 1 K 1654/06 und 1 K 456/07
sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten verwiesen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig. Der vorherigen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens
bedurfte es nicht, weil der streitgegenständliche Verwaltungsakt, die Verfügung über die
Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, vom 19. November
2007 stammt, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 des Ausführungsgesetzes zur
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der ab 1. November 2007 geltenden Fassung
iVm § 179 a Satz 1 des Landesbeamtengesetzes in der bis zum 31. März 2009
geltenden Fassung (LBG a.F.).
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Die Klage ist auch begründet. Die Verfügung der Bezirksregierung Köln vom 19.
November 2007 über die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 30. November 2007 ist rechtswidrig und verletzt ihn in
seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage für diese Verfügung sind die Vorschriften der § 47 Abs. 1, 45 LBG a.F.
Hält hiernach der Dienstvorgesetzte nach Einholung ärztlicher Gutachten (§ 45 Abs. 2
Sätze 2 und 3 LBG a.F.) den Beamten für dienstunfähig, so teilt er dem Beamten unter
Angabe der Gründe mit, dass eine Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt sei. Der
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Beamte kann - wie hier geschehen - innerhalb eines Monats gegen die beabsichtigte
Maßnahme Einwendungen erheben. Wird die Dienstunfähigkeit festgestellt, so ist der
Beamte mit dem Ende des Monats, in dem ihm die Verfügung zugestellt worden ist, in
den Ruhestand zu versetzen, § 47 Abs. 2 Satz 3 LBG a.F. Dienstunfähig ist der Beamte,
wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur
Erfüllung seiner Dienstpflicht dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann
er auch dann angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb von sechs
Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass
er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird. Reicht die
Leistungsfähigkeit des Beamten für einen Teil der amtsangemessenen Dienstposten
aus, sind diese aber besetzt, so hängt die Dienstunfähigkeit von den personellen und
organisatorischen Gegebenheiten bei der Beschäftigungsbehörde ab. Der Beamte ist
weiterhin dienstfähig, wenn ein geeigneter Dienstposten entweder für ihn frei gemacht
oder durch organisatorische Änderungen eingerichtet werden kann.
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 73/08 -, juris
Rdnr. 15.
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Nach Maßgabe dieser Vorschriften war der Kläger im Zeitpunkt der
Zurruhesetzungsverfügung als Lehrer dienstunfähig in vorgenanntem Sinne. Hierfür
reicht es zwar nicht in jedem Fall aus, dass er die Aufgaben des von ihm
wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) nicht mehr
erfüllen kann. Denn Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem
Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der
Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingereichten Dienstposten, auf denen der Beamte
amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt die Dienstunfähigkeit voraus,
dass bei der Beschäftigungsbehörde keine Dienstposten zur Verfügung stehen, die dem
statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet
sind,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 73/08 -, a.a.O. Rdnr. 14.
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Nach der amtsärztlichen Feststellung, die derjenigen der Fachärztin für Neurologie und
Psychiatrie folgt, ist der Kläger für eine Unterrichtstätigkeit - und damit für sein Amt im
konkret-funktionellen Sinn - gesundheitlich nicht mehr geeignet. Diese Tätigkeit stellt
den Kernbereich des Dienstes eines Lehrers dar, und die gesundheitsbedingte
Unfähigkeit zur Unterrichtung von Schülern begründet demnach seine Dienstunfähigkeit
als Lehrer.
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Für eine anderweitige Verwendung ohne unterrichtliche Tätigkeit - und somit für die
Wahrnehmung seines Amts im abstrakt-funktionellen Sinn - besteht nach dem ärztlichen
Feststellungen indes noch uneingeschränkte Dienstfähigkeit. Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1
LBG a.F. soll von der Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn ihm ein anderes Amt derselben oder einer
anderen Laufbahn übertragen werden kann. In diesen Fällen ist die Übertragung eines
anderen Amtes ohne Zustimmung des Beamten zulässig, wenn das neue Amt zum
Bereich seines Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt
verbunden ist wie das bisherige Amt und zu erwarten ist, dass der Beamte den
gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt. Besitzt der Beamte nicht die
Befähigung für die andere Laufbahn, hat er an Maßnahmen für den Erwerb der neuen
Befähigung teilzunehmen. Dem Beamten kann zur Vermeidung seiner Versetzung in
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den Ruhestand unter Beibehaltung seines Amtes ohne seine Zustimmung auch eine
geringerwertige Tätigkeit innerhalb seiner Laufbahngruppe im Bereich seines
Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist
und dem Beamten die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung seiner
bisherigen Tätigkeit zuzumuten ist.
Die Formulierung der Vorschrift des § 45 Abs. 3 LBG a.F. als Sollvorschrift verlangt als
Rechtsfolge regelmäßig die Versetzung des betroffenen Beamten in ein Amt einer
anderen Laufbahn. Nur ausnahmsweise, wenn zwingende dienstliche Gründe
entgegenstehen, darf von der Ermöglichung eines Laufbahnwechsels Abstand
genommen werden.
21
vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 73/08 -, a.a.O. Rdnr. 26; OVG NRW,
Beschluss vom 24. September 2008 - 6 A 296/05 -, juris Rdnr. 66; Urteil der Kammer
vom 27. Mai 2009 - 1 K 872/08.
22
Somit darf der Kläger nur dann wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt
werden, wenn im Bereich seines Dienstherrn, des Landes Nordrhein-Westfalen, kein
Amt im abstrakt-funktionellen Sinne vorhanden oder in absehbarer Zeit besetzbar wäre,
das demjenigen eines Realschullehrers entspricht. Dabei ist nicht nur der
Geschäftsbereich des Dienstherrn in den Blick zu nehmen, dem der Kläger angehört,
sondern alle Bereiche der Landesverwaltung,
23
vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 73/08 -, a.a.O. Rdnr. 27; Beschluss vom
03.06.2009 - 2 B 91/08 -, juris Rdnr. 7.
24
Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung,
25
Urteil vom 26.03.2009 - 2 C 73/08 -, a. a. O.,
26
zu der gleich gelagerten Vorschrift des § 42 Abs. 3 BBG ausgeführt:
27
"...
28
20 § 42 Abs. 3 BBG ist Ausdruck des Grundsatzes "Weiterverwendung vor Versorgung".
Ein dienstunfähiger Beamter soll nur dann aus dem aktiven Dienst ausscheiden, wenn
er dort nicht mehr eingesetzt werden kann (BTDrucks 11/5372 S. 33; 13/3994 S. 33). Die
Vorschrift ist Teil der vielfältigen Bemühungen des Bundesgesetzgebers,
Pensionierungen vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze soweit wie möglich zu
vermeiden. Hierzu gehören auch die Weiterverwendung begrenzt dienstfähiger Beamter
nach § 42a BBG und die Reaktivierung von Ruhestandsbeamten nach § 45 BBG
(Urteile vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <310> = Buchholz
240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 2 und vom 13. August 2008 - BVerwG 2 C 41.07 - ZBR 2009,
93). Im Bereich des Versorgungsrechts sollen der Versorgungsabschlag gemäß § 14
Abs. 3 BeamtVG und die Anrechnung privatwirtschaftlichen Erwerbseinkommens auf
die Versorgungsbezüge Frühpensionierungen entgegenwirken (Urteile vom 19. Februar
2004 - BVerwG 2 C 12.03 - Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 7 und vom 27. Januar
2005 - BVerwG 2 C 39.03 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13).
29
21 Da § 42 Abs. 3 BBG an die Dienstunfähigkeit nach Absatz 1 anknüpft, kann
anderweitige Verwendung im Sinne der Vorschrift nur die Übertragung von
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Funktionsämtern (Amt im abstrakt-funktionellen und im konkret-funktionellen Sinne)
bedeuten, die nicht dem bisherigen statusrechtlichen Amt des dienstunfähigen Beamten
zugeordnet sind. Steht ein diesem Amt entsprechender anderer Dienstposten bei der
Beschäftigungsbehörde zur Verfügung, fehlt es bereits an der Dienstunfähigkeit im
Sinne von § 42 Abs. 1 BBG.
22 Als neue Funktionsämter, die dem Beamten ohne seine Zustimmung übertragen
werden können, kommen nach § 42 Abs. 3 Satz 2 BBG nur Ämter in Betracht, die einem
statusrechtlichen Amt mit mindestens demselben Endgrundgehalt zugeordnet sind wie
das bisherige statusrechtliche Amt des Beamten. Altes und neues Amt müssen die
gleiche Wertigkeit aufweisen, die durch die Zugehörigkeit zu derselben
Besoldungsgruppe zum Ausdruck kommt.
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23 Unter dieser Voraussetzung fordert § 42 Abs. 3 BBG einen horizontalen
Laufbahnwechsel innerhalb der jeweiligen Laufbahngruppe, um den Beamten im
aktiven Dienst zu halten. Dies ergibt sich aus Satz 1, wonach dem Beamten auch ein
Amt einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Der Bedeutungsgehalt des
Begriffs der anderen Laufbahn erschließt sich aus § 6 Abs. 2 und 3 der
Bundeslaufbahnverordnung - BLV - in der Fassung vom 2. Juli 2002 (BGBl I S. 2459,
berichtigt S. 2671). Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BLV sind Laufbahnen einander gleichwertig,
wenn sie zu derselben Laufbahngruppe gehören und die Befähigung für die neue
Laufbahn aufgrund der bisherigen Laufbahnbefähigung und Tätigkeit durch
Unterweisung erworben werden kann. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BLV ist in den Fällen des
§ 42 Abs. 3 BBG auch ein Wechsel in eine nicht gleichwertige Laufbahn zulässig, wenn
die Beamten erfolgreich in Aufgaben der neuen Laufbahn unterwiesen worden sind.
Satz 2 legt die Unterweisungszeit für die Laufbahngruppen fest; sie beträgt im mittleren
Dienst mindestens ein Jahr.
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24 Demzufolge ist eine anderweitige Verwendung im Sinne von § 42 Abs. 3 BBG bei
der bisherigen Beschäftigungsbehörde möglich, wenn dem Beamten dort gleichwertige
Funktionsämter einer anderen Laufbahn übertragen werden können. Ansonsten ist die
anderweitige Verwendung zwangsläufig mit einer Versetzung zu einer anderen Behörde
verbunden. Bei dieser muss dem Beamten ein neues statusrechtliches Amt gleicher
Wertigkeit verliehen werden, wenn er nicht auf einem Dienstposten eingesetzt wird, der
dem bisherigen statusrechtlichen Amt zugeordnet ist. Neue Funktionsämter, die nicht
dem bisherigen Amt im statusrechtlichen Sinne zugeordnet sind, können nur unter
Verleihung des entsprechenden Amtes im statusrechtlichen Sinne übertragen werden.
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25 3. § 42 Abs. 3 BBG begründet die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen
Verwendung zu suchen. Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel der Vorschrift,
dienstunfähige Beamte nach Möglichkeit im aktiven Dienst zu halten. Ohne gesetzliche
Suchpflicht könnte die Verwaltung über die Geltung des Grundsatzes
"Weiterverwendung vor Versorgung" nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit
entscheiden und autonom festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen
Kriterien sie sich um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit Wortlaut und
Zweck des Gesetzes unvereinbar.
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26 Der gesetzliche Vorrang der weiteren Dienstleistung vor der Frühpensionierung wird
durch den Wortlaut des Satzes 1 des § 42 Abs. 3 BBG verdeutlicht, wonach von der
Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden "soll". Soll-
Vorschriften gestatten Abweichungen von der gesetzlichen Regel nur in atypischen
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Ausnahmefällen, in denen das Festhalten an dieser Regel auch unter Berücksichtigung
des Willens des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt ist.
27 Die Suche nach einer § 42 Abs. 3 BBG entsprechenden anderweitigen Verwendung
ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Dies folgt aus
dem Wortlaut des Satzes 2 des § 42 Abs. 3 BBG, der die Übertragung eines anderen
Amtes für zulässig erklärt, wenn es zum Bereich desselben Dienstherrn gehört. Für
diesen Umfang der Suchpflicht spricht auch, dass den Beamten zur Vermeidung der
Frühpensionierung auch der Erwerb einer anderen Laufbahnbefähigung zur Pflicht
gemacht werden kann. Inhaltliche Vorgaben für eine Beschränkung der Suche auf
bestimmte Bereiche der Verwaltungsorganisation des Dienstherrn lassen sich aus § 42
Abs. 3 BBG nicht herleiten. Auch die amtlichen Gesetzesbegründungen enthalten
keinen Hinweis, dass eine Beschränkung gewollt ist (vgl. BTDrucks 11/5372 S. 33,
13/3994 S. 33).
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28 Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung muss sich auf Dienstposten
erstrecken, die in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind. Eine
Beschränkung auf aktuell freie Stellen ließe außer Acht, dass § 42 Abs. 3 BBG zur
Vermeidung von Frühpensionierungen auch die Weiterverwendung in Ämtern einer
anderen Laufbahn vorsieht. Die dafür erforderliche Laufbahnbefähigung kann der
Beamte gemäß § 6 Abs. 3 BLV erst nach einer längeren Unterweisungszeit erwerben,
die im mittleren Dienst mindestens ein Jahr beträgt. Sie gibt den zeitlichen Rahmen vor,
in dem sich eine Verwendungsmöglichkeit eröffnen muss.
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29 Dagegen begründet § 42 Abs. 3 BBG keine Verpflichtung des Dienstherrn,
personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine
Weiterverwendung zu ermöglichen. Es liegt im Organisationsermessen des Dienstherrn,
welche und wie viele Ämter im abstrakt-funktionellen und im konkret-funktionellen Sinn
er bei den Behörden einrichtet und aus welchen Gründen er diese Ämterstruktur ändert
(Urteil vom 23. September 2004 - BVerwG 2 C 27.03 - BVerwGE 122, 53 <56> =
Buchholz 239.1 § 36 BeamtVG Nr. 2 S. 3). § 42 Abs. 3 BBG enthält keine Anhaltspunkte
für eine Einschränkung dieses organisatorischen Gestaltungsspielraums. Hierfür hätte
der Bundesgesetzgeber die Voraussetzungen bestimmen müssen, unter denen
organisatorische Änderungen in Erwägung zu ziehen sind. Ebenso wenig ist der
Dienstherr verpflichtet, Dienstposten im Wege personeller Änderungen freizumachen.
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30 Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach
einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des §
42 Abs. 3 BBG beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem
Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in
aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht
aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat
(Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <108 f.> =
Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 33).
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..."
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Diese nach § 45 Abs. 3 LBG a.F. gebotene Suche nach einer anderweitigen
Verwendung des Klägers ist nicht erfolgt. Weder den Personalakten und
Verwaltungsvorgängen noch der angegriffenen Verfügung lassen sich Anhaltspunkt
dafür entnehmen, dass die Bezirksregierung Köln eine anderweitige Verwendung des
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Klägers auch nur erwogen hat. Als solche kommen Tätigkeiten in der Schulverwaltung
oder - ggfls. nach einer entsprechenden Schulung - der allgemeinen Verwaltung in
Betracht. Derartige Überlegungen sind aber nicht angestellt worden, wie die
Sitzungsvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Dabei vermag
die hierfür gelieferte Begründung einer Vielzahl von noch zu erwirtschaftenden kw-
Vermerken im Schul- und gesamten Landesdienst das Versäumnis der anderweitigen
Stellensuche nicht zu rechtfertigen. Ebenso wenig verfängt das Argument, eine
entsprechende Suche sei in der Praxis nicht möglich, jedenfalls aber zu
arbeitsaufwändig. Denn solche Zweckmäßigkeitserwägungen sind nach der zitierten
Rechtsprechung mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes ("Weiterverwendung vor
Versorgung") unvereinbar.
Somit ist die angegriffene Verfügung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO
aufzuheben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO iVm
§ 708 Nr. 11, 709 der Zivilprozessordnung.
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