Urteil des VG Aachen vom 17.01.2011

VG Aachen (anordnung, androhung, zwangsmittel, zwangsgeld, begründung, höhe, wohnung, verwaltungsgericht, antrag, festsetzung)

Verwaltungsgericht Aachen, 6 M 20/10
Datum:
17.01.2011
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 M 20/10
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Juli 2010 ordnete das Polizeipräsidium
Aachen gegenüber dem Antragsgegner für die Zeit vom 15. Juli bis zum 14. Oktober
2010 ein Aufenthaltsverbot betreffend den Innenstadtbereich und im Einzelnen genau
bezeichnete Ortsteile der Stadt B. an. Zur Begründung führte es aus, seit September
2009 seien gegen den Antragsgegner 21 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten wie
Bedrohung, Körperverletzung, Raub und Freiheitsberaubung eingeleitet worden, die er
im Stadtgebiet B. zum Nachteil seiner ehemaligen Lebensgefährtin begangen habe, die
dort ihren Lebensmittelpunkt habe. Außerdem habe er in der Vergangenheit mehrfach
gegen polizeiliche Auflagen, sich von der Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin
fernzuhalten, verstoßen. Das Aufenthaltsverbot diene der Verhinderung weiterer
vergleichbarer Straftaten.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. Oktober 2010 ordnete das Polizeipräsidium
Aachen entsprechend dem Bescheid vom 15. Juli 2010 gegenüber dem Antragsgegner
für die Zeit vom 20. Oktober bis zum 15. Dezember 2010 erneut ein Aufenthaltsverbot für
den gleichen Bereich im Stadtgebiet B. wie im Juli 2010 an und führte zur Begründung
aus: Inzwischen seien seit September 2009 gegen den Antragsgegner 23
Ermittlungsverfahren wegen Straftaten zum Nachteil seiner ehemaligen Lebensgefährtin
eingeleitet worden, die er im Stadtgebiet B. begangen habe.
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Beiden vorgenannten Aufenthaltsverboten hatte das Polizeipräsidium Aachen - neben
einem Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung von Ersatzzwangshaft durch das
Verwaltungsgericht bei Uneinbringlichkeit eines festgesetzten Zwangsgeldes und
einem Hinweis darauf, dass der Antragsgegner zur Durchsetzung des
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Aufenthaltsverbots auch in Gewahrsam genommen werden könne - jeweils die folgende
Zwangsmittelandrohung beigefügt:
"Entsprechend der Vorschriften der §§ 50, 51, 53, 56 PolG NRW drohe ich Ihnen für
jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Aufenthaltsverbot ein Zwangsgeld in Höhe
von 500,00 EUR an.
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Sofern Sie weiterhin gegen die Verbotsverfügung verstoßen, drohe ich Ihnen gemäß der
§§ 50, 51, 55 ff. PolG NRW die Anwendung unmittelbaren Zwanges zur sofortigen
Durchsetzung der Verfügung an."
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Am 9. September 2010 kam es zu einem Polizeieinsatz, weil der Antragsgegner in der
Filiale eines Discounters im Stadtgebiet B. einen Ladendiebstahl begangen hatte, den
er gegenüber den Polizeibeamten des eingesetzten Streifenwagens zugab. Die
Beamten, denen der Antragsgegner wie auch das ihm erteilte Aufenthaltsverbot bekannt
war, erteilten dem Antragsgegner einen Platzverweis, dem er nachkam. Für den Fall der
Nichteinhaltung des Aufenthaltsverbots drohten Sie ihm die Ingewahrsamnahme an.
Außerdem setzte das Polizeipräsidium Aachen wegen des Vorfalls am 9. September
2010 mit Bescheid vom 8. Oktober 2010 das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von
500,00 EUR gegen den Antragsgegner mit der Begründung fest, er habe durch seine
Anwesenheit im Stadtgebiet B. gegen das Aufenthaltsverbot vom 15. Juli 2010
verstoßen.
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Am Abend des 5. Oktober 2010 kam es in der Innenstadt der Stadt B. zu einem
Polizeieinsatz, nachdem eine Zeugin der Polizeileitstelle mitgeteilt hatte, ein Mann habe
im Bereich des B1.-parks eine Frau geschlagen. Die Beamten des eingesetzten
Streifenwagens vernahmen die Zeugin, die Geschädigte und den Antragsgegner, der
energisch bestritt, die Frau geschlagen zu haben. Da gegen den Antragsgegner ein
Aufenthaltsverbot bestand, verständigten die Beamten den Bereitschaftsrichter des
Amtsgerichts, der daraufhin anordnete, den Antragsgegner zu einer Anhörung zur
Wache in B. zu bringen. Nach Anhörung des Antragsgegners ordnete der
Bereitschaftsrichter die Ingewahrsamnahme des Antragsgegners bis 0.00 Uhr des
folgenden Tages an. Das Polizeipräsidium Aachen setzte wegen des Vorfalls am 5.
Oktober 2010 mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von
500,00 EUR gegen den Antragsgegner mit der Begründung fest, er habe durch seine
Anwesenheit im Stadtgebiet B. erneut gegen das Aufenthaltsverbot vom 15. Juli 2010
verstoßen.
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Am späten Abend des 30. Oktober 2010 kam es an der Wohnung der ehemaligen
Lebensgefährtin des Antragsgegners zu einem Polizeieinsatz, weil der Antragsgegner
versucht hatte, sich Zutritt zur Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin zu
verschaffen, was ihm aber nicht gelang. Damit hatte der Antragsgegner den Tatbestand
des § 4 GewSchG erfüllt, weil das Amtsgericht Aachen - Familiengericht - ihm mit
Beschluss vom 19. Juli 2010 - Az. - im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 214
Abs. 1 FamG für die Dauer von 6 Monaten u.a. verboten hatte, sich der Wohnung seiner
ehemaligen Lebensgefährtin weniger als 50 Meter zu nähern. Beim Eintreffen der
Polizei hatte der Antragsgegner das Haus, in dem seine ehemalige Lebensgefährtin
wohnt, bereits verlassen. Er wurde jedoch kurz darauf am Busbahnhof in B. von den
Beamten aufgegriffen und zur Verhinderung weiterer Straftaten und zur Durchsetzung
des Aufenthaltverbots gemäß § 35 PolG NRW in Gewahrsam genommen, den das
Amtsgericht Aachen für zulässig erklärte und dessen Fortdauer bis Mitternacht des auf
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den Tag der Festnahme folgenden Tages es genehmigte. Das Polizeipräsidium Aachen
setzte wegen dieses Vorfalls mit Bescheid vom 5. November 2010 ein weiteres
Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR gegen den Antragsgegner mit der Begründung
fest, er habe durch seine Anwesenheit im Stadtgebiet B. gegen das Aufenthaltsverbot
vom 20. Oktober 2010 verstoßen.
In der am 31. Oktober 2010 wegen einer Straftat des Antragsgegners nach § 4
GewSchG gefertigten Strafanzeige wird von dem Anzeige erstattenden Beamten darauf
hingewiesen, der Antragsgegners verstoße "in den letzten Wochen" vermehrt gegen
den Beschluss des Amtsgerichts Aachen - Familiengericht - vom 19. Juli 2010. In den
letzten Wochen habe er regelmäßig die Wohnörtlichkeit seiner ehemaligen
Lebensgefährtin aufgesucht. Des Weiteren halte er sich entgegen dem
Aufenthaltsverbot vom 20. Oktober 2010 fast täglich in B. auf und sei deshalb mehrfach
in Gewahrsam genommen worden.
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Mit Schreiben vom 19. November 2010 teilte die Bewährungshelferin des
Antragsgegners dem Polizeipräsidium Aachen mit nachvollziehbarer Begründung mit,
der Antragsgegner lebe mietfrei bei seinem Bruder und beziehe lediglich Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von monatlich 224,97 EUR; er sei -
auch wegen seines unsicheren aufenthaltsrechtlichen Status - auf absehbare Zeit nicht
in der Lage, die festgesetzten Zwangsgelder zu zahlen. Auch Ratenzahlungen seien
ihm nicht möglich.
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Mit Schriftsatz vom 24. November 2010, bei Gericht eingegangen am 25. November
2010, beantragte der Antragsteller sinngemäß,
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wegen Uneinbringlichkeit der mit Bescheiden vom 8. und 14. Oktober sowie 5.
November 2010 gegen den Antragsgegner bestandskräftig festgesetzten Zwangsgelder
in Höhe von jeweils 500,00 EUR Ersatzzwangshaft anzuordnen und zur Vollstreckung
der Ersatzzwangshaft Haftbefehl gegen diesen zu erlassen,
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und macht zur Begründung geltend: Die festgesetzten Zwangsgelder seien
uneinbringlich. Die Anordnung von Ersatzzwangshaft sei notwendig, damit der
Antragsgegner sein Verhalten ändere und in Zukunft das bestehende Aufenthaltsverbot
und etwaige weitere Aufenthaltsverbote nicht unbeachtet lasse. Auf Nachfrage des
Gerichts führt er außerdem aus: Die Anwendung unmittelbaren Zwanges sei ebenfalls
angedroht worden, um schriftlich klarzustellen, dass bei einem Verstoß gegen das
Aufenthaltsverbot nicht ausschließlich ein Zwangsgeld festgesetzt werden, sondern der
Antragsgegner auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs aus dem
Aufenthaltsbereich entfernt werden könne. Insoweit sei die in den Grundverwaltungs-
akten gewählte Formulierung nicht als echte Androhung, sondern eher als ein Hinweis
auf die Möglichkeit der Anwendung unmittelbaren Zwanges zu werten.
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Die Bewährungshelferin des Antragsgegners führt für ihn als Beistand im vorliegenden
Verfahren aus: Ihr Proband sei sehr einfach strukturiert und mit großer Sicherheit nicht in
der Lage gewesen, den Sinn der Androhung von Zwangsgeld zu erfassen. Ob es ihr
selber gelungen sei, ihm den Inhalt der Schreiben mit einfachen Worten näher zu
bringen, bleibe fraglich. Ein Strafgericht habe jetzt die Begutachtung des Probanden in
Auftrag gegeben. Es gehe um die Frage, ob er für sein Tun überhaupt verantwortlich
gemacht werden könne.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte
und des vom Antragsteller übersandten Verwaltungsvorgangs verwiesen.
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II.
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Der Antrag des Antragstellers hat keinen Erfolg.
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Die Anordnung einer Ersatzzwangshaft gegen den Antragsgegner wegen
Uneinbringlichkeit der drei gegen ihn festgesetzten Zwangsgelder darf nicht erfolgen,
weil keinem der - inzwischen insgesamt bestandskräftigen - Zwangsgelder eine
hinreichend bestimmte Zwangsgeldandrohung zugrunde liegt.
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Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW setzt die Anordnung von Ersatzzwangshaft voraus,
dass ein Zwangsgeld uneinbringlich ist und dass auf die Möglichkeit der
Ersatzzwangshaft bei Androhung des Zwangsgeldes oder nachträglich hingewiesen
worden ist. Da es sich bei der Anordnung der Ersatzzwangshaft um ein
unselbstständiges Zwangsmittel handelt, setzt ihr Erlass weiter voraus, dass die
Zwangsgeldfestsetzung unanfechtbar oder sofort vollziehbar und nicht nichtig ist.
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Die Ersatzzwangshaft beträgt mindestens einen Tag, höchstens zwei Wochen; ihre
Anordnung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts, das
insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und die persönlichen
Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen hat.
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Vgl. Kammerbeschluss vom 14. August 2006 - Az. 6 M 8/06 -, , Rdnrn. 12 bis 15,
m.w.N. Die Ersatzzwangshaft ist kein eigenständiges Zwangsmittel, sondern nur Ersatz
für das festgesetzte, aber uneinbringliche Zwangsgeld und ebenso wie dieses keine
Strafe, sondern ein Beugemittel.
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So zutreffend Rachor in Lisken/Denninger/Rachor, Handbuch des Polizeirechts, 4.
Auflage, Abschnitt F, Rdn. 944.
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Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht vor der Anordnung einer
Ersatzzwangshaft - nicht anders als die Verwaltungsbehörde vor der Festsetzung eines
Zwangsgeldes - zu prüfen, ob die Androhung des Zwangsgeldes, wegen dessen
Uneinbringlichkeit als Ersatz eine Ersatzzwangshaft angeordnet werden soll, ihren
Zweck im dreistufigen Vollstreckungsverfahren, dem Betroffenen die Konsequenzen
seines Verhaltens noch einmal vor Augen zu führen und ihn dadurch zum Einlenken zu
bewegen, erfüllen konnte. Konnte die Androhung des Zwangsgeldes diese
"Warnfunktion" z.B. wegen fehlender Bestimmtheit nicht erfüllen, darf das
Vollstreckungsverfahren wegen des Aufeinanderbezogenseins der verschiedenen
Stufen des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens selbst dann nicht auf der dritten Stufe
des Vollstreckungsverfahrens durch die Anordnung einer Ersatzzwangshaft fortgesetzt
werden, wenn die das Vollstreckungsverfahren einleitende Androhung des
Zwangsgeldes sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist, und auch unabhängig davon
nicht, ob eine mangelnde Bestimmtheit bereits zur Nichtigkeit der
Zwangsgeldandrohung oder (nur) zu deren Rechtswidrigkeit führt.
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Vgl. hierzu Kammerurteil vom 9. Mai 2006 - Az. 6 K 506/06 -, , Rdnrn. 27 ff.,
m.w.N.
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Davon ausgehend ist die Androhung eines Zwangsgeldes in den Bescheiden des
Polizeipräsidiums Aachen vom 15. Juli und 20. Oktober 2010 trotz der nachfolgenden
bestandskräftigen Festsetzung von drei Zwangsgeldern keine taugliche Grundlage für
die Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens im Wege der Anordnung einer
Ersatzzwangshaft. Die - in beiden Bescheiden wortgleich erfolgte - Androhung eines
Zwangsgeldes entspricht nämlich nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 56 Abs. 3 Satz 2
PolG NRW, der als Konkretisierung des allgemein in § 37 Abs. 1 VwVfG NRW
normierten Gebots der hinreichenden Bestimmtheit von Verwaltungsakten zu verstehen
ist.
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Die Unbestimmtheit der Zwangsgeldandrohungen folgt zwar nicht bereits daraus, dass
mehrere Zwangsmittel - ein Zwangsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die
Aufenthaltsverbote und die Anwendung unmittelbaren Zwanges zur sofortigen
Durchsetzung der Verfügungen - gleichzeitig angedroht worden sind. Dazu war das
Polizeipräsidium Aachen nach § 56 Abs. 3 Satz 1 PolG NRW befugt. Die gleichzeitige
Androhung mehrerer Zwangsmittel in den Bescheiden vom 15. Juli und 20. Oktober
2010 verstößt jedoch gegen § 56 Abs. 3 Satz 2 PolG NRW, weil nicht angegeben wird,
in welcher Reihenfolge die angedrohten Zwangsmittel angewandt werden sollen. Da
das Gesetz die Angabe der Reihenfolge verlangt, in der die Zwangsmittel angewandt
werden sollen, verbietet es die gleichzeitige Anwendung unterschiedlicher
Zwangsmittel ebenso wie einen Vorbehalt der Wahl zwischen mehreren Zwangsmitteln.
Der Vollstreckungsschuldner soll wissen, welches Zwangsmittel er in welchem Fall zu
erwarten hat. Nur durch einen in diesem Sinn eindeutigen Aussagegehalt erfüllt die
Zwangsmittelandrohung ihren Zweck, den Vollstreckungsschuldner auf die Folgen
seines Handelns hinzuweisen und dadurch zu warnen. Da die
Zwangsmittelandrohungen in den Bescheiden vom 15. Juli und 20. Oktober 2010 den
Antragsgegner gänzlich im Unklaren lassen, ob er bei Verstößen gegen die
Aufenthaltsverbote mit der Festsetzung eines Zwangsgeldes oder der Anwendung
unmittelbaren Zwanges zu rechnen hat, weil sie keine Aussage dazu enthalten, in
welcher Reihenfolge die angedrohten Zwangsmittel angewandt werden sollen, sind sie
dementsprechend jedenfalls in so erheblichem Maß rechtswidrig, dass sie als taugliche
Grundlage für die Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens im Wege der Anordnung
einer Ersatzzwangshaft ausscheiden.
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Der dagegen erhobene Einwand des Antragstellers, die in den Grundverwaltungsakten
gewählte Formulierung sei nicht als echte Androhung, sondern eher als ein Hinweis auf
die Möglichkeit (auch) der Anwendung unmittelbaren Zwanges zu werten, rechtfertigt
keine andere Bewertung. Denn bei einer Auslegung der in den
Zwangsmittelandrohungen gewählten Formulierungen entsprechend § 133 BGB kann
nicht zweifelhaft sein, dass auch die Anwendung unmittelbaren Zwanges angedroht
worden ist. Damit war es aber erforderlich, auch die Reihenfolge festzulegen, in der die
angedrohten Zwangsmittel angewandt werden sollten.
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Da der Antrag des Antragstellers somit ohnehin abzulehnen ist, kann offen bleiben, ob
der Festsetzung einer Ersatzzwangshaft gegen den Antragsgegner auch der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
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- vgl. hierzu Kammerbeschluss vom 14. August 2006 - Az. 6 M 8/06 -, a.a.O., Rdnrn. 21 f.
-
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entgegensteht, weil
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1. das Polizeipräsidium Aachen die Verstöße des Antragsgegners gegen die ihm
erteilten Aufenthaltsverbote am 9. September, am 5. Oktober und am 30. Oktober 2010
auf andere Weise als durch Vollstreckungsakte beendet hat - nämlich am 9. September
2010 durch die Erteilung eines Platzverweises, dem der Antragsgegner nachkam, am
30. Oktober 2010 durch die Ingewahrsamnahme des Antragsgegners, die das
Amtsgericht für zulässig erklärte und dessen Fortdauer bis Mitternacht des auf den Tag
der Festnahme folgenden Tages es genehmigte, sowie am 5. Oktober 2010 durch
Veranlassung der Anordnung der Ingewahrsamnahme des Antragsgegners durch das
Amtsgericht gemäß § 36 PolG NRW - und dadurch bereits vergleichbar intensiv wie
durch die nunmehr beantragte Anordnung einer Ersatzzwangshaft zur Durchsetzung der
Aufenthaltsverbote auf den Antragsgegner eingewirkt hat,
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vgl. hierzu Rachor, a.a.O., Abschnitt F, Rdn. 935, der in vergleichbaren Fällen das Mittel
des unmittelbaren Zwanges für vorrangig hält,
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und
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2. das bisherige Verhalten des Antragsgegners - der sich bislang insbesondere selbst
durch die Strafandrohung des § 4 GewSchG nicht davon abhalten lässt, sich der
Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin in immer dichteren Abständen wieder zu
nähern - die Annahme nahelegt, dass keine vernünftig begründbare Aussicht besteht,
dass eine Ersatzzwangshaft ihn bewegen wird, seine Weigerungshaltung aufzugeben
und einem Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Stadt B. nachzukommen, sodass der
Zweck der Anordnung der Ersatzzwangshaft auch durch deren Vollstreckung
voraussichtlich nicht erreicht werden könnte.
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vgl. zu Letzterem Kammerbeschluss vom 14. August 2006 - Az. 6 M 8/06 -, a.a.O.,
Rdnrn. 25 f.; Rachor, a.a.O., Abschnitt F, Rdn. 949.
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Aus dem gleichen Grund kann ebenso dahinstehen, ob der Antrag des Antragstellers
auch deshalb keinen Erfolg haben kann, weil der Antragsgegner - wie seine
Bewährungshelferin mit guten Gründen vorträgt - nicht schuldhaft gegen die
Aufenthaltsverbote verstoßen hat, weil ihm die dafür erforderliche Einsichtsfähigkeit
fehlt.
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Vgl. Engelhardt/App, VwVG ? VwZG, Kommentar, 8. Auflage, § 14 VwVG, Rdn. 6.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 des
Gerichtskostengesetzes (GKG) i. d. F. des KostRMoG vom 05. Mai 2004.
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