Urteil des VG Aachen vom 06.12.2010

VG Aachen (spielplatz, stand der technik, benutzung, anlage, kinderspielplatz, grundstück, öffentlich, verwaltungsgericht, höhe, funktion)

Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 2364/09
Datum:
06.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 2364/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks "S. " in V. . Das Grundstück liegt im
Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 104 "Wohnpark S1. V", der für die nähere
Umgebung ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Auf dem im städtischen Eigentum
stehenden Nachbargrundstück "B. /S. " ist ein Kinderspielplatz mit einer Fläche von 625
m² und mehreren Spielgeräten eingerichtet. Über zwei an den beiden Eingängen zu der
Spielanlage montierte Hinweisschilder wird auf die bis 20.00 Uhr beschränkte
Benutzungszeit und den auf Kinder unter vierzehn Jahren eingeschränkten Nutzerkreis
hingewiesen.
2
B. 21. Februar 2008 trat die Klägerin an die Beklagte mit einer schriftlichen Beschwerde
über die von der Benutzung des Spielplatzes ausgehenden Lärmemissionen heran. Sie
trug vor, ursprünglich sei auf dem Nachbargrundstück nur ein kleiner Spielplatz
beabsichtigt gewesen. Dem habe sie damals zugestimmt. Inzwischen habe sich der
Spielplatz aber zum größten Spielplatz der Stadt entwickelt. Ausgerechnet an der
engsten Stelle des Nachbargrundstücks, etwa in Höhe der Schlaf- und Wohnzimmer
ihres eigenen Hauses, sei dann auch noch ein Klettergerüst mit Rutsche und
Hängebrücke aufgestellt worden. Von der Benutzung der Spielgeräte gingen erhebliche
Lärmbelästigungen aus. Die Ruhezeiten würden nicht eingehalten. Inzwischen würde
sie von den Kindern und Jugendliche auch mit Steinen, Bällen und Flaschen beworfen.
Ihr Grundstück sei nicht mehr uneingeschränkt nutzbar.
3
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2008 und vom 28. Januar 2009 wies die Beklagte die
Klägerin darauf hin, dass diese vor Baubeginn bereits über die Einrichtung des
Spielplatzes unterrichtet gewesen sei. Der fragliche Bebauungsplan, der der Klägerin
bekannt gewesen sei, habe sogar eine Spielplatzfläche von 700 m² ausgewiesen. Ein
reiner Kleinkinderspielplatz sei nie geplant gewesen. Der Spielplatz habe vielmehr den
Bedürfnissen des Baugebiets entsprechen und im Rahmen der Daseinsvorsorge eine
wichtige Funktion zur Entwicklung von Kindern ausfüllen sollen. Deswegen seien auch
Spielgeräte sowohl für Kleinkinder als auch für Kinder bis vierzehn Jahre aufgebaut. Die
von der Benutzung dieses Spielplatzes ausgehenden Lärmbelästigungen seien
sozialadäquat und damit zumutbar. Ein Handlungsbedarf werde seitens der Beklagten
nicht gesehen.
4
Die Klägerin hat am 30. Dezember 2009 Klage erhoben, zu deren Begründung sie
ergänzend ausführt, der von der Benutzung des Spielplatzes ausgehende Lärm
überschreite das zumutbare Maß. Das Klettergerüst, das einen starken
Anziehungspunkt für Kinder und Jugendliche bilde, befinde sich nur etwa sechs Meter
von ihren Wohn- und Schlafzimmern entfernt. Im Sommer seien zeitweise bis zu zwei
Kindergartengruppen gleichzeitig auf dem Spielplatz. Im Sommer sei auch eine Nutzung
bis oft nach 21.00 Uhr und zudem häufig durch Kinder, die älter als vierzehn Jahre alt
seien, zu beobachten. Inzwischen sei es sogar so, dass von den Kindern Steine gegen
ihre Fenster geworfen würden und sie beleidigt werde. Die von der Beklagten
durchgeführten Kontrollen erwiesen sich vor diesem Hintergrund als vollkommen
unzureichend. Der Spielplatz sei im Übrigen überdimensioniert. Sein Einzugsbereich
gehe weit über das Baugebiet hinaus. Die Klägerin strebe nicht die Entfernung des
Spielplatzes an, sie wolle aber im Sinne eines gerechten Interessenausgleiches
erreichen, dass seitens der Beklagten geeignete Maßnahmen unternommen würden,
die die Beeinträchtigungen der Klägerin auf ein zumutbares Maß reduzierten.
5
Die Klägerin beantragt,
6
die Beklagte zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die von dem
Spielplatz "B. /S. " ausgehenden Lärmbelästigungen auf ein sozialverträgliches Maß zu
reduzieren.
7
Die Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages weist sie darauf hin, dass im
fraglichen Bebauungsplan das städtische Grundstück als "Grünfläche" mit der
Zweckbestimmung "Spielplatz" ausgewiesen sei. Der Grundstückskauf durch die
Klägerin sei erst nach dem Satzungsbeschluss erfolgt. Die Klägerin habe sich also
vorher informieren und gegebenenfalls von dem Kauf Abstand nehmen können.
Beschwerden würden bislang im Übrigen ausschließlich von der Klägerin und deren
Familie vorgetragen. Diese seien aber nicht berechtigt. Es sei weder beabsichtigt
gewesen noch bislang feststellbar, dass der Spielplatz aufgrund seiner Attraktivität und
Größe einen über das Wohngebiet hinausgehenden Einzugsbereich und ein die
üblichen Benutzerzahlen übersteigendes Nutzeraufkommen habe. Eine Entzerrung der
Nutzergruppen sei zudem dadurch erreicht worden, dass im Jahr 2003 eine Skater- und
Basketballanlage an dem in unmittelbarer Nähe bestehenden Schulzentrum eingerichtet
worden sei. Diese sei im August 2007 zusätzlich um einen Bolzplatz erweitert worden.
10
Insbesondere für Jugendliche sei diese Anlage daher bedeutend attraktiver als der
streitgegenständliche Kinderspielplatz. B. Eingang des Kinderspielplatzes werde auf
zwei Schildern auch auf die Benutzungszeit, die auf 20.00 Uhr begrenzt sei, und auf die
Benutzergruppe, die auf Kinder unter vierzehn Jahren eingeschränkt sei, ausdrücklich
hingewiesen. Die Beklagte führe überdies regelmäßige Kontrollen durch. Bislang hätten
keine das übliche Maß übersteigenden Regelverletzungen festgestellt werden können.
Sollten diese im Einzelfall vorgekommen sein, so seien diese nicht vorhersehbar und
daher nicht zu vermeiden. Insgesamt seien die Auswirkungen der Benutzung des
Spielplatzes als sozialadäquat und ortsüblich anzusehen und damit der Klägerin
zumutbar. Letztlich sei auch die Dimensionierung des Kinderspielplatzes nicht zu
beanstanden. Diese entspreche der hierzu ergangenen DIN.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Ordner und
1 Heft) Bezug genommen.
11
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
12
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
13
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet. Namentlich handelt es sich vorliegend
um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Die Klägerin wendet sich gegen die im Zuge
der Nutzung des im Streit stehenden städtischen Spielplatzes entstehenden
Immissionen. Diesbezügliche Abwehransprüche sind öffentlich-rechtlicher Natur, wenn
die abzuwehrende Beeinträchtigung dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Dies ist hier
zu bejahen, weil die Einwirkungen auf das Grundstück der Klägerin durch die Nutzung
einer gemeindlichen Anlage verursacht werden, welche die Beklagte im Rahmen ihres
Erschließungsauftrages als öffentliche Einrichtung zur sozialen Betreuung ihrer
Einwohner in einem öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhang
geschaffen und nicht zuletzt auch zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Kinder- und
Jugendpflege zur Verfügung gestellt hat.
14
Statthafte Klageart ist die allgemeine Leistungsklage, weil die Klägerin die Abwehr der
störenden Folgen einer schlicht-hoheitlich betriebenen Anlage erreichen will.
15
Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.
16
Die Klägerin hat nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass diese
geeignete Maßnahmen ergreift, um die von dem Spielplatz "B. /S. " (Spielanlage T. )
ausgehenden Lärmbelästigungen auf ein sozialverträgliches Maß zu reduzieren.
17
Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt der öffentlich-
rechtliche Abwehranspruch in Betracht, der sich aus einer analogen Anwendung der
das privatrechtliche Nachbarschaftsverhältnis regelnden §§ 906, 1004 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) im öffentlichen Recht ergibt,
18
vgl. zu weiteren Herleitungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs
aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG - und aus den
Grundrechten des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG:
19
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 77/87 -,
BVerwGE 81, 197 ff.
Die Voraussetzungen für den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch
liegen hier jedoch nicht vor.
20
Nach §§ 906 Abs. 1 Satz 1, 1004 Abs. 1 BGB kann ein Nachbar unter anderem
Geräusche, die die Benutzung seines Grundstücks nicht nur unwesentlich
beeinträchtigen, abwehren. Als Maßstab dafür, ob Geräuschimmissionen wesentlich
und deshalb nicht zu dulden sind, ist § 22 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) heranzuziehen,
21
vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 77.87 -, a.a.O.
22
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen -
um eine solche handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Kinderspielplatz als
sonstiger ortsfester Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG -,
23
vgl. allgemein zum Begriff der "ortsfesten Einrichtung": Jarass, Kommentar zum
BImSchG, 7. Auflage 2007, § 3 Rdnr. 69 ff.,
24
so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert
werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. § 3 Abs. 1 BImSchG definiert
schädliche Umwelteinwirkungen als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer
geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die
Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
25
Ob Immissionen als schädlich anzusehen sind, hängt von einer Vielzahl von Faktoren
ab. Die Schädlichkeit lässt sich nicht nach einem festen und einheitlichen Maßstab für
jegliche Art von Geräuschen bestimmen und ist weitgehend der tatrichterlichen Wertung
im Einzelfall vorbehalten. Insofern ist eine umfassende situationsbezogene Abwägung
aller Umstände des Einzelfalls und ein Ausgleich widerstrebender Interessen
vorzunehmen. Dabei sind die Wirkungen der Immissionen für die Betroffenen zu
berücksichtigen. Für die tatrichterliche Bewertung der Zumutbarkeit von Immissionen
können technische Regelwerke als "Orientierungshilfe" oder "grober Anhalt"
herangezogen werden. Eine schematische Anwendung bestimmter Mittelungs- oder
Grenzwerte ist jedoch unzulässig. Die normkonkretisierende Funktion der
Immissionsrichtwerte, eine interessengerechte, gleichmäßige Bewertung der
belästigenden Wirkung von Lärm zu ermöglichen und damit ein Höchstmaß an
Rechtssicherheit zu erreichen, kann die individuelle Würdigung gerade auch bei
Anlagen wie Spiel- oder Bolzplätzen, (Beach-)Volleyballanlagen, Skateranlagen oder
Basketballplätzen wegen ihrer Atypik und Vielgestaltigkeit nicht ersetzen,
26
vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juli 2003 - 4 B 16.03 -, , vom 17. Juli
2003 - 4 B 55.03 -, NJW 2003, 3360, und vom 11. Februar 2003 - 7 B 88.02 -, NVwZ
2003, 377.
27
Die tatrichterliche Wertung im Einzelfall richtet sich weiterhin insbesondere nach der
durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit
und Schutzbedürftigkeit; dabei sind wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale
Adäquanz und allgemeine Akzeptanz mitbestimmend. Ebenso ist zu berücksichtigen, ob
28
das Grundstück der Immissionsbetroffenen tatsächlich oder rechtlich vorbelastet ist. Alle
diese Umstände müssen im Sinne einer "Güterabwägung" in eine wertende
Gesamtbetrachtung einfließen,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 7 B 88.02 -, a.a.O., und Urteile vom 19.
Januar 1989 - 7 C 77.87 -, a.a.O., vom 24. April 1991 - 7 C 12.90 -, BVerwGE 88, 143 ff.,
sowie vom 30. April 1992 - 7 C 25.91 -, BVerwGE 90, 163, 165 f.; Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 16. November 2004 - 22 ZB 04.2269
-, NVwZ-RR 2005, 532; VGH Baden-Württemberg (VGH BW), Urteil vom 16. April 2002 -
10 S 2443/00 -, NVwZ-RR 2002, 643; Hessischer VGH (HessVGH), Urteil vom 30.
November 1999 - 2 UE 263/97 -, .
29
Mit Blick auf die Zumutbarkeit von von Kinderspielplätzen im Rahmen ihrer
bestimmungsgemäßen Nutzung ausgehenden Geräuschimmissionen ist in die
vorzunehmende wertende Gesamtbetrachtung namentlich einzustellen, dass
Kinderspielplätze in einem reinen und erst recht - wie hier - in einem allgemeinen
Wohngebiet grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig sind,
30
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5.88 -, NJW 1992, 1779.
31
Es kommt insofern auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt darauf an, ob die
Klägerin im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs über die spätere Ausgestaltung des
Spielplatzes vollumfänglich informiert war. Die Anlage des Spielplatzes ist ohne Zweifel
von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 104 gedeckt und planungsrechtlich
zulässig.
32
Zudem ist ein Kinderspielplatz eine für eine altersgemäße Entwicklung eines Kindes -
im Übrigen auch im öffentlichen Interesse - wünschenswerte, wenn nicht gar
erforderliche Einrichtung mit einer auf Kinder bis zu vierzehn Jahren zugeschnittenen
Ausstattung, um einem Kind einen von Beeinträchtigungen der Umwelt weitgehend
ungestörten Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und ihm unter anderem Gelegenheit zu
geben, sein Sozialverhalten im Spielen mit anderen Kindern zu trainieren,
33
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5.88 -, a.a.O., und Beschluss vom 11.
Februar 2003 - 7 B 88.02 -, a.a.O.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 6. März 2006 - 7 A 4591/04 -, und vom 11.
September 2003 - 10 A 2630/00 -, sowie Beschluss vom 5. Januar 2001 - 7 B 6/01 -, alle
; Verwaltungsgericht (VG) Aachen, Urteil vom 16. Juli 2007 - 6 K 921/06 -,
.
34
Der - unvermeidbare - Lärm spielender Kinder stellt vor diesem Hintergrund bei der
vorzunehmenden Gesamtbetrachtung regelmäßig keine immissionsschutzrechtlich
relevante Störung dar, so dass auch und gerade ein in einem Wohngebiet oder in der
Nähe eines Wohngebietes angelegter Kinderspielplatz im Rahmen seiner
bestimmungsgemäßen Nutzung unter Anwendung eines großzügigen Maßstabes von
den Nachbarn grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen ist,
35
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. August 2008 - 10 A 492/07 -, unter Hinweis auf das
Urteil des BVerwG vom 12. Dezember 1991, vom 25. Mai 2004 - 21 A 1849/03 - und
vom 2. August 2001 - 21 B 402/01 -, alle ; VG Aachen, Urteil vom 7. September
2009 - 6 K 1755/08 -, .
36
Gemessen hieran stellt sich der bestimmungsgemäße Betrieb des Kinderspielplatzes
"B. /S. " (Spielanlage T. ) für die Klägerin nicht als unzumutbar, sondern als
sozialadäquat dar. Die Kammer verkennt nicht, dass der Spielbetrieb auf einem
Spielplatz schon seiner Natur nach mit einer deutlich wahrnehmbaren Geräuschkulisse
verbunden ist, und zwar ausgehend sowohl von den spielenden Kindern (Schreien oder
Rufen) als auch von der Benutzung der Spielgeräte, hier konkret etwa durch das Laufen
auf der Hängebrücke, die bewegliche Holz- und Metallteile aufweist. Diese
unregelmäßig auftretenden Spielgeräusche sind zum Teil informationshaltig und für
einen außen stehenden Dritten in ihrem Auftreten und in den sporadischen
Geräuschspitzen nicht vorhersehbar. Aus diesen Gründen werden sie über die bloße,
bereits nicht unwesentliche Lautstärke hinaus als besonders störend und bei der
Nutzung eines Privatgrundstücks besonders belastend empfunden. Die Interessen- und
Güterabwägung ergibt jedoch, dass diese Geräuschemissionen in Bezug auf das
klägerische Grundstück die Zumutbarkeitsschwelle sowohl qualitativ als auch
quantitativ noch nicht überschreiten. Die Beschwerden der Klägerin beschreiben, soweit
sie den bestimmungsgemäßen Spielplatzbetrieb betreffen, vielmehr die Emissionen, die
regelmäßig von einem Kinderspielplatz ausgehen und - wie dargelegt - vom Nachbarn
grundsätzlich - bis hin zur der Grenze möglicher Gesundheitsbeeinträchtigungen - als
sozialadäquat hinzunehmen sind, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2004 - 21 A
1849/03 -, a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 21. Dezember 1994 - 22 B 93.2343 -,
; VG Aachen, Urteil vom 7. September 2009 - 6 K 1755/08 -, a.a.O.
37
Die Kammer merkt mit Blick auf die Beschwerden der Klägerin insoweit an, dass auch
die gelegentliche Nutzung des Spielplatzes durch Kindergartengruppen oder durch
Schulklassen, auch wenn mit ihr erfahrungsgemäß eine im Vergleich zum - weniger
intensiven - Normalbetrieb erhöhte Lärmemission einhergeht, dem
bestimmungsgemäßen Betrieb des Spielplatzes unterfällt.
38
Ebenfalls ist es aus Sicht der Kammer für einen gerechten Interessenausgleich nicht
erforderlich, dem Ruhebedürfnis der Klägerin durch eine Neugestaltung des
Spielplatzes mit Versetzung des in Höhe des klägerischen Grundstücks aufgestellten
Multifunktions-Spielgerätes ("Spielstadt Milano") zu entsprechen. Die Beklagte, die
hinsichtlich der Frage, ob und an welcher Stelle sie Kinderspielplätze errichtet, ebenso
grundsätzlich frei ist wie hinsichtlich der konkreten Ausstattung eines Spielplatzes mit
Spielgeräten,
39
vgl. bereits VG Aachen, Urteil vom 18. Februar 1987 - 3 K 709/86 -, m.w.N.,
40
hat insoweit in der mündlichen Verhandlung plausibel und nachvollziehbar ausgeführt,
dass der zur S. gelegene, vordere Teil des Spielplatzes zum einen als
Kleinkinderspielfläche benötigt werde und zum anderen eine Versetzung des für ältere
Kinder vorgesehenen Spielturmes im hinteren Bereich des städtischen
Spielplatzgrundstücks aufgrund der aus Sicherheitsgründen benötigten Fallflächen nicht
möglich sei. Dass schließlich die Interessen der Klägerin eine weitere Einschränkung
der Nutzungszeit oder des Benutzerkreises erfordern, haben ihre Beschwerden nicht
aufgezeigt.
41
Die Klägerin wehrt sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch weniger
gegen den bestimmungsgemäßen Betrieb des Spielplatzes als vielmehr gegen die
missbräuchliche Nutzung des Spielplatzes durch ältere Kinder, die Nutzung auch noch
42
nach 20.00 Uhr und schließlich gegen das Verhalten einiger Kinder, die sie und ihre
Familie beschimpft, beleidigt und mit Steinen beworfen haben sollen.
Damit beschreibt die Klägerin aber einen Missbrauchstatbestand, der regelmäßig nicht
geeignet ist, einen Spielplatzbetrieb als rechtswidrig erscheinen zu lassen. Für die aus
einer missbräuchlichen Nutzung resultierenden Beeinträchtigungen ist nicht die
Beklagte als Betreiberin des Spielplatzes verantwortlich, denn derartige Störungen sind
nicht auf eine von ihr gebilligte Nutzung der Einrichtung zurückzuführen. Insoweit wird
die Klägerin nicht durch die Beklagte, sondern ausschließlich durch den jeweiligen
Verursacher der Störung beeinträchtigt. Dem Betreiber einer solchen Anlage ist nämlich
regelmäßig nur das an Auswirkungen zuzurechnen, was durch deren Funktion als
Spielplatz bedingt wird. Er muss sich lediglich bei Hinzutreten besonderer Umstände
auch die durch zweckfremde Nutzungen verursachten Beeinträchtigungen zurechnen
lassen,
43
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. Oktober 2005 - 8 A 2622/04 -, vom 5. Januar 2001 -
7 B 6/01 -, und vom 27. Juni 2000 - 21 A 3025/99 -, sowie Urteil vom 2. März 1999 - 10 A
6491/96 -, alle ; HessVGH, Urteil vom 30. November 1999 - 2 UE 263/97 -, a.a.O.;
Niedersächsisches OVG (NdsOVG), Urteil vom 26. März 1996 - 6 L 5539/94 -, OVGE 46,
371; VG Aachen, Urteile vom 7. September 2009 - 6 K 1755/08 -, a.a.O., und vom 16.
Juli 2007 - 6 K 921/06 -, a.a.O.
44
Für eine Zurechnung zweckfremder Nutzungen reicht es nicht aus, dass die Anlage nur
"geeignet" ist, missbräuchlich genutzt zu werden. Öffentlichen Kinderspielplätzen ist wie
öffentlichen Grünanlagen dabei die Gefahr nicht bestimmungsgemäßer Nutzung im
Grundsatz immanent; die Gefahr gelegentlicher Missbräuche ist daher unvermeidbar.
Störungen solcher Art sind grundsätzlich polizeirechtlich oder ordnungsrechtlich zu
beseitigen,
45
vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1989 - 4 B 26.89 -, ; OVG NRW, Beschlüsse
vom 18. Mai 2009 - 10 E 289/09 -, , vom 19. August 2008 - 10 A 492/07 -, a.a.O.,
vom 5. Januar 2001 - 7 B 6/01 -, a.a.O., und vom 27. Juni 2000 - 21 A 3025/99 -, a.a.O.,
sowie Urteil vom 6. März 2006 - 7 A 4591/04 -, a.a.O.; NdsOVG, Beschluss vom 29. Juni
2006 - 9 LA 113/04 -, NVwZ 2006, 1199.
46
Der Betreiber einer öffentlichen Einrichtung oder nicht genehmigungsbedürftigen
Anlage ist ausnahmsweise für die durch den bestimmungswidrigen Gebrauch
verursachten erheblichen Belästigungen dann verantwortlich, wenn er durch die
Einrichtung einen besonderen Anreiz zum Missbrauch gegeben hat, wenn in dem
bestimmungswidrigen Verhalten eine mit der Einrichtung geschaffene besondere
Gefahrenlage zum Ausdruck kommt und der Fehlgebrauch sich damit bei einer
wertenden Betrachtungsweise als Folge der konkreten Standortentscheidung erweist
bzw. als Folge des Betriebs der Einrichtung anzusehen ist oder wenn er eine
Einrichtung geschaffen hat, bei der ein Missbrauch durch einen nicht zugelassenen
Personenkreis wie auch in der Art der Benutzung wahrscheinlich ist,
47
vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1989 - 4 B 26.89 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss
vom 27. Juni 2000 - 21 A 3025/99 -, a.a.O., und Urteil vom 6. März 2006 - 7 A 4591/04 -,
a.a.O.
48
Gemessen hieran ist der gegebenenfalls missbräuchliche Gebrauch des
49
streitgegenständlichen Spielplatzes der Beklagten nicht zurechenbar. Der mögliche
Missbrauch ist nämlich lediglich Folge der jedem Spielplatz immanenten Gefahrenlage,
von Jugendlichen gelegentlich als Treffpunkt genutzt zu werden. Er beruht nicht auch
auf einer mit seiner konkreten Lage verbundenen außergewöhnlichen Anziehungskraft.
Die Gestaltung des Spielplatzes bietet keinen besonderen Anreiz dafür, dass er häufiger
durch Jugendliche benutzt wird. Im Gegenteil hat die Beklagte eine Entzerrung der
Nutzergruppen dem Akteninhalt nach dadurch erreicht, dass im Jahr 2003 eine Skater-
und Basketballanlage an dem in unmittelbarer Nähe bestehenden Schulzentrum
eingerichtet worden und im August 2007 zusätzlich um einen Bolzplatz erweitert worden
ist. Diese Anlage ist nach den durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung
mitgeteilten Erfahrungen des städtischen Jugend- sowie des Ordnungsamtes für
Jugendliche deutlich attraktiver als der streitgegenständliche Kinderspielplatz. Die
Beschwerden der Klägerin haben nach den in der Akte dokumentierten und von der
Klägerin lediglich pauschal in Frage gestellten Kontrollen der Beklagten auch keine
Bestätigung gefunden (vgl. allein die für die Zeiträume vom 21. August 2009 bis 23.
Oktober 2009 und vom 11. April 2010 bis 10. November 2010 aktenkundig
dokumentierten, insgesamt 63 Kontrollgänge von Außendienstmitarbeitern der
Beklagten, die lediglich in einem Fall zu einer Beanstandung geführt haben).
Angesichts dessen kann die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf
eine mögliche missbräuchliche Nutzung des Spielplatzes stützen, weshalb die Klage im
Ergebnis insgesamt der Abweisung unterliegt.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Entscheidung über
ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus einer entsprechenden Anwendung des § 167
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
51